Interview mit Olaf Janßen
Vor dem Spiel gegen den VfL Wolfsburg II fand der Sportliche Leiter Olaf Janßen Zeit, um mit Jawattdenn.de über die aktuelle Lage an der Hafenstraße, über ehemalige Trainer und über die Jugendabteilung zu sprechen.
Teil I: "Die sportliche Situation"
Jawattdenn.de:
In der Winterpause wurden drei neue Spieler verpflichtet,
es wurde davon gesprochen, dass man nach der Pause
eine ganz andere Qualität in der Kabine sitzen
haben würde und man die oberen Tabellenregionen
anvisiert. Inzwischen ist man aus dem DFB-Pokal ausgeschieden,
im Niederrhein-Pokal mit Ach und Krach gegen einen
Oberligisten weitergekommen und liegt in der Liga
fünf Punkte hinter einem Quali-Platz für
die eingleisige Dritte Liga.
Hatte man ein solches Szenario in der Winterpause
überhaupt im Hinterkopf, oder trifft das die
Verantwortlichen im Verein überraschend?
Olaf Janßen:
Es ist erstmal so, dass die Verletzten leider alle
nicht so schnell fit geworden sind, wie wir uns das
alle gewünscht hätten. Man muss erstmal
feststellen, dass bis einschließlich des letzten
Spiels gegen Dortmund vom ersten Spieltag an dem Trainer
eigentlich immer ein Drittel seines Kaders nicht zur
Verfügung stand. Es ist natürlich extrem
schwer, so etwas zu kompensieren.
Wenn man dann sieht, wie wir in Ahlen wirklich unglücklich
in Rückstand geraten, danach die Mannschaft aber
nach vorne spielte, das bessere Team war und wir dann
im Heimspiel gegen Borussia Dortmund auf eine Elf
treffen, die im Prinzip nur ihr Tor verteidigen will
und wir natürlich den Ball nicht im Kasten unterbringen,
dann muss man sicherlich sagen, dass alles sehr unglücklich
gelaufen ist.
Jetzt hat der Trainer aber fast den ganzen Kader zur
Verfügung, und wenn man die Konstellation der
Tabelle sieht, kann man die meiner Meinung nach jetzt
auf Null zurückdrehen und die 14 verbleibenden
Spiele zählen. Wenn man in den Spielen unter
den beispielsweise besten sieben Mannschaften liegt,
dann hat man sich für die Dritte Liga qualifiziert,
weil die Punktabstände einfach so gering sind.
Und da unsere Spieler jetzt gesund werden bzw. gesund
sind, haben wir die absolute Möglichkeit, diesen
Bock jetzt umzustoßen. Damit sollten wir am
Wochenende gegen Wolfsburg beginnen.
Jawattdenn.de:
Sind denn bei fünf Punkten Rückstand schon
alle Spieler und Verantwortlichen im Abstiegskampf
angekommen, oder wird teilweise auch noch auf den
Aufstieg geschielt?
Olaf Janßen:
Es ist so, wie ich es gerade gesagt habe. Lassen sie
uns die Tabelle auf Null zurückdrehen und uns
auf die nächsten 14 Spiele konzentrieren. Und
da zählen auch nicht nur die nächsten vier
Spiele, sondern wirklich die nächsten 14 Spiele.
Union Berlin ist jetzt Tabellenführer und war
vor zwei Spieltagen noch Neunter. Das heißt
im Umkehrschluss aber auch, dass sie zwei Spieltage
später wieder auf dem neunten Platz stehen können.
Sich jetzt in Sicherheit zu wiegen bringt genauso
wenig, wie den Kopf in den Sand zu stecken.
Wenn ich unsere Mannschaft sehe, denke ich, dass sie
dazu auf jeden Fall in der Lage ist. Gerade weil sie
eine richtige Mannschaft ist, und so etwas erkennt
man sicherlich besonders gut in einer so schwierigen
Lage. Deswegen ist mir diesbezüglich nicht Bange.
Jawattdenn.de:
Der schlechte Rückrundenstart wird zum einen
auf die vielen Verletzten und zum anderen auf die
schlechte Chancenverwertung zurückgeführt.
Sieht man darüber hinaus noch weitere Gründe
für die derzeitige Misere?
