"Soll ich mal Sartre zitieren?" - Interview mit Michael Welling
Wieder ging ein Jahr ins Land und Jawattdenn.de traf sich traditionell im September mit Doc Welling zum Interview. Dieses Mal dauerte es etwas länger, sodass wir unser Gespräch in drei Teilen veröffentlichen werden. Im ersten Teil sprachen wir mit dem Vorstandsvorsitzenden über den sportlichen Werdegang von Rot-Weiss Essen, eine schwierige Trennung und Vertragsauflösungen.
Jawattdenn.de:
Hallo Herr Welling. Vielen Dank, dass Sie sich wieder für uns Zeit genommen haben. Vor zwei Jahren saßen wir ebenfalls zusammen, und zwar ebenfalls wenige Tage nach einem 2:1-Sieg gegen den Tabellenführer Viktoria Köln. Wir haben uns damals natürlich auch über Themen aus dem sportlichen Bereich unterhalten. Erinnern Sie sich noch, welcher damals der größte Diskussionspunkt war?
Michael Welling:
Das Thema Kontinuität vielleicht? Dass man nicht nur gegen die Mannschaften von oben, sondern auch gegen die von unten gewinnt? Puh, ehrlicherweise bin ich da überfragt. Ich weiß es nicht mehr.
Jawattdenn.de:
Wir fragten uns damals, ob man neben den verletzungsanfälligen Innenverteidigern Rodenberg und Jansen nicht noch zumindest einen weiteren Verteidiger hätte verpflichten sollen. Die sportlichen Problemfelder waren also überschaubar. Seitdem ist viel passiert und es sind einige Fragen im sportlichen Bereich dazugekommen. In einem anderen Interview mit der WAZ äußerten Sie kürzlich, dass es Ihnen nicht zu zustehe, sportliche Entscheidungen zu beurteilen. Müssen wir heute ein kurzes Interview befürchten?
Michael Welling:
Ja und Nein. Im sportlichen Bereich gab es natürlich Veränderungen. Dennoch werde ich auch zu diesen Punkten etwas sagen, nur in einem anderen Kontext. Uwe Harttgen ist unser Vorstand Sport und der Mann, den wir geholt haben, weil er die Expertise dazu hat. Es wäre doch fatal, wenn ich parallel noch anfangen würde, groß über sportliche Themen zu sprechen, dann hätten wir uns die Verpflichtung auch sparen können. Ich sehe das bei vielen Vereinen als Problem an, dass sich Menschen, denen die sportliche Expertise fehlt, in ihrer Selbsteinschätzung dazu befähigt sehen, ebenfalls sportliche Dinge kommentieren zu müssen. Uwes Verantwortungsbereich ist der sportliche, meine Bereiche sind der administrative und der kaufmännische. Trotzdem spreche ich gerne auch über sportliche Belange, aber eher als Fan und nicht als sportlich Verantwortlicher.
Jawattdenn.de:
Das heißt, nach Ihrer Stammtischmeinung dürfen wir Sie gerne fragen?
Michael Welling:
(lacht) Ja, auf jeden Fall!
Jawattdenn.de:
Wo nun die Voraussetzungen geklärt sind, steigen wir direkt ins aktuelle Tagesgeschehen ein. Was überwog nach dem Spiel gegen Viktoria Köln: Die Freude oder die Erleichterung?
Michael Welling:
Sind wir mal ehrlich. So ein Moment, wo du ganz unabhängig von der Vorgeschichte zu Hause in der 93. Minute den Siegtreffer gegen den ungeschlagenen Tabellenführer schießt – ja, etwas Geileres gibt es doch gar nicht! Für solche Augenblicke sind wir doch Fußballfans. Diesen Moment habe ich einfach nur genossen. Der Genuss wäre genauso da gewesen, wenn wir durch den Sieg selbst ungeschlagener Tabellenführer gewesen wären. Jetzt können wir jedenfalls etwas entspannter in die nächsten Tage gehen. Es ist in diesem Job nun einmal so, dass das, was auf dem Rasen passiert, unser Gemüt und tagtägliches Arbeiten sehr stark beeinflusst. Noch nicht einmal so sehr in Bezug auf das was man tut, sondern viel mehr wie und mit welchem Gefühl man es tut. Von daher verspürte ich natürlich auch große Erleichterung.
Jawattdenn.de:
Sind Sie vom bisherigen Saisonverlauf enttäuscht?
Michael Welling:
Sicherlich müssen wir in unserer Position manche Sachen etwas anders bewerten, aber wir sind auch nicht dämlich. Wir haben gegen Köln erst im fünften, gefühlten sechsten Heimspiel an der Hafenstraße den ersten Sieg errungen, das ist natürlich nicht unser Anspruch. Unabhängig von Tabellenplatz und von der Leistung haben wir vorher in fünf Heimspielen vier Unentschieden und eine Niederlage geholt, und das darf nicht der Anspruch von Rot-Weiss Essen sein. Zu Hause wollen wir – wie auswärts auch, aber hier erst recht – gewinnen. Wenn man alles ganz nüchtern betrachtet, dann gibt es sicherlich Möglichkeiten, alles zu relativieren, aber die Enttäuschung ist natürlich vorhanden. Trotz aller erforderlichen Rationalität bin ich auch Fan, und als Fan ist man natürlich auch emotional.
