26.09.2013

"Sportlich macht es zurzeit weniger Spaß" - Interview mit Michael Welling

von Redaktion

Auch nach drei Jahren ist Michael Welling weiter optimistisch, dass der eingeschlagene Weg der richtige ist, auch wenn die Stimmung an der Hafenstraße gerade nicht die beste ist. Im Jawattdenn.de-Interview spricht der Vorstandsvorsitzende über die sportlichen Leistungen, Waldemar Wrobel, den Pachtvertrag und unvorhergesehene Geldeingänge.

Michael Welling

Jawattdenn.de:
Hallo Herr Welling, wie fühlt man sich als Präsident von Rot-Weiss nach Wasserschaden und sportlichem Fehlstart im Vergleich zu den Vorjahren?

Michael Welling:
Weiterhin sehr, sehr gut! Ich bin weiter glücklich, diese Aufgabe erfüllen zu dürfen. Natürlich macht es sportlich zurzeit etwas weniger Spaß, aber ich kann nicht klagen.

Jawattdenn.de:
Dann kommen wir direkt zum Sportlichen. Die Innenverteidigung ist eine der derzeitigen Baustellen. Hätte man aufgrund der bekannten Verletzungsanfälligkeit einiger Verteidiger nicht einen zusätzlichen Defensivmann verpflichten müssen? Man wusste doch, dass Maik Rodenberg und Michael Laletin die Vorbereitung nicht mitmachen können…

Michael Welling:
Das stimmt nicht. Die Verletzungsanfälligkeit ist das eine, über das man häufig etwas im Forum liest. Wo Laletin verletzungsanfällig ist, soll mir mal einer darstellen. Er hat erst eine Verletzung aus dem Spiel gegen die Blauen gehabt, ansonsten müsste ich sehr, sehr intensiv nachdenken, wann er schon mal verletzt gewesen ist in der letzten Saison. Von daher sage ich: Die Verletzungsanfälligkeit von „Lalle“ ist gleich Null. Bei Tommy Denker ist sie ebenso wie bei Kai Nakowitsch ebenfalls nicht gegeben. Wenn man so will, ist eine Form von Verletzungsanfälligkeit bei Vincent gegeben, der wegen muskulärer Probleme immer wieder seine Auszeiten nehmen muss, der aber in der Rückrunde konstant fit war.

Jawattdenn.de:
Bei Rodenberg ist die Verletzungsanfälligkeit gegeben, dass man sie bei seiner Verpflichtung in Kauf genommen hat, wurde ja auch offen kommuniziert…

Michael Welling:
…wobei man auch hier ein wenig differenzieren muss: Beim Maik war es ein Risiko, einen Mann seiner Qualität hätten wir ansonsten überhaupt nicht verpflichten können. Er hat dann auch tatsächlich sehr lange gebraucht, um seine Knieprobleme, die er ursprünglich hatte, in den Griff zu bekommen, hat die Rückrunde aber konstant auf hohem Niveau verletzungsfrei gespielt. Vorher hatte er auch Phasen, in denen er Fußball innerlich abgehakt hatte. Von daher ist Maik in der Tat ein Sonderfall, aber auch hier möchte ich relativieren: Zurzeit hat er eine Verletzung aus dem Spiel gegen Duisburg, wo er von hinten umgetreten wurde und das Syndesmoseband gerissen ist. Das ist eine normale Sportlerverletzung. Von daher: Verletzungsanfälligkeit ist ein weiter Begriff.

Richtig ist, dass wir zumindest beim Vincent und beim Maik wissen, dass wir mit beiden womöglich nicht über die ganze Saison kommen. Das ist so. Das haben wir sehenden Auges in Kauf genommen, weil wir fünf nominelle Innenverteidiger haben. Und jetzt bin ich wieder dort, wo ich anfangs sagte „stimmt nicht“: Wir haben von den Ärzten am Ende der letzten Saison die Prognose erhalten, dass „Lalle“ und Maik innerhalb der ersten beiden Vorbereitungswochen wieder dabei sein würden – das war unser Planungsstand und darauf beruhten unsere Entscheidungen bei der Kaderzusammenstellung.

Michael Welling bei der Verabschiedung von Lukas LenzJawattdenn.de:
Ok, nun hatten sie aber die gleichen positiven Innenverteidiger-Prognosen auch schon in den beiden vorherigen Jahren und anschließend negative Erfahrungen gemacht. Zudem haben wir mit Sebastian Jansen, bei dem sie vor zwei Jahren auch sehr optimistisch waren, nominell noch einen weiteren Verteidiger verloren. Trotzdem erscheint ihnen die Personaldecke in der Innenverteidigung nicht als zu dünn?

