Interview mit der Polizei
Nachdem wir bereits mit den Ultras Essen in einem Interview über das Thema Probleme mit Polizeikräften gesprochen haben, kommt nun auch die Gegenseite zu Wort. Eine Beamtin der Einsatzhundertschaft Essen stand uns freundlicher Weise für ein Interview zur Verfügung.
Wir hoffen, dass dieses Interview die Arbeit und Sichtweise
der eingesetzten Polizeikräfte bei Fußballspielen
den Fans verständlicher machen kann.
Wie bist du zur Polizei gekommen und war das
schon immer dein Traumjob?
Ja, das war schon immer mein Traumjob.
In der zehnten Klasse habe ich bereits mein Schülerbetriebspraktikum
bei der Polizei gemacht, was mir schon damals sehr
gut gefallen hat. Nach meinem Abitur bin ich dann
auch tatsächlich zur Polizei gegangen. Zunächst
habe ich drei Jahre an der Fachhochschule für
öffentliche Verwaltung
im Fachbereich "Polizeivollzugsdienst" in
Dortmund studiert, bis ich nach Beendigung des Studiums
nach Essen gekommen bin, wo ich ein Jahr Streifendienst
in der alten Gerlingwache, also der PI Mitte, versehen
habe. Danach bin ich dann in die Essener Einsatzhundertschaft
gegangen, in der ich jetzt seit über zwei Jahren
arbeite.
Meldet man sich für die Einsatzhundertschaft
freiwillig?
Man kann sich freiwillig melden. Wenn es nicht
genug Freiwillige gibt, wird man für drei Jahre
dazu verpflichtet. Ich habe mich freiwillig gemeldet,
weil der Dienst in der Einsatzhundertschaft eine Abwechselung
zum Streifendienst darstellt. Nach der Verwendungszeit
in der Hundertschaft versieht man in der Regel wieder
Streifendienst in einer Wache.
Wodurch unterscheiden sich denn der Streifendienst
und der Dienst in der Einsatzhundertschaft?
Im Streifendienst arbeiten die Kollegen in den bambusfarbenden
Hemden (lacht), also in der bekannten Uniform, die
zukünftig auch in NRW mal blau werden wird. Das
ist ganz normaler Schichtdienst im Wechsel, Früh-,
Spät- und Nachtdienst, in dem die ganzen 110
Anrufe durch die Kollegen bearbeitet werden. Es werden
Verkehrsunfälle und Einbrüche, Streitigkeiten,
Schlägereien sowie Anzeigen sämtlicher Art
aufgenommen. Alles, was im täglichen Leben eben
anfällt.
Die Einsatzhundertschaft ist eine geschlossene Einheit,
deren Haupteinsatzgebiet Fußballspiele und Demonstrationen
sind, aber auch z. B. Begleitung von Castor-Transporten
oder Veranstaltungen wie der G8-Gipfel, also zumeist
Einsätze, die sich nicht spontan ergeben, sondern
schon im Vorfeld bekannt sind. Davon abweichend gehören
auch die Suche nach Vermissten und beispielsweise
die Absperrung nach einer größeren Schadenslage
wie einem schweren Verkehrsunfall oder einem Brand
zu unseren Aufgaben. Diese Fälle sind natürlich
vorher nicht bekannt.
In Essen bei der Einsatzhundertschaft arbeiten wir
unter der Woche im Früh- und Spätdienst
und kümmern uns um die Bekämpfung von Hauptunfallursachen.
Wir ahnden also z. B. Geschwindigkeitsverstöße
oder sonstige Verkehrsordnungswidrigkeiten wie das
Telefonieren am Steuer. Ansonsten nehmen wir an Fortbildungsveranstaltungen
teil, in denen Eingriffstechniken, Schießtraining
und theoretische Grundlagen vermittelt werden. Zudem
haben wir jeden Tag die Möglichkeit Sport zu
treiben, um fit zu bleiben. Am Wochenende arbeiten
wir eben bei den genannten Fußballspielen oder
Demonstrationen.
Das sind dann spezielle Einsätze?
Ja genau, das sind dann die "Einsätze aus
besonderem Anlass", die im Vorfeld geplant werden.
Dazu werden häufig verschiedene Hundertschaften
und noch weitere Organisationseinheiten eingesetzt.