Jawattdenn.de:
Gut, dann…
Michael Welling:
Fragen Sie jetzt nicht nach den Möglichkeiten zur Relativierung?
Jawattdenn.de:
Eigentlich nicht, denn wie man die Ergebnisse relativieren kann, haben wir schon in den Interviews in den Printmedien gelesen.
Michael Welling:
Zum Beispiel?
Jawattdenn.de:
Zum Beispiel, dass die neue Mannschaft noch Zeit braucht, bis alle Rädchen ineinandergreifen.
Michael Welling:
Nein, das interessiert mich alles nicht.
Jawattdenn.de:
Dann stellen wir die Frage doch: Wie würden sie den durchwachsenen Saisonstart relativierend erklären?
Michael Welling:
Eine neue Mannschaft, das Problem haben mehrere Vereine. Fangen wir mal auf der emotionalen Schiene an: Wir haben auch erst einmal verloren, gegen Kray, aber das Problem ist, dass sich diese Niederlage anfühlt wie fünf Niederlagen. Hätten wir stattdessen mit zehn Mann gegen Aachen verloren, hätten wir auch nicht von einem erfolgreichen Start sprechen können und stünden tabellarisch auch nicht anders da, aber die Pleite gegen Kray tut uns allen besonders weh. Ein anderer relativierender Fakt, der mir zurzeit etwas zu kurz kommt, ist folgender: Es heißt ja immer, wenn die Jungs sich anstrengen, dann ist es erstmal zweitrangig, was am Ende für ein Ergebnis herauskommt. Das ist natürlich immer schwierig zu beurteilen. Gestern war ich noch auf einer Lesung von Christoph Biermann, der es nicht mag, wenn die Fans rufen: „Wir woll´n euch kämpfen seh´n“. Besser passen würde in seinen Augen: „Wir wollen euch Fußball spielen sehen!“
Jawattdenn.de:
Das ist aber ein bisschen sperrig zum Rufen.
Michael Welling:
(lacht) „Wir woll´n euch spielen sehen!“ reicht ja auch. Was ich unserer Truppe überhaupt nicht absprechen will, trotz der Enttäuschung auf der Ergebnisseite, ist der Wille zum Einsatz. Das wird mir zu wenig honoriert. Gegen Aachen mit zehn Mann ein Unentschieden geholt, gegen Oberhausen dreimal einen Rückstand aufgeholt, gegen Köln einen Rückstand noch in einen Sieg gedreht, gegen Bochum aus einem 1:2 ein 3:2 gemacht. Und selbst gegen Kray zweimal zurückgekommen. Man muss sich das einfach einmal vor Augen führen, das zeugt von einer unfassbar guten Moral. Würden die Jungs nicht wollen und kämpfen, würde das so nicht funktionieren. Man kann sicherlich bemängeln, dass wir nicht immer guten Fußball gespielt haben, aber wenn man dem Team etwas nicht absprechen kann, dann sind das Wille, Moral und Einsatzfreude.
Jawattdenn.de:
Bislang wurde das in unseren Augen der Mannschaft auch gar nicht abgesprochen. Einzelne Spieler und der Trainer wurden zwar kritisiert, aber nicht das Team als Ganzes. Die allgemeinen Unmutsäußerungen brachen nur einmal nach dem Treffer zum 2:3 gegen Kray durch.
Michael Welling:
Wir haben auch in dieser Saison schon „Wir woll´n euch kämpfen seh´n“ gehört, gegen Kray und vereinzelt auch gegen Gladbach. Ich möchte an dieser Stelle eine Lanze für die Truppe brechen, denn Moral und Einsatz, die Tugenden die man sich hier immer wünscht, sind richtig, richtig gut. An der Stelle bin ich mehr als zufrieden. Wenn wir ein paar Punkte mehr hätten, dann würde auch das ganz anders bewertet werden. Man wandelt immer auf einem ganz schmalen Grat.
Jawattdenn.de:
In Herne wurde aber beispielsweise in der Zweiten Halbzeit ohne Not das Fußballspielen komplett eingestellt, und dann muss doch jemand aus der Mannschaft oder der Trainer von draußen das Signal geben, dass man sich vielleicht nicht mit zwei Viererketten am eigenen Strafraum verrammeln sollte und lange Bälle auf Platzek, der keine Unterstützung und fünf Gegenspieler um sich hat, nicht das geeignete Mittel sind.
Michael Welling:
Gegen die Blauen war das natürlich vor allem in der Zweiten Halbzeit enttäuschend. Wenn wir mit der Leistung aus Hälfte Eins weitergemacht hätten, hätten wir sicherlich drei Punkte eingefahren. Uwe ist da zwar der studierte Fachmann, aber etwas Küchenpsychologie können wir ja alle: Es war natürlich auch in Wanne-Eickel nicht so, dass die Jungs nicht wollten, sondern es waren ganz viele Kleinigkeiten, die zu der Leistung nach dem Seitenwechsel führten. In der Halbzeit hätte niemand gedacht, dass wir dort nicht die drei Punkte mitnehmen. Am Wurststand hatte ich mich noch auf weitere schöne 45 Minuten gefreut, aber dass sich das Spiel dann so drehte, war richtig doof und tat weh.