Michael Welling:
Nein, die Prognose war in den Vorjahren anders, weil nicht so eindeutig. Mit Blick auf dieses Jahr haben wir Kai dazubekommen, und er ist jetzt auch ein Jahr weiter…

Jawattdenn.de:
…hat aber scheinbar noch keine hinreichende Qualität, denn im Zweifel wurde Markus Heppke aufgestellt, der nach eigenen Aussagen und auch für alle offensichtlich in der Verteidigung nicht optimal funktioniert…

Michael Welling:
Trotzdem hat Kai – A-Jugendlicher Jungjahrgang in der Regionalliga – in der letzten Saison eine richtig gute Entwicklung durchgemacht. Wenn wir sagen, wir wollen auch junge Spieler entwickeln, dann wäre es aus unserer Sicht verkehrt, auch auf dieser Position auf einen fertigen Spieler als Backup zu setzen und die Spielmöglichkeiten von Kai weiter einzuschränken.

Jawattdenn.de:
Aber er hat ja bislang keine Spielmöglichkeit bekommen, sondern Heppke wurde aus der 6er-Position nach hinten gezogen…

Michael Welling:
Ich gebe zu, darüber kann man herrlich streiten, ob diese Entscheidung unserer sportlichen Leitung die einzig richtige ist. Dadurch, dass die 2. Mannschaft jetzt in der Oberliga spielt, gäbe es auch die Möglichkeit, auf die Innenverteidiger von dort zurückzugreifen. Deswegen hatten wir auch einen Pascal Thomas anfangs oben mit dabei, aber er hat sich leider auch verletzt. Also: Innenverteidiger bei Rot-Weiss Essen heißt fast schon sicher, man verletzt sich, auch ohne Verletzungsanfälligkeit. Er wäre auch eine Option gewesen.

Nur muss man auch sehen, warum ein Markus Heppke auf dieser Position auftauchte. Zu Beginn der Saison waren Kai Nakowitsch und Thomas Denker nicht fit, sie hatten Phasen der Vorbereitung verpasst, entsprechend körperlich noch nicht so weit. Dann ist noch die Frage: Wie sieht das Verteidigerpärchen aus? Ich glaube, wenn ein Kai Nakowitsch neben Vincent Wagner oder Maik Rodenberg spielt, dann ist das für ihn erst mal einfacher als neben Denker oder Laletin, die eher auf sich selbst fokussiert sind und den Innenverteidiger-Partner noch nicht so gut führen können. Den Einsatz von Markus Heppke als Innenverteidiger kann man wie gesagt extrem kritisch sehen, aber man muss auch bedenken, dass er als Innenverteidiger Jugendnationalspieler gewesen ist!

Jawattdenn.de:
Aber er fühlt sich auf dieser Position nicht wohl, kann man unter diesem Umstand Höchstleistung bringen?

Michael Welling:
Dass er sich auf dieser Position unwohl fühlt, ist klar. Dass er lieber auf der Sechs spielt, ist auch ok. Aber ich glaube, das Unwohlsein korreliert auch stark mit der eigenen Leistung und den Erfolgen. Hätten wir öfter gewonnen, wäre das anders gewesen. Auch im Allgemeinen wird ja gerne monokausal gedacht: „Wir verlieren mit Heppke als Innenverteidiger, der ist ja eigentlich ein 6er - das ist die Ursache!“ Ich sage weiterhin, von seiner Grundausbildung her hat er das Zeug für diese Position, denn auch wenn es nicht so aussieht: Markus ist – gemessen – einer unserer schnellsten Spieler neben Vincent Wagner. Mit Blick auf seine Erfahrung müsste er das also können. Und wegen seiner Fähigkeit für den Spielaufbau, die er als 6er mitbringt, und seiner Schnelligkeit sowie Ballsicherheit hatten wir uns erhofft, die fußballerische Komponente für den Spielaufbau von hinten heraus zu stärken. Es hat nicht gut geklappt, das ist unbestritten, aber ich würde diese Entscheidung nicht per se verdammen.