Olaf Janßen:
Ich glaube, dass diese beiden Gründe die entscheidenden
sind. Erstens: dem Trainer hat durch die Verletzungen
nicht die Qualität zur Verfügung gestanden
hat, die wir eigentlich haben. Zweitens haben wir
in den entscheidenden Situationen den Ball nicht im
Tor untergebracht haben. Ich glaube, man muss auch
gar nicht weiter versuchen, noch andere Dinge zu erfinden,
denn da gibt es nichts. Die Mannschaft ist zum Beispiel
auch kein zerstrittener Haufen, in der es verschiedene
Grüppchen gibt oder in der die Jungs sich nicht
100% einsetzen.
Also sind das schon die beiden entscheidenden Gründe.
Man kann sich ja auch schon die beiden Rückrundenspiele
vor der Winterpause anschauen. Gegen Düsseldorf
haben wir 7:0 Torchancen und in Oberhausen verlieren
wir das Spiel aufgrund einer Windböe, die uns
eine Flanke reingehauen hat.
Im Fußball gibt es keine Haltungsnoten, sondern
Tore und Punkte. Das sind die Kriterien, die zählen,
und die brauchen wir jetzt.
Jawattdenn.de:
Glauben Sie denn, dass RWE ein Sturmproblem hat?
Olaf Janßen:
Wenn ich den im Winter dazugekommenen Paul Jans oder
Spieler wie Kurth, Güvenisik und Guie-Mien sehe,
dann ist das auch meiner Sicht für die Regionalliga
schon gar nicht so schlecht. Wir haben etliche Standardsituationen,
in denen wir den letzten Biss vermissen lassen. Wir
schießen zu wenig aus der zweiten Reihe. Das
verteilt sich auf viele Schultern.
Aufgrund unserer Quote haben wir sicherlich ein Sturmproblem,
aufgrund der Qualität unserer Spieler eher weniger.
Jawattdenn.de:
Die Qualität ist also da und es müsste nur
der Knoten platzen?
Olaf Janßen:
Wir brauchen ein Erfolgserlebnis, und deswegen erwarte
ich gegen Wolfsburg nicht nur einen Sieg. Jeder, der
ins Stadion kommt, soll von der ersten Sekunde an
spüren, dass die Mannschaft nicht nur drei Punkte,
sondern auch diesen Torefluch besiegen will.
Das heißt, dass man nicht versucht, ein 1:0
60 Minuten lang über die Zeit zu retten, sondern
nach dem Spiel der Willi Maler neue Netze in die Tore
hängen muss.
Im übertragenen Sinne erwarte ich von der Mannschaft
also, dass der Siegeswille in jeder Situation zu sehen
ist.
Jawattdenn.de:
Eigentlich hieß es im Winter, man wolle sich
im Sturm nicht weiter verstärken und würde
mit Markus Kurth im Sturmzentrum planen. Trotzdem
hat man Paul Jans verpflichtet. Hat man noch einmal
umgedacht, oder war es so, dass mit Paul Jans plötzlich
ein passender Spieler auf den Markt kam, der vorher
nicht zu kriegen war?
Olaf Janßen:
Sowohl als auch. Markus Kurth hatte zum Ende der Hinrunde
ja schon einen Faserriss, hatte aber in Oberhausen
noch mal ein Spiel gemacht. Die Verletzung hat er
sich dann während des Trainingslagers noch einmal
zugezogen und fiel wieder drei Wochen aus.
Ein Grund war also, dass wir in dieser prekären
Situation nicht abschätzen konnten, wie stark
wir auf Markus setzen können.
Die andere Seite war, und das war sicherlich der Hauptgrund,
dass wir die Möglichkeit bekommen haben, Paul
Jans zu verpflichten. Wir kennen ihn seit längerer
Zeit und Venlo hatte kurz vor Transferschluss drei
Stürmer verpflichtet. Da wäre Paul Jans
erstmal hinten dran gewesen, und so ergab sich für
uns die Möglichkeit, ihn zu verpflichten.
Jawattdenn.de:
Mit Benjamin Baltes wurde ein weiterer Spieler verpflichtet,
der Erfahrung im Profibereich sammeln konnte und zuletzt
in Lübeck Leistungsträger war. Bei RWE kam
er aber bisher nicht wirklich zum Zuge. Denken Sie,
dass er der Mannschaft im Verlauf der Rückrunde
weiterhelfen wird?
