Interview mit Rolf Hempelmann

veröffentlicht am 27.04.2006 um 12:50 Uhr

Seit 1998 führt Rolf Hempelmann die Geschicke des Vereins Rot-Weiss Essen. Seitdem wurden der Konkurs abgewendet, neue schlagkräftige Sponsoren geworben und Pläne für ein neues Stadion geschmiedet. Im Interview mit jawattdenn.de gab Hempelmann vor dem Heimspiel gegen Wattenscheid 09 Auskunft über Vergangenes, Gegenwärtiges und die Zukunft von RWE.


Rolf HempelmannJawattdenn.de:
Kann man nun für die zweite Liga planen, nachdem mit Kiel und Osnabrück zwei dicke Brocken aus dem Weg geräumt wurden?

Rolf Hempelmann:
Wir sind nach diesen Spielen schon optimistischer als vorher. Ich ertappe mich manchmal dabei, dass ich selbst in Euphorie verfalle und mich dann bremsen muss. Und hier sehe ich eine Gefahr. Geht die Mannschaft mit dieser Einstellung „Wir sind schon durch“ in das Spiel, dann bekommt man gerade in solchen Spielen die Grenzen aufgezeigt. Gerade die Abstiegskandidaten werden ganz undankbare Aufgaben, und wir spielen leider noch gegen einige. Dennoch bin ich sehr zuversichtlich, dass wir alle am Ende der Saison unser großes Ziel erreicht haben werden und jubeln können.


Jawattdenn.de:
Gerade die beiden Spiele gegen Kiel und Osnabrück waren ja hervorragend. Hat die Mannschaft jetzt zu ihrem Spiel gefunden?

Rolf Hempelmann:
Ich war in Osnabrück völlig begeistert. Die gesamte Mannschaft war über weite Strecken absolut souverän. Gut ist sicher, dass wir beispielsweise Spieler wie Löbe oder van Lent im Kader haben, die neben der Ansprache des Trainers auch das eine oder andere Wort finden, um dem Rest der Truppe zu helfen. Sie nehmen dem Trainer dadurch sogar hin und wieder die Arbeit ab. Und dann hört man immer wieder, dass die Jungs untereinander eine klasse Stimmung haben und sich wohl fühlen.


Jawattdenn.de:
Auch Trainingskiebitze bestätigen immer wieder, dass gerade die Stimmung im Vergleich zu früheren RWE-Mannschaften anders ist ...

Rolf Hempelmann:
Rolf HempelmannNach dem Paulispiel kam sozusagen die Wende. Damals fing Alex Löbe gerade an, dem Team auch außerhalb des Rasens dienlich zu sein, doch dann warf ihn leider diese schwere Verletzung zurück. Alex blieb trotz seiner Beschwerden immer sehr nah am Team und wir haben ihm auch ganz klar gesagt, dass seine reine Präsenz sehr hilfreich für uns im Aufstiegskampf werden wird. Er war bei jedem Auswärtsspiel dabei und hat die Mannschaft unterstützt, zumindest ab dem Punkt, als es wieder ging. Alex ist auch außerhalb des Rasens ein echter Typ, den sich jede Mannschaft nur wünschen kann. Genauso wichtig ist es aber auch, solche Leute auf dem Platz zu haben, wie eben Arie van Lent. Allein die Art und Weise, wie Arie die Bälle abschirmt und verteilt, das sind Dinge, die dem Team gut tun. Und deshalb mussten wir einen Spieler von diesem Format zu uns holen. Allerdings sind Löbe und van Lent völlig unterschiedliche Charaktere.


Jawattdenn.de:
Jetzt, da Alexander Löbe wieder fit ist, kommt da keiner dem anderen in die Quere? Schließlich spielen beide auf der gleichen Position …

Rolf Hempelmann:
Zunächst mal freuen wir uns, dass wir zwei Führungsspieler dieses Formats im Kader haben. Und natürlich haben wir uns vorher Gedanken darüber gemacht, was passiert, wenn Löbe wieder fit ist. Formal spielen beide auf der gleichen Position, aber das schließt nicht aus, dass sie nebeneinander spielen können. Das wird eine der zukünftigen Aufgaben des Trainers sein. Aber das kann man natürlich schlecht gegen Ende der Saison im Aufstiegskampf testen.


Jawattdenn.de:
Inwieweit nehmen Sie persönlich Einfluss auf das sportliche Geschehen?

