Interview mit Schiedsrichterbetreuer Ronald Mildorf

veröffentlicht am 18.08.2008 um 20:00 Uhr

Wir wollen einmal hinter die Kulissen von RWE blicken und stellen Euch in Abständen einige Personen vor, die im Hintergrund für unseren Verein arbeiten. Beginnen wollen wir mit dem Schiedsrichterbetreuer Ronald Mildorf.


Jawattdenn.de:

Hallo Ronald, wie wird man Schiedsrichterbetreuer?

Ronald Mildorf:
Das ist kein großes Ding gewesen. Ich habe im Januar 1997 angefangen. Mein Vorgänger konnte aus Altersgründen diesen Job nicht mehr wahrnehmen. Rot-Weiss hat daraufhin einen geeigneten Nachfolger gesucht. Ich war zu diesem Zeitpunkt noch Kreisschiedsrichterobmann in Essen. Der Verein ist so auf mich gekommen und hat mich zu einem Ronald Mildorf (links) mit Interviewer HendrikGespräch eingeladen, bei dem ich meine Vorstellungen mitgeteilt habe, wie ich mir diese Aufgabe vorstelle. Der Verein hat diesen Bedingungen uneingeschränkt zugestimmt und seitdem bin ich Schiedsrichterbetreuer bei Rot-Weiss Essen.


Jawattdenn.de:
Wie läuft ein normaler Spieltag ab?

Ronald Mildorf:
Nehmen wir an am Samstag ist Spieltag. Die Schiedsrichter reisen dann bereits am Freitag an. Die kommen meistens von weiter weg und müssen deswegen laut DFB Statut am Freitag anreisen. Ich bekomme die Ansetzung schon am Mittwoch oder Donnerstag, so dass ich in der Lage bin sie direkt anzurufen. Dann klären wir, wann und wie die Schiedsrichter anreisen. Wenn sie mit dem Zug kommen, hole ich sie vom Bahnhof ab, kommen sie mit dem Flugzeug, hole ich sie in Düsseldorf ab und wenn sie mit dem Auto kommen, treffen wir uns direkt im Hotel.

Am Freitag hole ich sie dann ab und wenn die Zeit reicht, gehen wir noch gemeinsam einen Kaffee trinken. Abends gehen wir gemeinsam essen und danach verabschiede ich mich von den Jungs und lasse sie im Hotel alleine. Am Spieltag treffen wir uns zwei Stunden vor Spielbeginn im Hotel. Ich bringe sie von dort aus zum Stadion, wo sie zunächst den Platz besichtigen. Nach dieser Abnahme gehen wir gemeinsam im VIP-Zelt einen Kaffee trinken. Nach dem Kaffe trinken geht es dann in die Kabine und die Schiedsrichter bereiten sich dann auf das Spiel vor.

Nach dem Spiel stehen dann in der Kabine Erfrischungen bereit. Wenn sie dann mit dem Spielbericht fertig und geduscht sind, fahren wir noch mal zum Abendessen raus. Wenn sie es dann schaffen, fahren sie Samstagabend noch nach Hause, wenn nicht, am Sonntagmorgen. Dann sind drei Tage Betreuung für neunzig Minuten Spiel vorbei.


Jawattdenn.de:

Während der neunzig Minuten hast du aber keinerlei Kontakt zu den Schiedsrichtern?

Ronald Mildorf:

Überhaupt nicht! Ich bin auch nicht dabei, wenn die sich warmlaufen oder die Platzabnahme machen. Da halte ich mich heraus. In der Halbzeitpause gehe ich auch nicht mit in die Kabine, sondern öffne sie nur. Während der neunzig Minuten ist sowieso kein Kontakt möglich. Nach dem Spiel gibt es eine eiserne Regel, die von mir unbedingt eingehalten wird. Über die Leistung der Schiedsrichter wird grundsätzlich nicht gesprochen. Ich würde also niemals eine positive oder negative Einschätzung geben, es sei denn, einer der Schiedsrichter fragt mich direkt danach. Dann gebe ich natürlich eine Antwort. Aber es wird niemals geschehen, dass ich von mir selbst aus irgendetwas kritisiere oder belobige.


Jawattdenn.de:

Direkt nach dem Spiel findet eine Besprechung über die Leistung der Schiedsrichter statt. Bist du bei diesem Gespräch dabei?

Ronald Mildorf:
Dieses Gespräch findet zwischen dem offiziellen Beobachter des DFB und den drei Schiedsrichtern statt, also ohne mein Zutun. Wenn ich einen Schiedsrichter kenne, bittet er mich schon mal mit dazu, aber ich selbst halte mich da völlig heraus. Ansonsten ist niemand anderes bei dieser Besprechung dabei.


