Interview mit Dr. Michael Welling
Jawattdenn.de:
Wo wir gerade bei den Fans sind: Sie haben die ersten Spiele unerkannt auf der
Osttribüne verbracht ...
Michael Welling:
... nicht alle, nur eines ...
Jawattdenn.de:
Wie war dabei ihr erster Eindruck von den RWE-Fans? Und wie sind Sie nach Ihrem
Amtsantritt von den Fans aufgenommen worden? Sie sind ja offenbar kein Mensch,
der kontaktscheu ist ...
Michael Welling:
Erst mal zum Eindruck: Ich renne in Fußballstadien, seit ich zehn bin ...
Jawattdenn.de:
Da müssen wir kurz einhaken. Ihr Lieblingsverein?
Michael Welling:
Darf ich das sagen?
Jawattdenn.de:
Klar! Alles außer Schalke darf man hier sagen.
Michael Welling:
Ich bin seit meinem 14. Lebensjahr St. Pauli-Fan. Auf dem Dorf will man mit 14
Revoluzzer sein, da bot sich St. Pauli an. Mit dem Totenkopf auf dem Dorf
rumrennen, da haben die Leute natürlich gedacht: Hilfe, was ist da los ...
Aber zurück zur Ausgangsfrage: Mein Eindruck von den RWE-Fans. Es ist eine sehr
lebendige Fankurve, sehr heterogen, auch was die Altersstruktur oder die Jobs
angeht. Da trifft man wirklich alles. Was einfach geil ist, ich bleibe dabei:
5. Liga, 6.000 Leute, das ist einmalig. Wer Fußballfan ist, auch unabhängig vom
Lieblingsverein, der hat Spaß hier bei RWE. Das habe ich auch.
Jawattdenn.de:
Man sieht Sie in der Halbzeitpause durchaus auch am Bratwurststand, wie Sie
sich mit Fans unterhalten. Wie kommt das an? Gibt es Feedback?
Michael Welling:
Ich würde das gar nicht so betonen wollen, echt jetzt ...
Jawattdenn.de:
Ist halt neu für uns und nicht selbstverständlich.
Michael Welling:
Also, ich weiß nicht ... Es stand auch irgendwo etwas von wegen „volksnah" und
so ein Quatsch. Ganz ehrlich, das ist doch totaler Humbug! „Volksnah" bedeutet
doch, da ist irgendjemand weit oben und der geht dann zum Volk. Also echt.
Quatsch. Blödsinn.
Jawattdenn.de:
Okay, wir ziehen die Frage zurück ...
Michael Welling:
Da kann ich mich einfach aufregen. Ich bin erster Diener des Vereins, ja, ich
habe eine herausgehobene Position, und natürlich erkennen mich die Leute. Aber
das ändert ja nichts daran, dass ich so bin, wie ich bin. An dem Tag hatte ich
Hunger, es war kürzer, dorthin zu gehen als ins VIP-Zelt. Außerdem gibt es im
VIP-Zelt Currywurst, und ich bin eher der Senf- und nicht der Ketchup-Typ. Und
deswegen habe ich mir eine Bratwurst geholt. Aber nicht, weil ich mich unters
„Volk" mischen würde, so ein Quatsch, sondern einfach, weil ich Bock drauf hatte.
Und wenn ich mit Leuten rede, dann tue ich das. Da habe ich keine
Berührungsängste. Die Leute haben mehr als das Recht dazu, zu sagen: Ey,
Welling, was ist los, was hast du vor, dies finde ich scheiße und das finde ich
gut. Ist einfach so, also kein großer Deal.
Jawattdenn.de:
Ein großer Deal für RWE ist das Stadion-Projekt. Werden Sie von der GVE oder
der Stadt auf dem Laufenden gehalten, wie es momentan damit aussieht?
Michael Welling:
Natürlich sprechen wir miteinander. Da wird es diese Ratssitzung geben und
dabei werden voraussichtlich die verschiedenen Modelle mit entsprechenden
Konsequenzen, Vor- und Nachteilen präsentiert. Oder die GVE kommt vorher zu dem
Schluss, dass sie nur das präsentieren, was sie für präferenzwürdig halten.
Jawattdenn.de:
Kennen Sie die Modelle?
Michael Welling:
Nicht alle im Detail, nein.
Jawattdenn.de:
Es hätte ja sein können, dass man den Verein als zukünftigen Hauptnutzer zu
seinen Präferenzen befragt und in die Planungen einbindet, gerade unter den
veränderten finanziellen Rahmenbedingungen.
