"Helden von einst" Teil X - Dirk "Putsche" Helmig

veröffentlicht am 21.02.2010 um 20:50 Uhr

Dirk Helmig ist einer der besten Fußballer, die in der jüngeren Vergangenheit bei RWE die Fußballschuhe geschnürt haben. Er ist Mitglied der RWE-Jahrhundertelf und steht damit in einer Reihe mit Helmut Rahn, Dieter Bast und Fritz Herkenrath. In insgesamt 355 Spielen erzielte Putsche 92 Tore und ging nach einem Gastspiel in Bochum sogar bis hinunter in die Oberliga. Grund genug mit dem Jahrhundertstürmer über seine Zeit bei RWE, als Trainer und über Aktivitäten außerhalb des Fußballplatzes zu sprechen.


Jawattdenn.de:
Hallo, Herr Helmig! Sie stammen aus der eigenen Jugend von Rot-Weiss Essen. Wie kam es zu ihrer Berufung in den Kader der ersten Mannschaft?

Dirk Helmig:
Ich habe zuvor immer für Rot-Weiss Essen gespielt. Meine Eltern haben fünf Minuten vom Stadion entfernt gewohnt, mein Vater und mein älterer Bruder haben schon bei RWE gespielt. 1972 habe ich bei dem Verein in der E-Jugend angefangen, damals gab es ja noch keine Bambini- oder F-Jugendmannschaften. Mein Einstieg bei Rot-Weiss begann übrigens als Torwart. Doch nach einem Jahr musste ich die Torwartposition verlassen, weil wir ein Spiel 1:8 verloren hatten (lacht). Von diesem Tag an habe ich im Feld gespielt und bin bei RWE alle Jugendmannschaften durchgegangen. Nach der A-Jugend habe ich nicht sofort den Sprung in die erste Mannschaft geschafft, sondern bin vernünftigerweise über die zweite Mannschaft zum A-Kader gekommen. Im ersten Seniorenjahr kam ich letztendlich noch zu zwei Einsätzen in der zweiten Liga. Meinen ersten Einsatz hatte ich gegen den 1. FC Saarbrücken, der zweite Einsatz war das Wiederholungsspiel gegen Schalke 04. Wir sind leider trotzdem in dieser Saison in die Oberliga abgestiegen, ich gehörte aber zum festen Kader dazu.

Schon als Kind war ich ständig im Georg-Melches-Stadion. Ich kannte den damaligen Platzwart Jupp Breitbach, der ist so etwas wie mein Stiefvater geworden, weil ich so oft da war. Damals habe ich die Schuhe der Spieler geputzt und wurde auch Balljunge. Mein Traum war es immer, in der ersten Mannschaft von Rot-Weiss Essen zu spielen, und den habe ich mir letztendlich auch erfüllt.


Quelle: www.rwe-autogramme-fm.deJawattdenn.de:
Im Buch „100 Jahre… nur der RWE!“ steht zum ersten Einsatz in Saarbrücken, dass Sie eigentlich nicht mit gefahren wären sondern die Sekräterin Silvia Zimmert Sie ins Saarland bringen musste. Angeblich wussten Sie gar nichts von ihrer Nominierung?

Dirk Helmig:
Siegfried Melzig war damals Trainer bei uns und unter ihm hatte ich zuvor ständig mit trainiert. In der Zeitung stand auch, dass ich mitfahren sollte. Samstags war dann wohl die Abfahrt, aber ich hatte überhaupt keine Informationen bekommen. Ich bin also davon ausgegangen, dass ich doch nicht im Kader stehen sollte. Am Abend kam dann der Anruf, dass ich am Sonntag nach Saarbrücken gebracht werden soll. Darüber habe ich mich sehr gefreut und natürlich habe ich damit gerechnet, dass ich auch meinen Einsatz bekomme, warum sollte ich sonst vier Stunden umsonst nach Saarbrücken gefahren werden. So kam es zu meinem ersten Einsatz.


Jawattdenn.de:
Ihr zweiter Einsatz war dann direkt beim Erzrivalen Schalke 04. Das war bestimmt auch ein ganz besonderes Erlebnis für Sie?

Dirk Helmig:
Es war das zweite Spiel auf Schalke, das Erste wurde zuvor abgebrochen. Wir waren eigentlich schon im Urlaub und mussten extra für das Spiel zurückkommen. Ich kannte die Rolltreppe des Parkstadions zuvor nur aus dem Fernsehen und jetzt stand ich plötzlich selbst darauf. Wir mussten das Spiel unbedingt gewinnen, allerdings war die theoretische Chance auf den Klassenerhalt nur bei einem Sieg mit 3 oder 4 Toren Unterschied möglich. Mein Einsatz dauerte eine halbe Stunde, aber leider war es dann zunächst vorbei mit der zweiten Liga.