Jawattdenn.de:

Wie sehr fühlt man sich für die Schiedsrichter verantwortlich? Ich denke dabei zum Beispiel an den Platzsturm am letzten Spieltag gegen Lübeck.

Ronald Mildorf:
Man macht sich da schon Gedanken. Bei diesem Spiel hat man schon vor Abpfiff die Fans an den Zäunen hängen sehen. Die Drei hatten das gesehen und sich abgesprochen. Die Schiedsrichter waren dann die drei Ersten Personen, die nach dem Spiel im Spielertunnel auftauchten. Die Frage nach der Verantwortung stellt sich immer wieder, denn du gehst immer mit einem schlechten Gewissen aus dem Spiel, wenn irgendetwas passieren sollte. Dafür ist man auch einfach zu sehr selber Schiedsrichter und fühlt mit den Kollegen.


Jawattdenn.de:

Informierst du die Schiedsrichter vor dem Spiel über das Verhalten der Fans im Stadion?

Ronald Mildorf:
Das macht man als Betreuer überhaupt nicht. Das gebietet die Fairness. Du hast meistens den Gegner im Blick und würdest sagen, wo man da aufpassen muss. So etwas wird nicht gemacht. Es ist möglich, dass es woanders so läuft, hier aber nicht. Die Jungs sind alt genug und wenn der DFB sie für ein Spiel hier ansetzt, sind die auch in der Lage das Spiel problemlos zu leiten. Dafür sind sie ausgebildet.


Jawattdenn.de:

Beim letzten Heimspiel gegen Osnabrück hatte Schiedsrichter Metzen vier Platzverweise ausgesprochen und ist sofort nach Abpfiff massiv angegangen worden. Geht man mit einem Schiedsrichter dann ganz besonders um?

Ronald Mildorf:

Braucht der Betreuer grundsätzlich nicht zu tun. Da aber in diesem Fall der Schiedsrichter auch von Seiten der Vereine angegangen wurde habe ich von meiner Schlüsselgewalt und meinem Hausrecht gebrauch gemacht und habe die Kabine mit Schiedsrichterbeobachter und den Schiedsrichtern für dreißig Minuten abgeriegelt. Wir haben Spielern und Offiziellen von Rot-Weiss und Osnabrück den Zutritt verweigert. Die Schiedsrichter konnten erst einmal Luft holen und in Ruhe duschen. Danach fand das Gespräch mit dem DFB-Beobachter statt. Ich habe sie dann zum Parkplatz geleitet und sie zum Abendessen gefahren. Wir haben dann nicht ein Wort mehr über dieses Spiel verloren. Man hat ihn also nicht besonders behandelt, aber ihn in Ruhe gelassen.


Jawattdenn.de:

Man wäre aber bereit gewesen den Schiedsrichter zu unterstützen, wenn er das wünscht?

Ronald Mildorf:
Auf jeden Fall! Ich hatte ihn auch gefragt, ob ich ihm noch irgendwie helfen kann. Er war aber froh, dass er jetzt seine Ruhe hatte. Nach dem Duschen hat er der Presse sogar noch ein Interview gegeben.


Jawattdenn.de:

Man hat in diesem Zusammenhang auch gelesen, dass Alex Löbe nach dem Spiel aus der Kabine kam. Ist es ein normaler Vorgang, dass nach dem Spiel Offizielle oder der Kapitän noch mal in die Schiedsrichterkabine kommen?

Ronald Mildorf:
In diesem Fall war es so, dass der Alex Löbe nach der halben Stunde, die wir abgeschottet waren zufällig im Kabinengang gewesen ist. Er ist dann zum Schiedsrichter hinein gegangen, hat sich bedankt und ist sofort wieder raus gegangen. Das war Gift für die Osnabrücker, als sie ihn hinauskommen sahen, weil wir vorher keinen rangelassen haben. Es ist ansonsten üblich, dass der Trainer oder Spielführer nach dem Spiel anklopft, sich bedankt und einen guten Heimweg wünscht.


Jawattdenn.de:

Gibt es tickende Zeitbomben, die die Situation ausnutzen wollen, um den Schiedsrichter noch einmal zur Rede zu stellen oder sogar beleidigen?

Ronald Mildorf:
Das habe ich bisher noch nicht erlebt. Man wünscht vielleicht etwas weniger freundlich einen guten Heimweg, wenn man verloren hat, aber Sprüche gegen den Schiedsrichter hat es nie gegeben.


Jawattdenn.de:

Würde ein Schiedsrichter, wenn er zu diesem späten Zeitpunkt beleidigt würde, noch einen Sonderbericht anfertigen.