Michael Welling:
Ich selbst kenne nicht alle Detailplanungen, aber ich gehe davon aus, dass der
Verein in den vergangenen Wochen und Monaten involviert war. Alles andere würde
mich wundern. Wir haben hier im Verein einen Bau-Beauftragten, der das Ganze
operativ mit abwickelt.
Ich bin natürlich erst zwei Wochen da und habe ganz viele Themen auf dem
Schreibtisch, die in unterschiedlicher Wichtigkeit behandelt werden. Was ich
getan habe, und was wir auch weiterhin tun: Wir reden. Ich hatte mit Herrn
Hillebrand (GVE-Geschäftsführer, d. Red.) einen sehr angenehmen Termin, bei dem
wir uns über viele Themen ausgetauscht haben, nicht nur über das Stadion. Es
geht natürlich erst mal darum, sich zu beschnuppern. Aber natürlich habe ich an
der einen oder anderen Stelle Signale gesendet.
Man muss auch unterscheiden, was irgendwo geschrieben steht und was Realität
ist. Herr Hillebrand hat in dem Gespräch zwei, drei Sachen gesagt, die ich
sofort unterschreiben würde, wo ich über einige Pläne sehr positiv überrascht
war. Nur: So eine Stadionplanung, das sind komplexe Entscheidungen, gerade mit
Blick auf die Finanzen, deswegen müssen wir jetzt mal gucken, was das gibt.
Aber wir bleiben im Gespräch.
Jawattdenn.de:
Was stand denn an Ihren ersten Arbeitstagen ganz oben auf der Prioritätenliste?
Michael Welling:
Erstens habe ich versucht, die handelnden Personen im Verein auf der
Geschäftsstelle mit ihren Aufgaben kennen zu lernen und auch, wie die Dinge bei
RWE gemacht werden. Mein Vorteil ist, dass ich das mit anderen Vereinen
vergleichen kann.
Das andere ist der gesamte Bereich Zahlen, sowohl auf der Kosten- als auch auf
der Erlösseite. Wo stehen wir eigentlich mit Blick auf unser Budget? Was sind
Prognosen für das Gesamtjahr, wo stehen wir heute und wo kommen wir raus, wenn
wir bestimmte Annahmen treffen? Sich ins Zahlenwerk einzuarbeiten ist wichtig,
um herauszufinden, wie valide die Erlösannahmen sind und wo es vielleicht hakt,
um entsprechend gegensteuern zu können. Das Ganze hat ja auch mit dem Thema
Insolvenz zu tun.
Damit zusammenhängend ist das Thema Sponsoren entsprechend zu begleiten, uns
bei den Partnern zu präsentieren und mit dem einen oder anderen Gespräche zu
führen, was wir in dieser Saison noch realisieren können.
Die Planung für die nächste Saison möchte ich früh angehen, um mit Blick auf
das anstehende Lizenzierungsverfahren möglichst viel unterschrieben und wenig
als reine Annahme in den Büchern zu haben.
Jawattdenn.de:
Es gab in den letzten Monaten zwei größere Zuwendungen. Das eine ist das
Benefizspiel gegen Dortmund, das andere war die Ausbildungsentschädigung für
Mesut Özil. Bei Özil hieß es, das Geld geht direkt in die Insolvenzmasse, bei
dem Evonik-Spiel hieß es, das Geld geht auf das Vereinskonto und hat nichts mit
der Insolvenzmasse zu tun. Können Sie uns erklären, wo welches Geld hingeht?
Michael Welling:
Ich versuche es. Alles Geld, welches wir normal erwirtschaften, geht in die
Insolvenzmasse. Entsprechend auch das Özil-Geld ...
Jawattdenn.de:
..das schon gezahlt wurde?
Michael Welling:
Nein, aber der Betrag steht fest. Ich kann leider keine Zahlen nennen, denn
damit könnte man die reale Transfersumme ausrechnen. Wichtig ist, dass wir das
bekommen, denn es hilft uns. Es fließt aber in die Insolvenzmasse, da es eine
Forderung aus der Vergangenheit ist.
In bestimmten Situationen vor dem Hintergrund bestimmter Voraussetzungen haben
wir die Chance, Einnahmen, die wir jetzt generieren, für den Verein
beziehungsweise nach der Stunde Null nutzen zu können. Das sind Sonderaktionen,
Zahlungen und Vereinbarungen, die man abschließen muss. Dieses Geld bleibt nur
dann bei uns, wenn die Stunde Null positiv beschieden ist. Alles passiert in
Abstimmung mit dem Insolvenzverwalter.
Was wir nicht machen dürfen, ist, Geld an den Gläubigern vorbei zu generieren.
Oder auch wie beim heiß diskutierten Thema ETB, Gläubiger mit Priorität zu
bedienen. Das dürfen wir nicht.