Jawattdenn.de:
Diese Frage hat man Ihnen wahrscheinlich schon oft gestellt, aber wo kommt ihr Spitzname „Putsche“ eigentlich her?

Dirk Helmig:
Das ist eine ganz schwierige Frage (lacht). Ich sage eigentlich immer dazu, dass es ein Familiengeheimnis ist. Keiner weiß aber so richtig, wie der Name zustande gekommen ist. Mein Vater wurde schon „Putsche“ genannt, der hat ihn wieder vom Großvater übernommen. Später wurde mein Bruder auch „Putsche“ genannt, und ich war dann der „kleine Putsche“. Wie das aber genau dazu gekommen ist kann ich leider nicht sagen. Mit dem Spitznamen „Putsche“ ging es sogar so weit, dass die Leute sagten: „Dirk Helmig? Kenne ich nicht, aber den Putsche kenne ich!“


Jawattdenn.de:
Nach dem ersten Lizenzentzug für RWE 1991 kam es zum Wechsel nach Bochum.

Dirk Helmig:
Durch meinen Wechsel habe ich RWE finanziell retten können. Es war allerdings nicht so geplant. Im Dezember 1990 gab es ein Gespräch mit dem damaligen Trainer Hans-Werner Moors, in dem der Verein bekannt machte, dass er mich aus finanziellen Gründen verkaufen musste. Ich war damals der einzige Spieler, der einen Vertrag hatte und dazu die sportliche Leistung brachte, bei dem sich ein Verkauf für den Verein erheblich gelohnt hätte. Man hatte damals schon zur Winterpause einen neuen Verein für mich, und zwar den VFL Osnabrück, doch die standen noch einen Platz unter uns und deshalb war dieses Angebot für mich sportlich nicht interessant genug.

Über die Weihnachtstage rief der VFL Bochum an und bat mich zu einem Gespräch. Dies alles galt aber erst zur nächsten Saison. Das Angebot war super, denn dort konnte ich in der ersten Liga spielen und auch so passte einfach alles. Im Rausgehen erwähnte ich dann, dass RWE mich eigentlich jetzt schon verkaufen möchte, aber die Verantwortlichen vom VFL Bochum sagten, sie hätten das Geld für mich zurzeit nicht. Wir sind dabei verblieben, dass wir uns Anfang des kommenden Jahres noch einmal zusammensetzen wollten, um den Vertrag für die nächste Saison perfekt zu machen. Als ich von dem Termin nach Hause kam sagte meine Frau, dass ich den VFL zurückrufen soll. Die hatten wohl schon rumtelefoniert und sahen doch eine Möglichkeit, mich sofort zu verpflichten.

Ich habe dann auch bei RWE angefragt, aber noch nichts von meinen Gesprächen mit dem VFL Bochum direkt gesagt. Der Verein sagte dann, wenn ich einen Erstligisten hätte, könnte man meinen Transfer auch nach außen hin besser verkaufen. Letztendlich kam das Interesse des VFL Bochum doch heraus, da es von deren Seite bald eine offizielle Anfrage gab. Relativ schnell einigten sich beide Vereine über eine Ablösesumme für mich, ich glaube das waren um die 350.000 D-Mark. Also war ich schon im Januar 1991 beim VFL.


Putsche Helmig bei der 100 Jahre Feier in der GrugahalleJawattdenn.de:
Wenn wir richtig recherchiert haben, hatten Sie aber schon ein paar Jahre zuvor ein Angebot von Borussia Mönchengladbach, aber eine Verletzung verhinderte den Wechsel. Wäre es ein Traum von ihnen gewesen, am legendären Bökelberg zu spielen?

Dirk Helmig:
Das war damals die junge „Fohlenelf“ unter Trainer Jupp Heynckes. In meinem zweiten Seniorenjahr in der Oberliga hatte ich als junger Spieler eine sehr erfolgreiche Saison gespielt. Ich bin öfter beobachtet worden, aber zu einem Gespräch kam es nie. Wir haben uns darauf geeinigt, dass wir uns nach dem Spiel gegen Viersen an der Hafenstraße zusammensetzen. Das sollte der erste richtige Kontakt zur Borussia werden, aber ich habe mich genau in dem Spiel schwer verletzt. Zuvor lief es optimal, ich habe sogar ein Tor geschossen, bin dann aber an der Mittellinie gefoult worden und am nächsten Tag ist ein Innenbandabriss im Knie festgestellt worden. Ich musste acht bis neun Monate pausieren. Für die damalige Zeit kam das Angebot auch etwas zu früh für mich, vom Lerneffekt wäre das natürlich eine tolle Geschichte für mich gewesen. Aber es ist aufgrund der Verletzung leider nicht zustande gekommen.