Jawattdenn.de:
Das war auch nicht die Intention der ursprünglichen Frage. Es geht eher darum: Wenn man schon aus den vergangenen beiden Jahren weiß, dass Heppke nicht die Qualität eines Rodenberg auf der Position hat und wenn man davon ausgehen muss, dass Rodenberg nicht die komplette Saison spielen kann, wäre es aufgrund des wohlgemerkt sehr ambitionierten Saisonziels nicht wichtig gewesen einen Mann zu verpflichten, den man jederzeit ins kalte Wasser werfen kann und der sich nicht wie Denker oder Nakowitsch erst mal auf sich selbst fixieren muss?

Michael Welling:
Angenommen, alle drei Topverteidiger wären zu Saisonbeginn fit gewesen, und wir hätten noch einen vierten gehabt und daneben noch Denker und Nakowitsch…

Jawattdenn.de:
… das klingt nach einem Luxusproblem, bei dem ein Ausfall von Rodenberg nicht so schwer ins Gewicht fallen würde…

Michael Welling:
Ja, aber wir hätten dann sechs Innenverteidiger für zwei Positionen, davon vier mit hoher Qualität. Man muss auch überlegen, ob das sinnvoll ist.

Jawattdenn.de:
Tommy Denker ist für die 2. Mannschaft sehr wichtig, und die A-Jugend hat zurzeit ihre Problemchen in der Liga und braucht nach dem Fehlstart Kai Nakowitsch vermutlich auch sehr dringend – es ist also nicht so, dass die beiden auf der Ersatzbank versauern und dem Verein nicht helfen würden…

Michael WellingMichael Welling:
Das nicht, aber es kommt noch dazu und darf bei alledem nicht vergessen werden: Bei uns ist das Geld im Gegensatz zu manch anderem Spitzenverein endlich. Wir stehen jedes Jahr bei der Kaderzusammenstellung unter einem Optimierungsproblem mit Nebenbedingungen. Wir müssen das vorhandene Budget verteilen, und wenn man in die eine Richtung – hier Innenverteidigung – etwas unternimmt bleibt immer weniger Geld für die andere Richtung, zum Beispiel Sturm. Wir haben uns hier entschieden, nicht noch einen Innenverteidiger mit einer Qualität von Rodenberg oder Wagner oder Laletin zu verpflichten, dafür aber andere Verpflichtungen zu tätigen. Das war unsere Entscheidung. Im Nachhinein kann man vielleicht sagen, das war nicht so gut. Aber mit dem Wissen von später die Entscheidungen von vorher zu beurteilen ist auch nicht sinnvoll. Ich glaube trotzdem weiterhin daran, dass Maik in dieser Saison noch viele Spiele machen wird. Aber mit Blick auf den bisherigen Saisonverlauf funktioniert die Verteidigung nicht so wie wir uns das gewünscht haben, da gibt es keine zwei Meinungen. Hinterher ist man immer schlauer.

Zudem, wenn ich darf, noch einen Satz zum „ambitionierten Saisonziel“. Ja, das ist ambitioniert. Aber wäre etwas anderes denn realistisch gewesen? Wir sind letztes Jahr mit nicht immer überzeugenden Leistungen Vierter geworden, aus der Truppe des letzten Jahres haben wir mit Kerim Avci nur einen Stammspieler abgeben müssen und haben bei den neu dazugewonnenen Spielern – erstmal – Qualität dazugewonnen. Also ist es doch klar, richtig und sinnvoll zu sagen, wir wollen besser sein als das Jahr zuvor, also Top 3. Das ist ambitioniert, aber realistisch mit dem Wissen und den Rahmenbedingungen von vor der Saison.

Jawattdenn.de:
Im Mittelfeld und im Sturm haben wir aber – mit Ausnahme von Damir Ivancicevic – keine sonderlich verletzungsanfälligen Spieler. Hier hat man sich vom lange verletzten Suat Tokat getrennt. Wie sieht intern der Prozess der Entscheidungsfindung für dieses Beispiel aus? Und aus welchen Gründen wurden z.B. Ivancicevic und Rodenberg gehalten, Tokat und Jansen aber abgegeben?

Michael Welling:
Beim Suat ist es so, dass er kurz vor der Sportinvalidität steht. Ich glaube, er ringt noch mit sich, ob er es noch mal versucht oder nicht. Deshalb war die Entscheidung irgendwann auch relativ klar. Beim Damir sieht die Lage etwas anders aus, er steht inzwischen wieder voll im Saft. Erstmals konnte er seit fast einem halben Jahr ohne Probleme trainieren und ist wieder bei den Spielen dabei. Zwar immer mal wieder mit kleinen Pausen, aber ohne Verletzungen. Die körperliche Situation ist also eine andere als beim Suat, und deshalb geben wir ihm noch mal die Gelegenheit sich zu beweisen und heranzukommen. Was die Entscheidungsfindung angeht: Das ist Aufgabe des Sportlichen Bereichs, also des Trainerteams und Damian Jamro. Sie überlegen relativ früh, wie der Kader für die kommende Saison aussehen könnte, mit wem man weitergeht, insbesondere bei auslaufenden Verträgen, welche Entwicklungspotenziale erhofft man sich, wie sieht die Gesamtkonstellation des Kaders aus, welches System möchte man spielen lassen?