Jawattdenn.de:
Die Sorge der Anhängerschaft ist aber dadurch begründet, dass man dieselben Erklärungen auch noch aus dem letzten Jahr kennt, damals entschieden zu Saisonbeginn oftmals auch Kleinigkeiten über Sieg oder Niederlage. Beispielsweise das 1:2 gegen Viktoria Köln: Kurz vor Schluss beim Stande von 1:1 selbst einen Elfmeter verschossen, kurz darauf auf der Gegenseite den entscheidenden Elfmeter kassiert. Oder in Düsseldorf, wo man 2:0 führte und noch 3:4 verloren hatte. Auch die Moral war damals intakt, wir haben mehrmals einen 0:2-Rückstand aufgeholt.
Michael Welling:
Ich behaupte trotzdem, die Situation ist jetzt anders als vor einem Jahr. Vor einem Jahr haben wir die Spiele verloren und haben Führungen aus der Hand gegeben. Ich nehme mal das Beispiel Rellinghausen: Das war grottig, keine Frage, auch wenn die erste Halbzeit in Ordnung war und wir schon höher hätten führen können. In der zweiten Halbzeit machen die mit dem ersten Schuss das Tor, der Torschütze trifft den Ball wie ein junger Gott, das zweite Gegentor ist ein doofer Elfmeter und auf einmal liegst du hinten. Im letzten Jahr sind wir nur über die Verlängerung gegen einen Bezirksligisten weitergekommen, da hat uns ein Kraftakt vom Vincent den Allerwertesten gerettet. Auch wenn ich an das Spiel gegen Mönchengladbach denke. In den Vorjahren haben wir uns von denen immer abschießen lassen und in den ersten 20 Minuten dieser Saison hatte ich schon wieder schlimme Befürchtungen. Aber das passiert einfach nicht mehr. Natürlich sind die Ergebnisse noch nicht so wie wir uns das wünschen, aber die Moral und die Einsatzfreude sind deutlich anders ausgeprägt als noch vor ein oder zwei Jahren. Ich sage nur Siegen, Gladbach, Hüls, Hö-Nie usw. Deswegen sehe ich das ein wenig anders.
Jawattdenn.de:
Hoffentlich erfüllt sich ihre positive Grundhaltung, denn punktemäßig waren wir vor dem Viktoria-Spiel genauso gestartet wie im Vorjahr. Wir hoffen natürlich alle, dass die beschriebenen Unterschiede sich möglichst schnell auch auf dem Punktekonto niederschlagen und dort eine klare Abgrenzung zum Vorjahr erkennbar wird.
Wir haben in der Anfangsphase gegen Alemannia Aachen schon gedacht: Hier sehen wir jetzt die neue Mannschaft, die neue Qualität! Das war Powerfußball, Aachen wurde regelrecht schwindelig gespielt, bis zur roten Karte gegen Kreyer. Und wir fragen uns: Warum zeigt man dieses aggressive Forechecking nicht erst recht auch mal gegen weniger talentierte Gegner als Aachen, zumindest in Heimspielen? Warum war das eine Eintagsfliege?
Michael Welling:
Soll ich mal richtig klugscheißen und Sartre zitieren?
Jawattdenn.de:
Nur zu, wenn es die Frage beantwortet!
Michael Welling:
Hätte ich den Satz gesagt, wäre es eine Phrase, aber da ihn Sartre gesagt hat, ist der Satz schlau: „Bei einem Fußballspiel verkompliziert sich alles mit der Anwesenheit der gegnerischen Mannschaft.“ Es ist nicht so, dass ich einen Knopf drücken kann und es passiert alles, wie ich es mir wünsche. Es hat auch damit zu tun, wie agiert und reagiert die gegnerische Mannschaft? Ich glaube deshalb nicht, dass gegen Kray die Parole „wir warten erstmal ab und schauen was passiert“ ausgegeben wurde. Mal klappt es besser, mal schlechter.
Jawattdenn.de:
Aber gegen Aachen hat man nicht erst geschaut, was die Alemannia vorhat, man hat mit dem Anstoß Pressing gespielt, alle sind draufgegangen und nachgerückt. Gegen Kray blieb man nach dem Anstoß sehr zurückhaltend, das kann also nicht durch das Agieren der Krayer bedingt gewesen sein. Ein abwartender Start kann ja auch hin und wieder Sinn machen…
Michael Welling:
Auch dazu habe ich mal einen schlauen Satz gehört: „Die Leistung einzelner Spieler zu beurteilen ohne zu wissen, was deren Aufgabe war, ist unmöglich.“ – und gleiches gilt für eine Mannschaft als Ganzes. Beispiel: Ein Außenverteidiger kann die Aufgabe haben zu marschieren und zu flanken, er kann aber auch nur die Aufgabe haben erstmal hinten dicht zu machen. Ein Journalist gibt ihm eine schlechte Note, weil er nichts nach vorne gebracht hat. Das mag aus dessen Sicht dann richtig sein, aber der Trainer kann trotzdem feststellen, dass er seine Aufgabe voll und ganz erfüllt hat. Man kann also einen Spieler nicht beurteilen, wenn man nicht weiß, wie die Marschrichtung ist. Deshalb gibt es für die gesamte Mannschaft vermutlich auch Situationen, die entscheiden, bei welchem Gegner man draufgeht und bei welchem nicht, ich weiß es aber ehrlich gesagt nicht. Natürlich würde ich mir auch wünschen, dass wir jeden Gegner in Grund und Boden spielen. Manchmal macht es aber keinen Sinn.