Olaf Janßen:
Benjamin ist ein sehr quirliger und dribbelstarker
Spieler, der gerade auch unsere linke Angriffsseite
beleben könnte und sollte. Bei ihm muss man einfach
sagen, dass er in den letzten Wochen in den Zweikämpfen
zu früh zurückgesteckt und nicht alles investiert
hat, um sich durchzusetzen. Wir haben anschließend
einige Gespräche mit ihm geführt und in
den letzten 10-14 Tagen war im Training bei ihm auch
schon eine deutliche Steigerung zu sehen. Ich hoffe,
das hält an.
So einen Spieler, der mal für eine überraschende
Aktion sorgen kann, kann man sicher auch am Wochenende
gegen Wolfsburg gebrauchen.
Jawattdenn.de:
Er ist also für die Außenbahnen eingeplant,
auf denen er auch bei seinen vorherigen Stationen
schon zu Hause war?
Olaf Janßen:
Im Prinzip ist er beidfüßig, von daher
ist er sehr flexibel einsetzbarl. Und da wir wussten,
dass durch die Verletzungen von Ferhat Kiskanc und
Mitja Schäfer zwei Linksfüße ausfallen,
ist er schon tendenziell für diese Seite eingeplant.
Aber er kann natürlich auch hinter den Spitzen
spielen.
Jawattdenn.de:
Rolf Hempelmann hat letzte Woche betont, Trainer und
Sportlicher Leiter hätten eine Reihe von Trainingsformen
und taktischen Überlegungen zur Behebung der
Abschlussschwäche entwickelt und vorgestellt.
Diese Bemerkung hörte sich so an, als ob man
sich erst Gedanken gemacht hätte, als es schon
zu spät war.
Hat man sich tatsächlich erst nach dem Spiel
gegen Dortmund damit befasst, oder hat man den Hebel
dort schon früher angesetzt, aber bisher noch
keine Ergebnisse gesehen?
Olaf Janßen:
Ich kann verstehen, dass man Schwierigkeiten hat,
diesem Satz zu folgen. Es ist ja erstmal so, dass
es einen sehr engen Austausch zwischen dem Trainerteam
und mir gibt. Das liegt ja auch in der Natur der Sache,
denn als Sportlicher Leiter habe ich die Verantwortung
für diesen Bereich. Der Austausch mit Heiko war
vom ersten Tag an da, und besteht auch jetzt, wo es
Gegenwind gibt. Ich sehe auch viele Trainingseinheiten,
also können wir uns auch sehr aktuell und detailliert
über diese Dinge unterhalten.
Dass wir, wenn wir etliche Spiele kein Tor schießen,
überlegen, wie wir das im Training abstellen
können, ist klar.
Die Bemerkung von Rolf Hempelmann war vielleicht darauf
gemünzt, dass wir für die Mannschaft mal
ein Band mit allen Toren der Hinrunde zusammen geschnitten
haben und der Trainer schon spezielle Spielformen
entwickelt hat, in denen der Abschluss provoziert
wird und die Spieler öfter in entsprechende Situationen
gebracht werden.
Jawattdenn.de:
Vor der Saison gab es das Chaos um die Verpflichtung
von Karsten Jensen, ehe Andre Schei Lindbaek verpflichtet
wurde. Lindbaek konnte bisher noch nicht richtig Fuß
fassen.
Stand man bei dieser Verpflichtung zu sehr unter Druck,
schnell einen Stürmer verpflichten zu müssen
bzw. hat sich zu sehr unter Druck setzen lassen?
Olaf Janßen:
Wir hatten auch sicherlich zehn Stürmer auf unserer
Liste, aber es ist nun mal so, dass die Luft im Sturmbereich
sehr dünn ist und die Leute auch nicht unbedingt
Schlange gestanden haben, um mit dem Fahrrad zu Rot-Weiss
Essen zu fahren.
Mit Karsten Jensen ist dann eine Geschichte passiert,
die in dieser Form wohl auch ein Novum ist. Mehrere
Leute haben sich den Spieler in Dänemark angeguckt
und waren alle von ihm überzeugt. Dann hat man
sich telefonisch mit ihm geeinigt und der Spieler
ist mit seiner Frau angereist. Es gab letzte Gespräche,
der Spieler wurde der Mannschaft vorgestellt und die
Verträge wurden unterzeichnet. Dann ist er wieder
nach Dänemark gefahren, um am Wochenende seine
Frau zu heiraten, und am selben Abend um 23 Uhr rief
er mich an und hat mir mitgeteilt, dass er nicht kommen
könne, weil seine Frau einfach ein Veto eingelegt
und gesagt habe, dass sie nicht heiraten würden,
wenn er nach Essen gehe.