Jawattdenn.de:
Sie kehrten in der Saison 1994/95 vom VfL Bochum wieder zurück an die Hafenstraße. Gab es da bei Ihnen keinen Unmut wegen ihrem Verkauf dreieinhalb Jahre zuvor?

Dirk Helmig:
Ich wollte damals nicht von RWE weg, da ich dort sehr zufrieden war. Und es war immer ein Traum von mir, für Rot-Weiss zu spielen. Die Entscheidung nach Bochum zu gehen war vor allem ein sportlicher Wechsel, da ich sehr gerne in der ersten Liga spielen wollte. Zudem konnte ich RWE finanziell noch kräftig mit meinem Wechsel unterstützen. Dies war also für beide Seiten sehr positiv, so dass es da überhaupt keinen Ärger gab.

Leider hatte ich nach nur einem Jahr in Bochum meine zweite schwere Verletzung, einen Riss der Achillessehne. Nach acht Monaten in der Reha riss die Achillessehne erneut. So war ich eigentlich schon Sportinvalide. Aufgrund der Versicherung musste ich mich nach 15 Monaten entscheiden, ob ich mit dem Fußball spielen weiter mache oder Sportinvalide bleibe, sonst wäre die Frist abgelaufen. Ich habe mich entschieden, weiter zu spielen. Der VfL ist in der Zwischenzeit in die zweite Bundesliga abgestiegen. Mit 27 Jahren war es zu früh, mit dem Sport aufzuhören. Ich habe mich unter dem damaligen VfL-Trainer Jürgen Gelsdorf wieder an die Mannschaft heran gekämpft. Der VfL sicherte mir im Übrigen nach der OP an der Achillessehne zu, dass ich mir keine Sorgen machen müsse und mein Vertrag auf jeden Fall für ein Jahr zu denselben Bedingungen verlängert wird. Das macht sicherlich auch nicht jeder Verein.

Ich bin ein hohes Risiko gegangen, aber in dem Zweitligajahr unter Jürgen Gelsdorf habe ich 31 Spiele absolviert. Leider spielte ich oft nicht von Anfang an und wenn du dich nach so einer schweren und langen Verletzung wieder heran gekämpft hast, verspürst du auch den Drang, wieder länger spielen zu dürfen. In Bochum war dies leider nicht mehr möglich. Der damalige RWE-Trainer Jürgen Röber wollte mich schon im Dezember zurückholen, aber der VfL gab mir leider ausgerechnet im Jahr des Pokalendspiels nicht die Freigabe. Der Kontakt nach Essen war aber immer da. Nach dem Pokalfinale bin ich dann wieder zurück nach Rot-Weiss gegangen.


Jawattdenn.de:
Ihr endgültiges Ende bei RWE war dann nach der Saison 1998/99, wo Sie mit der Mannschaft noch den Aufstieg in die Regionalliga feiern konnten.

Dirk Helmig:
Schon bei meinem Wechsel 1994 hatte ich beschlossen, meine sportliche Laufbahn auf jeden Fall bei RWE zu beenden. Danach hatte ich den Wunsch, eine Trainertätigkeit irgendwo bei einem Verein zu übernehmen. Leider war es 1999 nicht so angenehm wie bei meinem Wechsel nach Bochum. Da waren Sachen, die für mich als eingefleischter Rot-Weißer nicht unbedingt fair abliefen. Ich musste meine Karriere also woanders beenden und habe dann noch für ein Jahr Oberliga beim 1. FC Bocholt gespielt. Dort habe ich nach diesem Jahr auch meine erste Trainertätigkeit übernehmen können.

Bei meiner letzten Saison für RWE wollte mich der Trainer Dieter Tartemann ein wenig beiseite schieben. Ich hatte aber noch einen Vertrag und wollte das auch konsequent durchziehen auch vor dem Hintergrund, meine Karriere in Essen zu beenden. Irgendwann war aber Tartemann kein Trainer mehr und sein Nachfolger Klaus Berge baute mich wieder in das Team ein. In den letzten Spielen konnte ich noch zehn Tore erzielen und half so ein wenig mit, dass Rot-Weiss in die Regionalliga aufsteigen konnte. Leider hatte ich nicht mehr die Möglichkeit, noch einmal für RWE in der Regionalliga spielen zu dürfen. So kam es also zum Wechsel nach Bocholt.


Dirk's unter sich: Pusch und HelmigJawattdenn.de:
Sie haben insgesamt 355 Einsätze für RWE absolviert und 92 Tore geschossen. Welche Spiele blieben Ihnen in dieser langen Zeit in besonderer Erinnerung?