Wenn die Kräfte des eigenen Bundeslandes nicht
ausreichen, wird auch Personal aus anderen Bundesländern
angefordert. Liegt der Einsatzort weit entfernt von
der eigenen Dienststelle, wird eine Unterkunft, also
eine Kaserne oder ein Hotel zur Übernachtung
zur Verfügung gestellt. Solche Einsätze
sind aber immer im Voraus bekannt, so dass man zuvor
seine Sachen packen kann.
Wie viel Prozent machen die Fußballeinsätze
aus, kann man das sagen?
Ich würde in etwa schätzen 75 Prozent.
Die Hundertschaft in Essen ist ausschließlich
für RWE-Spiele zuständig?
Nein. Wir werden häufig bei RWE eingesetzt, aber
nicht immer. Manchmal haben wir frei, wenn RWE spielt
oder nehmen einen anderen Einsatz war. Früher
wurden die Hundertschaften nur bei Fußballspielen
eingesetzt, die im eigenen Regierungsbezirk ausgetragen
wurde. Deshalb waren wir Essener nicht bei Spielen
in Dortmund oder Gelsenkirchen, obwohl sich die geringe
Entfernung angeboten hätte. Mittlerweise wurde
diese Regelung geändert und wir werden zu Spielen
in ganz NRW eingesetzt. Dazu existiert eine Koordinierungsstelle
in NRW, die die Einsätze für die Hundertschaften
plant. Theoretisch könnten wir auch für
ein Fußballspiel in einem anderen Bundesland
angefordert werden. Das habe ich persönlich aber
noch nicht erlebt. Wenn wir in andere Bundesländer
fahren, dann ist meistens eine Demonstration der Einsatzanlass.
Wie ist eine Hundertschaft aufgebaut?
Eine Hundertschaft besteht aus drei Zügen á
ca. 38 Personen, angeführt von einem Hundertschaftsführer
und dessen Stellvertreter, dem Hundertschaftstruppführer.
Die Züge an sich haben jeweils einen Zugführer,
einen Zugtruppführer, drei Gruppenführer
und drei Halbgruppenführer. Alle anderen sind
Gruppenbeamte, die keine führende Position haben.
Wie sieht so ein Tagesablauf aus, an dem ein Fußballspiel
ansteht?
Dienstbeginn ist immer etliche Stunden vor Anstoß
des Spiels. Nachdem sich alle Beamten umgezogen und
die Fahrzeuge abfahrbereit gemacht haben, wird dann
eine Besprechung durch den Zugführer gehalten,
der zuvor schon durch den Hundertschaftsführer
eingewiesen wurde. Der Zugführer klärt seine
Beamten in der Besprechung darüber auf, wie viele
Fans erwartet werden, mit welchem Verkehrsmittel diese
anreisen, ob es in der Vergangenheit Probleme zwischen
den einzelnen Gruppierungen gab etc. Danach werden
dann die Aufträge verteilt, damit jeder weiß,
welche Aufgabe er zunächst wahrzunehmen hat.
Also wird die Einsatzhundertschaft beispielsweise
darüber informiert, dass Essen eine Fanfreundschaft
zu Bremen unterhält?
Ja. Wir werden über bestehende Freund- und
Feindschaften informiert. So wissen wir also auch,
welche verschiedenen Gruppierungen sich gegebenenfalls
zusammenschließen. Das ist natürlich auch
wichtig für die An- und Abreise der Fans. Es
kann ja vorkommen, dass eine befreundete Gruppe mit
dem "Gegner" zusammen reist, weil sie aus
der gleichen Richtung kommen.
Wird man vorher explizit über die verschiedenen
Gruppierungen und darüber, wie diese einzuschätzen
sind, informiert? Stichwort: Hooligans, Ultragruppen
oder ähnliches, wie viele werden vom harten Kern
erwartet, Erkennungsmerkmale wie Gruppensymbole und
so was…
Wir werden darüber informiert, wie viele Gästefans
erwartet werden, mit welchem Gewaltpotenzial gerechnet
wird und ob die Fanszenen in der Vergangenheit durch
Ausschreitungen aufgefallen sind. Dazu wird die Kategorisierung
A, B und C verwendet. Dabei fallen natürlich
auch die Worte Hooligans und Ultras.
