Interview mit Rolf Hempelmann
Seit 1998 führt Rolf Hempelmann die Geschicke des Vereins Rot-Weiss Essen. Seitdem wurden der Konkurs abgewendet, neue schlagkräftige Sponsoren geworben und Pläne für ein neues Stadion geschmiedet. Im Interview mit jawattdenn.de gab Hempelmann vor dem Heimspiel gegen Wattenscheid 09 Auskunft über Vergangenes, Gegenwärtiges und die Zukunft von RWE.
Jawattdenn.de:
Kann man nun für die zweite Liga planen, nachdem
mit Kiel und Osnabrück zwei dicke Brocken aus
dem Weg geräumt wurden?
Rolf Hempelmann:
Wir sind nach diesen Spielen schon optimistischer
als vorher. Ich ertappe mich manchmal dabei, dass
ich selbst in Euphorie verfalle und mich dann bremsen
muss. Und hier sehe ich eine Gefahr. Geht die Mannschaft
mit dieser Einstellung „Wir sind schon durch“
in das Spiel, dann bekommt man gerade in solchen Spielen
die Grenzen aufgezeigt. Gerade die Abstiegskandidaten
werden ganz undankbare Aufgaben, und wir spielen leider
noch gegen einige. Dennoch bin ich sehr zuversichtlich,
dass wir alle am Ende der Saison unser großes
Ziel erreicht haben werden und jubeln können.
Jawattdenn.de:
Gerade die beiden Spiele gegen Kiel und Osnabrück
waren ja hervorragend. Hat die Mannschaft jetzt zu
ihrem Spiel gefunden?
Rolf Hempelmann:
Ich war in Osnabrück völlig begeistert.
Die gesamte Mannschaft war über weite Strecken
absolut souverän. Gut ist sicher, dass wir beispielsweise
Spieler wie Löbe oder van Lent im Kader haben,
die neben der Ansprache des Trainers auch das eine
oder andere Wort finden, um dem Rest der Truppe zu
helfen. Sie nehmen dem Trainer dadurch sogar hin und
wieder die Arbeit ab. Und dann hört man immer
wieder, dass die Jungs untereinander eine klasse Stimmung
haben und sich wohl fühlen.
Jawattdenn.de:
Auch Trainingskiebitze bestätigen immer wieder,
dass gerade die Stimmung im Vergleich zu früheren
RWE-Mannschaften anders ist ...
Rolf Hempelmann:
Nach
dem Paulispiel kam sozusagen die Wende. Damals fing
Alex Löbe gerade an, dem Team auch außerhalb
des Rasens dienlich zu sein, doch dann warf ihn leider
diese schwere Verletzung zurück. Alex blieb trotz
seiner Beschwerden immer sehr nah am Team und wir
haben ihm auch ganz klar gesagt, dass seine reine
Präsenz sehr hilfreich für uns im Aufstiegskampf
werden wird. Er war bei jedem Auswärtsspiel dabei
und hat die Mannschaft unterstützt, zumindest
ab dem Punkt, als es wieder ging. Alex ist auch außerhalb
des Rasens ein echter Typ, den sich jede Mannschaft
nur wünschen kann. Genauso wichtig ist es aber
auch, solche Leute auf dem Platz zu haben, wie eben
Arie van Lent. Allein die Art und Weise, wie Arie
die Bälle abschirmt und verteilt, das sind Dinge,
die dem Team gut tun. Und deshalb mussten wir einen
Spieler von diesem Format zu uns holen. Allerdings
sind Löbe und van Lent völlig unterschiedliche
Charaktere.
Jawattdenn.de:
Jetzt, da Alexander Löbe wieder fit ist, kommt
da keiner dem anderen in die Quere? Schließlich
spielen beide auf der gleichen Position …
Rolf Hempelmann:
Zunächst mal freuen wir uns, dass wir zwei Führungsspieler
dieses Formats im Kader haben. Und natürlich
haben wir uns vorher Gedanken darüber gemacht,
was passiert, wenn Löbe wieder fit ist. Formal
spielen beide auf der gleichen Position, aber das
schließt nicht aus, dass sie nebeneinander spielen
können. Das wird eine der zukünftigen Aufgaben
des Trainers sein. Aber das kann man natürlich
schlecht gegen Ende der Saison im Aufstiegskampf testen.
Jawattdenn.de:
Inwieweit nehmen Sie persönlich Einfluss auf
das sportliche Geschehen?
Rolf Hempelmann:
Gerade nach den negativen Erfahrungen im letzten Jahr,
hatte ich irgendwie den Eindruck, es wäre nicht
verkehrt, etwas näher am Geschehen zu sein. Uwe
Neuhaus und Olaf Janßen besprechen regelmäßig
die aktuelle sportliche Situation mit mir, natürlich
auch mit den Gremien.
