Interview mit Prof. Dr. Tobias Kollmann

veröffentlicht am 09.07.2008 um 21:48 Uhr

Dr. Tobias Kollmann ist Professor und Inhaber des Lehrstuhls für BWL und Wirtschaftsinformatik an der Uni Essen. In den letzten Jahren hat sich der Fußballfan vermehrt auch beruflich mit seinem Lieblingssport auseinandergesetzt und zuletzt eine Studie zu Investment-Modellen im Fußball veröffentlicht. Wie E-Business und Fußball zusammenpassen und wieso die Hafenstraße trotz Abstiegs eine für Investoren interessante Adresse bleibt, erklärte Prof. Dr. Kollmann im Jawattdenn-Interview.

Prof. Dr. Tobias KollmannJawattdenn.de:
Prof. Kollmann, wie kommt es, dass ausgerechnet ihr Lehrstuhl sich damit beschäftigt, wie Fußballvereine organisiert sind und wie sich Fans an ihren Vereinen beteiligen können?

Prof. Kollmann:
Zunächst einmal habe ich selber eine enge Bindung zum Fußball. Ich bin früher selbst jedes Wochenende ins Stadion gegangen, denn mein Vater war Pressefotograf in Köln und hat mich quasi zur Arbeit mitgenommen. So hieß es also jeden Samstag: hinters Tor vom FC und Fotos machen! Ich habe den Sport also fast mit der Muttermilch aufgesogen, und mir war schon früh klar, dass ich - egal was ich später einmal mache - meine Arbeit unter anderem auch auf den Fußballbereich beziehen will.

Die Verbindung zum Lehrstuhl hat sich dann vor vier Jahren ergeben, als wir eine Studie zu den Webseiten der Bundesligisten erarbeitet haben. Wir beschäftigen uns ja grundsätzlich mit E-Business und dem Internet, und da ist es mir dann endlich gelungen, dass Fachliche mit dem Emotionalen zu verbinden.

Als wir die Studie zu den Webseiten gemacht hatten, wurden wir auch von den Clubs eingeladen, und zu denen wollte ich nicht ohne eine gute Idee gehen. So habe ich vorgeschlagen, Fans an Online-Kickertischen gegeneinander antreten zu lassen. Die Idee wurde gut aufgenommen, und das war der Grundstein für die Gründung der "Virtual Kicker League". Die hat inzwischen über 100.000 Mitspieler, und alle Vereine der ersten und zweiten Bundesliga machen mit.


Jawattdenn.de:
Zuletzt haben Sie sich damit beschäftigt, wieso der Fußball für Investoren interessant ist und welche Rolle Fans beim Fußball-Investment spielen können. Wie gerät man von der Gründung einer Online Kicker-Liga zu einem solchen Themenfeld?

Prof. Kollmann:
Dabei hat die Virtual Kicker League sogar eine wichtige Rolle gespielt, denn durch sie und unsere dazugehörigen Kontakt zu den Bundesliga-Clubs konnten wir ein wenig in die Vereine schauen und sind mit vielen Verantwortlichen ins Gespräch gekommen. Die Website der "VKL" konnten wir außerdem als Plattform für Untersuchungen nutzen, indem wir dort die Fans befragt haben.

So haben wir in den letzten Jahren drei Studien rund um den Fußball durchgeführt. Die erste Studie beschäftigt sich mit den Strukturen des Vereins der Zukunft, während die zweite Studie die Ansprüchen und Bedürfnisse des Fans rund um den Stadionbesuch untersucht.
Unsere letzte größere Fußball-Studie war "Fußball-Investment 2.0". Wir haben hier verschiedene Investoren-Modelle aufzeigen können und mit einer Befragung der Fans einige Vereine ausgewiesen, die für Investoren besonders interessant sind.

Spätestens hier kommt Rot-Weiss Essen ins Spiel, denn RWE gehört zu diesen Vereinen.
Mit den anstehenden Veränderungen in der Vereinsstruktur und dem Stadionneubau - der inzwischen einfach notwendig geworden ist und kommen muss - decken also alle drei Studien Bereiche ab, die RWE betreffen und für die Zukunft des Vereins sehr wichtig sind.


Jawattdenn.de:
Warum ist Rot-Weiss ihrer Meinung nach für Investoren so interessant?

Prof. Kollmann:
Während der Arbeit an der letzten Studie habe ich eine Formel für den Fußballclub der Zukunft aufgestellt. Sie lautet:

"(Team + Konzept + Kapital) * (Fanbasis + Heimatstadt + Traditionsmarke)"

Die Gegebenheiten im Umfeld sind vorhanden. Man hat die Fanbasis und hohe Zuschauerzahlen, ist in der Großstadt Essen verankert und als Traditionsverein anerkannt.
Dass es auf dieser Ebene passt, ist die Grundvoraussetzung um Investoren anzusprechen. Auf der anderen Ebene, also bei "Team", "Konzept" und "Kapital" ist allerdings Arbeit nötig.