Gibt es Beamte, die sich für Einsätze
mit bekannt gewaltbereiten Gruppen freiwillig melden?
Man meldet sich nicht für Einsätze freiwillig.
Der Dienstplan gibt vor, welchen Einsatz man wahrzunehmen
hat. Das kann der Einzelne in der Regel nicht entscheiden
oder beeinflussen. Ich persönlich habe keinen
Bock auf Ärger mit dem polizeilichen Gegenüber.
Bist du selber Fußballfan und informierst
dich vielleicht privat über Fanszenen oder Gruppen?
Nein, Fußball an sich interessiert mich überhaupt
nicht. Ich mache aber gerne Einsätze beim Fußball,
weil mich die verschiedenen Fans einfach interessieren.
Viele meiner Kollegen spielen aber selbst Fußball
und sind natürlich auch Fans.
Das notwendige Grundwissen über die Fanszenen
oder Gruppen erhalten wir in der Einsatzbesprechung
vor den Spielen. Was darüber hinausgeht, kann
man in Eigenregie selbst erarbeiten. Das entscheidet
jeder einzelne für sich selbst. Einige machen
das sicherlich, andere auch nicht. Ich selbst habe
es früher nicht gemacht, tue dies aber jetzt,
da ich mich gerade fortbilde und hier das Thema Fußballfans
in meiner Abschlussarbeit gewählt habe.
Als Fans hören wir immer wieder, dass gezielt
Fangruppen rausgegriffen werden und Sonderkontrollen
durchgeführt werden. Die Ultras aus Dresden wurden
zum Beispiel vor dem Spiel ins Gewerbegebiet geleitet
und dort kontrolliert, anscheinend gezielt. Oder gibt
es Infos, wenn Fans bereits auf der Anreise anderen
Polizeieinheiten aufgefallen sind?
Vor
dem Spiel verfügen wir bereits über Informationen
darüber, welches Fanpotenzial mit welchem Zug,
Bus oder sonstigen Verkehrsmittel anreisen wird. Diese
Auskünfte beziehen wir über die Bundespolizei,
die Autobahnpolizei und die Polizeibehörde, in
der sich der gegnerische Fußballverein befindet.
Wenn es Vorfälle auf der Anreise gab, wissen
wir davon, bevor die Fans bei uns eingetroffen sind.
Wurden Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten begangen,
werden Personalienfeststellungen und ggf. Folgemaßnahmen
von der Polizei durchgeführt.
Bei dem Spiel gegen Dresden war ich nicht da und kann
deshalb nicht viel dazu sagen. Ich habe nur gehört,
dass die Dresdener Sachbeschädigungen im Zug
begangen und am Bahnhof eine Polizeikette durchbrochen
haben.
Beim Magdeburgspiel erhielten wir Kenntnis darüber,
dass eine mit einem Reisebus angereiste Gruppe Magdeburger
und Braunschweiger Fans fußläufig auf dem
Weg zu der Fankneipe "Hattrick" in Altenessen
ist. Wir haben die Gruppe dann in der Nähe des
Kaiserparks angetroffen, bevor sie das "Hattrick"
erreichte.
Wieso kommt es zu unterschiedlichem Vorgehen bei
Polizeieinsätzen? Gegen Magdeburg hielt sich
die Polizei zurück, als es zu Pöbeleien
zwischen Gästefans und der Nord kam, bei anderen
Spielen wurde in den Gästebereich eingerückt,
wer entscheidet hier über das Vorgehen?
Dazu kann ich nichts sagen. Entscheidung dieser Art
trifft meistens der Polizeiführer, also der Einsatzleiter,
der sich zuvor ein Bild von der Lage gemacht hat.
Aufgrund seiner Einschätzungen der Situation
ordnet er das weitere Vorgehen an. Und was bei dem
Spiel gegen Magdeburg genau im Stadion stattgefunden
hat, kann ich nicht beurteilen, da ich nicht im Stadion
eingesetzt war.
Viele Fans, gerade Aktive, fühlen sich von
einer starken Polizeipräsenz provoziert oder
bedrängt. Welchen Sinn hat das Auftreten hier?