Ronald Mildorf:
Ja, er ist sogar dazu verpflichtet. Es hören mindestens sechs Ohren, wenn er im Kabinenbereich beleidigt wird. Die Strafgewalt des Schiedsrichters endet nicht, wenn der Spielbericht geschrieben ist, sondern geht weiter. Wenn der Schiedsrichter also von einem Spieler beleidigt wird, wird dieser dann auch dafür gesperrt.


Jawattdenn.de:

Gibt es Besonderheiten, wenn zum Beispiel ein Erstligaschiedsrichter in eine untere Klasse abkommandiert wird oder wenn ein Nachwuchsmann sein erstes Spiel in dieser Klasse pfeift?

Ronald Mildorf:
Ich habe von der Zweiten bis hinunter in die Oberliga alles erlebt und es war nie so, dass irgendein Schiedsrichter besondere Ansprüche gestellt hätte. Menschen sind unterschiedlich und legen auf verschiedene Sachen wert, aber großartige Ansprüche werden nie formuliert.


Jawattdenn.de:

Drei Tage Betreuung sind aber schon sehr lange.

Ronald Mildorf:
Das stimmt. Das wird nur in den oberen Klassen gemacht. Ab der Oberliga abwärts gibt es keine Betreuung, die drei Tage dauert. Da wird der Schiedsrichter am Spieltag am Bahnhof abgeholt und am gleichen Tag auch noch zurück gebracht. Erst in der Regionalliga gibt es die drei Tage Betreuung.


Jawattdenn.de:
Auch in der jetzigen Regionalliga oder erst ab der Dritten Liga?

Ronald Mildorf:
Auch in der kommenden Saison. Ich bin darüber informiert worden, dass die Schiedsrichter auch in der neuen Regionalliga aus dem Norden oder dem Süden, also von weit her kommen können. In den unteren Klassen kommen die Schiedsrichter aus den angrenzenden Gebieten, da ist eine so aufwendige Betreuung nicht nötig. In der Regionalliga wird es aber wie in der letzten Saison laufen.


Jawattdenn.de:

Bist du auch bei Auswärtsspielen Betreuer?

Ronald Mildorf:
Nur bei Heimspielen. Jeder Heimverein hat seinen Betreuer. Der Gast mischt sich dann auch nicht ein. Wenn ich mal Zeit habe, fahre ich auch mit zu Auswärtsspielen, sitze dann aber, wie jeder andere auch, auf der Tribüne. Ich sehe bei Heimspielen schon mal die Betreuer der Gastvereine auf der Tribüne, die mischen sich dann aber genauso wenig ein.


Jawattdenn.de:

Bist du bei Rot-Weiss Essen angestellt oder beim DFB?

Ronald Mildorf:
Ich bin weder angestellt noch bin ich Mitglied bei Rot-Weiss Essen. Der Verein hat mich lediglich beim DFB als Ansprechpartner gemeldet. Man hat mich schon mal auf eine Vereinszugehörigkeit angesprochen, ich bin aber der Ansicht, man ist neutraler, wenn man kein Vereinsmitglied ist. Neutralität ist wichtig bei der Betreuung. Ich beziehe auch kein Salär für meine Tätigkeit. Ich bekomme eine Aufwandsentschädigung in Höhe der Fahrtkosten und das war es. Mehr möchte ich auch gar nicht haben.


Jawattdenn.de:

Wie klappt die Zusammenarbeit mit Rot-Weiss Essen?

Ronald Mildorf:
Die Zusammenarbeit ist hervorragend. Es gab nie Probleme bei der Betreuung. Ich war jederzeit völlig frei in der Ausübung meiner Tätigkeit. Es gibt keine Vorschriften, wo ich mit den Schiedsrichtern zu essen habe oder was ich mit ihnen mache. Ich habe mein eigenes Konzept und das kann ich ausführen. Es gab von Seiten der Schiedsrichter schon viel positives Feedback für den Verein, da er dafür sorgt, dass die Schiedsrichter sich hier wohl fühlen können.


Jawattdenn.de:

Du bist kein Mitglied. Bist du denn Fan von RWE oder sitzt du vollkommen neutral auf der Tribüne?

Ronald Mildorf:
Ich bin neutral. Aber es ist ja nur menschlich, wenn man seit 1997 auf der Tribüne sitzt, dass man hin und wieder an Rot-Weiss denkt. Ich freue mich über Siege von RWE. Das hat nichts mit Neutralität zu tun. Ich trauere auch mit, wie zum Beispiele beim Spiel gegen Lübeck. Ich bin aber kein Fan. Da gibt es noch Unterschiede.


Jawattdenn.de:

Warum hat man eigentlich noch Lust dazu, Schiedsrichter zu werden?

