Interview mit Olaf Janßen
Olaf Janßen, seit Saisonbeginn sportlicher Leiter bei Rot-Weiss Essen, bestritt als aktiver Fußballer 241 Erst- und 18 Zweitligaspiele für den 1. FC Köln und Eintracht Frankfurt. Kurz vor seiner Vertragsverlängerung stand Olaf Janßen dem Jawattdenn-Team Rede und Antwort über seine Aufgabenbereiche und die Zukunft bei RWE.
Jawattdenn.de:
Olaf Janßen, sie arbeiten seit Sommer 2005 als
sportlicher Leiter bei Rot-Weiss Essen. Was sind in
dieser Funktion ihre Aufgaben?
Olaf Janßen:
Die
sind sehr weit gefächert. Ich bin im Prinzip
bei jeder Besprechung der ersten Mannschaft dabei,
schaue mir so viele Trainingseinheiten wie möglich
an spreche täglich etwa zwei, drei Stunden lang
mit dem Trainer. Wir reden über alle Dinge des
Tagesgeschäftes. Das ist unheimlich wichtig,
denn ich bin nun mal für die sportliche Seite
verantwortlich. Meine Arbeit betrifft aber nicht nur
die erste Mannschaft, sondern alle Teams von Rot-Weiss
Essen. Ich kümmere mich auch um die Koordination
in der Jugendabteilung. Zum Beispiel haben wir jetzt
ein wöchentliches Fördertraining mit zwölf
bis 14 Spielern eingeführt, damit die Verantwortlichen
der ersten Mannschaft einen Überblick über
den Leistungsstand bekommen. Gerade diese besondere
Förderung und persönlichen Beziehungen zu
unseren Talenten ist immens wichtig, weil unsere Jugendabteilungen
im Vergleich zu anderen Vereinen einer sehr schlechten
Infrastruktur ausgesetzt sind.
Jawattdenn.de:
Sie meinen hier das Umfeld mit den Plätzen?
Olaf Janßen:
Ja, im Prinzip gibt es keinen einheitlichen Trainingsplatz.
Mal trainieren die Jugendlichen auf dem Aschenplatz
hier an der Hafenstraße, unsere zweite Mannschaft
ist ausgelagert, die A-Jugend spielt hier oder „Am
Hallo“, die B-Jugend an der Raumerstraße
etc. Die Jungs sollen die enge Bindung zwischen erster
Mannschaft, sportlicher Leitung und der Jugendabteilung
sehen. Ich mache alle 14 Tage ein Fortbildungsprogramm
für sämtliche Trainer im Nachwuchsbereich.
Wir setzen uns dort zusammen und reden intensiv über
Fußball. Wichtigster Baustein im RWE-Ausbildungskonzept
ist der Trainer der ersten Mannschaft. Uwe Neuhaus
fordert diese Zusammenarbeit, ist bei vielen Spielen
unserer Landesligatruppe vor Ort und setzt sich mit
dem Geschehen innerhalb der A-Jugend auseinander.
Dieses bekennen des Cheftrainers zur Ausbildung bei
RWE verdeutlicht unsere Philosophie, nämlich
eigene Talente auszubilden und in die 1. Mannschaft
zu bringen.
Jawattdenn.de:
Das hört sich fast so an, als hätten sie
im sportlichen Bereich den Rasen komplett umgepflügt
…
Olaf Janßen:
Wenn ich hier nur in meinem Büro sitzen würde,
wäre es sehr schwierig, die sportliche Situation
zu beurteilen. Ich muss also immer ganz nah bei der
Arbeit der Mannschaft sein. Wie soll ich sonst beispielsweise
einschätzen, ob der Trainer gute Arbeit macht?
Das kann ich nur, wenn ich nahe genug dran bin. Dann
kann ich auch gegenüber den Gremien meinen Standpunkt
einnehmen und ihn belegen und begründen. Die
Arbeit hier macht einen Heidenspaß. Es ist zwar
sehr umfangreich, aber die Möglichkeit, diesen
Posten so auszufüllen, wie ich mir das vorstelle,
wird bei RWE von allen getragen und das gibt mir ein
gutes Gefühl und Sicherheit. Deshalb war der
Schritt für mich persönlich 100 % richtig.
Jawattdenn.de:
Wussten sie vorher, auf was sie sich da einlassen?