Dirk Helmig:
Mein erstes Zweitligaspiel, aber vor allem das Pokalspiel gegen Bayer Leverkusen 1996/97. Da bekomme ich heute noch Gänsehaut. Das war das Spiel meines Lebens. Die Stimmung damals war grandios, wir waren Regionalligist und Leverkusen spielte unter anderem mit Bernd Schuster, Paulo Sergio, Rudi Völler und Holger Fach. Wir sind in dem Spiel immer wieder zurückgekommen, ich habe noch zwei Tore machen können und habe die anderen beiden von Christian Dondera vorbereitet. In dem Spiel habe ich sogar Bernd Schuster einmal getunnelt, mit dem ich später zusammen den Trainerschein gemacht habe.

Aber auch für die Zuschauer war dieses Spiel grandios, bis heute erinnere ich mich an die legendäre Aussage von Rolf Töpperwien im Fernsehen. Dieses Ereignis werde ich nie vergessen. Allgemein würde ich aber auch noch einmal die Zeit beim VfL Bochum erwähnen. Bundesliga ist halt ein ganz besonderes Erlebnis. Ein weiteres tolles Ereignis war die Wahl zum beliebtesten Spieler bei RWE durch die Fans. Das hat mich sehr gefreut, vor allem wenn man so lange bei einem Verein spielt. Auch die Wahl in die Jahrhundertelf hat mich sehr bewegt. Diese Dinge machen mich sehr stolz!


Jawattdenn.de:
Allerdings gab es auch während ihrer Zeit einige Talfahrten von RWE. Den Lizenzentzug 1994 haben Sie ja nur aus der Distanz wahrgenommen, dafür sind Sie mit dem Verein bis in die Oberliga abgestiegen. Wie erlebt man solche Sachen mit?

Dirk Helmig:
Das Schöne daran war ja immer, dass wir ein Jahr später wieder aufgestiegen sind. Also kann man wirklich von Talfahrten sprechen. So konnten wir aber auch wieder schöne Stunden durch die Aufstiege an der Hafenstraße erleben. Allerdings war meine letzte Zeit an der Hafenstraße mit den zwei Abstiegen hintereinander schon brutal. Als Spieler hat man da schon eine eigene Sicht auf diese Sachen, mir tun in diesem Moment vor allem die Fans Leid. Die haben solche Talfahrten nicht verdient. Die Schuld lag nicht nur an uns Spielern, sondern auch innerhalb der Abläufe des Vereins. Der Verein konnte die sportliche Leistung nicht mehr garantieren, so wie es normalerweise üblich ist. Leider müssen die Fans das alles immer mitmachen. Es ist kaum vorstellbar, dass der Verein 1994 noch im Pokalfinale stand und vier Jahre später in die Oberliga abstieg.


Jawattdenn.de:
Kam der Gedanke bei Ihnen nie auf, den Verein in dieser Zeit zu verlassen? Schließlich sind damals monatelang keine Gehälter gezahlt worden und sie hätten ja durchaus noch zwei bis drei Jahre auf diesem Niveau weiterspielen können.

Dirk Helmig:
Nein, überhaupt nicht. Das Geld hat mich nicht interessiert, ich war immer der kleine „Putsche“, der sowieso bei RWE blieb. Aber es stimmt, wir haben vier bis fünf Monate hintereinander kein Geld bekommen und mussten unsere Getränke auf der Fahrt nach Saarbrücken selber bezahlen. Es gab junge Spieler in unserer Mannschaft, die konnten sich nicht einmal eine Cola leisten, das war schon sehr hart. Die eingefleischten Rot-Weissen unter uns haben die Fahne etwas hoch gehalten. Spieler, die im ersten Jahr in dem Verein waren, wären ohne diesen positiven Einfluss nicht in den Bus eingestiegen und hätten später auch nicht gespielt. Da war es schon schmerzhaft, noch nicht einmal ein Dankeschön von dem Verein nach dem Weggang 1999 zu erhalten.


Jawattdenn.de:
Sie haben ja nicht nur in den Neunzigern, sondern schon in den achtziger Jahren in der ersten Mannschaft von RWE gespielt. Gibt es da Spieler oder Trainer, auch gerne in den späteren Jahren, die Sie besonders geprägt haben?