Diese Überlegungen stehen an erster Stelle, bis es dann auch irgendwann eine finanzielle Frage wird. Diese Sachen fangen in der Winterpause an, dann werden viele Gespräche geführt und erste Entscheidungen getroffen oder Entwicklungen in der Rückrunde abgewartet. Dann gibt es natürlich Situationen, in denen Spieler ankommen und z.B. bis zum April eine klare Aussage wollen, dann müssen wir eine klare Aussage treffen, falls wir können. Andere Spieler können auch bis Juli warten – das ist also auch eine individuelle Geschichte. Aber in der Tat werden Entscheidungen im Team getroffen, wir sitzen regelmäßig zusammen. Und wenn ich von „wir“ rede, dann meine ich damit, dass ich zwar dabei sitze, aber es wäre vermessen, wenn ich einen Linksfuß oder Stürmer fordere. Ich höre zu und stelle Fragen, ich hinterfrage auch, aber eher im Sinne eines gemeinsamen Denkens. Ich bin keiner, der sportliche Urteile fällt, fällen will und fällen kann – das wäre vermessen. Wenn ich oben auf der Tribüne sitze, bin ich erst mal auch Fan und mache mir meine Gedanken, die sich manchmal als Schwachsinn entpuppen oder auch manchmal zutreffen, aber ich bin nicht derjenige, der die sportliche Kompetenz hat und auch nicht beansprucht. Damian Jamro hat im Team mit den anderen die sportliche Kompetenz.

Jawattdenn.de:
Was halten Sie von folgender These? Der Abgang von Kerim Avci konnte qualitativ bislang weder durch einen der Neuzugänge, noch durch das Kollektiv aufgefangen werden!

Michael Welling:
Die These ist gefährlich, weil viele Aspekte mitspielen. Fakt ist: Kerim gehörte in der letzten Saison, vor allem in der ersten Halbserie und nach dem Winter, zu den absolut herausragenden Spielern in dieser Liga. Seine überragende Qualität ist der Grund, weshalb er jetzt in der ersten türkischen Liga spielt für einen Verein, der sogar bereit war, für Kerim eine Ablöse zu zahlen. Wie ersetzt man ihn? Ich bin davon überzeugt, dass wir momentan nicht in der Lage sind, einen Spieler mit seiner Qualität zu verpflichten. Aus finanziellen Gründen sind wir dazu nicht in der Lage, das muss man ganz klar sagen. Entsprechend stellte sich diese Frage im Grunde gar nicht, ob wir eine klassische 10 mit seiner Qualität holen. Richtig ist, dass leider auch durch die Verletzung vom Cebio Soukou die angedachte Alternative mit dem angedachten System entfallen ist. Dieses kreative Potenzial haben wir bislang nicht kompensieren können, das zeigen die Ergebnisse und die Art, wie wir derzeit Fußball spielen.

Jawattdenn.de:
Neben der Kreativität fehlt uns durch den Abgang auch noch die Torgefahr aus der zweiten Reihe. Kevin Pires-Rodrigues versucht es zwar immer wieder mal mit Fernschüssen zum Erfolg zu kommen, aber da sieht man doch einen Qualitätsunterschied, oder?

Michael WellingMichael Welling:
Ja klar, das ist auch ein Thema. Kerim war zusammen mit Kevin Grund derjenige, der für Torgefahr aus dem Mittelfeld gesorgt hat, diese fehlt uns aktuell. Aktuell haben wir keinen Mittelfeldspieler, der aus dem Spiel heraus ein Tor gemacht hat. Das wird im Training auch explizit thematisiert und Übungen dazu werden angesetzt.

Jawattdenn.de:
War dieses Defizit schon frühzeitig absehbar, so dass man sich im Sommer um Alternativen bemühte, aber nicht bekommen hat?