Rolf Hempelmann:
Gerade nach den negativen Erfahrungen im letzten Jahr, hatte ich irgendwie den Eindruck, es wäre nicht verkehrt, etwas näher am Geschehen zu sein. Uwe Neuhaus und Olaf Janßen besprechen regelmäßig die aktuelle sportliche Situation mit mir, natürlich auch mit den Gremien.


Jawattdenn.de:
Sind das nicht eigentlich Dinge, die man als Präsident als selbstverständlich ansieht?

Rolf Hempelmann:
Ja. Wichtig ist aber auch, dass man als Präsident die Kompetenzen von Trainer und sportlichem Leiter respektiert, besonders wenn man selbst nicht aus dem Profifußball kommt.


Jawattdenn.de:
Letzten Endes sind aber Sie der Hauptverantwortliche ...

Rolf Hempelmann:
Natürlich, aber es ist ein Fakt, dass es auch Schaden anrichten kann, wenn jemand zu sehr in die Mannschaft hinein dirigiert. Natürlich fordere ich plausible Erklärungen und hake nach. Natürlich will ich über bestimmte Abläufe informiert werden. Wenn ich sehe, dass eine Mannschaft, die mit hohen Lorbeeren startete, schlechter anstatt besser wird - und so was gab es während meiner Amtszeit auch schon – hinterfrage ich, warum das der Fall ist und versuche, der Sache auf den Grund zu gehen.


Rolf HempelmannJawattdenn.de:
Der Sache auf den Grund gegangen sind Sie auch damals bei ihrem Einstieg im Verein. Wie kam der Politiker Rolf Hempelmann zu RWE?

Rolf Hempelmann:
Ich wurde beim Zweitligaaufstieg 1996 von einem ausscheidenden Verwaltungsratsmitglied gefragt, ob ich bei RWE einsteigen wollte. Ich war bereit, wurde aber erst anderthalb Jahre später konkret angesprochen, als RWE mit über acht Millionen Mark Schulden vor dem zweiten Abstieg in Folge stand. Damals habe ich gesagt: "Wer in guten Zeiten kommen will, muss auch in schlechten Zeiten bereit sein." Ich wurde also Mitglied im Verwaltungsrat und sah mich als Politiker sofort einem heftigen öffentlichen Druck ausgesetzt. Als mein Engagement verkündet wurde, bin ich seinerzeit von Journalisten angerufen worden, die mich fragten, was ich denn eigentlich bei Rot-Weiss Essen noch retten wolle. Ich habe denen dann mitgeteilt, dass ich erst mal einen Überblick bekommen müsse, um am Ende eine Antwort darauf zu haben, ob dem Patienten noch geholfen werden könne ... Es konnte geholfen werden. Allerdings dauerte es bis zum Saisonende. Dann konnte im Mai - am 29. April war ich zum Präsidenten gewählt worden - nach dem sportlichen Abstieg in die Oberliga zumindest der Konkurs abgewendet und später mit dem Einstieg der Kinowelt auch eine Wiederaufstiegssaison finanziert werden.


Jawattdenn.de:

Am 12. Juni 2001 konnte dann auch Kölmels Kinwowelt nicht mehr helfen.

Rolf Hempelmann:

Sie spielen auf die vielleicht krisenhafteste Zuspitzung in meiner Amtszeit an. Am Freitagabend, 9. Juni 2001, bekam ich die telefonische Information der Kinowelt, dass sie entgegen anderer Zusagen die zirka sechs Millionen Mark Bürgschaft nicht liefern würden. Die war aber bis zum Abend des 12. Juni zur Erfüllung einer Lizenzbedingung beim DFB vorzulegen. Nach dem sportlichen Klassenerhalt am 10. Juni durch ein 3:2 in Braunschweig in letzter Minute hatten wir also drei Tage Zeit, das Unmögliche zu schaffen. Die Presse hielt meinen Optimismus damals für "Durchhalteparolen". Kann ich den Journalisten auch heute noch nicht verübeln. Aber am Dienstagabend konnten wir dank der Hilfe der Essener Wirtschaft Entwarnung geben.


Jawattdenn.de:
Hat also die prekäre Situation im Sommer 2001, als an der Hafenstraße schon Grablichter brannten, die Wirtschaft in Essen wachgerüttelt, sich zum Verein und zur Stadt zu bekennen?

Rolf Hempelmann:
Das kann man so sagen. Ich denke. gerade in Anbetracht des Zeitdrucks, unter dem wir standen, konnte man die Wirtschaft gewinnen. Es war schnelles Handeln gefordert, um die für die Lizenz notwendigen Bürgschaften beizubringen. Die Unternehmen bekommen ja auch mit, was in der Stadt los ist, und sie bemerkten damals wohl, welche Aufmerksamkeit Rot-Weiss in unserer Stadt genießt.


