Interview mit Serkan Calik

veröffentlicht am 16.02.2007 um 19:20 Uhr

Vor dem Heimspiel gegen den 1. FC Köln stand Serkan Calik dem Jawattdenn.de-Team Rede und Antwort zu der aktuellen Situation rund um RWE und den Vorkommnissen in Jena.

Jawattdenn.de:
Beim letzten Auswärtsspiel in Jena gab es nach dem Schlusspfiff einige Szenen am Zaun, die für Gesprächsstoff sorgten. Du warst auch direkt beteiligt. Was war da los?

Serkan Calik:
Nach dem Spiel bin ich mit einigen Mannschaftskameraden zum Gästeblock gekommen, um mit den mitgereisten Fans zu sprechen. Hier kam es jedoch sofort zu Pöbeleien und Beleidigungen, nicht von allen Fans, sondern überwiegend aus der Mitte des Blocks. Es wurde Serkan Calikgeschimpft und gespuckt. Auch wurde versucht, aus dem Block bzw. durch den Zaun nach uns Spielern zu schlagen. Ich stand etwas vom Zaun weg und habe daher nichts abbekommen. Jedoch wurde der Denis Epstein ins Gesicht geschlagen. Daraufhin habe ich eine abwinkende Bewegung und den „Scheibenwischer“ gemacht und bin in die Kabine gegangen.

Auf der Rückfahrt bin ich mit Jürgen Grundheber nach Hause gefahren. Wir haben an einer Tankstelle angehalten, weil wir etwas essen und trinken wollten und sind dort zufällig auf einen Bus mit RWE-Fans getroffen. Hier wurde ich sofort wieder angesprochen, der ein oder andere dumme Spruch fiel, aber mit einer Person hab ich mich dann auch ganz vernünftig unterhalten. Er sagte, er sei als Fan wieder fast tausend Kilometer gefahren. Ich habe geantwortet: „Ja, ich weiß das, darum bin ich ja auch zu den Fans gekommen und habe mich an den Zaun gestellt, aber wenn man dann beschimpft, angespuckt und auch geschlagen wird, bringt das auch nichts.“ Der Michael J. (Anm. Der Redaktion: Mitarbeiter des Vereines, bekannt als „WB Krayer“) kam noch hinzu, auch drei Ordner waren bei der Unterhaltung dabei.
Auf dem Rückweg zum Auto kam noch eine andere Person auf mich zu, der Fan war jedoch stark angetrunken und wurde von seinen Freunden zurückgehalten. Mehr passierte dort nicht.

In solchen Phasen ist es im Fußball immer schwer für alle. Auch die Fans haben natürlich das Recht, ihren Unmut kundzutun und uns zu beschimpfen. Anspucken oder schlagen sollte allerdings nicht dazugehören. Natürlich habe auch ich mit der Geste zur Kurve falsch reagiert, und das tut mir auch leid. Ich entschuldige mich natürlich bei den mitgereisten Anhängern auch dafür.


Jawattdenn.de:
Aber gesagt hast du nichts? In Fankreisen ist von „Die können mich mal“ oder etwas Ähnlichem die Rede?

Serkan Calik:
Ich weiß es nicht mehr genau. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass das von den Fans jemand hätte verstehen können, denn zum einen hatte ich Abstand vom Zaun, zum anderen Serkan Calikbrüllten mich viele Fans ja auch laut an. Die Geste des Abwinkens wurde vielleicht so gedeutet. Mich haben schon viele Leute in den letzten Tagen darauf angesprochen, ob ich was gesagt hätte. Soweit ich das in Erinnerung habe, habe ich nichts derartiges gesagt. Lediglich die Geste kam von mir, und das tut mir im Nachhinein leid.


Jawattdenn.de:

Du bist nicht mit der Mannschaft zurückgefahren?

Serkan Calik:
Ja, das stimmt, ich bin mit Jürgen Grundheber und vier Ordnern nach Hause gefahren, weil ich in der Vorwoche an einem Magen-Darm-Virus laboriert habe und wir sicher gehen wollten, dass ich keinen aus der Mannschaft noch anstecke.


Jawattdenn.de:

Wie beurteilst du selber denn die aktuelle Situation?