Dirk Helmig:
Da muss ich sogar auf meine Zeit als Balljunge bei RWE zurückkommen. Ich habe für Dieter Bast die Bälle geholt und ihn irgendwann höflich gefragt: „Herr Bast, darf ich ein Autogramm von Ihnen haben?“. Später habe ich mit ihm in einer Mannschaft gespielt und gerufen: „Hey Dieter, was spielst Du denn da wieder?“

Oder für Horst Hrubesch habe ich auch die Bälle geholt, dann war der plötzlich mein Trainer. An Rolf Schafstall erinnere ich mich besonders gerne. In der Mittagszeit habe ich mit ihm und dem Platzwart Breitbach „MauMau“ gespielt, und da sollte ich 50 Pfennig von ihm bekommen, die er mir aber nie gegeben hat. Später war er mein Trainer beim VfL Bochum, der sich noch daran erinnern konnte, dass er mit einem kleinen Jungen in Essen „MauMau“ gespielt hat. An die 50 Pfennig erinnerte er sich aber nicht mehr (lacht). Dann sagte ich ihm, dass ich dieser kleine Junge war. Das sind schöne Erinnerungen. Dieter Bast war aber immer schon mein großes Vorbild.


Jawattdenn.de:
Gibt es noch einige Spieler, abgesehen von Jürgen Margref, mit denen Sie bis heute in Kontakt sind?

Dirk Helmig:
Ja, aber natürlich nicht täglich oder wöchentlich. Man sieht sich z. B. bei Spielen der Traditionsmannschaft, auch wenn man nicht unbedingt mitspielt sieht man den Ein oder Anderen wieder. Vor einigen Jahren haben wir einmal die 94er Pokalmannschaft zusammen geholt. Manchmal sieht man sich in Fußballgeschäft auch als Trainerkollege wieder. Ein fester Kontakt besteht aber nur zum Jürgen Margref.


Jawattdenn.de:
Als Junge haben Sie ja noch Bundesliga in den siebziger Jahren miterleben dürfen. Welche Spieler waren im Rückblick gesehen persönlich für Sie die besten Spieler, die Sie live miterleben durften?

Dirk Helmig:
Als Kind waren das Sepp Maier und Berti „der Terrier“ Vogts. Als ich älter wurde war ich von Horst Hrubesch, Frank Mill, Willi Lippens, Manni Burgsmüller und Matthias Herget beeindruckt. Dann gab es da noch Dietmar Klinger, der auch schon Trainer in unserer Fußballschule war. Das waren schöne Zeiten die ich erleben durfte und ich war durch meine Verbindung zum Platzwart immer hautnah dabei. Heinz Blasey, der bekannte RWE-Torhüter, hat mich damals immer mit zur Straßenecke genommen und hat mich bei meinen Eltern abgesetzt.


Jawattdenn.de:
Jeder RWE-Fan kann mit ihrem Namen etwas verbinden. Verfolgen Sie eigentlich noch das Geschehen rund um die Hafenstraße?

Dirk Helmig:
Ich bin immer noch Mitglied bei RWE und das schon seit 38 Jahren. Außerdem bin ich Mitglied eines rot-weißen Fanclubs, und das auch schon etwa 25 Jahre lang. Wenn man so lange bei dem Verein gespielt hat denkt man zwar nicht jeden Tag an RWE, aber man verfolgt das Geschehen regelmäßig. Das ist überhaupt keine Frage für mich. Es hat sich dort in letzter Zeit nicht viel verändert, sportlich läuft es weiterhin nicht besonders gut. Das tut mir besonders für die Fans leid. Sie haben etwas anderes verdient.


Jawattdenn.de:
Können Sie sich denn erklären, warum der Verein in den letzten Jahren so abgestürzt ist? Der Verein hatte ja die Chance durch die Aufstiege in die zweite Bundesliga auf bessere Zeiten zu hoffen. Warum ist RWE trotzdem in der Versenkung des deutschen Fußballs verschwunden?

Dirk Helmig:
Als Außenstehender ist es schwer dazu etwas zu sagen. Der Hauptgrund für diese Entwicklung ist da schwer auszumachen. In unserer finanziell schlecht aufgestellten Zeit haben wir immer gesagt, dass die Firmen in Essen wie RWE und die Stadtwerke zu wenig für den Verein machen. Jetzt waren die Gelder von diesen Firmen da, auch z. B. von der Sparkasse, und dann ist nicht das im sportlichen Bereich eingetroffen, was sich alle erhofft hatten. Trotz des Geldes hat man dann den Anschluss verpasst. Mittlerweile halten sich auch die Sponsoren zurück, da wird es schwierig sein, wieder in die höheren Ligen zurückzukehren.


Jawattdenn.de:
Gehen Sie denn noch in das Georg-Melches-Stadion oder sind sie da eher selten anzutreffen?