Rolf HempelmannJawattdenn.de:
Aber waren Ihre Kontakte nicht auch ausschlaggebend?

Rolf Hempelmann:
Natürlich spielen persönliche Kontakte immer eine Rolle. Aber ich denke, dass man damals auch gesehen hat, dass wir in den Jahren davor seriös gearbeitet hatten. Wir hatten lange Zeit keine Negativpresse, keine Skandalmeldungen von Jahreshauptversammlungen oder ähnliches. Es kamen viele kleine Dinge zusammen, die dazu beitrugen, dass wir die Unterstützung bekamen.

Jawattdenn.de:
Wie ist der Verein heute wirtschaftlich aufgestellt? Was passiert zum Beispiel, wenn wir doch nicht aufsteigen sollten?

Rolf Hempelmann:
Wir sind auch auf ein mögliches Scheitern vorbereitet, das kann ich versichern. Und zwar so weit, dass wir auch in einer potenziellen weiteren Regionalligasaison noch mal angreifen würden. Dies soll aber keine Aufforderung dazu sein, jetzt die Beine hoch zu legen ... Ich will in diesem Jahr aufsteigen, damit wir den durch den Abstieg unterbrochenen guten Weg fortsetzen können.


Jawattdenn.de:
Bleiben die STEAG und RWE als wichtigste Sponsoren an Bord?

Rolf Hempelmann:
Es ist wichtig, frühzeitig mit den beiden Großen für die Zukunft klar zu sein, und das sind wir. Aber, um es mal ganz klar zu sagen: alle Sponsoren sind wichtig für den Verein.


Jawattdenn.de:
Wie sieht es mit dem geplanten Neubau des Stadions aus? Um dieses Thema ist es in der Öffentlichkeit sehr still geworden, obschon es vielen Fans unter den Nägeln brennt.

Rolf HempelmannRolf Hempelmann:
Wir wollen mit diesem Thema erst dann wieder an die Öffentlichkeit gehen, wenn wir vermelden können, dass es ‚rund’ ist. Das Thema war nie ganz vom Tisch, wir haben es seit den ersten Planungen immer ernsthaft verfolgt. Ich bin damals nicht hergekommen, um den Verein aus der Oberliga in die Regionalliga zu führen. Diese Stadt und dieser Verein haben Potenzial. Essen beheimatet große Konzerne und als Bonus kommt jetzt noch die Kulturhauptstadt oben drauf ... Dieser Verein hat das Potenzial, wesentlich höher zu spielen als in der Regionalliga. Man braucht aber ein neues Stadion, um in höheren Ligen wirtschaftlich wettbewerbsfähig zu sein. Unser Projekt ist realistisch und es wurde gerade deswegen mit Begeisterung vom Rat der Stadt aufgenommen. Nicht umsonst gab es eine einstimmige Entscheidung, 7,5 Millionen Euro beizusteuern. Die Planung für das Stadion ist in den vergangenen Jahren auch nicht in Schubladen verschwunden, sondern weiter verfeinert worden, es wurde weiter detailliert gearbeitet und wir hoffen nach wie vor, unsere Pläne in die Realität umsetzen zu können.


Jawattdenn.de:

Wäre der Aufstieg dann gewissermaßen der Startschuss?

Rolf Hempelmann:

Bei diesem Thema bin ich sehr vorsichtig. Von unserer Seite aus wird es dazu nur dann Informationen geben, wenn sie amtlich sind.


Jawattdenn.de:
Sie haben gerade eben den Titel der Kulturhauptstadt für Essen angesprochen. Kann das positiv auf RWE ausstrahlen?

Rolf Hempelmann:
Es wird positiv ausstrahlen. Es wird. Das Ruhrgebiet hat die Ausscheidung gerade wegen einer etwas anderen Definition des Begriffs Kultur gewonnen. Rolf HempelmannHier verbindet man Kultur mit Arbeit. Hier ist uns die Kultur nicht zugeflogen, sondern wir haben sie uns erarbeitet. Wenn man an Industriekultur denkt, dann denkt man auch an die Zeit der Zechen. An den Pütt, an die Kumpels. Für viele davon war Fußball der Lebensinhalt. Fußball ist Kult, Fußball ist Kultur in dieser Region. Wenn man den Titel Kulturhauptstadt innehat, dann ist damit eine riesige Verpflichtung verbunden. Bis 2010 müssen wir beweisen, dass wir diesen Titel auch verdienen. Die Menschen, die zu Besuch hierher kommen, müssen sehen, dass es berechtigt ist. Essen muss die der Stadt jetzt zufließenden Mittel für Projekte nutzen, die nachhaltig Beschäftigung in die Region bringen. Wir müssen insgesamt zeigen, dass wir eine vorzeigbare Stadt sind. Da darf es nicht eine schöne und eine hässliche Gesichtshälfte geben. Und dazu gehören zum Beispiel auch ein neuer Bahnhof und ein neues Stadion.