Jawattdenn.de:
Wird das Insolvenzverfahren zur Mitgliederversammlung am 5. Dezember
abgeschlossen sein?
Michael Welling:
Wir arbeiten am Insolvenzplan. Ob der Zeitplan eingehalten werden kann, ist
davon abhängig, wie die Gespräche mit dem Insolvenzverwalter laufen und ob alle
juristischen Fragen vorher beantwortet werden können. Wenn alles positiv
verläuft, können wir den Insolvenzplan schnell formulieren. Die Gläubiger
müssen dem Plan aber noch zustimmen. Sollten die Gläubiger das nicht tun, wird
das Gericht darauf gucken und entscheiden, ob der Insolvenzplan trotzdem Sinn
macht. Der 5. Dezember wäre schön, oder auch der 1. Januar als symbolisches
Datum. Festlegungen sind aber im gegenwärtigen Stadium nicht möglich.
Jawattdenn.de:
Sie pendeln an den Wochenenden zwischen Hamburg und Essen. Das ist doch eine
ganz schöne Schlaucherei.
Michael Welling:
Das ist richtig. Es war aber von vornherein klar, dass dies in der ersten Zeit
so sein wird. Es ist nicht optimal, aber wir kriegen das hin. Bei
Auswärtsspielen mache ich mich in der Regel auf den Weg, bei Heimspielen haben
wir verabredet, dass meine Frau runterkommt. Unser Ziel ist es, im
Dezember/Januar hier eine Wohnung zu beziehen. Mal sehen, wie wir das
organisieren.
Jawattdenn.de:
Wie ist eigentlich ihr erstes Vater-/Tochter-Wochenende ohne mütterlichen
Beistand verlaufen?
Michael Welling:
Ich war aufgeregt, aber es hat gut geklappt. Ich hatte Bedenken, weil ich
bisher immer die Versicherung hatte, die Mutter im Hintergrund zu haben. Es
lief aber sehr, sehr gut und wir haben viel Spaß gehabt. Ich habe sie aber
nicht mit ins Fußballstadion genommen, was meine Frau vorher befürchtet hatte.
Jawattdenn.de:
Sie kommen jetzt auch nicht mehr so bequem ans Millerntor ...
Michael Welling:
Wenn die Spieltermine nicht kollidieren, kann ich weiterhin dorthin, so lange
wir noch in Hamburg wohnen. Wenn wir in Essen sind, wird es schwierig. Sollte
es sich anbieten, kann ich ja ein Auswärtsspiel hier in der Gegend besuchen.
Die Liste der Leute, die scharf auf meine Dauerkarte sind, ist jedenfalls lang.
Ich werde die auch gerne mal verleihen, aber behalten tue ich die!
Jawattdenn.de:
Vielen Dank für Ihre Zeit und das ausführliche Interview!
Das Interview führten Thomas Mollen und Oliver Perrey
Beruflicher Werdegang Dr. Michael Welling:
03/1998 - 02/1999 (1 Jahr)
Controlling & Strategic Planning
adidas-Salomon AG
03/1999 - 01/2004 (4 Jahre, 11 Monate)
Wissenschaftlicher Mitarbeiter
Ruhr-Universität Bochum
07/2004 - 07/2005 (1 Jahr, 1 Monat)
Wissenschaftlicher Mitarbeiter
Universität Bremen
01/2004 - 092/2006 (2 Jahre, 9 Monate)
Projektmitarbeit „Unternehmertum Deutschland"
McKinsey&Company
04/2005 - 12/2006 (1 Jahr, 9 Monate)
Konzeption der Markenpartnerschaft
DeutschlandAchter
10/2002 - 12/2006 (4 Jahre, 3 Monate)
Beratung - Selbständiger Unternehmensberater
Dozent für Sportmanagement, Sportmarketing,
Sportökonomie, Marketing - BiTS Iserlohn
03/2003 - 12/2006 (3 Jahre, 10 Monate)
Beratung - VfL Bochum 1848
01/2007 - 09/2007 (9 Monate)
Assistenz des Vorstands/Projektmanagement
VfL Bochum 1848 - Branche: Sport, Sportindustrie,
Unterhaltungsindustrie, Markenführung, Marketing,
Sponsoring, Eventmanagement, Sportmanagement
10/2007 - 02/2009 (1 Jahr, 5 Monate)
Manager Brand Conception
SPORTFIVE GmbH & Co. KG
03/2009 - 09/2009 (7 Monate)
Senior Director Market & Sales Operations/International
Marketing - SPORTFIVE GmbH & Co. KG
10/2009 - 09/2010 (1 Jahr)
Vice President Acquisitions & Portfolio Management/
BU International - SPORTFIVE GmbH & Co. KG