Interview mit Nico Schäfer
Nico Schäfer scheidet Ende August nach zehnjähriger Amtszeit als Geschäftsführer von Rot-Weiss Essen aus. Vorher beantwortete er Jawattdenn in einem Interview Fragen über die aktuelle Situation, sowie auch über die letzten Jahre an der Hafenstraße.
Jawattdenn.de:Die Stadt Essen hat mit der Beauftragung der Unternehmensberatung Roland Berger die Strukturen des Vereins durchleuchtet und teilweise massiv in die Vereinsarbeit eingegriffen. Geschah dies in vorheriger Absprache mit dem Verein?
Nico Schäfer:
Ja, diese Ankündigung erfolgte, darüber wurde mit uns gesprochen. Zudem wurde in den entsprechenden Gremien darüber abgestimmt und in der Lage, in der der Verein zu dieser Zeit war, muss man sich über jede Hilfe freuen.
Jawattdenn.de:
Der Verein hat dieses also als Hilfe angesehen?
Nico Schäfer:
Es ist immer eine Hilfe für einen Verein, der nicht mehr in der Lage ist, finanziell über die Runden zu kommen, wenn auch mal etwas von außen kommt. Dies war früher nicht der Fall, außer man hat es gesucht, wie zum Beispiel bei Herrn Kölmel, was ja nun auch wieder Thema ist. Zu dieser Zeit wurde von Seiten der Stadt kein Pfifferling mehr gegeben. Wie stark die Stadt eingreift, wie viel auch von der Presse übertrieben dargestellt bzw. nicht veröffentlicht wurde, lassen wir mal dahin gestellt. Das Ergebnis wird zeigen, ob es richtig war.
Jawattdenn.de:
Stichwort Kölmel: In der Presse war zu lesen, dass nun Michael Kölmel mit einem Schlag komplett abgefunden werden soll.
Nico Schäfer:
Wir hatten damals einen ausgehandelten Vertrag, den wir nicht mehr bedienen konnten, vor allem nachdem es auch sportlich in die falsche Richtung lief. Dieser Vertrag wäre eine klare Verbesserung gegenüber den bisherigen Vereinbarungen gewesen, aber wenn man nicht in der Lage ist, einen solchen Vertrag zu bedienen, dann hilft auch der beste Vertrag nichts. Die neue Situation ist die, dass wir der Stadt die Vollmacht gegeben haben, mit Kölmel zu verhandeln. Es ist jetzt die Stadt, die hier die Verantwortung für ein Stadion übernommen hat und eben nicht mehr der Verein. Ich hoffe, dass die Stadt erfolgreich ist.
Jawattdenn.de:
Mit anderen Worten, wenn es zu einer Einigung käme, dann wäre es in erster Linie die Stadt, die mit ihrem Geld Dr. Kölmel abfindet. Und ob und wie die Stadt sich das Geld vom Verein zurückholt, ist eine andere Frage?
Nico Schäfer:
Es ist sicherlich nicht so, dass die Stadt dem Verein dieses Geld schenkt, sondern wahrscheinlich als neuer Gläubiger auftreten wird. Da aber die Beteiligten das gleiche Interesse an diesem Verein und der Entwicklung des Stadionprojekts haben, kann das auch Vorteile für uns haben.
Jawattdenn.de:
Um nochmal auf Roland Berger zurückzukommen. Vor kurzem kam diese Geschichte mit Hochtief aus der BILD-Zeitung ans Licht. Es ging um eine Abfindung, falls das Stadion nicht gebaut werden sollte. Solche Dokumente sind doch eigentlich geheim?
Nico Schäfer:
Das ist schon sehr ungewöhnlich. In den letzten zehn Jahren ist nicht so viel an die Öffentlichkeit gekommen. Dass es nun passiert ist, ist sehr schade. Durch wen, ist bisher nicht aufgeklärt. Bis jetzt gibt es aber keine Verträge, die in irgendeiner Weise ungewöhnlich wären. Man muss auch festhalten, um welche Summen es hier geht. 3% ist der Minimalsatz, der auch von anderen Bauunternehmen genommen wird. Es kann aber auch sein, dass es nun eine gänzlich andere Entwicklung geben wird, dass ein ganz anderes Stadion gebaut wird, das wird man sehen. Die Gutachten dazu sind derzeit in Arbeit und wir freuen uns darauf, dass sie präsentiert werden.
Jawattdenn.de:
Die Strukturveränderungen, die von der Unternehmensberatung Roland Berger geplant waren, sahen eine Ausgliederung der Fußballabteilung und die Gründung einer Stadiongesellschaft vor.
Auf der letzten Pressekonferenz vor dem Pokalspiel war davon keine Rede mehr.
