Interview mit Prof. Dr. Tobias Kollmann
Dr. Tobias Kollmann ist Professor und Inhaber des Lehrstuhls für BWL und Wirtschaftsinformatik an der Uni Essen. In den letzten Jahren hat sich der Fußballfan vermehrt auch beruflich mit seinem Lieblingssport auseinandergesetzt und zuletzt eine Studie zu Investment-Modellen im Fußball veröffentlicht. Wie E-Business und Fußball zusammenpassen und wieso die Hafenstraße trotz Abstiegs eine für Investoren interessante Adresse bleibt, erklärte Prof. Dr. Kollmann im Jawattdenn-Interview.
Jawattdenn.de:
Prof. Kollmann, wie kommt es, dass ausgerechnet ihr
Lehrstuhl sich damit beschäftigt, wie Fußballvereine
organisiert sind und wie sich Fans an ihren Vereinen
beteiligen können?
Prof. Kollmann:
Zunächst einmal habe ich selber eine enge Bindung
zum Fußball. Ich bin früher selbst jedes
Wochenende ins Stadion gegangen, denn mein Vater war
Pressefotograf in Köln und hat mich quasi zur
Arbeit mitgenommen. So hieß es also jeden Samstag:
hinters Tor vom FC und Fotos machen! Ich habe den
Sport also fast mit der Muttermilch aufgesogen, und
mir war schon früh klar, dass ich - egal was
ich später einmal mache - meine Arbeit unter
anderem auch auf den Fußballbereich beziehen
will.
Die Verbindung zum Lehrstuhl hat sich dann vor vier
Jahren ergeben, als wir eine Studie zu den Webseiten
der Bundesligisten erarbeitet haben. Wir beschäftigen
uns ja grundsätzlich mit E-Business und dem Internet,
und da ist es mir dann endlich gelungen, dass Fachliche
mit dem Emotionalen zu verbinden.
Als wir die Studie zu den Webseiten gemacht hatten,
wurden wir auch von den Clubs eingeladen, und zu denen
wollte ich nicht ohne eine gute Idee gehen. So habe
ich vorgeschlagen, Fans an Online-Kickertischen gegeneinander
antreten zu lassen. Die Idee wurde gut aufgenommen,
und das war der Grundstein für die Gründung
der "Virtual
Kicker League". Die hat inzwischen über
100.000 Mitspieler, und alle Vereine der ersten und
zweiten Bundesliga machen mit.
Jawattdenn.de:
Zuletzt haben Sie sich damit beschäftigt, wieso
der Fußball für Investoren interessant
ist und welche Rolle Fans beim Fußball-Investment
spielen können. Wie gerät man von der Gründung
einer Online Kicker-Liga zu einem solchen Themenfeld?
Prof. Kollmann:
Dabei hat die Virtual Kicker League sogar eine wichtige
Rolle gespielt, denn durch sie und unsere dazugehörigen
Kontakt zu den Bundesliga-Clubs konnten wir ein wenig
in die Vereine schauen und sind mit vielen Verantwortlichen
ins Gespräch gekommen. Die Website der "VKL"
konnten wir außerdem als Plattform für
Untersuchungen nutzen, indem wir dort die Fans befragt
haben.
So haben wir in den letzten Jahren drei Studien rund
um den Fußball durchgeführt. Die erste
Studie beschäftigt sich mit den Strukturen des
Vereins der Zukunft, während die zweite Studie
die Ansprüchen und Bedürfnisse des Fans
rund um den Stadionbesuch untersucht.
Unsere letzte größere Fußball-Studie
war "Fußball-Investment 2.0". Wir
haben hier verschiedene Investoren-Modelle aufzeigen
können und mit einer Befragung der Fans einige
Vereine ausgewiesen, die für Investoren besonders
interessant sind.
Spätestens hier kommt Rot-Weiss Essen ins Spiel,
denn RWE gehört zu diesen Vereinen.
Mit den anstehenden Veränderungen in der Vereinsstruktur
und dem Stadionneubau - der inzwischen einfach notwendig
geworden ist und kommen muss - decken also alle drei
Studien Bereiche ab, die RWE betreffen und für
die Zukunft des Vereins sehr wichtig sind.
Jawattdenn.de:
Warum ist Rot-Weiss ihrer Meinung nach für Investoren
so interessant?
Prof. Kollmann:
Während der Arbeit an der letzten Studie habe
ich eine Formel für den Fußballclub der
Zukunft aufgestellt. Sie lautet:
"(Team + Konzept + Kapital) * (Fanbasis +
Heimatstadt + Traditionsmarke)"
Die Gegebenheiten im Umfeld sind vorhanden. Man hat
die Fanbasis und hohe Zuschauerzahlen, ist in der
Großstadt Essen verankert und als Traditionsverein
anerkannt.