Dabei kann mir auch persönlich vorstellen, RWE zu helfen. So habe ich mich über die Studien hinaus damit beschäftigt, wie man speziell Rot-Weiss sportlich und wirtschaftlich nach vorne bringen könnte und ein passendes Konzept für RWE erarbeitet.

Dieses Konzept habe ich Claus-Werner Genge, der bis zur Jahreshauptversammlung Aufsichtsratsvorsitzender war, bereits vor zwei Monaten zukommen lassen. Vielleicht kann es einen Impuls setzen und weitere Gespräche anregen. Ich würde mich sehr freuen, wenn die Verantwortlichen im Verein den Kontakt suchen würden.

Ich kann mir ebenfalls vorstellen, RWE gleichzeitig mit Kapital zu unterstützen und - um meine Formel wieder abzurunden - auch als Teil des "Teams", also durch ein persönliches Engagement, zu helfen. Denn wenn ich meiner Studie trauen darf, wäre das sachlich ein sehr gutes Investment, aber für mich auch emotional eine schöne Sache, weil Essen meine Berufsstadt ist und ich gerne hier arbeite.


Jawattdenn.de:
Die Unternehmensberatung von Roland Berger und der Verein selbst haben ebenfalls Konzepte zur Umstrukturierung des Vereins ausgearbeitet, der Verein hat seines auch öffentlich präsentiert. Haben Sie sich schon mit dem Konzept des Vereins beschäftigt?

Prof. Kollmann:
Nein, als ich das Konzept vor zwei Monaten fertig gestellt habe, habe ich das auch als neuen Impuls gesehen. Ich habe mein Konzept parallel zur Arbeit an unserem Faninvestoren-Modell ausgearbeitet und danach mussten wir uns zum Semester-Ende hin verstärkt um unsere Studentinnen und Studenten kümmern. Von daher habe ich es zeitlich noch nicht geschafft, mich näher mit diesem Vereins-Konzept zu befassen.


Jawattdenn.de:
Nachdem man sich nicht für die eingleisige Regionalliga qualifizieren konnte ist RWE erstmal von der Fußballlandkarte verschwunden. Wieso sollte in einer solchen Situation ein Investor bei RWE einsteigen, wenn er genauso gut einen Traditionsverein aus der zweiten oder dritten Liga unterstützen könnte?

Prof. Kollmann:
Trotz des Abstiegs wäre derzeit ein guter Einstiegszeitpunkt. Große Gewinne macht man z.B. mit Aktien ja auch nicht, wenn man bei hohen Kursständen kauft, sondern wenn man günstig einsteigt und die Kurse dann steigen. Derzeit könnte ein Investor zu Konditionen einsteigen, die für ihn und den Verein gut sind, und Potential ist genügend vorhanden.


Jawattdenn.de:
Für wen sollte es denn lohnenswert sein, bei RWE zu investieren? Für viele Fans dürfte es eine Schreckensvision sein, dass plötzlich ein Milliardär den Spaß am Fußball entdeckt und RWE zu seinem Spielzeug macht.

Prof. Kollmann:
Wenn es in der öffentlichen Diskussion um Investoren im Fußball geht, ist immer zu beobachten, dass schnell die Suche nach dem Scheich oder dem Oligarchen losgeht. Es gibt aber auch ganz andere Wege. So könnte man bei einer guten Fanbasis sogar den Fan selbst zum Investor machen. Wir haben unter dem Namen "deinRWE.de" ein Konzept ausgearbeitet, wie der Fan selbst zum Investor - also zum Faninvestor - werden kann, indem er Anteile am Verein erwirbt.
Diese Anteile können in einem Fonds gebündelt und das eingezahlte Kapital an den Verein ausbezahlt werden.

In unserer Investment-Studie haben wir aber auch noch weitere Investoren-Modelle vorgestellt. Für RWE käme dabei neben dem Faninvestoren-Modell vor allem noch der Einstieg eines regionalen Investors in Frage, der auch einen emotionalen Bezug zum Verein hätte. Ein solcher Investor wäre in der Region verortet und würde nicht nur mit dem Ziel einer Rendite investieren, sondern auch, um dem Verein zu helfen.

Eine Kombination aus einem regionalen Investor und Faninvestoren wäre ebenfalls ein denkbares Modell. Die Investorengruppen ließen sich dadurch in eine Balance bringen und die Interessen beider Seiten fänden Berücksichtigung.