Nico Schäfer:
Es ist weiterhin eine Ausgliederung geplant. Es gibt ein Konzept des Vereins und es gibt eines von Roland Berger, das sich nicht grundlegend von unserem unterscheidet. Der Verein wollte natürlich in seinem Konzept eine höhere Eigenständigkeit sichern. Ein anderer Unterschied ist die Investorenbeteiligung, die sicherlich irgendwann im deutschen Fußball Einzug haben wird, wenn die 50+1 Regel fällt. Eine Ausgliederung war allerdings bis jetzt nicht möglich. Deswegen ist das keine neue Erfindung, wir hatten bereits eine Spielbetriebs GmbH, wir haben jetzt schon eine Sport-Werbe GmbH, wir haben drei Stadiongesellschaften, insofern wird der Ist-Zustand kaum verändert. Der Unterschied ist, dass wir jetzt zu sehr von den Belastungen durch Kölmel beherrscht werden. Der Verein hatte vor fünf Jahren - selbst wenn er gewollt hätte - nicht die Möglichkeit für eine Ausgliederung. Das Rad ist hier nicht neu erfunden worden. Sobald es eine Kölmel-Lösung gibt, ist die Frage, welches der beiden Modelle das bessere ist, wobei beide nicht so weit voneinander entfernt sind.
Was mich geärgert hat, war der Verweis auf die „modernen Strukturen“. Das sind
ja moderne Strukturen, aber der Verein hatte nicht Möglichkeit, diese
Strukturen umzusetzen, weil wir die Kölmel-Altlast tragen. Wobei man immer
wieder darauf hinweisen muss, dass Kölmel uns damals geholfen hat, als niemand
anderes wollte. Es muss eine Einigung geben, sonst kann man ausgliedern wie man
will, man wird damit keinen Erfolg haben.
Jawattdenn.de:
Nur um das nochmal festzuhalten: es gibt schon längst eine Spielbetriebs-GmbH?
Nico Schäfer:
Ja, die gibt es seit 2001. Der
Verein ist an dieser GmbH mehrheitlich beteiligt, sowie es verbandsrechtlich
vorgeschrieben ist. Diese Spielbetriebs-GmbH ist wiederum an der Sportmarketing
GmbH beteiligt und hat dort die Sperrminorität. Diese beiden Gesellschaften
sind zusammen mit Kölmel gegründet, dort bin ich Geschäftsführer. So werden der
Verein und Kölmel zusammengeführt.
Jawattdenn.de:
Wurden für die Zweite und Regionalliga die GmbH oder der Verein lizenziert?
Nico Schäfer:
Der Verein. Die Mannschaft wurde
nie in die Spielbetriebs-GmbH eingegliedert. Das sollte passieren, wenn der
Verein in die 2. Liga kommt. Damals gab es aber auch schon neue Entwicklungen
in der Sportwelt GmbH, die es zu unserer Zweitligazeit Zeit schon gar nicht
mehr gab. Deswegen wurden die Verträge mit Kölmel geändert. Daher war die
Ausgliederung nie mit Leben erfüllt, aber die Spielbetriebs-GmbH existiert als
Mehrheitsbeteiligung für den Verein. Deshalb können wir auch nicht noch eine
GmbH gründen.
Jawattdenn.de:
Aber die Ausgliederung müsste von den Mitgliedern bestätigt werden?
Nico Schäfer:
Ja natürlich, die Information
zur Ausgliederung muss den Mitgliedern zeitnah, bevor falsche Dinge in Umlauf
kommen, zugeschickt werden. Dies muss auf einer Mitgliederversammlung von den
Mitgliedern mitbestimmt werden. Es gibt natürlich auch Möglichkeiten, den
Sachverhalt anders zu gestalten, das wollen wir aber nicht und dies ist auch
mit der Stadt abgesprochen. Wir wollen diesen Prozess transparent gestalten, zu
diesem Wort sollte man stehen.
Jawattdenn.de:
Ist in diesen neuen Strukturen kein Präsident mehr vorgesehen?
Nico Schäfer:
Es wird sicher wieder einen
Präsidenten geben. Es ist allerdings von der Stadt avisiert worden, dass das
Thema Stadion am 25.9. wieder behandelt wird. Danach kann es, wenn eine Lösung
mit Kölmel von Seiten der Stadt gefunden wurde, zu einer Ausgliederung kommen
und davon hängt maßgeblich das Profil eines neuen Präsidenten ab. Sollte es
aber nicht zu einer Ausgliederung, wohl aber zu einem Stadionneubau kommen,
dann ist das Arbeitsfeld eines Präsidenten ein völlig anderes. Bei einer
Ausgliederung wäre der Verein nur noch für gewisse Dinge zuständig und der Rest
würde hauptamtlich erledigt werden. Es wäre schwierig, zum jetzigen Zeitpunkt
einen Präsidentenposten auszuschreiben, da potenzielle Kandidaten nicht
wüssten, was auf sie zukommen würde. Für diesen Posten sollte man später die
ideale Person finden, je nachdem wie viel er dann zu tun hat, je nachdem, ob er
nur repräsentative oder tatsächlich operative Tätigkeiten nachgehen muss, was
ein normaler Vereinspräsident tun müsste. Das hängt alles vom Erfolg der Stadt
in Bezug auf Kölmel ab.