Jawattdenn.de:
Wie lange würde der Bau des Stadions eigentlich dauern?

Rolf Hempelmann:
Angedacht sind 21 Monate.


Jawattdenn.de:

Dann müsste man ja theoretisch 2007 mit dem Bau beginnen, um vor dem Kulturhauptstadtjahr fertig zu sein. Ist denn die Landesbürgschaft sicher?

Rolf Hempelmann:

Im Leben ist nichts sicher ... die Zusage war damals da, ich denke nicht dass es daran scheitern wird, dass Nordrhein-Westfalen jetzt von anderen Farben regiert wird. Wir werden dem Land aber einen Bürgschaftsantrag präsentieren, der sich gewaschen hat. Die müssen direkt bei der ersten Einsicht in die Akten erkennen können, dass dort für sie kein Risiko existiert. Unser Job kann nur sein, weiter genau daran zu arbeiten.


Jawattdenn.de:
Was bekommen Sie von der Stimmungslage um den Verein mit? In diesem Jahr gab es viel Aufregung wegen des Umzuges des Gästeblocks auf die Nordtribüne und der neuen „Blocktrennung“.

Rolf Hempelmann:
Rolf HempelmannNatürlich kommen solche Sachen bei mir an. Wir mussten den Fans einiges zumuten. Wir haben teilweise Leute von ihren Stammplätzen vertrieben. Ich habe für die Aufregung Verständnis. Ich hatte aber die Hoffnung, dass die Mannschaft dazu beitragen wird, dass die Fans am Ende dennoch wieder die Dinge tun können, die sie mit dem Fußball verbinden. Und zuletzt bekam man auch den Eindruck, als würde sich was Neues entwickeln. Zum Beispiel der neue Schlachtruf über drei Tribünen wäre nie entstanden, wenn es nicht diese für die Fans unglücklichen Umstände gegeben hätte. Wir hatten im Übrigen keine wirkliche Chance, diese Sache zu umgehen, sondern mussten aufgrund von Vorfällen die Sicherheit zwingend verbessern. Wir konnten uns da nicht einfach gegen den DFB stellen, auch wenn das bei vielen Fans sicher gut angekommen wäre. Aber letzten Endes wären wir bei einem Versuch, diese Sache zu umgehen, das schwächste Glied in der Kette gewesen.


Jawattdenn.de:
Im kommenden Jahr wird RWE 100 Jahre alt. Machen Sie uns doch mal ein wenig den Mund wässrig, was uns Zuschauer erwarten wird.

Rolf Hempelmann:
Das ist ein Teil von Nico Schäfers Arbeit. Es existieren einige Arbeitsgruppen, aber leider werde ich mich erst im Sommer mit den konkreten Planungen beschäftigen können. Nico Schäfer ist da besser informiert, aber ob er schon einige Katzen aus dem Sack lassen würde, weiß ich nicht.


Jawattdenn.de:
Sehen Sie den Geburtstag als Chance, die verschiedenen „Baustellen“ des Vereins zu kombinieren?

Rolf Hempelmann:
Ein hundertjähriger Geburtstag ist immer eine Chance. Mit der Stadt haben bereits Gespräche stattgefunden. Essen ist Kulturhauptstadt 2010. 2007 liegt auf der Wegstrecke dahin, da drängen sich bestimmte Assoziationen, von denen wir vorhin gesprochen haben, geradezu auf. Es wäre eine unglaublich reizvolle Aufgabe, hier an dieser Stelle ein neues Stadion zu bauen. Mit all diesen Aspekten im Hinterkopf kann man sehr viele wunderbare Geschichten, sowohl für die Stadt als auch für den Verein, entwickeln.


Jawattdenn.de:
2007 Jubiläum, 2010 Kulturhauptstadt – wie lange wollen Sie persönlich an der Spitze von RWE bleiben?

Rolf Hempelmann:
So lange, wie man mir das Gefühl vermittelt, hier gebraucht zu werden.


Jawattdenn.de:
Herr Hempelmann, wir danken Ihnen für das Gespräch.



Das Interview führten Frank Schulz und Thomas Mollen