Interview mit Schiedsrichterbetreuer Ronald Mildorf
Wir wollen einmal hinter die Kulissen von RWE blicken und stellen Euch in Abständen einige Personen vor, die im Hintergrund für unseren Verein arbeiten. Beginnen wollen wir mit dem Schiedsrichterbetreuer Ronald Mildorf.
Jawattdenn.de:
Hallo Ronald, wie wird man Schiedsrichterbetreuer?
Ronald Mildorf:
Das ist kein großes Ding gewesen. Ich habe im Januar
1997 angefangen. Mein Vorgänger konnte aus Altersgründen diesen Job
nicht mehr wahrnehmen. Rot-Weiss hat daraufhin einen geeigneten
Nachfolger gesucht. Ich war zu diesem Zeitpunkt noch
Kreisschiedsrichterobmann in Essen. Der Verein ist so auf mich gekommen
und hat mich zu einem Gespräch eingeladen, bei dem ich meine
Vorstellungen mitgeteilt habe, wie ich mir diese Aufgabe vorstelle. Der
Verein hat diesen Bedingungen uneingeschränkt zugestimmt und seitdem
bin ich Schiedsrichterbetreuer bei Rot-Weiss Essen.
Jawattdenn.de:
Wie läuft ein normaler Spieltag ab?
Ronald Mildorf:
Nehmen wir an am Samstag ist Spieltag. Die
Schiedsrichter reisen dann bereits am Freitag an. Die kommen meistens
von weiter weg und müssen deswegen laut DFB Statut am Freitag anreisen.
Ich bekomme die Ansetzung schon am Mittwoch oder Donnerstag, so dass
ich in der Lage bin sie direkt anzurufen. Dann klären wir, wann und wie
die Schiedsrichter anreisen. Wenn sie mit dem Zug kommen, hole ich sie
vom Bahnhof ab, kommen sie mit dem Flugzeug, hole ich sie in Düsseldorf
ab und wenn sie mit dem Auto kommen, treffen wir uns direkt im Hotel.
Am Freitag hole ich sie dann ab und wenn die Zeit reicht, gehen wir
noch gemeinsam einen Kaffee trinken. Abends gehen wir gemeinsam essen
und danach verabschiede ich mich von den Jungs und lasse sie im Hotel
alleine. Am Spieltag treffen wir uns zwei Stunden vor Spielbeginn im
Hotel. Ich bringe sie von dort aus zum Stadion, wo sie zunächst den
Platz besichtigen. Nach dieser Abnahme gehen wir gemeinsam im VIP-Zelt
einen Kaffee trinken. Nach dem Kaffe trinken geht es dann in die Kabine
und die Schiedsrichter bereiten sich dann auf das Spiel vor.
Nach dem Spiel stehen dann in der Kabine Erfrischungen bereit. Wenn sie
dann mit dem Spielbericht fertig und geduscht sind, fahren wir noch mal
zum Abendessen raus. Wenn sie es dann schaffen, fahren sie Samstagabend
noch nach Hause, wenn nicht, am Sonntagmorgen. Dann sind drei Tage
Betreuung für neunzig Minuten Spiel vorbei.
Jawattdenn.de:
Während der neunzig Minuten hast du aber keinerlei Kontakt zu den Schiedsrichtern?
Ronald Mildorf:
Überhaupt nicht! Ich bin auch nicht dabei, wenn die
sich warmlaufen oder die Platzabnahme machen. Da halte ich mich heraus.
In der Halbzeitpause gehe ich auch nicht mit in die Kabine, sondern
öffne sie nur. Während der neunzig Minuten ist sowieso kein Kontakt
möglich. Nach dem Spiel gibt es eine eiserne Regel, die von mir
unbedingt eingehalten wird. Über die Leistung der Schiedsrichter wird
grundsätzlich nicht gesprochen. Ich würde also niemals eine positive
oder negative Einschätzung geben, es sei denn, einer der Schiedsrichter
fragt mich direkt danach. Dann gebe ich natürlich eine Antwort. Aber es
wird niemals geschehen, dass ich von mir selbst aus irgendetwas
kritisiere oder belobige.
Jawattdenn.de:
Direkt nach dem Spiel findet eine Besprechung über die
Leistung der Schiedsrichter statt. Bist du bei diesem Gespräch dabei?
Ronald Mildorf:
Dieses Gespräch findet zwischen dem offiziellen
Beobachter des DFB und den drei Schiedsrichtern statt, also ohne mein
Zutun. Wenn ich einen Schiedsrichter kenne, bittet er mich schon mal
mit dazu, aber ich selbst halte mich da völlig heraus. Ansonsten ist
niemand anderes bei dieser Besprechung dabei.