Jawattdenn.de:
Richtig, aber es geht auch nicht darum, jeden Gegner in Grund und Boden zu spielen. Einer der größten Kritikpunkte unter Wrobel war genau die biedere, teils langweilige und extrem kontrollierte Offensive in Heimspielen, diese hat niemanden vom Hocker gerissen.
Michael Welling:
Die Gegner wissen ja auch, was in Essen passiert. Sie haben zwei Möglichkeiten: Entweder die große Kulisse schüchtert den Gegner ein oder – je länger das Spiel dauert ohne dass RWE in Führung geht – das Publikum wird unruhig und der Gegner kommt auf.
Jawattdenn.de:
Allgemein kann man aber vielleicht sagen: Wenn man in die Top 5 möchte, dann muss ich auch mal in der Lage sein, in einem Heimspiel gegen die Feierabendfußballer aus Kray dem Gegner unser Spiel aufzuzwingen, der Gegner muss sich nach uns richten, wir agieren, er reagiert.
Michael Welling:
Das muss natürlich der Anspruch von uns sein. Ich bin auch davon überzeugt, dass wir die Qualität dazu haben, das in die Realität umzusetzen. Vielleicht glaubt die Mannschaft auch noch nicht daran, sie – und jetzt komme ich doch mit dieser Phrase daher – muss sich erstmal finden im Sinne einer Überzeugung in die eigene Stärke. Wenn die Jungs das umsetzen können, wovon ich überzeugt bin, dann muss sich der Gegner nach Rot-Weiss Essen richten, der Meinung bin ich auch. Diese Jungs werden richtig viel Spaß machen, sobald sie sagen und davon überzeugt sind: „wir können das“!
Jawattdenn.de:
Das wollen wir hoffen! In unserem Interview vor einem Jahr waren Sie ähnlich optimistisch und die Trainerfrage zu stellen war in Ihren Augen der Kategorien Monokausales Denken und Aktionismus zuzuordnen und unabhängig vom weiteren Saisonverlauf würde es keine Trainerdiskussionen geben. Wann wurde Ihnen zum ersten Mal bewusst, dass sie diese Aussage nicht halten können?
Michael Welling:
Die Trainerfrage stellt sich eigentlich immer. Ich war in der Situation vor einem Jahr wirklich davon überzeugt, dass wir diese Frage nicht intensivieren müssen. Aber natürlich stellt sich diese Frage immer bei Misserfolgen, auch schon vor zwei Jahren nach den Niederlagen gegen Hüls oder in Hö-Nie. Wir müssen diese Frage stellen und diskutieren und überlegen, wie wir sie beantworten. Aktionismus ist darauf nicht die richtige Antwort, und bei Waldemar Wrobel waren wir auch nicht aktionistisch. Wir haben über einen längeren Zeitraum immer wieder negative Ergebnisse und Erlebnisse gehabt und die erhoffte Entwicklung hat es über einen längeren Zeitraum nicht gegeben. Dann hat sich diese Frage immer massiver gestellt und irgendwann haben wir sie gemeinsam wie bekannt beantwortet. Ich denke, dass so eine Vorgehensweise normal ist. Wünschenswert wäre sicherlich eine andere Antwort gewesen, diese hätte aber Erfolg auf dem Platz als Voraussetzung gehabt.
Jawattdenn.de:
Neben der kaufmännischen gibt es ja auch die menschlich-emotionale Seite. Und von außen wirkte es immer so, dass sie sich mit dem Waldemar Wrobel sehr gut verstanden haben. Wie schwierig ist es, einem langjährigen und verdienten Mitarbeiter zu sagen, dass es jetzt vorbei ist und wie fühlten Sie sich insbesondere während der einen Woche, in der Sie schon mehr wussten als Waldemar Wrobel?
Michael Welling:
Das ist das schlimmste, das man sich menschlich in meiner Position im Verein vorstellen kann. Ich habe aber auch immer noch ein gutes Verhältnis zum Waldi. Wir haben die letzten dreieinhalb Jahre sehr intensiv zusammen gearbeitet und eine sehr emotionale Zeit mit vielen schönen, aber auch mit einigen schwierigen Momenten verbracht. Nach einer Niederlage in Leverkusen und mehreren Spielen ohne Sieg sind wir mal gemeinsam im Bus zurückgefahren. Waldi war am Boden zerstört und meinte inhaltlich sowas wie: „Wenn du mich entlassen musst, dann entlasse mich!“ So etwas passiert, das gehört irgendwo dazu. Diese Höhen und Tiefen emotionalisieren auf jeden Fall und schweißen auch zusammen. Vor diesem Hintergrund war die Zeit rund um die Entlassung sehr schwierig. Auf der anderen Seite müssen wir neben aller Emotionalität aber auch das Rationale in den Fokus rücken und Entscheidungen im Sinne des Vereins treffen. Dabei muss man persönliche Empfinden außen vor lassen, so hart das auch ist. Mit dem Wissen, dass wir die Entscheidung getroffen hatten, war es sehr schwierig für mich, sich zu begegnen. Dabei fühlt man sich einfach unfassbar schlecht, wie ein Verräter. Es schoss mir dabei der Gedanke durch den Kopf, ihm die Entscheidung mitzuteilen, aber wenn ich das gemacht hätte, dann hätte ich wiederum die anderen Mitglieder des Aufsichtsrates und Vorstandes verraten, denn wir hatten klare Abmachungen. Ich konnte also nur ein bisschen sklavisch und nüchtern agieren, mich kalt-professionell verhalten. Das war eine beschissene Woche, das können Sie mir glauben!