Jawattdenn.de:
Sind das nicht eigentlich Dinge, die man als Präsident
als selbstverständlich ansieht?
Rolf Hempelmann:
Ja. Wichtig ist aber auch, dass man als Präsident
die Kompetenzen von Trainer und sportlichem Leiter
respektiert, besonders wenn man selbst nicht aus dem
Profifußball kommt.
Jawattdenn.de:
Letzten Endes sind aber Sie der Hauptverantwortliche
...
Rolf Hempelmann:
Natürlich, aber es ist ein Fakt, dass es auch
Schaden anrichten kann, wenn jemand zu sehr in die
Mannschaft hinein dirigiert. Natürlich fordere
ich plausible Erklärungen und hake nach. Natürlich
will ich über bestimmte Abläufe informiert
werden. Wenn ich sehe, dass eine Mannschaft, die mit
hohen Lorbeeren startete, schlechter anstatt besser
wird - und so was gab es während meiner Amtszeit
auch schon – hinterfrage ich, warum das der Fall
ist und versuche, der Sache auf den Grund zu gehen.
Jawattdenn.de:
Der Sache auf den Grund gegangen sind Sie auch damals
bei ihrem Einstieg im Verein. Wie kam der Politiker
Rolf Hempelmann zu RWE?
Rolf Hempelmann:
Ich
wurde beim Zweitligaaufstieg 1996 von einem ausscheidenden
Verwaltungsratsmitglied gefragt, ob ich bei RWE einsteigen
wollte. Ich war bereit, wurde aber erst anderthalb
Jahre später konkret angesprochen, als RWE mit
über acht Millionen Mark Schulden vor dem zweiten
Abstieg in Folge stand. Damals habe ich gesagt: "Wer
in guten Zeiten kommen will, muss auch in schlechten
Zeiten bereit sein." Ich wurde also Mitglied
im Verwaltungsrat und sah mich als Politiker sofort
einem heftigen öffentlichen Druck ausgesetzt.
Als mein Engagement verkündet wurde, bin ich
seinerzeit von Journalisten angerufen worden, die
mich fragten, was ich denn eigentlich bei Rot-Weiss
Essen noch retten wolle. Ich habe denen dann mitgeteilt,
dass ich erst mal einen Überblick bekommen müsse,
um am Ende eine Antwort darauf zu haben, ob dem Patienten
noch geholfen werden könne ... Es konnte geholfen
werden. Allerdings dauerte es bis zum Saisonende.
Dann konnte im Mai - am 29. April war ich zum Präsidenten
gewählt worden - nach dem sportlichen Abstieg
in die Oberliga zumindest der Konkurs abgewendet und
später mit dem Einstieg der Kinowelt auch eine
Wiederaufstiegssaison finanziert werden.
Jawattdenn.de:
Am 12. Juni 2001 konnte dann auch Kölmels Kinwowelt
nicht mehr helfen.
Rolf Hempelmann:
Sie spielen auf die vielleicht krisenhafteste Zuspitzung
in meiner Amtszeit an. Am Freitagabend, 9. Juni 2001,
bekam ich die telefonische Information der Kinowelt,
dass sie entgegen anderer Zusagen die zirka sechs
Millionen Mark Bürgschaft nicht liefern würden.
Die war aber bis zum Abend des 12. Juni zur Erfüllung
einer Lizenzbedingung beim DFB vorzulegen. Nach dem
sportlichen Klassenerhalt am 10. Juni durch ein 3:2
in Braunschweig in letzter Minute hatten wir also
drei Tage Zeit, das Unmögliche zu schaffen. Die
Presse hielt meinen Optimismus damals für "Durchhalteparolen".
Kann ich den Journalisten auch heute noch nicht verübeln.
Aber am Dienstagabend konnten wir dank der Hilfe der
Essener Wirtschaft Entwarnung geben.
Jawattdenn.de:
Hat also die prekäre Situation im Sommer 2001,
als an der Hafenstraße schon Grablichter brannten,
die Wirtschaft in Essen wachgerüttelt, sich zum
Verein und zur Stadt zu bekennen?
Rolf Hempelmann:
Das kann man so sagen. Ich denke. gerade in Anbetracht
des Zeitdrucks, unter dem wir standen, konnte man
die Wirtschaft gewinnen. Es war schnelles Handeln
gefordert, um die für die Lizenz notwendigen
Bürgschaften beizubringen. Die Unternehmen bekommen
ja auch mit, was in der Stadt los ist, und sie bemerkten
damals wohl, welche Aufmerksamkeit Rot-Weiss in unserer
Stadt genießt.