Jawattdenn.de:
Wie sehr fühlt man sich für die Schiedsrichter
verantwortlich? Ich denke dabei zum Beispiel an den Platzsturm am
letzten Spieltag gegen Lübeck.
Ronald Mildorf:
Man macht sich da schon Gedanken. Bei diesem Spiel hat
man schon vor Abpfiff die Fans an den Zäunen hängen sehen. Die Drei
hatten das gesehen und sich abgesprochen. Die Schiedsrichter waren dann
die drei Ersten Personen, die nach dem Spiel im Spielertunnel
auftauchten. Die Frage nach der Verantwortung stellt sich immer wieder,
denn du gehst immer mit einem schlechten Gewissen aus dem Spiel, wenn
irgendetwas passieren sollte. Dafür ist man auch einfach zu sehr selber
Schiedsrichter und fühlt mit den Kollegen.
Jawattdenn.de:
Informierst du die Schiedsrichter vor dem Spiel über das Verhalten der Fans im Stadion?
Ronald Mildorf:
Das macht man als Betreuer überhaupt nicht. Das
gebietet die Fairness. Du hast meistens den Gegner im Blick und würdest
sagen, wo man da aufpassen muss. So etwas wird nicht gemacht. Es ist
möglich, dass es woanders so läuft, hier aber nicht. Die Jungs sind alt
genug und wenn der DFB sie für ein Spiel hier ansetzt, sind die auch in
der Lage das Spiel problemlos zu leiten. Dafür sind sie ausgebildet.
Jawattdenn.de:
Beim letzten Heimspiel gegen Osnabrück hatte
Schiedsrichter Metzen vier Platzverweise ausgesprochen und ist sofort
nach Abpfiff massiv angegangen worden. Geht man mit einem
Schiedsrichter dann ganz besonders um?
Ronald Mildorf:
Braucht der Betreuer grundsätzlich nicht zu tun. Da
aber in diesem Fall der Schiedsrichter auch von Seiten der Vereine
angegangen wurde habe ich von meiner Schlüsselgewalt und meinem
Hausrecht gebrauch gemacht und habe die Kabine mit
Schiedsrichterbeobachter und den Schiedsrichtern für dreißig Minuten
abgeriegelt. Wir haben Spielern und Offiziellen von Rot-Weiss und
Osnabrück den Zutritt verweigert. Die Schiedsrichter konnten erst
einmal Luft holen und in Ruhe duschen. Danach fand das Gespräch mit dem
DFB-Beobachter statt. Ich habe sie dann zum Parkplatz geleitet und sie
zum Abendessen gefahren. Wir haben dann nicht ein Wort mehr über dieses
Spiel verloren. Man hat ihn also nicht besonders behandelt, aber ihn in
Ruhe gelassen.
Jawattdenn.de:
Man wäre aber bereit gewesen den Schiedsrichter zu unterstützen, wenn er das wünscht?
Ronald Mildorf:
Auf jeden Fall! Ich hatte ihn auch gefragt, ob ich ihm
noch irgendwie helfen kann. Er war aber froh, dass er jetzt seine Ruhe
hatte. Nach dem Duschen hat er der Presse sogar noch ein Interview
gegeben.
Jawattdenn.de:
Man hat in diesem Zusammenhang auch gelesen, dass Alex
Löbe nach dem Spiel aus der Kabine kam. Ist es ein normaler Vorgang,
dass nach dem Spiel Offizielle oder der Kapitän noch mal in die
Schiedsrichterkabine kommen?
Ronald Mildorf:
In diesem Fall war es so, dass der Alex Löbe nach der
halben Stunde, die wir abgeschottet waren zufällig im Kabinengang
gewesen ist. Er ist dann zum Schiedsrichter hinein gegangen, hat sich
bedankt und ist sofort wieder raus gegangen. Das war Gift für die
Osnabrücker, als sie ihn hinauskommen sahen, weil wir vorher keinen
rangelassen haben. Es ist ansonsten üblich, dass der Trainer oder
Spielführer nach dem Spiel anklopft, sich bedankt und einen guten
Heimweg wünscht.
Jawattdenn.de:
Gibt es tickende Zeitbomben, die die Situation ausnutzen
wollen, um den Schiedsrichter noch einmal zur Rede zu stellen oder
sogar beleidigen?
Ronald Mildorf:
Das habe ich bisher noch nicht erlebt. Man wünscht
vielleicht etwas weniger freundlich einen guten Heimweg, wenn man
verloren hat, aber Sprüche gegen den Schiedsrichter hat es nie gegeben.
Jawattdenn.de:
Würde ein Schiedsrichter, wenn er zu diesem späten
Zeitpunkt beleidigt würde, noch einen Sonderbericht anfertigen.
