Interview mit Michael Kulm
Vor der Abfahrt nach Cloppenburg stand uns Michael Kulm noch einmal Rede und Antwort über seine bisherige Zeit bei RWE, der Jugendarbeit und natürlich über die Spiele der aktuellen Regionalliga-Saison.
Jawattdenn.de:
Vor wenigen Monaten waren Sie noch Trainer der zweiten Mannschaft in der Verbandsliga, wenig später arbeiteten sie plötzlich mit Thomas Strunz mit einem Europameister und mehrfachem deutschen Meister zusammen als Cheftrainer an der Zukunft von Rot-Weiss Essen. Wie haben Sie diese Entwicklung erlebt?
Michael Kulm:
Das war etwas Besonderes für mich. Ich habe hier als B-Jugendtrainer angefangen. Das habe ich drei Jahre lang gemacht. Danach war ich zwei Jahre lang für die U23 verantwortlich. Das war ein ordentlicher Sprung bis in den Seniorenbereich, es hatte mich aber damals schon sehr gefreut, dass man mir diese Aufgabe zugetragen hatte. Letztendlich Cheftrainer in diesem Verein werden zu können, war für mich natürlich etwas ganz Besonderes.
Ich hätte vor ein paar Jahren nicht damit gerechnet, dass der Weg in diese Richtung geht. Zumindest nicht so schnell.
Als dann Thomas Strunz kam, hat man sich Gedanken darüber gemacht, dass das ein namhafter Ex-Nationalspieler ist, mit dem man Hand in Hand zusammenarbeiten soll. Es hat sich aber sehr schnell herausgestellt, dass das ganz hervorragend klappt, denn wir pflegen eine wirklich sehr intensive und konstruktive Zusammenarbeit.
Gefühlswallungen kamen seitdem immer wieder. Aber man ist dann auch so schnell im Geschäft drin, dass diese Geschichten alle schon wieder Vergangenheit sind und man nach vorne schauen muss.
Jawattdenn.de:
Wann haben Sie mitbekommen, dass Sie ein Kandidat für die Nachfolge Heiko Bonans waren und was waren Ihre Gedanken dazu?
Michael Kulm:
Ich weiß, dass Nico Schäfer sich sehr für mich eingesetzt hat. Dafür bin ich ihm auch sehr dankbar. Mit ihm arbeite ich auch schon seit Jahren sehr gut zusammen, und es gibt zwischen uns ein sehr ehrliches Miteinander. Ich glaube auch, dass nicht nur ich, sondern der ganze Verein Rot-Weiss Essen ihm sehr viel zu verdanken hat.
Als ich dann letztendlich auch von den anderen Verantwortungsträgern gefragt wurde, ob ich mir das vorstellen könne und welches Konzept ich hätte, die sportliche Lage zu verbessern, habe ich mich gefreut, dass ich dort meine Ideen einbringen konnte. Mit ein bisschen Glück oder vielleicht auch etwas mehr Zeit hätte es auch fast noch geklappt, denn wir haben noch eine sehr gute Punkteausbeute gehabt. Sehr schön waren der Gewinn des Niederrhein-Pokals wodurch wir das Spiel gegen Dortmund bekommen haben. Das waren alles Dinge, die für mich als Trainer Besonderheiten waren.
Ich habe hier fünf sehr schöne Jahre verlebt, habe mich in meiner Trainerarbeit stetig verbessert und habe hier sehr schöne Erfolge gefeiert. Sonst hätte man mich ja sicherlich auch nicht gefragt, aber die Arbeit, die ich gemacht habe, hat hier Anerkennung gefunden. Ich wollte dem Verein gerne etwas zurückgeben und ich hätte mir sehr, sehr gewünscht, dass wir die dritte Klasse noch halten.
Dass haben wir leider nicht geschafft, dafür haben wir jetzt die Möglichkeit, mit einem Neuaufbau und einem neuen Team um die Mannschaft herum etwas zu erreichen und zu entwickeln. Ich denke, dass ich gerade in den letzten Jahren hier in Essen gezeigt habe, dass mir so eine Arbeit liegt und ich gerade mit jungen Leuten erfolgreich zusammen arbeiten kann.