Zur Zeit haben wir drei
Vorstandsmitglieder, das ist das Minimum, ich würde mich freuen, wenn wir ein
viertes fänden. Dieser Jemand müsste dann auch Verantwortung tragen wollen, es
gibt ja auch Haftungsrisiken, die man übernehmen muss. In dieser Hinsicht wird
es vielleicht noch Änderungen geben, das werde ich noch aktiv begleiten.
Grundsätzlich können wir in der derzeitigen Besetzung arbeiten und zur Zeit ist
es auch so, dass der Aufsichtsrat uns operativ unterstützt. Ich hoffe, das
reicht erstmal, um die Grundlagen der kommenden Saison zu legen. Die drei
Vorstandsmitglieder sind übrigens Herr Meutsch, Herr Pietsch und ich.
Jawattdenn.de:
Hat die Stadt, auch in Hinblick auf die Frauen-Fußball-WM 2011 eine
Mitverantwortung, dass das Stadion nun doch nicht gebaut wird? Oder woran
scheiterte das Projekt letztendlich? Es ist ja schon ein wenig peinlich für die
Stadt, dass man sich für eine WM bewirbt und am Ende kein geeignetes das
Stadion steht.
Nico Schäfer:
Die Bewerbung liegt in der
Verantwortung der Stadt. Von mir nur soviel dazu: ich finde es sehr schade,
dass die WM hier nicht stattfindet. Mehr liegt dazu nicht in unserer Hand.
Jawattdenn.de:
Als Viertligist kann man sich über ein Engagement der Stadtsparkasse nur
freuen. Ist diese Unterstützung auf das Engagement der Stadt zurückzuführen?
Nico Schäfer:
Das ist sicherlich eine
städtische Lösung, obwohl ja auch gerade die Stadtsparkasse uns seit Jahren
nicht nur als Sponsor, sondern auch als Bürgschaftsgeber und Premiumpartner
treu verbunden ist. Es ist natürlich schön, wenn die Stadt und der Verein es
zusammen hinbekommen, dass die städtischen Unternehmen eine Rolle spielen. Es
geht hier immer um eine Gesamtlösung. Wir sind nicht nur ein Fußballverein, der
Rot-Weiss Essen heißt und der gerade zufällig in dieser Stadt spielt. Der
Verein ist für den Essener Norden sehr wichtig und deshalb muss man Engagement
zeigen. Mit unseren Partnern haben wir, alle wie sie jetzt da sind, schon
vorher zusammengearbeitet. Sicher nicht in diesem Rahmen, daher sind wir der
Stadt für diese Vermittlung sehr dankbar.
Jawattdenn.de:
Es war in der Presse zu lesen, Thomas Strunz hat seinen Vertrag verlängert.
dabei überraschte weniger die Tatsache, dass er bleiben möchte, sondern dass er
offensichtlich einen befristeten Vertrag besaß?
Nico Schäfer:
Dies hatten wir früh
kommuniziert, dass er einen extern finanzierten Vertrag auf Zeit hatte und wir
dann in der neuen Saison sehen wollten, dass wir mit ihm verlängern, was uns
auch gelungen ist. Es ist ein langfristiger, allerdings auch auf Erfolg
ausgelegter Vertrag.
Jawattdenn.de:
Bedeutet "Erfolg" Aufstieg in diesem Jahr oder wäre ein zweiter
Anlauf finanziell und mit Strunz möglich?
Nico Schäfer:
Die Erfahrung lehrt, wenn man in
Zweijahresschritten plant, plant man schon kurzfristig im Sport. Man kann
natürlich diese Wünsche haben, jeder Verein möchte dieses Jahr aufsteigen, aber
bei nur einem Aufstiegsplatz kann vieles passieren.
Jawattdenn.de:
Deswegen ist die Sorge unter den
Fans so groß, man habe nur diesen einen Anlauf und die 3. Liga könnte im Falle
des Scheiterns über Jahre unerreichbar sein.
Nico Schäfer:
Man muss bei allen Konzepten die
uns vorliegen, und die wir selber erstellt haben, zumindest zwei Jahre dafür
einplanen, aber dann sollte es spätestens gelingen. Wichtig ist aber in jedem
Fall, dass man eine positive Rolle spielt. Man kann jetzt nicht im ersten Jahr
13. werden, dann wird es im zweiten Jahr sicher sehr schwer, die richtigen
Partner zu finden. Ich denke aber nicht, dass es so schlecht laufen wird.