Serkan Calik:
Ich verstehe den Ärger der Fans. Die fahren Woche für Woche zu unseren Spielen und wollen gerade in Jena bei einem Mitkonkurrenten ein gutes Spiel und einen Sieg sehen. Natürlich mussten wir in Jena gewinnen, aber wenn das dann nicht klappt, ist das natürlich frustrierend. Für die Mannschaft wie für die Fans.


Jawattdenn.de:

Serkan CalikGerade nach den Spielen gegen Jena und Augsburg wurden eure Leistung und Einsatzbereitschaft in Frage gestellt. Wie siehst du denn eure Leistung in den zurückliegenden Spielen?

Serkan Calik:
Gegen Augsburg haben wir uns keine Torchance erarbeitet und demnach auch keinen gefährlichen Schuss aufs Tor abgegeben. Auch in Jena haben wir die erste Halbzeit wieder völlig verpennt, in der zweiten dann Gas gegeben. Leider fehlt dann aber auch einfach manchmal das Glück, mal ein Tor zu erzielen. Wie eben in Jena, wo wir auch mehrere gute Torchancen in der zweiten Halbzeit hatten. Ein Beispiel war der Kopfball von Thomas Kläsener. Im Moment geht der Ball einfach nicht rein.


Jawattdenn.de:

Glaubt ihr denn noch an den Klassenerhalt?

Serkan Calik:
Wir haben noch 13 Spiele, alles ist noch möglich. Wir haben in dieser Woche viele Gespräche geführt, auch wir jüngeren Spieler mit den älteren, erfahreneren Spielern wie Stijn, die sich mit solchen Situationen auskennen. Und auch die sagen, dass von unten auch in so Phasen immer noch ein oder zwei Mannschaften rauskommen können. Ich persönlich sehe das genauso und aufgeben werden wir auf gar keinen Fall. Wir glauben an unsere Chance, in den verbleibenden 13 Spielen den Klassenerhalt zu schaffen.


Jawattdenn.de:

Wie ist denn die Stimmung derzeit im Team?

Serkan Calik:
Die Stimmung im Team ist okay, es gibt keinen Streit oder so etwas untereinander. Auch gibt Serkan Calikes keinen, der nicht 100 Prozent gibt. Wir haben die Woche über viel gesprochen, mit dem Trainer, aber auch in der Mannschaft. Wir müssen eben auch aus dem Jena-Spiel das Positive für das Spiel gehen Köln herausziehen.


Jawattdenn.de:

Was erwartest du vom Köln-Spiel, und was können die Fans erwarten?

Serkan Calik:
Viele haben uns doch schon abgeschrieben und meinen, wir sind schon abgestiegen, sowohl in Essen als auch woanders. Das heißt eigentlich für uns, dass wir keinen großen Druck mehr haben. Der FC dagegen muss bei uns gewinnen. Wir können nur überraschen, daher freue ich mich sehr auf dieses Spiel.


Jawattdenn.de:

Wie beurteilst du persönlich den Trainerwechsel und was bewirkt Lorenz-Günter Köstner im Team?

Serkan Calik:
Er kam im November zu uns. Wir sind alle den Weg gegangen, den er vorgegeben hat. Jeder hat 100 Prozent gegeben. Er trainiert anders, als es Uwe Neuhaus getan hat.
Wir fühlen uns jetzt körperlich fitter. Meiner Meinung nach kann man dem Trainer nichts vorwerfen, denn wir Spieler stehen auf dem Platz. Er gibt den Weg vor, und wir müssen das dann auch durchziehen. Ich persönlich habe natürlich von Köstner sehr profitiert. Vor dem Trainerwechsel hatte ich nur ein paar Kurzeinsätze, jetzt spiele ich von Anfang an.


Jawattdenn.de:

Wie siehst du als Stürmer die Taktikänderung mit zwei „6ern“?

Serkan Calik:
Da ich ja unter Uwe Neuhaus kaum gespielt habe, kann ich zum Unterschied nicht viel sagen. Bei so einer defensiven Ausrichtung müssen die 6er eben viel laufen und meist fehlen dann zum Sturm noch immer ein paar Meter. Das macht es nicht unbedingt einfacher für uns vorne. Aber ich habe kein Problem mit dem Spielsystem.


Jawattdenn.de:

Wie siehst du deine weitere Zukunft?

Serkan Calik:
(Serkan schmunzelt) Das muss ich erstmal abwarten. Im Moment hat der Klassenerhalt absolute Priorität für mich.