Ronald Mildorf:
Man ist kein Richter, sondern in erster Linie der Sportkollege. Dieser Sportkollege hat die Aufgabe, den Regeln Geltung zu verschaffen. Das ist notwendig und wir sind dazu mit allen Vor- und Nachteilen, die diese Aufgabe mit sich bringt, bereit. Es ist wichtig, sich in den Sportkollegen einfühlen zu können und nicht ausschließlich den drohenden Schiedsrichter zu mimen. Man hat auch einen sozialen Aufstieg, den man nicht vernachlässigen darf. In welcher Sportart ist es möglich, als Amateur in die Erste Bundesliga oder sogar die internationale Klasse aufzusteigen? Das ist ein Aspekt, der so manchem Schiedsrichter auch bei Gegenwind antreibt, weiterzumachen.


Jawattdenn.de:

Stichwort Profischiedsrichter, denkst du er sollte kommen?

Ronald Mildorf:
Der wäre schon lange da, wenn man wüsste, was mit den Schiedsrichtern passiert, die die Altersgrenze erreichen. Beim DFB liegt die Altersgrenze bei 47 Jahren, international sogar bei 45 Jahren. Wenn man die Schiedsrichter nach dieser Grenze versorgen oder ihnen Arbeit verschaffen könnte, wäre der Profischiedsrichter bereits da. Mit 47 oder gar 45 ist es heutzutage leider sehr schwierig einen Arbeitgeber zu finden, der die Leute noch einstellt. Dieses Problem hindert den DFB und die FIFA daran den Profischiedsrichter einzuführen. Die Strukturen dafür sind bereits geschaffen. Einen Tag vor dem Spiel wird angereist, ein Tag nach dem Spiel erfolgt die Abreise. Es gibt Trainingsprogramme und Fortbildungsmaßnahmen. Der einzige Knackpunkt ist die Frage nach der Versorgung der Schiedsrichter über 47.


Jawattdenn.de:

Erzähl mal etwas zu deiner eigenen Karriere. Warst du schon damals im Kreis 12?

Ronald Mildorf:
Ja, da bin ich groß geworden. Es gab ja einige große Zwölfer. Hans-Jürgen Weber, Jansen, Plettenberg und Mildorf waren die, die oben geleitet und gewunken haben. Ich habe, wie jeder Schiedsrichter, im Jugendbereich angefangen und bin danach durch alle Klassen durchmarschiert bis ganz nach oben. Im Profibereich war Leo Kentsch mein erster Gespannführer. Danach war Dieter Pauly aus Mönchengladbach zwei Jahre lang mein Gespannführer und danach war es Hans-Jürgen Weber.


Jawattdenn.de:

Was war dein größtes Highlight?

Ronald Mildorf:
Ich habe mit Dieter Pauly alle Ortsderbys und viele besondere Pokalspiele zu dieser Zeit mitgemacht. Mein erstes Spiel war die Partie Stuttgarter Kickers gegen den VFB Stuttgart, im alten Stadion, das ausverkauft war. Ich habe auch Berliner Derbys mitgemacht. Es gab damals noch einen Schiedsrichteraustausch zwischen der Schweiz und Deutschland. Davon habe ich profitiert. Ich war bei einem schweizer Pokalspiel und dem Länderspiel Bulgarien gegen die Türkei. Das war damals schon ein besonderes Highlight.


Jawattdenn.de:
Beim Fußball werden auf großen Turnieren oft Maßstäbe gesetzt, die daraufhin im Vereinsfußball umgesetzt werden. Gibt es so etwas unter Schiedsrichtern auch?

Ronald Mildorf:
Das ist ähnlich wie bei den Spielern. Auch die Schiedsrichter nehmen einiges aus so großen Turnieren mit. Es gibt nach dem Turnier immer eine große Aufbereitung durch die Verbände. Die Schiedsrichter werden nach Auffälligkeiten befragt, um sich beim nächsten großen Turnier besser verkaufen zu können.


Jawattdenn.de:

Du gehst privat aber einem Beruf nach und arbeitest nicht beim DFB oder dem Kreis 12?

Ronald Mildorf:
Ich bin voll berufstätig und nehme momentan keine Aufgaben mehr bei den Verbänden wahr.


Jawattdenn.de:
Ist es nicht schwierig die Aufgabe hier mit seinem Beruf zu vereinbaren, wenn man hier freitags schon stehen und die Schiedsrichter empfangen muss?

Ronald Mildorf:
Ich habe das Glück, im öffentlichen Dienst tätig zu sein. Da gibt es für besondere Maßnahmen hin und wieder freie Tage und Gleitzeitvereinbarungen. Das geht also problemlos.


Jawattdenn.de:
Wir danken für das Gespräch!

 

Das Interview führten Hendrik Stürznickel und Anja Offermann