So könnte der Verein wieder nach vorne kommen. Die Investitionen dürfen aber nicht nur in die Mannschaft fließen, denn das hätte nur einen Einmaleffekt. Neben dem sportlichen Bereich muss auch die Infrastruktur gestärkt werden. Es müssen Werte geschaffen werden, die längerfristig wirken.


Jawattdenn.de:
Anteile an Fußballvereinen gelten allerdings nicht unbedingt als sichere Wertanlagen. Die BVB-Aktie war ein Flop, und außer Manchester United hat sich bisher kein Fußballverein an der Börse behaupten können.
Kann man Anteile an einem Fußballverein überhaupt als seriöse Anlage verkaufen, oder ist das Faninvestoren-Modell nur ein Gimmick für Fans, die sich gerne noch mehr als Teil ihres Vereins sehen wollen?

Prof. Kollmann:
Laut DFL waren in der Saison 2006/07 alle Erstligisten und 12 von 18 Zweitligisten profitabel. Wo Gewinne sind, sind auch Renditen, also kann sich ein Investment in einen Fußballverein durchaus finanziell lohnen.

Trotzdem ist es wichtig, dass für den Fan mit dem Investment auch emotionale Werte verknüpft sind. Deswegen sollte man nicht nur einen einfachen Fondsanteil kaufen, sondern dazu etwas geboten bekommen, was man sonst nicht kaufen kann. Wer würde zum Beispiel nicht gerne einmal mit der Mannschaft mittrainieren?
Das ist natürlich ein extremes Beispiel, aber es muss so gestaltet sein, dass man auf alle Fälle auch einen emotionalen Wert hat, wenn es mit der Rendite nicht klappt.

Es ist dabei in unserem Modell vorgesehen, dass die Fans in unterschiedlich teure Pakete investieren können, und dabei ist natürlich darauf zu achten, dass jeder einen Gegenwert erhält, der seinem Paket entspricht. Diese Pakete haben den Effekt, dass man den Fans nicht nur das Geld aus den Taschen zieht, sondern ihnen auch etwas bieten kann. Es heißt von Vereinsseite aus nicht nur "Bitte helft uns! Bitte spendet etwas!", man erhält einen Gegenwert. Das ist fair.


Jawattdenn.de:
Derzeit wird auf Initiative einiger Fans eine Spendenaktion für Rot-Weiss geplant.
Ist so etwas aus Ihrer Sicht bei einem Verein, der finanziell nicht auf Rosen gebettet ist, aber immerhin einen Etat von über 5 Millionen in der Regionalliga stemmen kann, sinnvoll?

Prof. Kollmann:
Aus Vereinssicht ist so etwas natürlich immer sinnvoll, weil neues Geld zur Verfügung steht. Hier sollte es aber einen Schulterschluss zwischen Fans und Verein geben. Beide Seiten sollten die Entwicklung von RWE als Gemeinschaftsprojekt ansehen.

Die Fans sind sicherlich das Rückgrat des Vereins und können auch als Kapitalgeber auftreten. Sie sollten aber nach einem Modell organisiert werden, dass es erlaubt, ihr Wissen und Know-How für den Verein nutzbar zu machen und sich über Abstimmungen oder Kontrollrechte einzubringen. Solche Dinge müssen gezielt passieren, und nicht wild über z.B. verschiedene Internetseiten, denn manchmal haben die Fans mehr Ahnung als so mancher Experte und diese Fanmeinung wäre durch einen gewählten Vertreter des Fanfonds nutzbar.


Jawattdenn.de:
Sie haben erklärt, es wäre kaum möglich, Spielertransfers über Spenden zu finanzieren. Warum ist es aus Ihrer Sicht nicht sinnvoll, für eine Spielerverpflichtung zu spenden?

Prof. Kollmann:
Das wäre schon aus steuerlichen Gründen problematisch. Aber das ist leider ein Problem bei vielen solcher wilden Aktionen, die vom Engagement her absolut toll, aber in der Umsetzung steuerlich und rechtlich meistens eher schwierig sind.

Solche Ideen sollten auch aus dem Verein selbst kommen und gebündelt sein. Es ist nicht zielführend, wenn der Eine für einen neuen Spieler sammelt, der Zweite Trikot-Auktionen veranstaltet und der Dritte wieder etwas anderes macht. Nur gemeinsam ist man ja bekanntlich stark. Es sollten also alle Kräfte gebündelt und ein gemeinsames Konzept erarbeitet werden - und das ist es dann!


Jawattdenn.de:
Vielen Dank für das Gespräch!


Beispiele für eine mögliche "deinRWE"-Internetpräsenz

deinRWE-Paketübersicht              deinRWE-Website "deinRWE-Paketübersicht"                                  "deinRWE-Website"

Faninvestor
    Organisation Faninvestor



Das Interview führte Henrik Holländer