Michael Welling:
Wir haben schon gehofft, dass wir den Abgang im Kollektiv auffangen können. Unter anderem dadurch, dass wir nun zwar weniger Torgefahr aus dem Mittelfeld haben, aber dafür mit einer unglaublich starken Kraft im Sturm ausgestattet sind. Marcel Platzek und Christian Knappmann haben zusammen in der vergangenen Saison über 30 Tore geschossen, dazu kommen Bene Koep und Konstantin Sawin, der im ersten Seniorenjahr bei uns direkt sieben Tore geschossen hat. Wir haben einen Kevin Grund, der zweistellig knipsen kann und auch einen Christoph Sauter, der zwar nicht in der vordersten Spitze spielt, aber auch torgefährlich ist. Trotzdem sind wir aktuell nicht zufrieden. Ich will zwar die aktuelle Situation nicht beschönigen, aber man muss auch mal jedes Spiel für sich betrachten, wie diese Situation überhaupt entstanden ist: Ich behaupte, wenige Nuancen hätten dazu führen können, dass wir heute über ganz andere Dinge reden würden. Hätte, hätte, Fahrradkette – ich weiß, das soll auch keine Entschuldigung sein, aber wir hätten gegen Köln sicher nicht verloren, wenn der zweite Elfmeter verwandelt worden wäre. Hätten wir das Spiel gegen Viktoria planmäßig spielen können, wären die Jungs auch anders in die Saison gekommen, da mache ich jede Wette. Dann kommen natürlich negative Spiralen wie beim Nachholspiel gegen Viktoria, wo du in Führung gehen konntest. Es wäre vieles anders gelaufen – ist es aber nicht. Wir spielen derzeit keinen guten Fußball, die erste Halbzeit gegen Uerdingen war grottenschlecht, da ist auch überhaupt nicht mehr versucht worden Fußball zu spielen. Dann kommt es zu den langen Bällen nach vorne in der Hoffnung, dass Knappmann irgendwie an den Ball kommt. Das ist auch definitiv nicht die Vorgabe des Trainers mit Langholz zu spielen.

Jawattdenn.de:
Kann man denn in solchen Situationen als Trainer von außen nicht einwirken?

Michael Welling:
Natürlich versucht man Einfluss zu nehmen, jederzeit. Aber es ist auch richtig schwer, wenn es einmal nicht läuft. Ich bin trotzdem davon überzeugt, dass die Mannschaft viel mehr kann als sie bislang gezeigt hat – sowohl ergebnistechnisch als auch fußballerisch. Natürlich denken die Spieler in solchen Phasen über viele Dinge nach, das ist völlig normal. Wir überlegen ständig, wo wir uns wie verbessern können. Ich war zuletzt auch häufiger beim Training als sonst und ich kann nur betonen: Die Jungs arbeiten und trainieren wirklich überragend! Ich sehe ein Training, das stimmungsmäßig, in der Intensität, in der Qualität und in der Interaktion zwischen Trainerteam und Mannschaft wirklich richtig, richtig gut ist! Ich gehe sogar so weit zu sagen, dass wir eine höhere Trainingsqualität haben als im letzten Jahr, weil wir auch eine andere Stimmung im Training haben durch mehr Typen, die auch pushen.

Jawattdenn.de:
Also trainiert auch ein Benedikt Koep, bei dem manche Trainingsexperten aus dem Forum eine lustlose Einstellung erkannt haben wollen, hochmotiviert mit?

Michael Welling:
Bene hat sich nie etwas zu Schulden kommen lassen, null! Er hat im Training etwas häufiger das Tor verfehlt hat als gewohnt, ja. Aber er hat sich definitiv nie etwas zu Schulden kommen lassen, was seinen Einsatzwillen angeht.

Jawattdenn.de:
Für das Tore schießen haben wir allerdings andere Spieler. Diese Qualität braucht man momentan von Benedikt Koep nicht. Es wurde jedoch während der Wechselgerüchte betont, dass Koep alles verkörpert, was Rot-Weiss Essen ausmacht, deshalb ist es überraschend, dass dieser Spieler kaum noch zum Zug kommt. Dazu kommen die Aussagen in Wiedenbrück, wo der Trainer ihn aufgrund einer Verletzung nicht aufstellte und Koep über die Presse verkündete, dass er von den Ärzten grünes Licht bekommen hat und gerne gespielt hätte. Ist zwischen Trainer und Spieler etwas vorgefallen?