Es kann sich wohl jeder vorstellen, dass dieses Telefonat
ein schwerer Schlag für uns war, nachdem wir
diese Geschichte eigentlich zu den Akten gelegt hatten.
Mit der Unterschrift unter den Vertrag konnte man
eigentlich davon ausgehen, dass die Sache durch war.
Sicherlich besteht man erstmal auf das Vertragsverhältnis,
aber es nützt einem ja auch nichts, wenn der
Spieler nicht mit 100% bei der Sache ist.
Die Geschichte musste also wohl oder übel neu
aufgerollt werden, weil wir einen Stoßstürmer
im Kader haben wollten. In der Phase ist die Entscheidung
nach den positiven Trainingseindrücken und den
gesammelten Informationen auf Andre Schei Lindbaek
gefallen.
Es ist richtig, dass er die Erwartungen, die wir in
ihn gesteckt hatten, bislang nicht erfüllen konnte.
Und wenn man das Gefühl hatte, dass er dorthin
kommt, wo man ihn eigentlich hin haben wollte, haben
ihn immer wieder Verletzungen zurückgeworfen.
Das ist leider eine Geschichte, die nicht erfolgreich
gelaufen ist.
Jawattdenn.de:
Sie haben angesprochen, dass sie im Sommer wie vor
zweieinhalb Jahren wieder einen komplett neuen Kader
aufbauen mussten. Es kommt wohl eher selten vor, dass
ein Manager eine solche Aufgabe zu bewältigen
hat. Sie standen nun schon zum zweiten Mal vor einem
Kader mit nur drei Spielern. Wie beurteilen sie bei
dieser Vielzahl an Neuverpflichtungen ihre Transferbilanz?
Olaf Janßen:
Das muss jeder selbst beurteilen. Es sind an die 60
Transfers, die ich bisher bei RWE machen musste, und
die Bilanz fällt eigentlich sehr positiv aus.
Wenn ich selbstkritisch damit umgehe, sind es doch
deutlich unter zehn Transfers, von denen ich sagen
würde, dass sie Fehler gewesen wären und
ich das so nicht noch einmal machen würde. Diese
Quote ist eigentlich sehr positiv. Schlussendlich
ist es aber so, dass wir mit einem Punkt Rückstand
aus der Zweiten Liga abgestiegen sind. Das hat uns
sehr weh getan und natürlich auch die Planungen
für die Zukunft extrem behindert.
Wir haben versucht, aus dem jetzigen Kader 14, 15
Spieler weiter unter Vertrag zu haben. Wir können
sagen, dass wir für die dritte Liga eine mehr
als konkurrenzfähige Basis haben, auf der wir
aufbauen können. Wir haben darauf geachtet, dass
von der Altersstruktur her auch entwicklungsfähige
Spieler dabei sind und wir eine jüngere Mannschaft
haben, auf die wir auch länger setzen können.
Ich denke, das ist uns gelungen und ich hoffe, in
dieser Saison werden die sportlichen Ziele auch erreichen.
Jawattdenn.de:
Kann man denn überhaupt schon für die nächste
Saison planen? Die Dritte Liga ist das Ziel, es droht
der Absturz in die neue Regionalliga, aber selbst
der Aufstieg in die Zweite Liga ist immer noch möglich.
Olaf Janßen:
Der Baustein ist wie gesagt, dass man viele Spieler
für die Zweite und Dritte Liga weiter unter Vertrag
hat. Die Planungen laufen auch weiter und man fragt
natürlich, auf welchen Positionen man sich verstärken
will, wenn man die Zweite oder Dritte Liga erreicht.
Für die vierte Liga gibt es derzeit relativ wenig
zu planen, weil wir bei einem solchen Szenario erstmal
sehen müssten, auf welchen finanziellen Beinen
wir ständen, was wir umsetzen könnten, welchen
Weg wir gehen wollten und inwieweit die U23 als Grundstock
für diese Regionalliga-Mannschaft dienen könnte.