Jawattdenn.de:
Und dann kam noch RevierSport um die Ecke und hat die Situation verschärft.
Michael Welling:
Ja, aber RevierSport ist in den letzten Jahren mehrfach um die Ecke gekommen mit solchen Sachen, deshalb habe ich diesbezüglich eine andere Wahrnehmung. Ich habe RevierSport einmal sozusagen ein Titelblatt gerettet: Sie hatte sich schon vor ein oder zwei Jahren mal bei mir gemeldet mit der Behauptung, sichere Informationen darüber zu haben, dass Wrobel entlassen wurde. Ich sagte dem Mitarbeiter, sie können das gerne vermelden, damit würden sie sich aber ein ganz schönes Ei ins Nest legen. Er hat es mir geglaubt.
Wenn ich gerade sagte, dass es eine schwierige Woche für mich war, dann ist das aber ein Klagen auf hohem Niveau, für Waldi war das natürlich noch viel, viel schwieriger. Und wenn RevierSport ihn dann mit der Aussage konfrontiert, dass er möglicherweise nicht mehr lange Trainer bei Rot-Weiss sei, dann fühlt er sich natürlich erstmal verraten, das ist klar.
Die eine oder andere Aussage von ihm, das habe ich ihm auch gesagt, fand ich aber ungerecht und falsch. Wenn er im anschließenden RevierSport-Interview dahingehend äußert, dass er von denen seine Entlassung erfahren hat, dann ist das faktisch falsch. Und in dem Moment bin ich auch enttäuscht über eine solche Aussage. RevierSport hat ihn mit einem Gerücht konfrontiert. Das Gerücht war in diesem Fall richtig, ja. Aber wenn RevierSport tatsächlich ein sicheres Wissen gehabt hätte, dann hätte das Sonntag schon online und Montag in der Printausgabe gestanden. Diese Story hätten sie sich nicht entgehen lassen. Und RevierSport hätte nicht nach unserer offiziellen Bekanntgabe der Entlassung nicht morgens noch online spekuliert, dass Frank Neubarth kommt. Das haben sie im Laufe des Tages noch geändert. Ich will RevierSport deshalb aber nicht einmal ansatzweise anklagen, das ist deren Job. Waldi ist vielleicht auch ein wenig darauf reingefallen, Journalisten können in solchen Situationen auch geschickt Fragen stellen.
Jawattdenn.de:
Aber so ein bisschen Wissen müssen sie ja gehabt haben, so ein Gerücht streut man doch nicht nach einem 5:0-Heimsieg?
Michael Welling:
Irgendjemand muss RevierSport etwas gesteckt haben. Aber ich lege meine Hand ins Feuer für die handelnden Personen im Verein. Uns zeichnet in den letzten Jahren aus, dass kaum etwas nach außen gedrungen ist. An dem Tag, an dem wir Uwe Harttgen vorgestellt hatten, kam zehn Minuten vor der Pressekonferenz noch ein Anruf mit der Frage, ob wir einen neuen Trainer präsentieren würden. Wir haben eine extremst gute und professionelle Zusammenarbeit zwischen Aufsichtsrat und Vorstand, die von Vertrauen und Verschwiegenheit geprägt ist. Mir persönlich tut es extrem leid, dass Waldi trotzdem auf diesem Wege seine Entlassung angedeutet bekommen hat und es nicht erstmals in dem Gespräch am Montag von mir erfahren hat. Mir war es wichtig, dass ich ihm die Entlassung mitteile, obwohl es der Verantwortungsbereich von Uwe Harttgen ist. Das habe ich mir aufgrund der gemeinsamen Zeit ausgedrungen.
Jawattdenn.de:
Und der Montag wurde gewählt, weil an diesem Tag Marc Fascher seinen Vertrag unterschrieben hat?