Ich wüsste nicht, warum man sich von der Präsenz
der Polizei bedrängt oder provoziert fühlen
sollte, wenn man nicht geplant hat, sich rechtswidrig
zu verhalten. Ich kann hier die Kritik der Ultras
Essen nicht ganz nachvollziehen, auf der Ost ist so
gut wie keine Polizei präsent. Und generell hält
sich die Polizei da auf, wo potenzieller Weise etwas
passieren könnte. Das ist während des Spiels
erfahrungsgemäß zwischen Block K und G.
Bei den Essener Ultras passiert zumindest bei den
Heimspielen ja auch eigentlich gar nichts.
Und vor dem Spiel im Bereich vor der Osttribüne?
Hier ist weiterhin viel Polizeipräsenz, zumindest
Fahrzeuge, erkennbar. Wie sieht da der Einsatz aus,
kann sich der Beamte der Hundertschaft frei bewegen
oder wird vorgegeben, wo man zu stehen hat?
Die
Dammkrone wird aktuell vor allem als Parkplatz für
Einsatzfahrzeuge genutzt, da der Parkraum in Stadionnähe
auch für die Polizei sehr rar ist und wir bei
unvorbereiteten Ereignissen schnell zu unseren Fahrzeugen
kommen müssen, da können wir nicht erst
bis ins Gewerbegebiet laufen. Angeordnet wird höchstens,
dass Kräfte sich in dem Bereich des Vorplatzes
aufhalten müssen. Wo sie sich dann hinstellen,
bleibt ihnen überlassen.
Welchen Grund hat die Polizei eigentlich noch,
vor der Osttribüne Präsenz in einer so großen
Stärke zu zeigen, wie es aktuell wirkt?
Die Polizei unterstützt die Ordner beispielsweise
bei Einlasskontrollen. Auch passt die Polizei auf,
dass das Stadion nicht von Personen betreten wird,
die über ein Stadionverbot verfügen. Außerdem
stellen die Beamten einen Schutz für die Angestellten
in den Kassenhäuschen dar.
Wo siehst du die Unterschiede zwischen West- und
Ostfans, gibt es hier Unterschiede?
Ja, ich sehe da Unterschiede. Für mich habe
ich hier festgestellt, dass bei Ostfans eine viel
rohere Brutalität zu erkennen ist bei Ausschreitungen.
Das ist im Groben bei Westfans nicht so. Ich habe
mich beim Einsatz im Rahmen des Magdeburg-Spieles
vor dem Hattrick mit einem Essener Hooligan unterhalten,
der auch erzählt hat, dass sich viele Ostgruppen
nicht an den so genannten Ehrencodex halten. Bei den
Magdeburgern hat auch unsere Kontrolle im Nachhinein
ergeben, dass diese Leute sehr gut ausgerüstet
waren.
Kannst du als Polizistin den Ärger der Fans
verstehen, wenn man aufgrund von Maßnahmen deiner
Kollegen teilweise zu spät ins Stadion kommt?
Ja, natürlich. Aber die polizeiliche Maßnahme
findet ja nur statt, wenn sich vorher ein Vorfall
durch diese Gruppe oder einzelne Mitglieder der Gruppe
ereignet hat. Wenn die Maßnahme dann etwas länger
dauert, werden die Fans ungeduldig. Ich persönlich
wäre als unbeteiligter Fan in dem Bus sehr erbost
über diejenigen, die sich straffällig verhalten,
mir die Situation also eingebrockt haben.
Weil irgendjemand "cool" sein und sich beweisen
wollte, sitzen die Unschuldigen mit im Boot. Die Verursacher
melden sich ja nicht und sagen, dass es sich bei ihnen
um die Schuldigen handelt und die anderen nichts damit
zu tun haben. Aber die Fans machen nur die Polizei
für die Maßnahmen verantwortlich. Dabei
ist das Ganze so einfach. Wer sich nicht rechtswidrig
verhält, wird auch nicht mit der Polizei konfrontiert.
Der Großteil der Stadionbesucher wurde noch
nie Adressat einer polizeilichen Maßnahme bei
einem Fußballspiel, weil er sich gesetzeskonform
verhält.
Wird darauf Wert gelegt von Seiten der Einsatzleitung,
dass Einsätze oder Maßnahmen für die
Fans transparent gestaltet werden? Dresden hat Beamte,
die den Gästefans über Lautsprecher Maßnahmen
am Stadion erklären.