Ronald Mildorf:
Ja, er ist sogar dazu verpflichtet. Es hören mindestens
sechs Ohren, wenn er im Kabinenbereich beleidigt wird. Die Strafgewalt
des Schiedsrichters endet nicht, wenn der Spielbericht geschrieben ist,
sondern geht weiter. Wenn der Schiedsrichter also von einem Spieler
beleidigt wird, wird dieser dann auch dafür gesperrt.
Jawattdenn.de:
Gibt es Besonderheiten, wenn zum Beispiel ein
Erstligaschiedsrichter in eine untere Klasse abkommandiert wird oder
wenn ein Nachwuchsmann sein erstes Spiel in dieser Klasse pfeift?
Ronald Mildorf:
Ich habe von der Zweiten bis hinunter in die Oberliga
alles erlebt und es war nie so, dass irgendein Schiedsrichter besondere
Ansprüche gestellt hätte. Menschen sind unterschiedlich und legen auf
verschiedene Sachen wert, aber großartige Ansprüche werden nie
formuliert.
Jawattdenn.de:
Drei Tage Betreuung sind aber schon sehr lange.
Ronald Mildorf:
Das stimmt. Das wird nur in den oberen Klassen gemacht.
Ab der Oberliga abwärts gibt es keine Betreuung, die drei Tage dauert.
Da wird der Schiedsrichter am Spieltag am Bahnhof abgeholt und am
gleichen Tag auch noch zurück gebracht. Erst in der Regionalliga gibt
es die drei Tage Betreuung.
Jawattdenn.de:
Auch in der jetzigen Regionalliga oder erst ab der Dritten Liga?
Ronald Mildorf:
Auch in der kommenden Saison. Ich bin darüber
informiert worden, dass die Schiedsrichter auch in der neuen
Regionalliga aus dem Norden oder dem Süden, also von weit her kommen
können. In den unteren Klassen kommen die Schiedsrichter aus den
angrenzenden Gebieten, da ist eine so aufwendige Betreuung nicht nötig.
In der Regionalliga wird es aber wie in der letzten Saison laufen.
Jawattdenn.de:
Bist du auch bei Auswärtsspielen Betreuer?
Ronald Mildorf:
Nur bei Heimspielen. Jeder Heimverein hat seinen
Betreuer. Der Gast mischt sich dann auch nicht ein. Wenn ich mal Zeit
habe, fahre ich auch mit zu Auswärtsspielen, sitze dann aber, wie jeder
andere auch, auf der Tribüne. Ich sehe bei Heimspielen schon mal die
Betreuer der Gastvereine auf der Tribüne, die mischen sich dann aber
genauso wenig ein.
Jawattdenn.de:
Bist du bei Rot-Weiss Essen angestellt oder beim DFB?
Ronald Mildorf:
Ich bin weder angestellt noch bin ich Mitglied bei
Rot-Weiss Essen. Der Verein hat mich lediglich beim DFB als
Ansprechpartner gemeldet. Man hat mich schon mal auf eine
Vereinszugehörigkeit angesprochen, ich bin aber der Ansicht, man ist
neutraler, wenn man kein Vereinsmitglied ist. Neutralität ist wichtig
bei der Betreuung. Ich beziehe auch kein Salär für meine Tätigkeit. Ich
bekomme eine Aufwandsentschädigung in Höhe der Fahrtkosten und das war
es. Mehr möchte ich auch gar nicht haben.
Jawattdenn.de:
Wie klappt die Zusammenarbeit mit Rot-Weiss Essen?
Ronald Mildorf:
Die Zusammenarbeit ist hervorragend. Es gab nie
Probleme bei der Betreuung. Ich war jederzeit völlig frei in der
Ausübung meiner Tätigkeit. Es gibt keine Vorschriften, wo ich mit den
Schiedsrichtern zu essen habe oder was ich mit ihnen mache. Ich habe
mein eigenes Konzept und das kann ich ausführen. Es gab von Seiten der
Schiedsrichter schon viel positives Feedback für den Verein, da er
dafür sorgt, dass die Schiedsrichter sich hier wohl fühlen können.
Jawattdenn.de:
Du bist kein Mitglied. Bist du denn Fan von RWE oder sitzt du vollkommen neutral auf der Tribüne?
Ronald Mildorf:
Ich bin neutral. Aber es ist ja nur menschlich, wenn
man seit 1997 auf der Tribüne sitzt, dass man hin und wieder an
Rot-Weiss denkt. Ich freue mich über Siege von RWE. Das hat nichts mit
Neutralität zu tun. Ich trauere auch mit, wie zum Beispiele beim Spiel
gegen Lübeck. Ich bin aber kein Fan. Da gibt es noch Unterschiede.
Jawattdenn.de:
Warum hat man eigentlich noch Lust dazu, Schiedsrichter zu werden?