Michael Welling:
Er hat am Dienstag den Vertrag unterschrieben. Am Dienstag in der Vorwoche haben Uwe Harttgen und ich dem Aufsichtsrat die Entscheidung mitgeteilt, dass wir davon absehen wollen mit Waldemar Wrobel in die neue Saison zu gehen und haben diese Entscheidung mit dem Aufsichtsrat diskutiert. Hintergrund war wie gesagt die fehlende Entwicklung bzw. der Stillstand. Damit verbunden war der Gedanke, was in der kommenden Saison bei nur der kleinsten Misserfolgssituation im Stadion los sein würde. Das Fass wäre direkt übergelaufen. Das war für uns ein Rahmen, den wir nicht wollten. Das war auch im Aufsichtsrat einstimmig ohne große Diskussion. Bei der Frage, wie wir damit umgehen, haben wir uns entschlossen, dass wir schon jetzt mit geeigneten Kandidaten sprechen wollen und wenn wir jemanden finden, der unser Vertrauen besitzt und auch schon früher kommen kann, dann würden wir diese Entscheidung auch vorziehen und uns kurzfristig von Waldi trennen. Am Freitag hatten wir ein Gespräch mit Marc Fascher und uns schon mündlich geeinigt und haben am Samstag und Sonntag vor und nach dem Spiel den Aufsichtsrat informiert, dass wir jemanden gefunden haben. Dabei haben wir festgelegt, dass wir Montag den Waldi informieren, während parallel die Verträge für Marc Fascher ausgearbeitet wurden. Und seine Unterschrift haben wir schließlich am Dienstag erhalten.
Jawattdenn.de:
Zum Glück wurde schnell ein neuer Trainer gefunden. Wie lange aber hätten Sie diese harte Situation denn durchgezogen? Hätten Sie Waldemar Wrobel notfalls bis zum Sommer im Unklaren gelassen?
Michael Welling:
Nein, wir hätten sicherlich schon vorher mal die Frage gestellt, wann wir ihn informieren. Aber dazu ist es nicht gekommen, wir hatten erstmal nur festgelegt, dass wir mit einigen Kandidaten intensiver sprechen werden und haben relativ schnell mit Marc Fascher eine Einigung erzielen können. So konnte Marc schon frühzeitig mit der Mannschaft arbeiten und die Leute kennenlernen kann.
Jawattdenn.de:
Mit einem Interimstrainer hätte man Waldemar Wrobel auch direkt informieren können, welche war das ausschlaggebende Argument gegen eine solche Lösung?
Michael Welling:
Das war vor allem die Frage nach den Möglichkeiten für einen Interimstrainer. Wer könnte der Interimstrainer sein? Bei allem Respekt vor den Co-Trainern Robin Krüger und Michael Dier, aber Krüger war zu dieser Zeit dabei, die B-Lizenz zu machen. Er ist unfassbar kompetent, aber erst 24 Jahre alt. Michael Dier hatte gesundheitlich einige Probleme, bei ihm stellte sich die Frage nicht. Wir haben kurzzeitig über Putsche nachgedacht, aber er war zum einen in der U23 eingespannt und zum anderen ist Putsche eine Vereinslegende und Jahrhundertelfspieler. Man stelle sich vor, die Mannschaft hätte unter ihm schwach gespielt, dann beschädigt man ihn. Oder es läuft ganz hervorragend, so dass alle mit ihm als Chefcoach weiter machen wollten. Aber sobald man jemanden zum Trainer befördert, weiß man, dass man gleichzeitig die Entlassung aus dem Verein unterschreibt, das ist nur eine Frage der Zeit. Die Vorstellung, dass die Westkurve irgendwann „Putsche raus!“ brüllt, ist alles andere als prickelnd. Ich bin froh, dass er wieder im Verein ist und hoffe, dass er beim Verein bleibt bis er nicht mehr will.
Jawattdenn.de:
Das hatten wir schon mal mit Heiko Bonan. Wie viele Trainerkandidaten waren in der engeren Wahl?
Michael Welling:
Vier oder fünf Kandidaten.
Jawattdenn.de:
Uwe Harttgen kam ohne Stallgeruch nach Essen und hatte folglich auch keine so große Bindung zu Waldemar Wrobel wie Sie. Angenommen, Uwe Harttgen wäre im Frühjahr noch nicht dagewesen und Sie und Damian Jamro hätten die Entscheidung der Entlassung getroffen: Hätten Sie aus alter Verbundenheit womöglich eine andere Art der Entlassung ohne diese Übergangszeit, in der Wrobel von nichts wusste, getroffen?
Michael Welling:
Nein, weil es an dieser Stelle nicht um Personen, sondern um Strukturen und Prozesse geht. Da muss man zuallererst an den Verein denken und deshalb glaube ich nicht, dass der Prozess entscheidend anders abgelaufen wäre. Das ist natürlich nur Spekulation, aber ich glaube es nicht. Eines möchte ich dabei betonen: Die Diskussion um Wrobel als Trainer war schon da, bevor Uwe Harttgen für uns aktiv war. Es ist also falsch zu sagen, dass die Entlassung allein auf seine Initiative hin erfolgt ist. Es ist sein Aufgabenbereich, aber die Entscheidung wurde gemeinsam diskutiert und beschlossen. Zu sagen „Welling wollte die Entlassung nicht, Harttgen schon!“ wäre totaler Humbug. Ich stehe komplett hinter dieser Entlassung!
Jawattdenn.de:
Die Trennung vom Trainer war für Sie vermutlich nicht die einzige emotional schwierig zu verdauende Personalentscheidung. Was ging Ihnen als erstes durch den Kopf, als Ihnen mitgeteilt wurde, dass man mit Vincent Wagner nicht mehr weiterarbeiten möchte?
