Interview mit Dr. Michael Welling
Jawattdenn.de:
Würden Sie sich selbst als Machtmensch bezeichnen?
Michael Welling:
Als Machtmensch? Auf keinen Fall!
Jawattdenn.de:
Aber Sie haben doch Macht als Vorstandsvorsitzender.
Michael Welling:
Was ist für Sie Macht?
Jawattdenn.de:
Die Möglichkeit, Dinge möglichst eigenverantwortlich zu entscheiden.
Michael Welling:
Macht ist ein Wort, das mir in dem Zusammenhang nicht gefällt. Es ist meine Aufgabe, in bestimmten Situationen Entscheidungen zu fällen, und ja, man kann es in der einen oder anderen Art genießen.
Aber auch hier muss man das Umfeld betrachten. Eine Entscheidung, die losgelöst ist von allen anderen, ist die schlechteste Entscheidung, die man fällen kann. Es geht darum, die Beteiligten mit ins Boot zu nehmen und sich mit denen abzustimmen. Letztendlich halte ich aber meinen Kopf dafür hin.
Bestimmte Dinge kann ich auch nicht alleine entscheiden. Aktuell stimme ich mich mit dem Insolvenzverwalter ab. Perspektivisch wird es auch einen Vorstand geben, der nicht nur aus meiner Person besteht, sondern mindestens drei Leute umfasst. Entsprechend werden dann Entscheidungen im Gremium gefasst und auch der Aufsichtsrat ist bei finanziellen oder strategischen Entscheidungen involviert.
Jawattdenn.de:
Gibt es schon Kandidaten für die weiteren Vorstandsposten?
Michael Welling:
Personen nicht, nur ein Anforderungsprofil. Wir reden aktuell mit einigen Leuten. Dabei geht es mir persönlich darum, die Personen kennen zu lernen. Die Personen beim ersten Zusammentreffen anzusprechen, ob sie wollen, das wäre fatal.
Jawattdenn.de:
Es ist aber Ihre Aufgabe, diese Leute zu finden?
Michael Welling:
Ja, ich bin derjenige, der laut Satzung die anderen Vorstandsmitglieder benennt und dem Aufsichtsrat vorschlägt. Dieser entscheidet dann. Es ist aber illusorisch zu sagen, dass ich, der nicht aus RWE-Kreisen, nicht aus Essen kommt, die Aufgabe alleine bewältigen kann.
Ich glaube, dass bei der Auswahl meiner Person durch Herrn Kebekus drei Profilmerkmale wichtig waren: Man wollte jemanden, der unbefangen ist und nicht aus Essen kommt. Das zweite war, jemanden zu haben der aus der Branche kommt, und drittens jemanden, der hauptamtlich in den Vorstand geht und kein Geld mitbringt. Dieses Profil ist ganz anders als in der Vergangenheit, wo es ehrenamtliche Vorstände gab, die eigenes Geld zugeschossen haben. Ich habe eine ganz andere Perspektive. Schon aus Eigenschutz kann ich nur das ausgeben, was wir auch haben, sonst nähme ich mich ja selbst in die Haftung.
Jawattdenn.de:
Im Moment haben wir ein Ungleichgewicht: Der alte Vorstand ist zurückgetreten, der Aufsichtsrat ist noch im Amt. Gibt es in den Vereinsgremien einen Plan für die Zusammensetzung des Aufsichtsrates nach dem 5. Dezember?
Michael Welling:
Die Mitgliederversammlung ist das höchste Gremium des Vereins. Wichtig ist, was die Mitglieder wollen. Sie müssen sagen, wie der Aufsichtsrat aussehen soll. Ich gehe davon aus, dass sich der eine oder andere Gedanken macht, wie man das gestalten kann. Wer möglicherweise in Frage kommt, und wen man nicht haben will.
Wie wir von Herrn Paß gehört haben, will er keine städtischen Vertreter im Aufsichtsrat haben. Also müssen wir gucken, was als städtischer Vertreter definiert wird und was nicht. Zunächst einmal stellen sich Privatpersonen zur Verfügung und keine Funktionsträger.
Jawattdenn.de:
Vor zwei Jahren wurden neue Vereinsstrukturen verabschiedet. Mit Verwunderung lasen wir im Reviersport-Interview mit dem OB, dass diese Strukturen aufgrund der Statuten der GVE gar nicht umzusetzen sind. Sind diese neuen Strukturen jetzt komplett gekippt?