Jawattdenn.de:
Aber waren Ihre Kontakte nicht auch ausschlaggebend?
Rolf Hempelmann:
Natürlich spielen persönliche Kontakte immer
eine Rolle. Aber ich denke, dass man damals auch gesehen
hat, dass wir in den Jahren davor seriös gearbeitet
hatten. Wir
hatten lange Zeit keine Negativpresse, keine Skandalmeldungen
von Jahreshauptversammlungen oder ähnliches.
Es kamen viele kleine Dinge zusammen, die dazu beitrugen,
dass wir die Unterstützung bekamen.
Jawattdenn.de:
Wie ist der Verein heute wirtschaftlich aufgestellt?
Was passiert zum Beispiel, wenn wir doch nicht aufsteigen
sollten?
Rolf Hempelmann:
Wir sind auch auf ein mögliches Scheitern vorbereitet,
das kann ich versichern. Und zwar so weit, dass wir
auch in einer potenziellen weiteren Regionalligasaison
noch mal angreifen würden. Dies soll aber keine
Aufforderung dazu sein, jetzt die Beine hoch zu legen
... Ich will in diesem Jahr aufsteigen, damit wir
den durch den Abstieg unterbrochenen guten Weg fortsetzen
können.
Jawattdenn.de:
Bleiben
die STEAG und RWE als wichtigste Sponsoren an Bord?
Rolf Hempelmann:
Es ist wichtig, frühzeitig mit den beiden Großen
für die Zukunft klar zu sein, und das sind wir.
Aber, um es mal ganz klar zu sagen: alle Sponsoren
sind wichtig für den Verein.
Jawattdenn.de:
Wie sieht es mit dem geplanten Neubau des Stadions
aus? Um dieses Thema ist es in der Öffentlichkeit
sehr still geworden, obschon es vielen Fans unter
den Nägeln brennt.
Rolf Hempelmann:
Wir wollen mit diesem Thema erst dann wieder an die
Öffentlichkeit gehen, wenn wir vermelden können,
dass es ‚rund’ ist. Das Thema war nie ganz
vom Tisch, wir haben es seit den ersten Planungen
immer ernsthaft verfolgt. Ich bin damals nicht hergekommen,
um den Verein aus der Oberliga in die Regionalliga
zu führen. Diese Stadt und dieser Verein haben
Potenzial. Essen beheimatet große Konzerne und
als Bonus kommt jetzt noch die Kulturhauptstadt oben
drauf ... Dieser Verein hat das Potenzial, wesentlich
höher zu spielen als in der Regionalliga. Man
braucht aber ein neues Stadion, um in höheren
Ligen wirtschaftlich wettbewerbsfähig zu sein.
Unser Projekt ist realistisch und es wurde gerade
deswegen mit Begeisterung vom Rat der Stadt aufgenommen.
Nicht umsonst gab es eine einstimmige Entscheidung,
7,5 Millionen Euro beizusteuern. Die Planung für
das Stadion ist in den vergangenen Jahren auch nicht
in Schubladen verschwunden, sondern weiter verfeinert
worden, es wurde weiter detailliert gearbeitet und
wir hoffen nach wie vor, unsere Pläne in die
Realität umsetzen zu können.
Jawattdenn.de:
Wäre der Aufstieg dann gewissermaßen der
Startschuss?
Rolf Hempelmann:
Bei diesem Thema bin ich sehr vorsichtig. Von unserer
Seite aus wird es dazu nur dann Informationen geben,
wenn sie amtlich sind.
Jawattdenn.de:
Sie haben gerade eben den Titel der Kulturhauptstadt
für Essen angesprochen. Kann das positiv auf
RWE ausstrahlen?
Rolf Hempelmann:
Es wird positiv ausstrahlen. Es wird. Das Ruhrgebiet
hat die Ausscheidung gerade wegen einer etwas anderen
Definition des Begriffs Kultur gewonnen. Hier
verbindet man Kultur mit Arbeit. Hier ist uns die
Kultur nicht zugeflogen, sondern wir haben sie uns
erarbeitet. Wenn man an Industriekultur denkt, dann
denkt man auch an die Zeit der Zechen. An den Pütt,
an die Kumpels. Für viele davon war Fußball
der Lebensinhalt. Fußball ist Kult, Fußball
ist Kultur in dieser Region. Wenn man den Titel Kulturhauptstadt
innehat, dann ist damit eine riesige Verpflichtung
verbunden. Bis 2010 müssen wir beweisen, dass
wir diesen Titel auch verdienen. Die Menschen, die
zu Besuch hierher kommen, müssen sehen, dass
es berechtigt ist. Essen muss die der Stadt jetzt
zufließenden Mittel für Projekte nutzen,
die nachhaltig Beschäftigung in die Region bringen.