Dass es auf dieser Ebene passt, ist die Grundvoraussetzung
um Investoren anzusprechen. Auf der anderen Ebene,
also bei "Team", "Konzept" und
"Kapital" ist allerdings Arbeit nötig.
Dabei kann mir auch persönlich vorstellen, RWE
zu helfen. So habe ich mich über die Studien
hinaus damit beschäftigt, wie man speziell Rot-Weiss
sportlich und wirtschaftlich nach vorne bringen könnte
und ein passendes Konzept für RWE erarbeitet.
Dieses Konzept habe ich Claus-Werner Genge, der bis
zur Jahreshauptversammlung Aufsichtsratsvorsitzender
war, bereits vor zwei Monaten zukommen lassen. Vielleicht
kann es einen Impuls setzen und weitere Gespräche
anregen. Ich würde mich sehr freuen, wenn die
Verantwortlichen im Verein den Kontakt suchen würden.
Ich kann mir ebenfalls vorstellen, RWE gleichzeitig
mit Kapital zu unterstützen und - um meine Formel
wieder abzurunden - auch als Teil des "Teams",
also durch ein persönliches Engagement, zu helfen.
Denn wenn ich meiner Studie trauen darf, wäre
das sachlich ein sehr gutes Investment, aber für
mich auch emotional eine schöne Sache, weil Essen
meine Berufsstadt ist und ich gerne hier arbeite.
Jawattdenn.de:
Die Unternehmensberatung von Roland Berger und der
Verein selbst haben ebenfalls Konzepte zur Umstrukturierung
des Vereins ausgearbeitet, der Verein hat seines auch
öffentlich präsentiert. Haben Sie sich schon
mit dem Konzept des Vereins beschäftigt?
Prof. Kollmann:
Nein, als ich das Konzept vor zwei Monaten fertig
gestellt habe, habe ich das auch als neuen Impuls
gesehen. Ich habe mein Konzept parallel zur Arbeit
an unserem Faninvestoren-Modell ausgearbeitet und
danach mussten wir uns zum Semester-Ende hin verstärkt
um unsere Studentinnen und Studenten kümmern.
Von daher habe ich es zeitlich noch nicht geschafft,
mich näher mit diesem Vereins-Konzept zu befassen.
Jawattdenn.de:
Nachdem man sich nicht für die eingleisige Regionalliga
qualifizieren konnte ist RWE erstmal von der Fußballlandkarte
verschwunden. Wieso sollte in einer solchen Situation
ein Investor bei RWE einsteigen, wenn er genauso gut
einen Traditionsverein aus der zweiten oder dritten
Liga unterstützen könnte?
Prof. Kollmann:
Trotz des Abstiegs wäre derzeit ein guter Einstiegszeitpunkt.
Große Gewinne macht man z.B. mit Aktien ja auch
nicht, wenn man bei hohen Kursständen kauft,
sondern wenn man günstig einsteigt und die Kurse
dann steigen. Derzeit könnte ein Investor zu
Konditionen einsteigen, die für ihn und den Verein
gut sind, und Potential ist genügend vorhanden.
Jawattdenn.de:
Für wen sollte es denn lohnenswert sein, bei
RWE zu investieren? Für viele Fans dürfte
es eine Schreckensvision sein, dass plötzlich
ein Milliardär den Spaß am Fußball
entdeckt und RWE zu seinem Spielzeug macht.
Prof. Kollmann:
Wenn es in der öffentlichen Diskussion um Investoren
im Fußball geht, ist immer zu beobachten, dass
schnell die Suche nach dem Scheich oder dem Oligarchen
losgeht. Es gibt aber auch ganz andere Wege. So könnte
man bei einer guten Fanbasis sogar den Fan selbst
zum Investor machen. Wir haben unter dem Namen "deinRWE.de"
ein Konzept ausgearbeitet, wie der Fan selbst zum
Investor - also zum Faninvestor - werden kann, indem
er Anteile am Verein erwirbt.
Diese Anteile können in einem Fonds gebündelt
und das eingezahlte Kapital an den Verein ausbezahlt
werden.
In unserer Investment-Studie haben wir aber auch noch
weitere Investoren-Modelle vorgestellt. Für RWE
käme dabei neben dem Faninvestoren-Modell vor
allem noch der Einstieg eines regionalen Investors
in Frage, der auch einen emotionalen Bezug zum Verein
hätte. Ein solcher Investor wäre in der
Region verortet und würde nicht nur mit dem Ziel
einer Rendite investieren, sondern auch, um dem Verein
zu helfen.
Eine Kombination aus einem regionalen Investor und
Faninvestoren wäre ebenfalls ein denkbares Modell.
Die Investorengruppen ließen sich dadurch in
eine Balance bringen und die Interessen beider Seiten
fänden Berücksichtigung.
So könnte der Verein wieder nach vorne kommen.