Dirk Helmig:
Ich bin nur selten dort. Das hat aber vor allem mit meiner Trainertätigkeit bei ETB Schwarz-Weiß Essen zu tun, die ich auch fünfmal in der Woche ausüben muss. Dazu habe ich ja noch eine Familie. Ich besuche natürlich öfter die zweite Mannschaft von RWE, da das Team ein Ligakonkurrent ist. Das letzte Meisterschaftsspiel der ersten Mannschaft gegen Schalke 04 II habe ich mir aber anschauen können. Aber die Abstände meiner Besuche liegen schon weit auseinander.


Jawattdenn.de:
In wie weit hat sich denn die Stimmung unter den Zuschauern an der Hafenstraße verändert, wenn Sie dies mit ihrer eigenen Zeit dort vergleichen?

Dirk Helmig:
Aufgrund der baulichen Situation haben sich die Stellplätze der Fans zunächst einmal verändert. Jeder hat damals Angst vor der legendären Westkurve, die ich ja auch noch erleben durfte. Dann sind die Fans auf die Gegengerade gewandert, mittlerweile stehen sie hinter dem Tor auf der Ostseite. Die Stimmung letztendlich, auch wenn gegen Schalke nur etwa 6000 Zuschauer gekommen sind, ist immer noch ähnlich. Es wird immer noch „Adiole“ beim Einlaufen der Mannschaften gespielt, die Gesänge und Unterstützungen durch die Fans sind auch geblieben.


Jawattdenn.de:
Wann haben Sie sich Gedanken darüber gemacht, was Sie nach ihrer Karriere machen wollen?

Jahrhundert-Elf - 100-Jahre-RWE-FeierDirk Helmig:
Recht früh habe ich 1996 meine Fußballschule gegründet, da war ich noch aktiver Spieler in Essen. Da gab es auch noch nicht den Boom bei den Fußballschulen, heute gibt es ja wahnsinnig viele Schulen. Ich hatte die Idee dazu, als ich vom Training nach Hause fuhr und an der Ampel drei Jungs mit ihren Fahrrädern und ihren Tennisschlägern auf dem Gepäckträger standen. In deren Alter gab es für mich nur Fußball und da habe ich mich gefragt, warum die keinen Fußball anstelle der Schläger dabei hatten. Ich habe dann die Fußballschule in den Herbstferien im Oktober 1996 gestartet und sie wurde toll angenommen. Man hat am Anfang natürlich immer Angst, ob die Kinder nur kommen, weil Du RWE-Spieler bist.

Aber uns gibt es immer noch und das ist wirklich das Schöne daran. Die Kinder kennen uns gar nicht mehr als Spieler, die Eltern schon, aber sie kommen alle, weil es ihnen wirklich Spaß macht. Der nächste Schritt war damals ein Fußballteilzeitinternat in Kooperation mit dem Stadtsportbund an der Raumerstraße in Essen, was auch außerhalb der Ferien mit Übernachtungen, Essen und Training angeboten wurde. Vor sechs Jahren habe ich mich mit Jürgen Margref geschäftlich als GBR zusammen getan und wir sind hier nach Duisburg gegangen. Wir beide haben ein sehr gutes Verhältnis, uns verbindet einfach der Fußball. Wir müssen nicht Bürotätigkeiten ausüben sondern dürfen weiter unseren Kindheitstraum leben.


Jawattdenn.de:
Sie sind auch Trainer, ihre erste Station war, wie schon erwähnt, der 1. FC Bocholt.

Dirk Helmig:
Ja, da durfte ich meine ersten Erfahrungen als Trainer in der Oberliga sammeln. Von Bocholt aus bin ich zur SG Wattenscheid 09 gekommen, in dieser Zeit habe ich auch noch zusätzlich die B-Jugend von ETB Schwarz-Weiß Essen mit meinem Sohn als Spieler trainiert. In Wattenscheid habe ich zunächst die A-Jugend übernommen. Als junger Trainer war dies ein toller Einstieg. Zwei Jahre habe ich die A-Jugend in der Bundesliga bei Wattenscheid mit sehr wenigen zur Verfügung stehenden Mitteln trainiert. Es ist ein sehr kleiner Verein und in der Bundesliga spielten Mannschaften wie Bayer Leverkusen, Schalke 04 oder Borussia Dortmund. Wir sind nicht abgestiegen, in einem Jahr waren wir sogar Fünfter oder Sechster. Das war für so einen kleinen Verein ein riesengroßes Ereignis.