Michael Welling:
Ich glaube nicht, dass zwischen den beiden irgendetwas ist und ich nehme das auch nicht so wahr. Das Verhältnis ist genauso, wie in der letzten Saison. Sicherlich kann man darüber diskutieren, ob Koep es nicht verdient hätte, öfter in der Startelf zu stehen, aber gerade das Spiel in Wiedenbrück stellt eine besondere Situation dar. Bene hatte unter der Woche drei Tage lang nicht trainieren können. Danach wurde er wieder gesund geschrieben und hat einmal mittrainiert. Deswegen ist seine Aussage richtig. Es war dann nicht nur die Frage, ob er spielt oder nicht, sondern auch, welcher Spieler, der das komplette Training absolviert hat, für ihn nicht im Kader steht. Der Kader hat eine hohe Qualität und die Spieler müssen sich in jedem Training für die Startelf anbieten. Wenn dann jemand drei Tage ausfällt ist das schon schwierig. Das entscheidet die sportliche Leitung. Maik Rodenberg und Tim Hermes können seit letztem Dienstag auch wieder voll mittrainieren. Aber sollen die beiden deswegen am nächsten Wochenende direkt mitspielen?

Jawattdenn.de:
Es gibt aber einen Unterschied zwischen einem halben Jahr und drei Tagen Ausfallzeit…

Michael Welling:
Das stimmt, das Prinzip ist aber das gleiche. Er war gegen Aachen auch spielbereit und kam rein, bekam dann Probleme und fiel einige Tage aus, war dann ärztlich wieder spielfähig aber aus Sicht der sportlichen Leitung noch nicht wieder so weit, im Kader zu stehen.

Jawattdenn.de:
Wie kommt dann allerdings so ein Interview zustande? Wurde dies intern nicht richtig kommuniziert oder war er angefressen? Prinzipiell mögen Sie es ja nicht, wenn man mit kritischen Dingen an die Presse geht, wie bei Dennis Lamczyk…

Michael Welling:
Da müssen wir zwei Dinge unterscheiden, denn das ist ein grundverschiedener Kontext. Man müsste sich Sorgen machen, wenn Benedikt Koep nicht angefressen wäre, wenn er nicht spielt. Wir haben 26 Leute, wenn einer dabei ist, der nicht spielen will, dann mache ich mir Sorgen.

Jawattdenn.de:
Wir sprechen hier aber nicht von irgendeinem Spieler, sondern von einem Leistungsträger der letzten Saison. Letztes Jahr hatten ihn kurze Ausfallzeiten keinen Platz im Kader gekostet.

Michael Welling:
Das kann sein, aber das war letztes Jahr. Wir hatten einen deutlich dünneren Kader mit deutlich weniger Qualität. Gegen Siegen haben wir nicht mit fünf oder sechs A-Jugendlichen gespielt, weil wir den Jungs eine Chance geben wollten, sondern es war der Situation geschuldet. Neben der gestiegenen Qualität im Kader haben wir im Offensivbereich bislang noch keine verletzungsbedingten Ausfälle gehabt. Die einzige Ausnahme ist Benedikt Koep. Die Situation ist heute also mit der letztjährigen nicht mehr vergleichbar.

Jawattdenn.de:
Man kann also sagen, dass dem Benedikt Koep zurzeit einfach ein Stückchen Trainingsglück bzw. –qualität für die Stammelf fehlt?

Michael Welling:
Bislang ist das so gewesen. Die Frage ist immer, für wen man sich entscheidet. Gleichzeitig entscheidet man sich dann auch immer gegen einen anderen. Hätte man Knappmann herausnehmen sollen? Da kann man drüber nachdenken, weil er nicht so laufstark wie Benedikt ist.

Jawattdenn.de:
Die Entscheidung muss ja nicht zwingend lauten: Knappmann oder Koep, denn Koep hat schon viele gute Spiele hinter den Spitzen gemacht. Da haben wir zurzeit auch eine Lücke.

Michael WellingMichael Welling:
Auf dieser Position, d.h. als Spielmacher, sehe ich persönlich Benedikt gar nicht, aber die Entscheidung muss ich auch nicht fällen.

Jawattdenn.de:
Abschließend kann man also festhalten: Es gibt keine atmosphärischen Störungen zwischen RWE und Koep oder dem Trainer Waldemar Wrobel und Koep?

Michael Welling:
Definitiv: Nein!

Jawattdenn.de:
Aber zwischen Ihnen und Dennis Lamczyk?