Hier ist es sicherlich nicht einfacher als anderswo
…
Olaf Janßen:
Da
ich am Niederrhein geboren bin, habe ich während
meiner ganzen Jugendjahre immer gegen Rot-Weiss Essen
gespielt. Da war mir die Hafenstraße nicht ganz
unbekannt. Durch meine zwanzigjährige Laufbahn
als Profi kriegt man ja auch eine ganze Menge mit.
Ich wusste schon, was das für ein Verein ist
und auf was ich mich einlasse. In den vergangenen
zehn, zwanzig Jahren gab es nicht gerade viele Situationen,
wo die Fans von RWE hätten Purzelbäume vor
Freude schlagen können. Dennoch verfügt
Rot-Weiss Essen deutschlandweit immer noch über
einen extrem großen Fankern. Diese Leute sind
da, egal in welcher Liga, egal auf welchem Tabellenplatz
Essen steht. Das ist mehr als positiv. Es gibt genügend
Vereine im Ruhrpott, wo Emotion viel kleiner geschrieben
wird. Fußball ist aber nun mal ein Emotionssport.
Ich war von Anfang an davon überzeugt, zusammen
mit dem Trainer eine Mannschaft aufbauen zu können,
die konkurrenzfähig ist und das Zeug zum direkten
Wiederaufstieg hat.
Jawattdenn.de:
Schafft die Mannschaft den direkten Wiederaufstieg?
Olaf Janßen:
Wir haben uns zumindest von allen Mannschaften die
beste Ausgangsposition erarbeitet, unabhängig
von den Nachholspielen.
Jawattdenn.de:
Ist es eine Trumpfkarte, wenn man jede Woche spielen
kann, während die anderen zusehen müssen?
Olaf Janßen:
Es nützt nichts, wenn andere Spiele abgesagt
werden und wir nicht gewinnen. Geschenkt wurde uns
nichts, die momentane Tabellenführung haben wir
uns hart erarbeitet. Die Chance ist riesengroß,
dennoch müssen wir mit einem Rückschlag
rechnen. Gerade dann wird es wichtig sein, dass die
Mannschaft und das Umfeld gefestigt sind. Ich glaube,
dass die Truppe so gefestigt ist, um am Ende das Ziel
erreichen zu können.
Jawattdenn.de:
Wenn RWE aber nicht aufsteigen würde, wie sähe
die Zukunft des Vereines aus?
Olaf Janßen:
Wir sind mitten in den Planungen, sowohl für
die zweite als auch für die Regionalliga. Einige
Verträge laufen aus, weil wir den Spielern zu
Beginn der Saison bewusst Einjahresverträge gegeben
haben. Bei den momentanen Gesprächen mit Spielern
konfrontieren wir sie natürlich mit der Situation,
dass es nicht wie erhofft verlaufen könnte. Wenn
wir den Aufstieg nicht schaffen, nehmen wir einen
weiteren Anlauf. Aber die Fans brauchen sich keine
Sorgen zu machen. Am Ende müssten keine Kerzen
aufgestellt werden und es muss auch niemand sammeln.
Die Arbeit, die der Vorstand in den letzten Jahren
geleistet hat, brachte den Verein wieder in ruhigeres
Gewässer. Mit den guten Sponsoren im Nacken haben
wir eine gewisse Planungssicherheit.
Jawattdenn.de:
Die "guten" Sponsoren haben auch die Verpflichtung
von Arie van Lent ermöglicht. Inwieweit waren
ihre eigenen Kontakte nach Frankfurt bei diesem Transfer
hilfreich?
Olaf Janßen:
Eine
Menge Umstände haben zum Gelingen dieses Transfers
beigetragen. Einer der Hauptgründe war, dass
Aries Familie hier in Neuss wohnt und er in Frankfurt
auf Grund der räumlichen Distanz zu seinen zwei
kleinen Kindern gelitten hat. Somit war erstmal eine
grundsätzliche Bereitschaft da. Dann war er von
unserem Auftreten, unserer Leidenschaft und unserer
Beschreibung von Rot-Weiss Essen sehr angetan. Arie
ist ein Emotionsmensch, der dabei sein und nicht irgendwo
auf der Bank versauern will. Natürlich war auch
mein Verhältnis zu Friedhelm Funkel nicht ohne
Bedeutung. Aber das alles Entscheidende bei diesem
Transfer war Arie van Lent selber. Schließlich
hätte Eintracht Frankfurt ihn auch behalten können.