Michael Welling:
Das ist keine monokausale und plötzliche Entscheidung gewesen. Es ist nicht so, dass Uwe Harttgen irgendwann auf der Matte stand und sagte, man möchte nicht mehr mit Wagner zusammenarbeiten. Man tauschte sich aus, die Gedanken um einzelne Spieler bekomme ich daher durchaus mit von daher war die endgültige Entscheidung keine grundsätzliche Überraschung mehr für mich, das hatte sich durchaus mal angedeutet. Ich persönlich sage als Fan: Schade! Weil Vince anders zu beurteilen ist, als irgendein Spieler von Rot-Weiss Essen. Deshalb reden wir auch jetzt über ihn und nicht über beispielsweise Michael Laletin. Wenn man über Vince diskutiert, dann gelangen andere Argumente ins Blickfeld als nur sportliche. Die letzten Jahre war Vincent immer Verteidiger Nr. 1, wenn er fit war. Aber er hatte auch in jedem Spiel einen „Vincent-Wagner-Gedächtnispass“. Ex post verklärt man so was natürlich auch oft. Das kann man sicherlich kontrovers diskutieren, vor allem wenn es nur um die Verteidiger-Position Nr. 4 oder 5 geht, aber sportlich maße ich mir kein Urteil an. Ich bin ehrlich: Ich hätte mir persönlich gewünscht, dass Vincent in irgendeiner Form im Verein geblieben wäre. Und ich bin davon überzeugt, dass er irgendwann auch wieder bei Rot-Weiss Essen landen wird. Ob als Spieler, als Fanbeauftragter, als Pressesprecher oder als Trainer weiß ich nicht.
Jawattdenn.de:
Was sagen Sie denn als Vorstandsvorsitzender, der die Finanzen im Blick hat, wenn die neue sportliche Führung immer wieder um die Ecke kommt und Vertragsauflösungen wünscht, die Abfindungen kosten, ohne eine Gegenleistung dafür zu erhalten. Denkt man dann nicht, dass irgendwann auch mal genug ist und man als Neuling im Verein auch mal ein paar vorhandene Bedingungen als gegeben hinnehmen muss, wie eben die Vertragslaufzeiten?
Michael Welling:
Ja und Nein. Wenn ich Geld zahlen muss ohne Gegenleistung, tut das immer weh. Und jetzt kommt wieder theoretische Klugscheißerei: Im Prinzip muss man dann über Entscheidungsrelevanz von Kosten nachdenken und darüber, ob das nicht tatsächlich schon "sunk costs" sind. Ich formuliere es mal so: Wenn sich die sportliche Leitung dazu entschließt mit einem Spieler nicht mehr weiterzuarbeiten und dieser Spieler dann bei uns weiter unter Vertrag ist, aber nicht als Alternative gesehen wird, dann kriege ich auch keinen Gegenwert für das, was ich ihm bezahle.
Jawattdenn.de:
Das ist nachvollziehbar, wenn der Trainer mit der „Du-machst-hier-kein-Spiel-mehr“-Keule kommt. Aber die muss ja nicht sein, was spricht denn dagegen, einen Spieler wie Wagner oder Guirino, die schon Regionalligatauglichkeit nachgewiesen haben, zumindest als Backup zu haben und Ihnen wie jedem anderen die Chance zu geben, sich in die Startelf zu kämpfen, wenn er noch Vertrag hat?
Michael Welling:
Es sind immer ganz, ganz viele Aspekte. Das eine ist das rein Sportliche, das stellt man zunächst in den Fokus. Dann fällt die sportliche Entscheidung, dass man mit dem Spieler nicht zusammenarbeiten will, aus Gründen, die erstmal ganz unterschiedlich bewertet werden können. Bei dem einen macht das mehr, bei dem anderen macht das weniger Sinn, diesbezüglich gibt es Kontroversen. Dann ist es eben so, dass man sich überlegen muss: Zahle ich ihm Geld und er ist hier und unter Vertrag, wird aber keine Rolle spielen. Oder zahle ich ihm Geld und er ist nicht mehr unter Vertrag, aber die Gesamtsumme ist geringer als wenn er hier bleibt.
Jawattdenn.de:
Ballen Sie denn in solchen Fällen nicht manchmal die Faust in der Tasche? Sie könnten ja auch sagen, dass das so aus finanziellen Gründen nicht geht, weil die Spieler hier unter Vertrag stehen. Zudem reden wir mit Wagner über einen Spieler, der hier jahrelang im Verein super war. Warum sagt man nicht: „Komm, wenn du gut trainierst, wenn sich jemand verletzt, dann bekommst du natürlich deine Einsatzzeiten!“ Was sprach dagegen? Das wäre doch für alle Beteiligten angenehmer.