Jawattdenn.de:
Vielleicht ein paar Worte zur
jetzigen Mannschaft. Sind Sie zufrieden mit der Zusammenstellung des Kaders?
Nico Schäfer:
Ich denke, wir haben eine gute
Mischung aus Jung und Alt. Gegen Borussia Dortmund konnte man sehen, dass
unsere erste Elf auf einem sehr guten Niveau gespielt hat. Die jungen Spieler
müssen noch herangeführt werden. Sie haben sicher viel Potenzial, das in den
Ligaspielen zu sehen sein wird. Das hat man auch schon in den Testspielen gegen
andere, nicht so clevere Mannschaften gesehen. Man darf auch nicht vergessen,
dass fast jeder Spieler bei Borussia Dortmund mehr verdient als unser ganzer
Kader.
Einer der wenigen Vorteile der
vierten Liga ist, dass man Spieler hat, die sich noch auf Dinge freuen und
etwas Besonders finden. Das findet in den höheren Ligen nicht statt. Wenn man
also etwas Positives trotz des Abstiegs finden will, und das muss man ja immer
suchen, so haben wir eine begeisterungsfähige Mannschaft. Daneben haben wir mit
Michael Kulm einen hervorragenden Trainer, der genau die richtige Ansprache für
die jungen Spieler findet, er hat ja lange in diesem Bereich gearbeitet. Er ist
sehr strukturiert, bescheiden und verlangt kaum Extras, die sonst von anderen
Trainern gefordert werden.
Mit Thomas Strunz haben wir jemanden, der absolut „down-to-earth“ ist, auch
wenn er in der Glamourwelt bekannt ist wie man derzeit wieder sehen kann. Das
lebt er den Spielern auch so vor. Auch er ist jemand, der keinen Wert legt auf
all die Extras und Wünsche, die ich in den vergangenen Jahren erlebt habe. Man
muss Bescheidenheit auch vorleben, um dies von den Spielern erwarten zu können.
Ich denke, wir werden eine sehr gute Rolle spielen, aber vor allem glaube ich
auch, dass wir attraktiven Fußball erleben werden. Die Fans hier haben einiges
mitmachen müssen. Ich hoffe, dass sie daran etwas Freude finden.
Jawattdenn.de:
Wie sehen Sie die Personalie
Dennis Bührer? Es wurde kommuniziert, dass kein Kapital mehr für einen linken
Verteidiger vorhanden sei. Woher kam das Geld für diesen Spieler?
Nico Schäfer:
Wir haben Einsparungen im Verein
bei den sogenannten „Extras“ durchgeführt, um diese Verpflichtung zu
realisieren. Damit sind wir am Limit. Thomas Strunz hat schon in der letzten
Saison gesagt, er sei absoluter Gegner von Winterverpflichtungen. Die helfen in
den wenigsten Fällen weiter, das haben wir selbst erlebt. Es gibt immer mal
Schnäppchen, aber grundsätzlich hat er stets betont - auch schon vor dem
Abstieg -, dass Winterverpflichtungen für ihn kein Planungsmoment sind. Wenn
man zehn Jahre zurückblickt, muss man sagen: die Nachkäufe stehen im Ertrag den
Aufwandsposten nicht gleichwertig gegenüber.
Jawattdenn.de:
Wie ist die finanzielle
Situation nach dem Pokalspiel? Es hätte ja auch Energie Cottbus werden können.
Nico Schäfer:
Ja, das wäre sicher ein
Livespiel geworden (lacht). Durch das Pokalspiel haben wir sicher mehr
eingenommen, aber wir müssen uns im Hinblick auf unvorhersehbare Dinge einen
Puffer schaffen. Wir hatten gehofft, ein wenig mehr einzunehmen, damit wir
nicht, wie in der vergangenen Saison, in Schwierigkeiten kommen. Ich freue
mich, dass wir durch das Pokalspiel einige Grundlagen legen konnten. Man kann
nun sicher nicht diese Mehreinnahmen gleich wieder verpulvern. Das ist das
schöne, wenn man eine Bank als Hauptsponsor hat. Das ist der erste Anruf der am
nächsten Tag kommt (lacht). Wir sind im regen Kontakt mit der Bank und der
Stadt, die im Aufsichtsrat vertreten ist, was mit solchen Geldern anzufangen
ist.
Jawattdenn.de:
Wie ist das Verhältnis zu den
städtischen Personen im Verein?
Nico Schäfer:
Sie haben sich im
Aufsichtsrat sehr gut eingebracht, waren sehr fleißig und wenn das so
weitergeht, wird es sicherlich eine fruchtbare Zusammenarbeit.