Natürlich wird wert darauf gelegt. Wenn die Polizei
Maßnahmen gegen eine Person trifft, stellt das
einen Grundrechtseingriff für die Person dar.
Die Polizei ist dazu verpflichtet, Grund und Art der
Maßnahme so zu erläutern, so dass der Betroffene
das versteht. Gerade die nordrhein-westfälische
Polizei vertritt ein deeskalierendes Konzept, die
sog. NRW-Linie.
Bei uns werden teilweise auch Lautsprecherdurchsagen
durchgeführt, in denen den Gästefans am
Bahnhof erklärt wird, dass sie mit Bussen zum
Stadion gebracht werden, aber keine Flaschen mit in
den Bus nehmen dürfen. Außerdem wird ihnen
mitgeteilt, dass sie sich nicht in die Busse drängen
sollen, wenn diese voll sind, da immer genügend
Busse vorhanden sind. Die Fans können sich nach
erfolgter Durchsage darauf einstellen und verfallen
nicht in Panik, wenn sie keinen Platz in den ersten
Bussen erhalten haben.
Welche Möglichkeiten habe ich denn als Fan ganz
konkret, mich zu wehren, wenn ich mich durch Polizisten
ungerecht behandelt fühle? Die Dienstnummer erhalte
ich meist nicht.
So etwas wie eine Dienstnummer haben wir in NRW gar
nicht. Das ist meiner Meinung nach eine Sache, die
in Filmen vermittelt wird. Wenn ein Kollege seinen
Namen nicht nennen sollte, ist zumindest seine Einheit
über die Kennzeichnung auf dem Helm zu erkennen.
Man muss als Polizeibeamter nicht seinen Namen nennen,
wenn dadurch die Amtshandlung beeinträchtigt
oder der Beamte eventuell gefährdet wird. Jede
Maßnahme der Polizei wird protokolliert. Zudem
wird festgehalten, welcher Beamte die Maßnahme
durchgeführt hat. Wenn man sich also als Bürger
beschwert, weil man sich ungerecht behandelt fühlt,
können die eingesetzten Beamten über das
Einsatzprotokoll ermittelt werden. Das läuft
dann auf interner Ebene. Es dürfte ja verständlich
sein, dass kein Kollege erfreut darüber wäre,
wenn das polizeiliche Gegenüber vor seiner Haustür
steht, wenn er nach Hause kommt.
Kannst du es nachvollziehen, dass viele Ultra-Gruppen
mittlerweile zu gar keinem Gespräch mit den Sicherheitskräften
mehr bereit sind?
Es ist in meinen Augen unsinnig zu sagen, dass man
nicht mehr mit der Polizei sprechen wird. Vielleicht
versucht man gerade durch ein Gespräch mal grundsätzliche
Missverständnisse aus dem Weg zu räumen.
Die Fans erwarten von der Polizei, differenziert behandelt
zu werden, aber selbst kommen sie dieser Forderung
nicht nach.
Ist es denn schwer, sich unter Kontrolle zu halten,
wenn man im ständigen Kontakt mit Fans oft beleidigt
oder angepöbelt wird, beispielsweise bei Zugfahrten?
Nein, es ist nicht schwer, sich unter Kontrolle zu
halten. Man muss sich als Polizist aber nicht alles
gefallen lassen. Jemand der die Polizei so bewusst
provozierend beleidigt, wie das Grölen von A.C.A.B.
Aussprüchen in Gegenwart der Polizei, der will
in meine Augen sanktioniert werden. Und wenn der Betroffene
dann die Konsequenzen dafür tragen muss, war
die Polizei wieder böse.
Wie nimmt man als Polizist Beleidigungen wie "ACAB",
"1312" oder Ähnliches auf? Kennt ihr
die überhaupt?
Ja,
klar, die Bedeutung kennen wir schon. Neu für
mich ist die Abkürzung "CHWDP", die
wohl aus dem polnischen Raum stammt. Dies habe ich
mit der dazugehörigen Erklärung im Internet
gelesen. Das ist einfach nur albern in meinen Augen.