Nach zwei Jahren musste ich aber aufgrund meiner beruflichen Verpflichtungen in der Duisburger Fußballschule meine Tätigkeit zurückschrauben, aber ich wollte nicht ganz bei Wattenscheid aufhören. Also einigten der Verein und ich uns darauf, dass ich den Posten des Sportlichen Leiters übernehmen konnte. Im Nachhinein war diese Entscheidung optimal für meine persönliche Entwicklung. Bei diesem Posten sieht man auch die andere Seite des Trainerjobs wie die Probleme der Eltern anhören oder Gespräche mit Betreuern, Trainer oder Co-Trainer führen. Das war eine sehr gute Erfahrung, die ich für meine heutige Trainertätigkeit mitnehmen konnte. Für mich war aber damals klar, dass ich auch irgendwann wieder an der Linie stehen wollte.

Dies ergab sich allerdings nur dadurch, dass Wattenscheid in die Oberliga absteigen musste und finanziell sehr schlecht aufgestellt war. Da sind Parallelen zu RWE, aber auch zu anderen Vereinen, deutlich erkennbar. Ich habe dann die Mannschaft der SGW zur damaligen Winterpause übernommen. Wir hatten zu diesem Zeitpunkt nur elf Punkte, die Situation war damals schon aussichtslos. Ich bekam die Aufgabe, eine junge Mannschaft zu formen mit dem Ziel, wenn es möglich ist doch noch die Klasse zu halten. Die Mannschaft holte mit mir als Trainer noch doppelt so viele Punkte wie zuvor, doch leider sind wir wegen drei Toren Unterschied doch noch in die Verbandsliga abgestiegen.

Im Nachhinein war der Abstieg für einen Neuaufbau der Mannschaft der richtige Weg, auch wenn ein Abstieg zunächst immer schade ist. Wir hatten eine sehr junge Mannschaft zusammen, sieben oder acht Spieler stammten auch als meiner A-Jugend, die ich zuvor trainiert hatte. Der Verein setzte auf die Jugendarbeit, und wir gingen in die Verbandsligasaison ohne die direkte Zielsetzung zu haben, wieder in die Oberliga aufzusteigen. Wir haben es dennoch geschafft und eine kleine Euphorie in Wattenscheid ausgelöst, was bei 900-1000 Zuschauern in der Verbandsliga vergleichbar ist mit den etwa 6000 Fans in der Regionalliga bei RWE.

Den Weg mit den jungen Spielern aus dem eigenen Nachwuchs haben wir in der NRW-Liga konsequent weiter geführt. Natürlich muss man dazu sagen, dass der Verein kaum eine andere Wahl hatte, wir konnten uns nach dem Aufstieg nicht mit acht oder neun neuen Leuten verstärken. Das hätte zu viel Geld gekostet. Wir mussten da unserer Linie treu bleiben. In dieser Saison haben wir eine recht ordentliche Hinrunde gespielt, aber wie es in diesem Geschäft so ist, kommen ein neuer Präsident oder andere neue Vorstandsmitglieder mit anderen Vorstellungen und dann wurde die Zusammenarbeit im Frühjahr beendet.


Jawattdenn.de:
Wie kam dann der Kontakt zu ETB Schwarz-Weiß Essen zustande? Oder bestand der immer noch aufgrund der damaligen Tätigkeit als B-Jugendtrainer?

Dirk Helmig:
Nein, eigentlich gab es keinen Kontakt mehr. Anfang März kurz vor meiner Entlassung wurde ich vom ETB angerufen. Ich sagte denen aber ganz deutlich, dass ich noch einen Vertrag bei Wattenscheid bis 2010 habe, also hätte ich noch ein ganzes Jahr bei der SGW bleiben können. Aber dann wurde ich bald beurlaubt und konnte offensiver mit einer möglichen Verpflichtung umgehen. Wir haben uns dann weiter unterhalten und es passte einfach für mich. ETB war in der Oberliga immer eine gute Adresse, in den letzten Jahren spielte man dort immer im oberen Drittel der Tabelle mit. Ich habe beim ETB zugesagt und bin seither dort tätig.


Jawattdenn.de:
Sind sie mit dem bisherigen Saisonverlauf beim ETB zufrieden?

Dirk Helmig:
Als Trainer darf man nie zufrieden sein (lacht). Wir haben die Mannschaft etwas verändert und verjüngt. Dadurch hatten wir zum Anfang immer fünf bis sechs neue Spieler in der Startformation, was sich auf die Ergebnisse auswirkte. Der Start in Wattenscheid lief mit einem 4:1-Sieg optimal für uns, danach haben wir fünf bis sechs Spiele hintereinander verloren. Mit dieser Situation hatte keiner von uns gerechnet. Wir konnten zusammen in Ruhe weiter arbeiten. Letztendlich hat sich das ausgezahlt und wir sind drei Punkte hinter einem Aufstiegsplatz. Zudem sind wir im Halbfinale des Diebelscups, das für den ETB in den letzten Jahren nicht erreicht wurde. Von daher kann man schon von einer ordentlichen Hinrunde sprechen und als Trainer auch ein wenig zufrieden sein.