Michael Welling:
Ich muss jetzt vorsichtig formulieren, weil ich noch nicht hundertprozentig weiß, was auf der Mitgliederversammlung definiert wurde. Ich glaube aber zu wissen, dass die Gründung einer Spielbetriebs-GmbH beschlossen wurde, an der RWE laut DFB-Statuten 50+1 Stimmen halten muss. Diese Entscheidung ist komplett unbenommen von allem anderen. Daher steht die Entscheidung der Mitglieder, und das ist für die Zukunftsfähigkeit von hoher Relevanz.
Jawattdenn.de:
Die Mitglieder haben theoretisch den Verein zukunftsfähig aufgestellt, aber wo kommen die anderen 49 Prozent her, wenn die GVE nicht mitmacht?
Michael Welling:
Diese Ausgliederung in eine Spielbetriebs-GmbH ist auch mit einer 100-Prozent_beteiligung des Vereins denkbar. Das Ganze hat ja vor allem den Grund, dass der Verein den gemeinnützigen Bereich vom wirtschaftlichen abkoppeln und entsprechend schützen will. Wie im aktuellen Fall der Insolvenz, wo auch die Jugendarbeit gefährdet wäre. Dies vermeidet man durch eine solche Gesellschaft. Der grundsätzliche Entschluss, eine Spielbetriebsgesellschaft zu gründen, ist zukunftsweisend. Wie es ausgestaltet wird, steht auf einem anderen Blatt.
Jawattdenn.de:
Haben Sie einen Plan, wie RWE sich künftig mehr auf die Fans und Mitglieder einstellen und zubewegen kann?
Michael Welling:
Momentan nicht. Ich habe aber eine Grundeinstellung: Bei allem darf man nicht vergessen, dass die Mitglieder der Verein sind. Ich hatte vor zwei Wochen ein Gespräch mit einigen Fans, die fragten immer, was der Verein wolle. Die Fragestellung fand ich komisch. Weder ich noch die Geschäftsstelle sind der Verein. Wenn überhaupt, ist die Mitgliederversammlung der Verein. Von daher sind die Mitglieder von zentraler Bedeutung.
Fans haben unterschiedliche Möglichkeiten sich Gehör zu verschaffen. Eine heißt: In dem Moment, wo ich Mitglied werde, kann ich durch aktive Beteiligung an der Mitgliederversammlung einiges mitbestimmen.
Dann haben wir das Fanprojekt hier, das meines Erachtens seit Jahren vorbildliche Arbeit leistet. Jeder Fan kann auf diese Leute oder auf Lothar als Fanbeauftragtem zugehen und ansprechen, was nicht passt. Wichtig ist, dass es einen regelmäßigen Dialog gibt.
Jawattdenn.de:
Es gibt gerade zwei Initiativen, um die Mitbestimmung der Fans voranzubringen, einmal das Projekt Fanvertreter im Aufsichtsrat und einmal den Fan-Beirat.
Michael Welling:
Ich habe mit beiden gesprochen und finde es dankenswert, dass Fans sich engagieren. Mir ist wichtig, dass es dafür eine Legitimation gibt. Ich will nicht, dass man spaltet. Wir können uns alles andere leisten, aber keine Spaltung der Fans. Es ist an den Fans, diese Initiativen unter einen Hut zu bekommen, damit man mit einer Stimme spricht.
Grundsätzlich können Fans als Mitglieder Einfluss auf das Geschehen im Verein nehmen. Ein Denkmodell ist das Stichwort Fan-Beirat oder Fanvertreter im Aufsichtsrat. Welche Form von Legitimation man dafür findet und ob die vielleicht jenseits der Mitgliederversammlung ist, muss man diskutieren. Man könnte sagen: Wir wollen ganz bewusst, dass der Fanvertreter im Aufsichtsrat durch Fans gewählt wird, die nicht unbedingt Mitglieder sein müssen. Ob das juristisch haltbar ist, weiß ich nicht, es ist wie gesagt ein Denkmodell.
Wenn wir uns umgucken: Wir haben den Supporters Club in Hamburg, bei St. Pauli die Abteilung Fördernde Mitglieder, beim VfL Bochum ist in der Satzung verankert, dass ein Fanvertreter im Aufsichtsrat sitzt. Es gibt ganz viele unterschiedliche Modelle, was die Mitwirkung der Fans in Gremien betrifft. Und da muss man gucken, was gewünscht ist, wie es gewünscht ist und wie man es tatsächlich legitimiert bekommt. Aber das ist ehrlicherweise nicht meine Aufgabe. Ich kann das moderieren, ich kann begleiten und sagen, was vielleicht geschickter oder weniger geschickt ist. Aber die Fans müssen sagen: So organisieren wir uns und jetzt bringen wir die Leute zusammen und versuchen, diesen kleinsten gemeinsamen Nenner zu finden, damit wir etwas erreichen können.
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