Aktive Fans, die für mehr Rechte in den Stadien
kämpfen, und fordern, dass ihnen seitens der
Ordnungshüter mehr Vertrauen und Toleranz entgegengebracht
wird, können doch nicht ernsthaft glauben, dass
sie das mit Ausrufen dieser Art erreichen.
Ich nehme derartige Aussprachen nicht persönlich,
frage mich aber, warum man so etwas von sich gibt.
Ich denke, dass viele sich dadurch in der Gruppe beweisen
wollen. Vielleicht erhoffen sie sich eine Ansehenssteigerung
in der Gruppe für das "mutige Verhalten".
Ist die Aussage "ACAB" oder eine abgewandelte
Form strafbar?
Ja, sie führt in der Regel zu einer Anzeige wegen
Beleidigung.
Kann der einfache Beamte selber entscheiden, wann
es ihm zu viel wird?
Ja, im Grunde schon. Vor dem Einschreiten erfolgt
aber noch eine Absprache mit dem nächsten Vorgesetzten.
Erfolgt seitens des Fans eine z.B. eine Beleidigung,
die ja eine Straftat darstellt, kann die Polizei die
Personalien feststellen und eine Anzeige schreiben.
Wenn der Fan sich weigert, seine Personalien anzugeben
oder nach erfolgter Aufforderung nicht mit den Kollegen
mitkommen will, können die Kollegen die Maßnahme
zwangsweise durchsetzten. Dabei bestimmt der Fan den
Grad der Maßnahme ja durch sein eigenes Verhalten,
was er der Polizei entgegenbringt selbst. Zeigt sich
der Fan kooperativ, wird er auch mit den Kollegen
keine Probleme haben. Leistet er Widerstand, können
die Kollegen unmittelbaren Zwang anwenden.
Es gibt immer wieder Berichte über Maßnahmen
wie "ausziehen bis auf die Unterhose auf dem
Rastplatz außerhalb des Busses" oder ähnliches.
Muss ich mir als Fan so etwas gefallen lassen?
So etwas habe ich noch nie gehört. Deshalb fällt
es mir schwer, etwas dazu zu sagen. Generell muss
sich der Betroffene der polizeilichen Maßnahme
beugen. Sollte eine Maßnahme, wie die oben beschriebene,
nicht rechtmäßig gewesen sein, haben die
Fans natürlich das Recht, sich im Nachhinein
zu beschweren.
Wie sieht es mit Personalienfeststellungen aus?
Viele Fans haben Angst, nachträglich aufgrund
einer Ausweiskontrolle Stadionverbot zu erhalten.
Es gibt Richtlinien vom DFB, die die einheitliche
Behandlung von Stadionverboten regeln. Früher
reichte eine Personalienfeststellung aus, um ein Stadionverbot
erhalten zu können, wenn zu erwarten war, dass
eine Person eine Straftat begeht oder sich an der
Begehung einer Straftat beteiligen wird. Das ist in
den aktuellen Richtlinien nicht mehr der Fall. Aufgrund
einer Personalienfeststellung kann kein Stadionverbot
erteilt werden, wenn kein Ermittlungsverfahren eingeleitet
wurde. Der DFB hat neue Richtlinien erarbeitet, die
ab Februar 2008 in Kraft treten sollen. Dadurch soll
die Auferlegung der Stadionverbote gerechter gestaltet
und deren Dauer verkürzt werden, da verschiedene
Faninitiativen beim diesjährigen Fankongress
in Leipzig Änderungsbedarf in Bezug auf die Stadionverbote
angeregt haben.
Also gibt der DFB die Richtlinien vor, wo die Polizei
Personalien feststellen soll für z. B. ein Stadionverbot?
Der DFB gibt nur die Richtlinien vor, wann ein Stadionverbot
ausgesprochen werden kann. ("Richtlinien zur
einheitlichen Behandlung von Stadionverboten")
In den Richtlinien ist ein Straftatenkatalog aufgeführt.
Begeht jemand einen solchen Verstoß, kann die
Polizei dem Verein oder DFB den Vorschlag unterbereiten,
ein Stadionverbot auszusprechen. Die Polizei verfolgt
die Straftaten aber nicht, damit dem Fan ein Stadionverbot
erteilt wird, sondern weil sie ihren gesetzlichen
Auftrag wahrnimmt und somit verpflichtet ist, die
Straftaten zu verfolgen und in diesem Zusammenhang
natürlich die Personalien festzustellen.