Jawattdenn.de:

Liegen denn Angebote, z.B. aus der Türkei, vor?

Serkan Calik:
Serkan CalikEs waren schon Angebote da, und es kamen auch Anrufe, sowohl aus der Türkei als auch aus Deutschland, am Ende der Hinrunde von 3-4 Vereinen. Aber ich hab mich da im Moment noch nicht mit befasst, für mich ist wichtig, dass wir in der 2. Liga bleiben.


Jawattdenn.de:

Verlässt du denn im Falle des Abstieges RWE?

Serkan Calik:
Es könnte in Frage kommen, aber es steht wirklich noch gar nichts fest.


Jawattdenn.de:

Wie hast du denn die Entwicklung vom Jugendspieler über deine Jokerrolle zum Stammspieler und U21-Nationalspieler erlebt?

Serkan Calik:
Es ging schon sehr schnell. Ich war ja schon als A-Jugend-Spieler die letzten drei Spiele der letzten Zweitliga-Saison im Profikader. Dann hatte ich in der Regionalliga-Saison viele Kurzeinsätze. Das ist manchmal nicht einfach. Du willst gerade als junger Spieler selbst auch mal spielen und sitzt dann oft nur auf der Bank. Da habe ich auch mal über einen Vereinswechsel nachgedacht. Aber ich hab dann mit Baris Özbek viel gearbeitet, oft auch nach den regulären Trainingseinheiten noch, und seit Köstner da ist, habe ich ja meine Chance bekommen. Teileweise habe ich sie mit ein paar guten Spielen auch genutzt. Dann kam auch die Nominierung zur Nationalelf mit Baris gegen Italien, das war natürlich toll.
Das ging schon sehr schnell, aber man muss eben auch konstant sein Niveau halten. Man darf da nicht denken, man hat schon alles erreicht. U20-Nationalspieler zu sein ist natürlich gut, aber das reicht mir noch nicht, ich arbeite weiter. Mein großer Wunsch ist es mal, Bundesliga zu spielen.


Jawattdenn.de:

Wieso seid ihr früher aus dem Trainingslager zurückgekehrt?

Serkan Calik:
Wir wollten einfach noch ein Testspiel machen, jedoch sagte der letzte Gegner kurzfristig ab, Serkan Calikund es fand sich auf Zypern kurzfristig kein Gegner mehr. Daher sind wir früher zurückgekommen, um hier noch gegen Bocholt spielen zu können.


Jawattdenn.de:

Wie beurteilst du die Neuverpflichtungen zur Winterpause?

Serkan Calik:
Alle drei sind in ihren ehemaligen Vereinen keine Stammspieler gewesen, daher kann man von ihnen keine Wunder erwarten, aber es sind schon Verstärkungen. Positiv aufgenommen wurden sie auf jeden Fall.


Jawattdenn.de:

In der Hinrunde gab es mal die Aussage, dass das Wort Abstieg in der Kabine nicht benutzt wird. Ist das immer noch so?

Serkan Calik:
Wir glauben weiter fest an den Klassenerhalt. Wir haben noch Chancen. Wir sind auch nicht zu schlecht für die zweite Liga. Uns fehlt auch einfach ein bisschen Glück. Wenn man nach so einer Negativserie mal wieder gewinnt, dann gibt das auch Selbstvertrauen, wie bei Offenbach in der Hinrunde. Man versucht wie in Jena in der zweiten Hälfte alles, und es klappt einfach nicht. Wir gewinnen Testspiele, aber es muss jetzt auch endlich mal wieder ein Erfolg in der Liga her. Gegen Köln wäre genau die richtige Gelegenheit. Gerade Teams wie Augsburg und Jena sind natürlich im Abstiegskampf auch unbequeme Gegner. Die stellen sich nur hinten rein, und wir sehen auch automatisch schlecht aus. Gegen Köln glaubt kaum noch einer an uns. Wir selbst wissen aber, dass wir noch nicht abgestiegen sind und noch Chancen haben. Das wollen wir gegen Köln auch unbedingt beweisen!


Jawattdenn.de:

Vielen Dank für das Interview, Serkan.


Das Interview führten Hendrik Stürznickel und Martin Noll vor dem Spiel gegen den 1. FC Köln.


Bilder 1, 5 und 6 Jawattdenn.de - 2-4 Michael Gohl