Michael Welling:
Zwischen Dennis Lamczyk und mir gibt es definitiv atmosphärische Störungen, deswegen ist das auch etwas anderes. Dass Benedikt der Presse gegenüber sagt, dass er spielfähig ist, ist vielleicht nicht geschickt, aber nicht schlimm. Es ist aber nicht so, dass er uns gegenüber A sagt und der Presse B. Die Jungs dürfen mit der Presse reden und sich positionieren, aber es geht darum, wie man intern miteinander umgeht. Das ist bei Dennis Lamczyk ganz anders, der an einem Tag zu uns kam und etwas formulierte und am nächsten Tag steht das komplette Gegenteil dessen in einem Interview in der Zeitung. Das ist nicht akzeptabel, denn da fühlt man sich verarscht.

Jawattdenn.de:
Die beiden Fälle werden gerne in einen Topf geworfen.

Michael Welling:
Es sind aber zwei völlig unterschiedliche Dinge und nicht einmal ein Äpfel-Birnen-Vergleich, sondern ein Äpfel-Koalabären-Vergleich. Bene hat formuliert, dass er wechseln und mehr Geld verdienen möchte. Beides ist sein gutes Recht. Das hat er auch uns gegenüber so gesagt, da waren wir immer klar und offen miteinander. Dass er mehr Geld will, finden wir nicht gut, denn ich finde es nie gut, wenn jemand mehr Geld haben will, da sitze ich auf dem Portemonnaie, aber es ist legitim! Er hat aber auch einen gültigen Vertrag, dessen Konditionen sich sogar zu dieser Saison verbessert haben – und den hat er nicht in geistiger Umnachtung unterschrieben.
Benedikt ist mit den Wechselabsichten an uns herangetreten und wir haben ihm zugesichert, dass wir ihm keine Steine in den Weg legen. Wir haben aber ebenfalls klargemacht, dass es nicht in unserem Sinne ist, wenn er innerhalb der Regionalliga wechselt. Dann geschah aber lange nichts, bis dieses kleine „Spaßangebot“ aus Uerdingen kam. Wir haben uns noch einmal zusammengesetzt und Benedikt hat sich schließlich dafür entschieden hier zu bleiben. Er hat sich auch danach nichts zuschulden kommen lassen, er ist aber natürlich nicht glücklich, dass er wenig spielt.

Jawattdenn.de:
Noch einmal zurück zu Kerim Avci: Wäre es nicht für den Verein wertvoller gewesen, wenn er das eine Jahr noch geblieben wäre und dann ablösefrei hätte gehen können, als der sechsstellige Betrag, den RWE als Ablöse erhalten hat?

Michael Welling:
Uns hat in diesem Punkt auch der Wunsch von Kerim Avci geleitet. Bereits im Winter gab es eine Anfrage für Avci, die wir allerdings ausgeschlagen haben. Diese Sache wurde von ihm und seinem Berater sehr transparent angegangen. Der Junge hatte jetzt die Möglichkeit mit seinem Hintergrund in der ersten türkischen Liga zu spielen. Er hat sich außerdem finanziell um den Faktor fünf verbessert. Prämien und Handgeld sind darin noch gar nicht eingerechnet. Es ging uns also darum, ihm diese Chance nicht zu verbauen, die er sich durch extrem gute Leistungen erarbeitet hat. Er hat immer alles für den Verein gegeben.

Die sportlich Verantwortlichen, die vor uns hier waren, haben ihm die Oberligatauglichkeit abgesprochen und wollten ihn abgeben. Nur Waldemar Wrobel, der ihn für einen überragenden Fußballer hielt, ist es zu verdanken, dass er hier geblieben ist und sich entwickelt hat. Daher stellte sich die Frage Ablöse oder Kerim gar nicht.

Gleichwohl haben wir uns über die Summe gefreut. Um die Relationen zu verdeutlichen: Mit der Ablösesumme können wir drei Spieler mit dem Gehalt von Kerim Avci ein ganzes Jahr verpflichten. Wegen der Ablöse von Kerim Avci war es uns möglich einen Benjamin Wingerter, Alex Langlitz, Christoph Sauter, Konstantin Fring, Marcel Platzek und Christian Knappmann zu verpflichten. Wir haben das Geld also nicht in einen Spieler investiert, sondern bei den Spielern, die wir geholt haben in eine auf dem Papier höhere Qualitätsstufe gegriffen.

Jawattdenn.de:
So eine Ablöse fließt ja nur einmal. Wie geht es dann im nächsten Jahr weiter, hofft man bis dahin neue Geldquellen generiert zu haben?

Michael Welling:
Keine Sorge, wir sind kaufmännisch schon ganz gut aufgestellt…

Michael WellingJawattdenn.de:
Wenn man aber jemanden aus der zentralen Position abgibt und sich die Neuzugänge anschaut – direkt ersetzt hat man den Avci aber nicht?