Das sind Sachen, die wir besprechen und entscheiden
müssten, wenn sich abzeichnen würde, dass
der Weg in die vierte Liga geht.
Jawattdenn.de:
Noch mal zurück zur Zeit des Jensen-Transfers:
Mit der Bekanntgabe des Vertrages mit Jensen wurde
auch bekannt gegeben, dass der Vertrag mit Alexander
Löbe aufgelöst wurde, der über Umwege
schließlich nach Paderborn gekommen ist. Einige
Leute sprechen davon, dass Rot-Weiss Essen dabei hintergangen
oder über den Tisch gezogen wurde. Was sagen
Sie zu solchen Verschwörungstheorien?
Olaf Janßen:
Ich meine, das sind einfach wilde Theorien, bei denen
sich jeder seinen Teil denken und die Lage selbst
beurteilen sollte. Letztendlich weiß ich auch
nicht genau, was da im Hintergrund abgelaufen ist.
Ich glaube allerdings nicht an so eine Theorie, da
der Alex eine berufliche Ausbildung angestrebt hat.
Die Vertragsgespräche werden von Nico Schäfer
und Markus Buchberger geführt, so dass ich auch
nicht im Detail nachvollziehen kann, was genau besprochen
wurde. ich weiß, dass bestimmte Dinge vertraglich
geregelt waren, und ich glaube nicht, dass wir dabei
über den Leisten gezogen worden sind, denn wir
wollten mit dem Spieler einfach nicht weiter zusammenarbeiten
und haben uns dann mit ihm auf die Vertragsauflösung
geeinigt.
Jawattdenn.de:
Das Spiel gegen Emden ist ausgefallen, man hat jetzt
fünf Punkte Rückstand und es steht quasi
ein Schicksalsspiel an. Wenn man jetzt verliert hat
man unter Umständen schon acht Punkte Rückstand.
Empfindet man das Spiel am Samstag auch als Schicksalsspiel
für die eigene Position als Sportlicher Leiter?
Olaf Janßen:
Wenn man auf die Tabelle guckt, dann spürt man
natürlich den Druck und merkt, dass man jetzt
auch Erfolge braucht, damit es nicht zum Abstieg kommt.
Aber ein Schicksalsspiel für mich persönlich
ist das mit Sicherheit nicht. Ich bin verheiratet,
habe vier Kinder. Ich glaube, da ist Schicksal etwas
anderes.
Der Ausfall des Emden-Spiels ist vielen Verletzten
von uns entgegengekommen ist und wir könnten
gegen Wolfsburg ein Signal setzen. Ich habe mir am
Samstag Braunschweig zu Hause gegen Erfurt angeguckt.
Auch dorthin müssen wir nicht mit Angst hinfahren
Dann sind all die Dinge möglich, die bisher durch
Pech und eventuell auch ein bisschen Unvermögen
in die andere Richtung gegangen sind. Wir haben alles
noch selber in der Hand.
Jawattdenn.de:
Der Unmut der Fans fokussiert sich nicht erst seit
dem Abstieg besonders stark auf Ihre Person. Können
sie nachvollziehen, warum ihr Name im Mittelpunkt
des Ärgers steht?
Olaf Janßen:
Ja, sicher. Ich bin der Sportliche Leiter, und somit
bin ich verantwortlich für die sportlichen Dinge
und den sportlichen Erfolg.
Nach Misserfolgen wie dem Abstieg oder dem schlechten
Saisonstart ist es für den Fan natürlich
einfach, dass an jemandem fest zu machen. Dass diese
Person nicht der Platzwart ist, sondern der Sportliche
Leiter, kann ich durchaus nachvollziehen.
Jawattdenn.de:
Frei herausgesagt, macht Ihnen die Arbeit im Moment
denn Spaß?
Olaf Janßen:
Spaß ist natürlich der falsche Ausdruck.
Ich bin davon überzeugt, dass das, was ich tue,
für mich und mein Leben das Richtige ist.
Ich möchte z.B. nicht im Büro sitzen und
Versicherungen verkaufen, sondern glaube, dass ich
in dem Bereich, in dem ich jetzt tätig bin, am
Besten aufgehoben bin. Von daher mache ich meinen
Job sehr gerne.
Die derzeitige Situation als spaßig zu betrachten,
ist sicherlich völlig Fehl am Platze.