Weil er aber als Mensch einwandfrei ist, kam man seinem
Wunsch nach. In 99 von 100 Fällen hätte
der Verein gesagt: „Du hast hier einen Vertrag,
du bist Stürmer, du sitzt im Moment vielleicht
nur auf der Bank, aber wir brauchen dich.“ Heute
kommt in den Frankfurter Medien fast jede Woche die
Frage auf, wie man ausgerechnet Arie gehen lassen
konnte.
Jawattdenn.de:
Wie wichtig ist bei ihrer Tätigkeit die Tatsache,
dass sie Ex-Profi sind?
Olaf Janßen:
Ich weiß, wie das Geschäft funktioniert,
und habe einen relativ guten Überblick über
den Markt. Dann spielen natürlich die Kontakte
sowie ein gewisses Vertrauen eine große Rolle.
Wenn ich beispielsweise jemanden wie Klaus Allofs
anrufe, ist das sicherlich einfacher, weil er mich
kennt, als wenn ich mich erst vorstellen müsste:
sie kennen mich vielleicht nicht, mein Name ist Olaf
Janßen, ich bin sportlicher Leiter bei Rot-Weiss
Essen …
Jawattdenn.de:
Sie haben einen Trainerschein. Fühlen sie sich
mehr als Manager oder als Trainer?
Olaf Janßen:
Als Verantwortlicher für den sportlichen Bereich
ist es ein großer Vorteil, wenn man die Arbeit
eines Trainers kennt und beurteilen kann. Das ist
ein wichtiger Baustein bei meiner Arbeit. Ich habe
ein Jahr mit Falko Götz bei 1860 München
zusammengearbeitet und anschließend in Köln
an der Sporthochschule den Fußballlehrer gemacht.
Damals habe ich natürlich nicht gewusst, dass
ich mal sportlicher Leiter werde. Ich wusste aber,
dass ich in einer verantwortungsvollen Position eines
Fußballvereins tätig werden möchte.
Jawattdenn.de:
Schließen sie aus, dass sie irgendwann Trainer
werden?
Olaf Janßen:
Mit jedem Tag, den ich hier arbeite, kann ich das
mehr ausschließen. Ich genieße meine Arbeit.
Ich habe überhaupt nicht das Gefühl, dass
ich jetzt beim Training als Trainer arbeiten müsste.
Im Gegenteil: ich fühle mich sehr, sehr wohl,
weil ich ein strukturell denkender Mensch bin.
Jawattdenn.de:
Also wenn der große FC Köln Hans-Peter
Latour feuern und sie fragen würde: "Olaf,
willst du bei uns Trainer werden?" - sie würden
ablehnen?
Olaf Janßen:
Ja, genau!Das können sie so auch so schreiben
und das unterschreibe ich dann auch! Meine Arbeit
hier hat gerade erst begonnen und ich habe das Gefühl,
dass sie noch lange nicht beendet ist.
Jawattdenn.de:
Sind sie also gewissermaßen vom "Virus"
RWE befallen?
Olaf Janßen:
Ich werde keine Nibelungentreue schwören. Aber
Rot-Weiss Essen ist ein Verein, mit dem man unheimlich
viel bewegen kann, und die Zusammenarbeit mit dem
Vorstand könnte besser nicht sein. Auch die Zusammenarbeit
mit Uwe Neuhaus ist beinahe einzigartig. Diese Strukturen,
die wir jetzt geschaffen haben, funktionieren! Unabhängig
von personellen Besetzungen. Wenn man so was innerhalb
von sieben oder acht Monaten aufbaut, ist das sicherlich
auch schon einzigartig. Dieser Verein hat so viel
Potenzial. Genau das meinte ich damals auf der Jahreshauptversammlung,
als ich sagte: „Rot-Weiss Essen – Herzensangelegenheit“.
Dies wurde mir damals negativ ausgelegt, weil ich
noch nicht so lange hier bin. Aber es macht soviel
Freude und Spaß, wenn wir es schaffen die richtigen
Entscheidungen zu treffen! Dann bekommt man auch vom
Fan viel mehr zurück, als man sich das überhaupt
vorstellen kann. Dann nehme ich auch gerne in Kauf,
das man vielleicht vorher ein bisschen mehr auf die
Mütze bekommt. Das ist in diesem Sport schon
immer so gewesen. Man kann sich nicht auf der einen
Seite auf Schultern aus dem Stadion tragen lassen,
sich aber in schlechten Zeiten verkriechen. Entweder
man nimmt RWE mit dem Herzen auf, oder man macht gleich
einen großen Bogen um die Hafenstraße.
Eine Herzensangelegenheit eben!!
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Interview Teil II