Wir wollen unseren Weg gehen und ich möchte dabei meine beste Leistung einbringen. Aber ohne die Leute - und da nenne ich noch einmal den Namen Nico Schäfer - die drum herum arbeiten, geht es nicht. Thomas Strunz macht hier bisher eine tolle Arbeit und hält mir den Rücken frei, sodass ich mich wirklich aufs Sportliche konzentrieren kann. Die Zusammenarbeit mit den anderen Trainern und Mannschaften ist hervorragend. Damian Jamro ist als Teammanager Tag und Nacht für Rot-Weiss Essen am Ball. Ralf Aussem muss unbedingt genannt werden, denn es war mein ausdrücklicher Wunsch, dass er hier bleibt. Er hat sich zum Glück entschieden, das zu tun. Er ist ein Co-Trainer, mit dem man konstruktiv zusammen arbeiten kann. Ich möchte auch Waldemar Wrobel erwähnen, der in unserem Konzept sehr wichtig ist. Wir wollen unsere jungen Spieler auch individuell fördern, und da haben wir mit ihm einen Trainer, der den Fitness- und Koordinationsbereich auch als Fördertrainer immer wieder unterstützt.
Jawattdenn.de:
Mussten Sie sich und Ihre Arbeitsweise nach ihrem Sprung zum Cheftrainer verändern?
Michael Kulm:
Ich glaube nicht, dass ich meine Arbeitsweise großartig umstellen musste. Die Arbeit als U17-Trainer unterscheidet sich von der als Seniorentrainer. In der U23 arbeitet man schon mit Erwachsenen zusammen und spielt gegen Gegner aus dem Seniorenbereich. Die Arbeit, die ich dort geleistet habe, habe ich versucht, auch in der ersten Mannschaft umzusetzen. Ich habe mich nicht groß verbogen, sondern den Spielern meine Denk- und Arbeitsweise nahe gelegt. Ich bemühe mich, dabei offen zu bleiben und authentisch zu wirken. Die Spieler merken sofort, wenn man versucht etwas zu initiieren, hinter dem man eigentlich selbst nicht steht.
In der Ansprache ist es etwas anderes, ob ich mich mit Markus Kurth und Stefan Lorenz oder mit einem Bora Karadag unterhalte. Da muss man sich auf die unterschiedlichen Ebenen einstellen. Wenn man als leitender Angestellter eines Vereins mit Menschen umgeht und sie führen muss, muss man sich immer wieder auf die unterschiedlichen Charaktere einlassen. Man kann nicht alle gleich behandeln und muss verschiedene Ansprachen finden, um Leistungspotentiale zu fördern oder überhaupt zu erreichen.
Das habe ich vor meiner Zeit als Cheftrainer schon getan, und dabei hat mir sicherlich meine berufliche Zeit als Polizeibeamter geholfen. Auch da habe ich in verantwortlicher Position gearbeitet, musste mit Menschen umgehen und sie führen. Ich denke, es ist wichtig, dass die Leute das Gefühl haben, anständig, ehrlich und mit Respekt behandelt zu werden. Das sind für mich die wichtigsten Punkte.
Jawattdenn.de:
Sie haben Ihren eigentlichen Beruf angesprochen. Machen Sie sich schon Gedanken darüber, wie es weitergehen soll, wenn Ihre zweijährige Beurlaubung vorbei ist oder ist das für Sie noch weit weg?
Michael Kulm:
Es ist noch relativ weit weg. Natürlich hat man Ziele, und die setzt man sich mit jedem Schritt, den man macht, auch immer wieder neu. Jetzt will man natürlich auch den nächsten Schritt gehen, also kommen auch immer wieder die Gedanken, was denn nach diesen zwei Jahren kommt, wenn ich meinen Vertrag erfüllen kann und die gewünschten Erfolge da sind. Definitiv entschieden ist da aber nichts.
Ich bin von Beruf Kriminaloberhauptkommisar und kann und darf nach meiner Beurlaubung wieder in diese Position zurückgehen. Ob das dann auch so kommen wird, muss man abwarten. Das lasse ich alles auf mich zukommen. Die Leidenschaft „Fußball" ist schon da, aber es ist noch zu früh, irgendwelche Zielsetzungen vorweg zu geben.