Michael Welling:
Wir haben keinen klassischen 10er verpflichtet, aber wie viele Spiele hat Kerim letzte Saison auf der 10 gespielt? Er war häufig hängender Stürmer, hat auch auf der 6 oder auf dem linken Flügel gespielt. Wir hatten überhaupt keinen klassischen Spielmacher. Kerim hat aufgrund seiner Qualität oftmals das Spiel gelenkt, aber auf anderen Positionen. Auch in diesem Jahr spielen wir kein System, in dem wir eine klassische 10 haben. In der Vorbereitung haben wir 4-3-3 gespielt, im letzten Jahr 4-2-3-1, beide Formationen sehen die klassische 10 nicht vor. Richtig ist – die Qualität vom Kerim fehlt uns, ist so!

Jawattdenn.de:
Eine klassische 10 haben jetzt die Sportfreunde Lotte verpflichtet und damit ein Ausrufezeichen gesetzt. Hat man bei RWE nie über Ali Bilgin nachgedacht?

Michael Welling:
Natürlich haben wir darüber nachgedacht, ihn zu verpflichten. Aber in dem Moment, in dem erstmals das Thema Geld aufkam, war die Sache durch. Wir wissen, was für ein Angebot er von den Sportfreunden Lotte hat und wissen um den Umstand der besonderen Beziehung zu Ramazan Yildirim, die auch eine wichtige Rolle gespielt hat. Wie Lotte das macht, weiß ich nicht, aber diese finanziellen Möglichkeiten haben wir nicht. Deshalb Glückwunsch an den Ali für diesen Vertrag und neidloser Glückwunsch an Lotte für einen solchen Spieler. Das Geld, was er in Lotte verdient, verdienen bei uns die zwei bestbezahlten Spieler zusammen.

Jawattdenn.de:
Dann haben wir noch Timo Brauer. Einem Forumsuser nach stand der Timo fast weinend vor dem Stadion, weil sie ihm keinen Vertrag angeboten haben…

Michael Welling:
Wenn alles stimmen würde, was der ein oder andere Forumsschreiber aus ganz, ganz sicherer Quelle hat, nämlich von der Oma ihrem Freund davon die Tante der Hund der sich immer mit dem Igel der Nachbarin trifft, wenn alles stimmen würde, dann gäbe es die Welt sicherlich in mehreren Dimensionen… Der Timo hat mir gestern noch einen SMS geschrieben (Doc Welling holt sein Handy raus und liest vor): „Hallo Herr Welling, wie geht´s ihnen? Ich wollte nur mal hören wie die Lage ist, weil ich nur aus der Ferne etwas mitbekomme. Hoffe, dass ihr am Wochenende wieder erfolgreich sein werdet. Ich drücke fest die Daumen! Liebe Grüße, Timo.“

Jawattdenn.de:
Das klingt nicht nach einer beleidigten Leberwurst…

Michael Welling:
Wirklich nicht. Timo ist gegangen, weil er sich a) finanziell exorbitant verbessert hat - und das ist völlig in Ordnung - und weil er sich b) sportlich verbessert hat. Er ist dann sportlich in Aachen nicht besonders gut hervorgetreten, was in Aachen im letzten Jahr aber auch schwer war, aber er sucht weiter den Weg in die 2. Liga. Genau das muss er auch tun. Er hat über Osnabrück nachgedacht, er hat über zwei Zweitligisten nachgedacht, schließlich ist er in Hamburg gelandet. Wenn man sich in die Lage von Timo versetzt: Was hätte es für seine Karriere bedeutet, wenn er nach diesem einem Jahr mit großen Plänen in Aachen zurück zu Rot-Weiss Essen gewechselt wäre? Er hätte den Stempel „Er funktioniert nur in Essen“ erhalten und würde sich womöglich nirgendwo mehr durchsetzen. Aus seiner Sicht wäre das jetzt der falsche Weg gewesen, davon bin ich überzeugt. Timo ist ein Riesentyp, ein so „geiler“ Junge, und ich hoffe für ihn, dass er seinen Traum Zweite Liga verwirklichen kann. Ich habe die folgende Verabredung mit ihm: Wenn wir in der Zweiten Liga spielen, dann kommt er zurück.

weiter zu Teil II


Im zweiten Teil des Interviews spricht Michael Welling über Waldemar Wrobel, den Pachtvertrag, den Wasserschaden und unerwartete Geldeingänge.