Die Investitionen dürfen aber nicht nur in die
Mannschaft fließen, denn das hätte nur
einen Einmaleffekt. Neben dem sportlichen Bereich
muss auch die Infrastruktur gestärkt werden.
Es müssen Werte geschaffen werden, die längerfristig
wirken.
Jawattdenn.de:
Anteile an Fußballvereinen gelten allerdings
nicht unbedingt als sichere Wertanlagen. Die BVB-Aktie
war ein Flop, und außer Manchester United hat
sich bisher kein Fußballverein an der Börse
behaupten können.
Kann man Anteile an einem Fußballverein überhaupt
als seriöse Anlage verkaufen, oder ist das Faninvestoren-Modell
nur ein Gimmick für Fans, die sich gerne noch
mehr als Teil ihres Vereins sehen wollen?
Prof. Kollmann:
Laut DFL waren in der Saison 2006/07 alle Erstligisten
und 12 von 18 Zweitligisten profitabel. Wo Gewinne
sind, sind auch Renditen, also kann sich ein Investment
in einen Fußballverein durchaus finanziell lohnen.
Trotzdem ist es wichtig, dass für den Fan mit
dem Investment auch emotionale Werte verknüpft
sind. Deswegen sollte man nicht nur einen einfachen
Fondsanteil kaufen, sondern dazu etwas geboten bekommen,
was man sonst nicht kaufen kann. Wer würde zum
Beispiel nicht gerne einmal mit der Mannschaft mittrainieren?
Das ist natürlich ein extremes Beispiel, aber
es muss so gestaltet sein, dass man auf alle Fälle
auch einen emotionalen Wert hat, wenn es mit der Rendite
nicht klappt.
Es ist dabei in unserem Modell vorgesehen, dass die
Fans in unterschiedlich teure Pakete investieren können,
und dabei ist natürlich darauf zu achten, dass
jeder einen Gegenwert erhält, der seinem Paket
entspricht. Diese Pakete haben den Effekt, dass man
den Fans nicht nur das Geld aus den Taschen zieht,
sondern ihnen auch etwas bieten kann. Es heißt
von Vereinsseite aus nicht nur "Bitte helft uns!
Bitte spendet etwas!", man erhält einen
Gegenwert. Das ist fair.
Jawattdenn.de:
Derzeit wird auf Initiative einiger Fans eine Spendenaktion
für Rot-Weiss geplant.
Ist so etwas aus Ihrer Sicht bei einem Verein, der
finanziell nicht auf Rosen gebettet ist, aber immerhin
einen Etat von über 5 Millionen in der Regionalliga
stemmen kann, sinnvoll?
Prof. Kollmann:
Aus Vereinssicht ist so etwas natürlich immer
sinnvoll, weil neues Geld zur Verfügung steht.
Hier sollte es aber einen Schulterschluss zwischen
Fans und Verein geben. Beide Seiten sollten die Entwicklung
von RWE als Gemeinschaftsprojekt ansehen.
Die Fans sind sicherlich das Rückgrat des Vereins
und können auch als Kapitalgeber auftreten. Sie
sollten aber nach einem Modell organisiert werden,
dass es erlaubt, ihr Wissen und Know-How für
den Verein nutzbar zu machen und sich über Abstimmungen
oder Kontrollrechte einzubringen. Solche Dinge müssen
gezielt passieren, und nicht wild über z.B. verschiedene
Internetseiten, denn manchmal haben die Fans mehr
Ahnung als so mancher Experte und diese Fanmeinung
wäre durch einen gewählten Vertreter des
Fanfonds nutzbar.
Jawattdenn.de:
Sie haben erklärt, es wäre kaum möglich,
Spielertransfers über Spenden zu finanzieren.
Warum ist es aus Ihrer Sicht nicht sinnvoll, für
eine Spielerverpflichtung zu spenden?
Prof. Kollmann:
Das wäre schon aus steuerlichen Gründen
problematisch. Aber das ist leider ein Problem bei
vielen solcher wilden Aktionen, die vom Engagement
her absolut toll, aber in der Umsetzung steuerlich
und rechtlich meistens eher schwierig sind.
Solche Ideen sollten auch aus dem Verein selbst kommen
und gebündelt sein. Es ist nicht zielführend,
wenn der Eine für einen neuen Spieler sammelt,
der Zweite Trikot-Auktionen veranstaltet und der Dritte
wieder etwas anderes macht. Nur gemeinsam ist man
ja bekanntlich stark. Es sollten also alle Kräfte
gebündelt und ein gemeinsames Konzept erarbeitet
werden - und das ist es dann!
Jawattdenn.de:
Vielen Dank für das Gespräch!
Beispiele für eine mögliche "deinRWE"-Internetpräsenz
"deinRWE-Paketübersicht" "deinRWE-Website"
Das Interview führte
Henrik Holländer