Interview mit Serkan Calik
Vor dem Heimspiel gegen den 1. FC Köln stand Serkan Calik dem Jawattdenn.de-Team Rede und Antwort zu der aktuellen Situation rund um RWE und den Vorkommnissen in Jena.
Jawattdenn.de:
Beim letzten Auswärtsspiel in Jena gab es nach
dem Schlusspfiff einige Szenen am Zaun, die für
Gesprächsstoff sorgten. Du warst auch direkt
beteiligt. Was war da los?
Serkan Calik:
Nach dem Spiel bin ich mit einigen Mannschaftskameraden
zum Gästeblock gekommen, um mit den mitgereisten
Fans zu sprechen. Hier kam es jedoch sofort zu Pöbeleien
und Beleidigungen, nicht von allen Fans, sondern überwiegend
aus der Mitte des Blocks. Es wurde geschimpft
und gespuckt. Auch wurde versucht, aus dem Block bzw.
durch den Zaun nach uns Spielern zu schlagen. Ich
stand etwas vom Zaun weg und habe daher nichts abbekommen.
Jedoch wurde der Denis Epstein ins Gesicht geschlagen.
Daraufhin habe ich eine abwinkende Bewegung und den
„Scheibenwischer“ gemacht und bin in die
Kabine gegangen.
Auf der Rückfahrt bin ich mit Jürgen Grundheber
nach Hause gefahren. Wir haben an einer Tankstelle
angehalten, weil wir etwas essen und trinken wollten
und sind dort zufällig auf einen Bus mit RWE-Fans
getroffen. Hier wurde ich sofort wieder angesprochen,
der ein oder andere dumme Spruch fiel, aber mit einer
Person hab ich mich dann auch ganz vernünftig
unterhalten. Er sagte, er sei als Fan wieder fast
tausend Kilometer gefahren. Ich habe geantwortet:
„Ja, ich weiß das, darum bin ich ja auch
zu den Fans gekommen und habe mich an den Zaun gestellt,
aber wenn man dann beschimpft, angespuckt und auch
geschlagen wird, bringt das auch nichts.“ Der
Michael J. (Anm. Der Redaktion: Mitarbeiter des Vereines,
bekannt als „WB Krayer“) kam noch hinzu,
auch drei Ordner waren bei der Unterhaltung dabei.
Auf dem Rückweg zum Auto kam noch eine andere
Person auf mich zu, der Fan war jedoch stark angetrunken
und wurde von seinen Freunden zurückgehalten.
Mehr passierte dort nicht.
In solchen Phasen ist es im Fußball immer schwer
für alle. Auch die Fans haben natürlich
das Recht, ihren Unmut kundzutun und uns zu beschimpfen.
Anspucken oder schlagen sollte allerdings nicht dazugehören.
Natürlich habe auch ich mit der Geste zur Kurve
falsch reagiert, und das tut mir auch leid. Ich entschuldige
mich natürlich bei den mitgereisten Anhängern
auch dafür.
Jawattdenn.de:
Aber gesagt hast du nichts? In Fankreisen ist von
„Die können mich mal“ oder etwas Ähnlichem
die Rede?
Serkan Calik:
Ich weiß es nicht mehr genau. Ich kann mir auch
nicht vorstellen, dass das von den Fans jemand hätte
verstehen können, denn zum einen hatte ich Abstand
vom Zaun, zum anderen brüllten
mich viele Fans ja auch laut an. Die Geste des Abwinkens
wurde vielleicht so gedeutet. Mich haben schon viele
Leute in den letzten Tagen darauf angesprochen, ob
ich was gesagt hätte. Soweit ich das in Erinnerung
habe, habe ich nichts derartiges gesagt. Lediglich
die Geste kam von mir, und das tut mir im Nachhinein
leid.
Jawattdenn.de:
Du bist nicht mit der Mannschaft zurückgefahren?
Serkan Calik:
Ja, das stimmt, ich bin mit Jürgen Grundheber
und vier Ordnern nach Hause gefahren, weil ich in
der Vorwoche an einem Magen-Darm-Virus laboriert habe
und wir sicher gehen wollten, dass ich keinen aus
der Mannschaft noch anstecke.
Jawattdenn.de:
Wie beurteilst du selber denn die aktuelle Situation?