Es gibt aber auch weiterhin schöne Momente. Zum
Beispiel, wenn ich auf der Geschäftsstelle bin
und sehe, welcher Zusammenhalt hier herrscht. Da wird
morgens z.B. zusammen gefrühstückt, und
das sind einfach Leute, die durch und durch Rot-Weisse
sind.
Aus solchen Momenten geht man gestärkt hervor
und greift wieder an.
Auch die Zusammenarbeit mit dem Trainer und dem Trainerteam,
der Zusammenhalt innerhalb der Mannschaft usw. - es
gibt schon genügend Dinge, über die man
sagt, dass es sich dafür zu kämpfen lohnt.
Den Spaß muss man sich dann wieder erarbeiten.
Aber das kann man nur mit Punkten.
Jawattdenn.de:
Eine Situation, die noch weniger spaßig als
die derzeitige wäre, wäre ein Abstieg in
die neue Regionalliga. Sie haben angesprochen, dass
man sich zum Worst Case noch wenig Gedanken machen
könne. Machen Sie sich also auch keine Gedanken
darüber, was mit Ihnen passieren würde,
wenn der Abstiegsfall eintritt und man an Sie mit
der Bitte heranträte, ihren Posten weiter zu
besetzen?
Olaf Janßen:
Das ist doch rein hypothetisch. Wir haben gerade festgestellt,
dass der Unmut sich stark an der Position des Sportlichen
Leiters fest macht, und bei einem Abstieg würde
das wohl tendenziell nicht weniger. Das wäre
eine extrem schwierige Situation für den Gesamtverein,
in der man sich komplett neu aufstellen müsste.
Darüber möchte ich mir aber auch gar keine
Gedanken machen, sondern viel mehr den Erfolg in den
nächsten Wochen in den Vordergrund stellen.
Jawattdenn.de:
Wenn man die Zusammenstellung des Kaders vor dieser
Saison mit der des Aufstiegskaders von 2005/06 vergleicht,
ist eine unterschiedliche Herangehensweise recht deutlich.
Während man vor zwei Jahren auf viele etablierte
Spieler setzte, kamen in diesem Jahr eher unbekanntere
Spieler mit Entwicklungspotential. Sind die Gründe
dafür rein finanzieller Natur, oder haben dort
auch sportliche Gedanken hineingespielt?
Olaf Janßen:
In erster Linie waren das natürlich finanzielle
Beweggründe. Man kann klar sagen, dass diese
Mannschaft eine ganz andere Ausrichtung als die damalige
Aufstiegsmannschaft hat. Damals musste man aufsteigen
und man hatte dementsprechend auch investiert.
Dieses Jahr gab es andere Zielvorgaben, aber natürlich
trotzdem mit dem Auftrag, den Spagat zwischen einer
deutlich verjüngten Mannschaft mit mehr Perspektivspielern
und einer Mannschaft, die qualitativ so gut besetzt
ist, dass sie oben mitspielen kann, zu schaffen.
Jetzt kann jeder für sich selbst darüber
werten, wie wir die Mannschaft zusammengestellt haben.
Wenn dauerhaft ein Drittel der Spieler ausfällt,
dann ist das allerdings eine schwierige Situation
für den Trainer.
Jawattdenn.de:
Wie sah es denn mit einem Spieler wie Holger Wehlage
aus, der sich nach eigener Aussage hätte vorstellen
können, bei RWE zu bleiben, aber wohl gar kein
Angebot erhalten hat. Hat er nicht in das sportliche
Konzept gepasst, oder war es finanziell gar nicht
denkbar, ihn zu halten?
Olaf Janßen: Da gibt es immer mehrere
Dinge zu überlegen. Aber es war schon so, dass
es zu dem Zeitpunkt, an dem es darum ging, finanziell
außerhalb des Rahmens gelegen hat, den wir uns
selbst gesteckt hatten.
Wir hätten uns da schon relativ früh auf
einen Spieler festlegen müssen, der außerhalb
unseres Rahmens gelegen hätte, und das hätte
sich dann auch auf die nächsten Projekte niedergeschlagen,
bei denen man entsprechend weniger Mittel gehabt hätte.
Jawattdenn.de:
Kann man generell sagen, wonach entschieden worden
ist, mit welchen Spielern man weitere Gespräche
führt und mit welchen nicht?