Ronald Mildorf:
Man ist kein Richter, sondern in erster Linie der
Sportkollege. Dieser Sportkollege hat die Aufgabe, den Regeln Geltung
zu verschaffen. Das ist notwendig und wir sind dazu mit allen Vor- und
Nachteilen, die diese Aufgabe mit sich bringt, bereit. Es ist wichtig,
sich in den Sportkollegen einfühlen zu können und nicht ausschließlich
den drohenden Schiedsrichter zu mimen. Man hat auch einen sozialen
Aufstieg, den man nicht vernachlässigen darf. In welcher Sportart ist
es möglich, als Amateur in die Erste Bundesliga oder sogar die
internationale Klasse aufzusteigen? Das ist ein Aspekt, der so manchem
Schiedsrichter auch bei Gegenwind antreibt, weiterzumachen.
Jawattdenn.de:
Stichwort Profischiedsrichter, denkst du er sollte kommen?
Ronald Mildorf:
Der wäre schon lange da, wenn man wüsste, was mit den
Schiedsrichtern passiert, die die Altersgrenze erreichen. Beim DFB
liegt die Altersgrenze bei 47 Jahren, international sogar bei 45
Jahren. Wenn man die Schiedsrichter nach dieser Grenze versorgen oder
ihnen Arbeit verschaffen könnte, wäre der Profischiedsrichter bereits
da. Mit 47 oder gar 45 ist es heutzutage leider sehr schwierig einen
Arbeitgeber zu finden, der die Leute noch einstellt. Dieses Problem
hindert den DFB und die FIFA daran den Profischiedsrichter einzuführen.
Die Strukturen dafür sind bereits geschaffen. Einen Tag vor dem Spiel
wird angereist, ein Tag nach dem Spiel erfolgt die Abreise. Es gibt
Trainingsprogramme und Fortbildungsmaßnahmen. Der einzige Knackpunkt
ist die Frage nach der Versorgung der Schiedsrichter über 47.
Jawattdenn.de:
Erzähl mal etwas zu deiner eigenen Karriere. Warst du schon damals im Kreis 12?
Ronald Mildorf:
Ja, da bin ich groß geworden. Es gab ja einige große
Zwölfer. Hans-Jürgen Weber, Jansen, Plettenberg und Mildorf waren die,
die oben geleitet und gewunken haben. Ich habe, wie jeder
Schiedsrichter, im Jugendbereich angefangen und bin danach durch alle
Klassen durchmarschiert bis ganz nach oben. Im Profibereich war Leo
Kentsch mein erster Gespannführer. Danach war Dieter Pauly aus
Mönchengladbach zwei Jahre lang mein Gespannführer und danach war es
Hans-Jürgen Weber.
Jawattdenn.de:
Was war dein größtes Highlight?
Ronald Mildorf:
Ich habe mit Dieter Pauly alle Ortsderbys und viele
besondere Pokalspiele zu dieser Zeit mitgemacht. Mein erstes Spiel war
die Partie Stuttgarter Kickers gegen den VFB Stuttgart, im alten
Stadion, das ausverkauft war. Ich habe auch Berliner Derbys mitgemacht.
Es gab damals noch einen Schiedsrichteraustausch zwischen der Schweiz
und Deutschland. Davon habe ich profitiert. Ich war bei einem schweizer
Pokalspiel und dem Länderspiel Bulgarien gegen die Türkei. Das war
damals schon ein besonderes Highlight.
Jawattdenn.de:
Beim Fußball werden auf großen Turnieren oft Maßstäbe
gesetzt, die daraufhin im Vereinsfußball umgesetzt werden. Gibt es so
etwas unter Schiedsrichtern auch?
Ronald Mildorf:
Das ist ähnlich wie bei den Spielern. Auch die
Schiedsrichter nehmen einiges aus so großen Turnieren mit. Es gibt nach
dem Turnier immer eine große Aufbereitung durch die Verbände. Die
Schiedsrichter werden nach Auffälligkeiten befragt, um sich beim
nächsten großen Turnier besser verkaufen zu können.
Jawattdenn.de:
Du gehst privat aber einem Beruf nach und arbeitest nicht beim DFB oder dem Kreis 12?
Ronald Mildorf:
Ich bin voll berufstätig und nehme momentan keine Aufgaben mehr bei den Verbänden wahr.
Jawattdenn.de:
Ist es nicht schwierig die Aufgabe hier mit seinem Beruf
zu vereinbaren, wenn man hier freitags schon stehen und die
Schiedsrichter empfangen muss?
Ronald Mildorf:
Ich habe das Glück, im öffentlichen Dienst tätig zu
sein. Da gibt es für besondere Maßnahmen hin und wieder freie Tage und
Gleitzeitvereinbarungen. Das geht also problemlos.
Jawattdenn.de:
Wir danken für das Gespräch!
Das Interview führten Hendrik Stürznickel und Anja Offermann