Michael Welling:
Ja klar, ich hätte es am liebsten so gehabt, dass die Spieler, die unter Vertrag sind, eben tatsächlich die Leistung bringen, die man sich von ihnen erhofft. Diese Entscheidung kann ich aber nicht fällen. Das wäre ja wieder genau der Punkt: Wenn ich jetzt sagen würde „Hömma, pass auf, da sind drei Spieler“, ich sage jetzt mal Sauter, Guirino und Wagner, „mit denen müsst ihr aber arbeiten. Oder nehmt einen von denen, mit dem müsst ihr dann auch arbeiten!“ Das wäre der Anfang vom Ende, wenn ich sportliche Entscheidungen auf Basis meiner Gefühlsbasis oder aus rein kaufmännischer Sicht anfangen würde zu hinterfragen. Das kann ich nicht. Wenn es danach ginge, würde ich auch nur Verteidiger unter Vertrag nehmen, weil die billiger sind als Stürmer. Und dann würde ich sagen: „Trainer, kannst du nicht einen Verteidiger zum Stürmer machen?“
Jawattdenn.de:
Aber aus finanzieller Sicht könnten Sie ein paar Anmerkungen machen…
Michael Welling:
Ja, aber das Finanzielle ist da nicht immer komplett vom Sportlichen zu trennen, das geht Hand in Hand. Und wenn die sportliche Leitung sagt, dass sie mit dem Spieler nicht arbeiten will, dann ist das eine Aussage. Ich kann dann nicht so einfach sagen: „Du musst aber jetzt!“. Das ist schwierig.
Jawattdenn.de:
Mit Wingerter konnte man sich nicht auf eine Abfindung einigen?
Michael Welling:
Ich weiß nicht, wie die Gespräche mit ihm gewesen sind.
Jawattdenn.de:
Diese finanziellen Gespräche führen nicht Sie?
Michael Welling:
Doch, manche schon. Es ist immer eine Frage, wie die Alternativen sind. Ich habe mich, glaube ich, oft genug als großer Fan von Vincent Wagner geoutet und das werde ich auch bleiben, weil ich den Typen einfach geil finde, trotz aller Ecken und Kanten, die er hat. Oder gerade wegen dieser Ecken und Kanten. Aber bei aller Wertschätzung für Vince, auch da muss man mal betonen, – das hatte Vince nicht so offensiv, aber auch anklingen lassen – dass, bei einem Tauschgeschäft oder einem Vertragsabschluss immer zwei dazugehören, die sagen, dass die Bedingungen akzeptabel sind. Und Vince hat eben auch diesen Auflösungsvertrag unterschrieben.
Jawattdenn.de:
Gut, aber wenn man dem Wagner mitteilt, dass er hier keine Chance auf Einsätze bekommen wird, dann hilft man bei der Bereitschaft des Spielers zur Vertragsauflösung natürlich ein bisschen mit dem Holzhammer nach…
Michael Welling:
Aber es bleibt trotzdem immer eine Frage der Alternativen. Sagen Sie das mal einem Albert Streit. Der setzt sich dann zwei Jahre auf die Tribüne. Oder einem Dennis Lamczyk. Die saßen ihre Zeit ab und kriegen ihr Geld. Oder man will das nicht, geht ohne Geld und kommt woanders unter. Das sind so die beiden Extremsituationen. Und dann gibt es irgendwas dazwischen. Und das war bei uns der Fall.
Jawattdenn.de:
Bei Vincent Wagner war es aber definitiv eine rein sportliche Entscheidung, es ist nichts Sonstiges vorgefallen?
Michael Welling:
Nein. Um es noch mal zu betonen: Man muss aus meiner Sicht sogar weiter denken. Ich würde so weit gehen, dass man Vince normalerweise, selbst wenn man sich sportlich gegen ihn entscheidet, trotzdem irgendeine Möglichkeit einräumen muss, ich sag jetzt einfach mal beispielsweise als Fanbeauftragter oder Co-Trainer, zu arbeiten. Vince ist ein Riesentyp. Ein geiler Typ, der wie eben gesagt Ecken und Kanten hat, der besonders und speziell ist.
Jawattdenn.de:
Werden die Abfindungszahlungen im Mannschaftsetat verbucht? Oder belasten sie dieses Jahr irgendeinen anderen, z.B. den Geschäftsstellenetat?
Michael Welling:
(lacht) Im Prinzip ist es scheißegal. Das Geld ist weg.
Jawattdenn.de:
Ja, aber Sie betonen, dass es eine feste Mannschaftsetatgrenze gibt, die nicht überschritten werden darf. Dann ist die Frage bedeutsam, ob die Abfindungen dort mit eingerechnet sind.
Michael Welling:
Ja klar. Die sind dort mit drin.
Jawattdenn.de:
Das heißt also für den theoretischen Fall, dass sämtliche Spieler- und Werbeverträge von diesem Jahr im nächsten Jahr zu gleichen Bedingungen weiterlaufen und der Mannschaftsetat gleich bleiben würden, dann hätten wir wieder etwas finanziellen Spielraum, weil die Abfindungen den Etat nicht mehr belasten würden?
Michael Welling:
Wenn wir tatsächlich das gleiche Budget haben sollten, dann ja. Die Abfindungen laufen komplett in den sportlichen Bereich, weil das eben eine Entscheidung des sportlichen Bereichs ist. Von daher: Wenn es für die sportliche Führung sinnvoller ist, einem Spieler eine Abfindung zu zahlen, statt etwas anderes zu machen, okay – das muss ich akzeptieren. Oder ich will einen Spieler unbedingt haben und für den zahle ich auch noch eine Ablösesumme. Das ist quasi eine analoge Situation. Mit dem Geld, das ich zur Verfügung habe, kann ich unterschiedliche Teilaspekte bedienen.