Olaf Janßen:
Vieles hatte sich da ja selbst erledigt, weil einige
Verträge durch den Abstieg ungültig geworden
waren und einige Spieler dann auch gesagt haben, dass
sie in die Zweite Liga gehen. Von daher war das ja
schon ein Gros, was weg war.
Jawattdenn.de:
Mal zur aktuellen Situation im Kader: Daniel Sereinig
hat sich in der Vorbereitung einen Haarriss im Fuß
zugezogen und sollte ursprünglich operiert werden,
wofür eine Ausfallzeit von ca. sechs Wochen prognostiziert
wurde. Man hat sich dann aber doch für eine konservative
Behandlung entschieden. Trotzdem ist Sereinig in den
bisherigen Spielen nicht zum Einsatz gekommen. Hätte
man sich da nicht genauso gut für eine OP entscheiden
können?
Olaf Janßen:
Da sind eine ganze Menge Fehler drin. Der erste Fehler
ist, dass man mit diesem Haarriss im Fuß zu
vier verschiedenen Ärzten geht und fünf
Meinungen hat.
Die Entscheidung für oder gegen eine OP ist sehr
schwer. Wenn er sich operieren lässt, dann fällt
er acht Wochen aus, und ich glaube, die wären
jetzt noch nicht abgelaufen. Dafür ist man aber
damit auf der sicheren Seite.
Es könnte aber genauso gut sein, dass die OP
nicht notwendig wäre. Und er hat sich für
eine konservative Behandlung entschieden, weil er
nicht in so einer entscheidenden Phase zwei Monate
fehlen wollte, ohne zu wissen, ob das überhaupt
notwendig ist.
Das muss in so einer Situation jeder mit sich selbst
ausmachen. Es ist jetzt so, dass er für Samstag
fit und auch einsatzbereit ist. Ob er auch aufgestellt
wird, ist dann wieder eine andere Geschichte.
Jawattdenn.de:
Stijn Haeldermans wird gegen Wolfsburg wieder auf
der Bank sitzen. Glauben Sie, dass ein 33jähriger,
der fast anderthalb Jahre kein Pflichtspiel durchgespielt
hat, nach so einer langen Zeit noch mal zurückkommen
kann?
Olaf Janßen:
Lassen Sie uns das in zwei Ebenen unterteilen.
Die eine ist die psychologische Ebene. Ich habe lange
mit dem Stijn gesprochen, und konnte ihm aufgrund
meiner Erfahrung - ich bin 21-mal operiert worden
- schon einiges mitgeben.
Ich hatte das Gefühl, dass der Stijn das eine
Ziel hat, den Menschen und den Fans in Essen zu zeigen,
dass er zurückkommen will, das auch schafft und
auf dem Platz umsetzen möchte.
Das ist auch der Antrieb, den er die ganzen Monate
gebraucht hat. Das hat ihn angetrieben.
Er war ja auch sehr lange in Belgien und hat da seine
Reha wirklich perfekt durchgezogen, einfach mit dem
Hintergedanken im Kopf, zurück zu wollen und
es den Leuten zu zeigen, dass er auf den Platz gehört.
Das ist der erste Teil, und den hat er wirklich mit
Bravour bestanden. Er ist ja jetzt auch voll belastbar
und mit Spaß beim Training dabei.
Die zweite Ebene ist die Sportliche. Das ist die Frage
nach der Qualität bzw. danach, ob er uns noch
helfen kann. Und die muss man sicherlich mit einem
Fragezeichen versehen.
Diese Frage in der Situation, in der wir uns befinden,
zu beantworten, wäre sehr früh.
Ich habe ja gesagt, wir müssen uns auf die nächsten
14 Spiele konzentrieren, und die endgültige Entscheidung,
wo man landet, fällt im Mai. Und wenn der April
kommt, ist er wieder einen ganzen Monat weiter, wenn
er - toi, toi, toi - nicht wieder Probleme mit Verletzungen
bekommt. Dann ist er auch körperlich noch einen
Schritt weiter.
Bis dahin traue ich Stijn zu, körperlich in einer
Lage zu sein, in der er uns richtig helfen kann.
Aber da muss man wirklich Realist sein und das nach
dieser langen Zeit mit einem Fragezeichen versehen.
Aber wichtig ist auch der Kopf, und da lege ich meine
Hand für ins Feuer: der Junge will!