Serkan Calik:
Ich verstehe den Ärger der Fans. Die fahren Woche
für Woche zu unseren Spielen und wollen gerade
in Jena bei einem Mitkonkurrenten ein gutes Spiel
und einen Sieg sehen. Natürlich mussten wir in
Jena gewinnen, aber wenn das dann nicht klappt, ist
das natürlich frustrierend. Für die Mannschaft
wie für die Fans.
Jawattdenn.de:
Gerade
nach den Spielen gegen Jena und Augsburg wurden eure
Leistung und Einsatzbereitschaft in Frage gestellt.
Wie siehst du denn eure Leistung in den zurückliegenden
Spielen?
Serkan Calik:
Gegen Augsburg haben wir uns keine Torchance erarbeitet
und demnach auch keinen gefährlichen Schuss aufs
Tor abgegeben. Auch in Jena haben wir die erste Halbzeit
wieder völlig verpennt, in der zweiten dann Gas
gegeben. Leider fehlt dann aber auch einfach manchmal
das Glück, mal ein Tor zu erzielen. Wie eben
in Jena, wo wir auch mehrere gute Torchancen in der
zweiten Halbzeit hatten. Ein Beispiel war der Kopfball
von Thomas Kläsener. Im Moment geht der Ball
einfach nicht rein.
Jawattdenn.de:
Glaubt ihr denn noch an den Klassenerhalt?
Serkan Calik:
Wir haben noch 13 Spiele, alles ist noch möglich.
Wir haben in dieser Woche viele Gespräche geführt,
auch wir jüngeren Spieler mit den älteren,
erfahreneren Spielern wie Stijn, die sich mit solchen
Situationen auskennen. Und auch die sagen, dass von
unten auch in so Phasen immer noch ein oder zwei Mannschaften
rauskommen können. Ich persönlich sehe das
genauso und aufgeben werden wir auf gar keinen Fall.
Wir glauben an unsere Chance, in den verbleibenden
13 Spielen den Klassenerhalt zu schaffen.
Jawattdenn.de:
Wie ist denn die Stimmung derzeit im Team?
Serkan Calik:
Die Stimmung im Team ist okay, es gibt keinen Streit
oder so etwas untereinander. Auch gibt es
keinen, der nicht 100 Prozent gibt. Wir haben die
Woche über viel gesprochen, mit dem Trainer,
aber auch in der Mannschaft. Wir müssen eben
auch aus dem Jena-Spiel das Positive für das
Spiel gehen Köln herausziehen.
Jawattdenn.de:
Was erwartest du vom Köln-Spiel, und was können
die Fans erwarten?
Serkan Calik:
Viele haben uns doch schon abgeschrieben und meinen,
wir sind schon abgestiegen, sowohl in Essen als auch
woanders. Das heißt eigentlich für uns,
dass wir keinen großen Druck mehr haben. Der
FC dagegen muss bei uns gewinnen. Wir können
nur überraschen, daher freue ich mich sehr auf
dieses Spiel.
Jawattdenn.de:
Wie beurteilst du persönlich den Trainerwechsel
und was bewirkt Lorenz-Günter Köstner im
Team?
Serkan Calik:
Er kam im November zu uns. Wir sind alle den Weg gegangen,
den er vorgegeben hat. Jeder hat 100 Prozent gegeben.
Er trainiert anders, als es Uwe Neuhaus getan hat.
Wir fühlen uns jetzt körperlich fitter.
Meiner Meinung nach kann man dem Trainer nichts vorwerfen,
denn wir Spieler stehen auf dem Platz. Er gibt den
Weg vor, und wir müssen das dann auch durchziehen.
Ich persönlich habe natürlich von Köstner
sehr profitiert. Vor dem Trainerwechsel hatte ich
nur ein paar Kurzeinsätze, jetzt spiele ich von
Anfang an.
Jawattdenn.de:
Wie siehst du als Stürmer die Taktikänderung
mit zwei „6ern“?
Serkan Calik:
Da ich ja unter Uwe Neuhaus kaum gespielt habe, kann
ich zum Unterschied nicht viel sagen. Bei so einer
defensiven Ausrichtung müssen die 6er eben viel
laufen und meist fehlen dann zum Sturm noch immer
ein paar Meter. Das macht es nicht unbedingt einfacher
für uns vorne. Aber ich habe kein Problem mit
dem Spielsystem.
Jawattdenn.de:
Wie siehst du deine weitere Zukunft?
Serkan Calik:
(Serkan schmunzelt) Das muss ich erstmal abwarten.
Im Moment hat der Klassenerhalt absolute Priorität
für mich.