Jawattdenn.de:
Aus der Saison 1994/95 gibt es eine CD mit dem Namen „Lets fedz Reds“, wo es ein Lied der Spieler für die Fans gibt.

Dirk Helmig:
Ich bin der Helmig…

Jawattdenn.de:
… Putsche wunderbar.

Dirk Helmig:
Das war auch so eine Aktion, die außerhalb des Fußballplatzes nicht so einfach war. „Ich bin der Helmig…“ musste ich ja nur sagen, ich habe aber dafür zwanzig Minuten gebraucht (lacht). Warum auch immer, aber es war sehr lustig. Nicht alle Spieler mussten etwas sagen, aber wir hatten damals sehr viel Spaß. Christian Schreier musste beispielsweise nur einmal ins Mikrophon sprechen, dann durfte der schon nach Hause gehen.

Der Typ hinter der Scheibe in dem Studio sagte nur: „Klasse, die Aufnahme nehmen wir!“. Das hat die Mannschaft aber auch zusammengeschweißt. Im Tonstudio kann man in dem Aufnahmeraum hineinsehen, aber nicht von dort hinausschauen. Ich habe mich immer mit meinen Kopfhörer und dem Mikrophon gefragt, was die bloß hinter der Scheibe machen. Diese Geschichte bleibt auf jeden Fall hängen.


Jawattdenn.de:
Aber eine weitere Karriere im Musikbereich ist nicht geplant?

Dirk Helmig:
Auf keinen Fall (lacht).


Jawattdenn.de:
Wie hat sich der Fußball nach ihrer Meinung im Gegensatz zu ihrer aktiven Zeit verändert?

Dirk Helmig:
Die Unterschiede sind ja schon in den einzelnen Spielklassen sichtbar. Damals habe ich den Unterschied zwischen meiner Zeit beim RWE und der beim VfL Bochum dadurch gemerkt, dass in der ersten Liga alles viel schneller ablief. Beispielsweise wird der Freistoß im Mittelfeld in der Kreisliga nur durch die Nummer zehn ausgeführt, in der Landesliga dürfen das schon zwei Spieler machen und je höher Du spielst desto schneller wird dieser Freistoß ausgeführt. In der Bundesliga führt derjenige Spieler den Freistoß aus der auch am nächsten zum Ball steht.

Dadurch wird auch das gesamte Spiel schneller, das habe ich noch während meiner aktiven Zeit feststellen können. Der Unterschied zu der damaligen Zeit ist der Punkt, dass diese Entwicklung zunehmend auch im Jugendbereich sichtbar wird. Es wird schneller trainiert und viel mehr Koordinationstraining eingebaut, auch der taktische Bereich wird immer mehr eingebaut. Das gab es alles zu meiner Zeit gar nicht.

Das Drumherum hat sich aber am meisten verändert. VIP-Zelte, die ganzen Fernsehsender, das Marketing, das sind die großen Unterschiede zu meiner Zeit. Früher hat man sich samstags auf die Sportschau gefreut, einmal im Monat wurde dann auch der Europapokal gezeigt, und jetzt kann man an jedem Tag der Woche Fußball schauen.


Jawattdenn.de:
Mittlerweile gibt es in Essen eine Petition für das neue Stadion mit bislang über 15.000 Unterschriften, die schon dem Oberbürgermeister übergeben wurden. Glauben Sie noch daran, dass es ein neues Stadion in Essen geben wird?

Dirk Helmig:
Ja! Auch wenn man als Außenstehender auch dazu schwer etwas sagen kann, aber es muss einfach ein neues Stadion für Essen geben. Dies muss aber klassenunabhängig entstehen. Das Stadion an der Hafenstraße ist einfach zu alt, die Frage ist allerdings, in welchen Rahmen das neue Stadion gebaut werden soll. Da habe ich aber kaum einen Einblick, es wäre aber unfair zu sagen, dass nur die Stadt daran Schuld hätte. Da habe ich aber das Vertrauen, dass das Stadion irgendwann kommen wird. Davon bin ich fest von überzeugt! Letztendlich bleibt aber zurzeit nichts anderes übrig, als in dem alten Stadion weiterzuspielen. Ich meine, dass es schon zu früheren Zeiten Pläne für ein neues Stadion gab. Die Frage bleibt allerdings, wann es denn passieren wird.


Jawattdenn.de:
Wir bedanken uns ganz herzlich für dieses Interview, Herr Helmig!


Das Interview führten Hendrik Stürznickel und Pascal Druschke