Wir müssen insgesamt zeigen, dass wir eine vorzeigbare
Stadt sind. Da darf es nicht eine schöne und
eine hässliche Gesichtshälfte geben. Und
dazu gehören zum Beispiel auch ein neuer Bahnhof
und ein neues Stadion.
Jawattdenn.de:
Wie lange würde der Bau des Stadions eigentlich
dauern?
Rolf Hempelmann:
Angedacht sind 21 Monate.
Jawattdenn.de:
Dann müsste man ja theoretisch 2007 mit dem Bau
beginnen, um vor dem Kulturhauptstadtjahr fertig zu
sein. Ist denn die Landesbürgschaft sicher?
Rolf Hempelmann:
Im Leben ist nichts sicher ... die Zusage war damals
da, ich denke nicht dass es daran scheitern wird,
dass Nordrhein-Westfalen jetzt von anderen Farben
regiert wird. Wir werden dem Land aber einen Bürgschaftsantrag
präsentieren, der sich gewaschen hat. Die müssen
direkt bei der ersten Einsicht in die Akten erkennen
können, dass dort für sie kein Risiko existiert.
Unser Job kann nur sein, weiter genau daran zu arbeiten.
Jawattdenn.de:
Was bekommen Sie von der Stimmungslage um den Verein
mit? In diesem Jahr gab es viel Aufregung wegen des
Umzuges des Gästeblocks auf die Nordtribüne
und der neuen „Blocktrennung“.
Rolf Hempelmann:
Natürlich
kommen solche Sachen bei mir an. Wir mussten den Fans
einiges zumuten. Wir haben teilweise Leute von ihren
Stammplätzen vertrieben. Ich habe für die
Aufregung Verständnis. Ich hatte aber die Hoffnung,
dass die Mannschaft dazu beitragen wird, dass die
Fans am Ende dennoch wieder die Dinge tun können,
die sie mit dem Fußball verbinden. Und zuletzt
bekam man auch den Eindruck, als würde sich was
Neues entwickeln. Zum Beispiel der neue Schlachtruf
über drei Tribünen wäre nie entstanden,
wenn es nicht diese für die Fans unglücklichen
Umstände gegeben hätte. Wir hatten im Übrigen
keine wirkliche Chance, diese Sache zu umgehen, sondern
mussten aufgrund von Vorfällen die Sicherheit
zwingend verbessern. Wir konnten uns da nicht einfach
gegen den DFB stellen, auch wenn das bei vielen Fans
sicher gut angekommen wäre. Aber letzten Endes
wären wir bei einem Versuch, diese Sache zu umgehen,
das schwächste Glied in der Kette gewesen.
Jawattdenn.de:
Im kommenden Jahr wird RWE 100 Jahre alt. Machen Sie
uns doch mal ein wenig den Mund wässrig, was
uns Zuschauer erwarten wird.
Rolf Hempelmann:
Das ist ein Teil von Nico Schäfers Arbeit. Es
existieren einige Arbeitsgruppen, aber leider werde
ich mich erst im Sommer mit den konkreten Planungen
beschäftigen können. Nico Schäfer ist
da besser informiert, aber ob er schon einige Katzen
aus dem Sack lassen würde, weiß ich nicht.
Jawattdenn.de:
Sehen Sie den Geburtstag als Chance, die verschiedenen
„Baustellen“ des Vereins zu kombinieren?
Rolf Hempelmann:
Ein hundertjähriger Geburtstag ist immer eine
Chance. Mit der Stadt haben bereits Gespräche
stattgefunden. Essen ist Kulturhauptstadt 2010. 2007
liegt auf der Wegstrecke dahin, da drängen sich
bestimmte Assoziationen, von denen wir vorhin gesprochen
haben, geradezu auf. Es wäre eine unglaublich
reizvolle Aufgabe, hier an dieser Stelle ein neues
Stadion zu bauen. Mit all diesen Aspekten im Hinterkopf
kann man sehr viele wunderbare Geschichten, sowohl
für die Stadt als auch für den Verein, entwickeln.
Jawattdenn.de:
2007 Jubiläum, 2010 Kulturhauptstadt – wie
lange wollen Sie persönlich an der Spitze von
RWE bleiben?
Rolf Hempelmann:
So lange, wie man mir das Gefühl vermittelt,
hier gebraucht zu werden.
Jawattdenn.de:
Herr Hempelmann, wir danken Ihnen für das Gespräch.
Das Interview führten Frank Schulz und Thomas
Mollen