Jawattdenn.de:
Liegen denn Angebote, z.B. aus der Türkei, vor?
Serkan Calik:
Es
waren schon Angebote da, und es kamen auch Anrufe,
sowohl aus der Türkei als auch aus Deutschland,
am Ende der Hinrunde von 3-4 Vereinen. Aber ich hab
mich da im Moment noch nicht mit befasst, für
mich ist wichtig, dass wir in der 2. Liga bleiben.
Jawattdenn.de:
Verlässt du denn im Falle des Abstieges RWE?
Serkan Calik:
Es könnte in Frage kommen, aber es steht wirklich
noch gar nichts fest.
Jawattdenn.de:
Wie hast du denn die Entwicklung vom Jugendspieler
über deine Jokerrolle zum Stammspieler und U21-Nationalspieler
erlebt?
Serkan Calik:
Es ging schon sehr schnell. Ich war ja schon als A-Jugend-Spieler
die letzten drei Spiele der letzten Zweitliga-Saison
im Profikader. Dann hatte ich in der Regionalliga-Saison
viele Kurzeinsätze. Das ist manchmal nicht einfach.
Du willst gerade als junger Spieler selbst auch mal
spielen und sitzt dann oft nur auf der Bank. Da habe
ich auch mal über einen Vereinswechsel nachgedacht.
Aber ich hab dann mit Baris Özbek viel gearbeitet,
oft auch nach den regulären Trainingseinheiten
noch, und seit Köstner da ist, habe ich ja meine
Chance bekommen. Teileweise habe ich sie mit ein paar
guten Spielen auch genutzt. Dann kam auch die Nominierung
zur Nationalelf mit Baris gegen Italien, das war natürlich
toll.
Das ging schon sehr schnell, aber man muss eben auch
konstant sein Niveau halten. Man darf da nicht denken,
man hat schon alles erreicht. U20-Nationalspieler
zu sein ist natürlich gut, aber das reicht mir
noch nicht, ich arbeite weiter. Mein großer
Wunsch ist es mal, Bundesliga zu spielen.
Jawattdenn.de:
Wieso seid ihr früher aus dem Trainingslager
zurückgekehrt?
Serkan Calik:
Wir wollten einfach noch ein Testspiel machen, jedoch
sagte der letzte Gegner kurzfristig ab, und
es fand sich auf Zypern kurzfristig kein Gegner mehr.
Daher sind wir früher zurückgekommen, um
hier noch gegen Bocholt spielen zu können.
Jawattdenn.de:
Wie beurteilst du die Neuverpflichtungen zur Winterpause?
Serkan Calik:
Alle drei sind in ihren ehemaligen Vereinen keine
Stammspieler gewesen, daher kann man von ihnen keine
Wunder erwarten, aber es sind schon Verstärkungen.
Positiv aufgenommen wurden sie auf jeden Fall.
Jawattdenn.de:
In der Hinrunde gab es mal die Aussage, dass das Wort
Abstieg in der Kabine nicht benutzt wird. Ist das
immer noch so?
Serkan Calik:
Wir glauben weiter fest an den Klassenerhalt. Wir
haben noch Chancen. Wir sind auch nicht zu schlecht
für die zweite Liga. Uns fehlt auch einfach ein
bisschen Glück. Wenn man nach so einer Negativserie
mal wieder gewinnt, dann gibt das auch Selbstvertrauen,
wie bei Offenbach in der Hinrunde. Man versucht wie
in Jena in der zweiten Hälfte alles, und es klappt
einfach nicht. Wir gewinnen Testspiele, aber es muss
jetzt auch endlich mal wieder ein Erfolg in der Liga
her. Gegen Köln wäre genau die richtige
Gelegenheit. Gerade Teams wie Augsburg und Jena sind
natürlich im Abstiegskampf auch unbequeme Gegner.
Die stellen sich nur hinten rein, und wir sehen auch
automatisch schlecht aus. Gegen Köln glaubt kaum
noch einer an uns. Wir selbst wissen aber, dass wir
noch nicht abgestiegen sind und noch Chancen haben.
Das wollen wir gegen Köln auch unbedingt beweisen!
Jawattdenn.de:
Vielen Dank für das Interview, Serkan.
Das Interview führten Hendrik
Stürznickel und Martin
Noll vor dem Spiel gegen den 1. FC Köln.
Bilder 1, 5 und 6 Jawattdenn.de - 2-4 Michael Gohl