Ist aus deiner Sicht die immer größer
werdende Distanz zwischen aktiven Fans und der Polizei
noch zu kitten?
Zumindest würde ich ein Gespräch zwischen
den Ultras und der Polizei sinnvoll finden. Aber wie
die Ultras ja schon im Interview mit Euch dargestellt
haben, kommt eine Unterredung mit der Polizei für
sie nicht in Frage. Vielleicht können die Fanvertreter
ja als Vermittler dienen.
Wer wäre hier denn Ansprechpartner für
Fanvertreter?
Ich gehe davon aus, dass dies am Besten über
die SKBs erfolgen sollte. Die kennen schließlich
die Fans der Szene und sind eigentlich immer bei den
Spielen vor Ort.
Befürchtest du irgendwann Verhältnisse
wie in Italien?
Ich würde es nicht als unrealistisch bezeichnen,
dass es mal so kommt, wenn nicht miteinander kommuniziert
wird.
Gibt es bundesweite Treffen bei dem sich die SKBs
oder die Bereitschaftspolizei untereinander austauschen
oder Arbeitskreise bilden?
Die SKBs arbeiten mit den SKBs anderer Behörden
permanent zusammen. Sie nehmen zusammen an gemeinsamen
Fortbildungsveranstaltungen teil. Außerdem findet
regelmäßig ein Erfahrungsaustausch zwischen
den SKBs statt. In den Hundertschaften findet nach
den Einsätzen eine Nachbereitung statt, in der
besprochen wird, wie der Einsatz verlaufen ist. Dabei
bespricht man, was gut gelaufen ist und was zukünftig
anders gestaltet werden soll. Dazu wird auch das polizeiliche
Videomaterial ausgewertet. Weiterhin bestehen auch
Erfahrungsaustausche mit holländischen- und der
Bundespolizei. Die Polizei ist ständig bemüht,
Verfahrensweisen zu verbessern und zu optimieren.
Woran erkennt der Beamte Ultras oder Hooligans,
außerhalb des Stadions?
Die jeweiligen SKBs weisen uns auf unterschiedliche
Gruppierungen hin. Die kennen ihre Leute ja. Außerdem
halten die Ultras sich so gut wie immer in einer größeren
Gruppe, dessen Mitglieder in der Regel junge Männer
sind. Einige der Essener Ultras erkennt man ja auch
an dem UE auf der Kleidung. Wenn der Name der Gruppe
auf der Kleidung abgebildet ist, kann man die Zugehörigkeit
ja schnell erkennen.
Ansonsten sind viele Ultras ähnlich gekleidet.
Wenn keine äußerlichen Kennzeichen auf
Ultra- oder Hoolzugehörigkeit hindeuten, kann
ich keine allgemeingültigen Kriterien nennen,
an denen man sie erkennt. Allerdings spricht teilweise
auch schon die körperliche Statur für sich.
Unter den Hools befinden sich wohl nicht viele Personen,
die richtig schmächtig sind. Wenn man dann eine
Gruppe antrifft, in der alle Mitglieder augenscheinlich
relativ viel Kraftsport betreiben, macht das schon
erst mal stutzig. Ich möchte hier aber nicht
den Eindruck vermitteln, als wollte ich Personen aufgrund
ihrer äußeren Erscheinung stigmatisieren.
Spezielle Informationen gibt es aber nicht, wie
z. B. diese und jene Kleidung ist jetzt in Mode -
daran erkennt man die Gruppen?
Das kann ich zumindest nicht konkret für alle Gruppierungen
aller Vereine sagen.
Vor zwei Jahren gab es den Umbau an der Hafenstraße.
Untereinander wurde dieser damit begründet um
die Polizeikosten bei RWE-Spielen einzudämmen.
Wirklich weniger Polizeipräsenz ist es aber nicht
geworden, oder?
Damals, als das Frankfurt-Spiel stattfand, war ich
noch nicht bei der Hundertschaft, aber aus Erzählungen
weiß ich, dass seitdem weniger Kräfte eingesetzt
werden.
Vielen Dank für das Interview.
Das Interview führten Martin
Noll, Tim
Zähringer und Oliver
Perrey