Jawattdenn.de:
Vor ihrer Zeit bei RWE waren Sie in der Jugendarbeit des VfL Bochum engagiert. Wie sind sie zu Rot-Weiss gekommen?
Michael Kulm:
Als ich zu RWE gekommen bin, war Frank Kontny noch sportlicher Leiter. Wir kannten uns aus unserer gemeinsamen Zeit bei Wattenscheid 09. Ich hatte immer wieder mit seinem Bruder Dirk Kontny zu tun, mit dem ich in der Traditionsmannschaft von Wattenscheid gespielt habe. Da sind die Wege kurz.
Frank Kontny suchte einen B-Jugendtrainer und ich hatte seinerzeit den Einstieg in den Leistungsbereich B-Jugend und meine Lizenzen gemacht. So kam der Kontakt zustande.
Ich war zu dem Zeitpunkt beim VfL Bochum in der Scouting-Abteilung und nicht mehr Trainer, weil ich aus privaten Gründen dort etwas zurücktreten musste. Insofern kam die Anfrage zum richtigen Zeitpunkt. Nach dem ersten Gespräch und den Möglichkeiten, die ich hier gesehen habe, um etwas zu entwickeln, habe ich dann sehr gerne zugesagt.
Jawattdenn.de:
RWE tritt in der Regionalliga West in einer ganz neuen Spielklasse an, die in dieser Konstellation erstmals zusammenspielt. Entwickelt sich die Liga bisher erwartungsgemäß, gab es schon Überraschungen oder war es vor Saisonbeginn ohnehin kaum möglich, die neue Liga einzuschätzen?
Michael Kulm:
Von allem ist etwas eingetroffen. Keiner kannte die Liga im Detail. Wir waren vorbereitet und haben uns informiert, aber was dann daraus wird - auch aus der eigenen Mannschaft - musste man erst einmal abwarten.
Ich denke, dass sich schon ein Bild zeigt, dass ich auch vor der Saison im Kopf hatte:
Die Zweitvertretungen zeigen sich in der Liga stark und behaupten sich, wobei Dortmund und Köln da sicherlich zu den stärkeren Mannschaften gehören und letztendlich in der Liga auch tragende Rollen übernehmen werden.
Dass man mit der Einschätzung der eigenen Mannschaft richtig gelegen hat, hat sich aus meiner Sicht trotz der beiden schwachen Spiele gegen Kaiserslautern und Trier bewahrheitet. Wir haben eine Mannschaft, die im Kampf um Platz Eins konkurrenzfähig ist. Das haben die bisherigen Spiele gegen Lotte, Schalke, Bochum und Köln gezeigt. Wir aber auch gesehen, wie schwer es ist, in jedem Spiel erfolgreich zu sein. Wichtig ist, dass wir weiterhin konstruktiv an unserer Spielidee arbeiten. Nur so entwickeln sich Automatismen, die den Spieler in die Lage versetzen auch an schlechteren
Tagen grundsätzliche Dinge erfolgreich umzusetzen.
Das Bild der Liga dürfte sich dann in den nächsten fünf Spielen vervollständigen. Ich glaube allerdings nicht, dass das eine ganz klare Geschichte wird, sondern rechne eher damit, dass die Liga sehr eng zusammenbleibt.
Jawattdenn.de:
Sie glauben also nicht, dass sich zwei, drei Mannschaften als klare Konkurrenten um den Aufstieg herauskristallisieren werden?
Michael Kulm:
Das glaube ich nicht. Zumindest die bisherigen Spieltage zeigen das nicht, denn da gab es immer wieder Überraschungen. Es werden auch viele Unentschieden gespielt, was ebenfalls für die Ausgeglichenheit der Liga spricht. Ich denke, dass es bis zum Ende der Saison eng bleiben wird.
Jawattdenn.de:
Von der Lage der Liga zu RWE: Wie schätzen Sie den bisherigen Saisonverlauf der eigenen Mannschaft ein?
Michael Kulm:
Wir haben in unseren sechs Ligaspielen drei richtig gute Auftritte gegen Lotte, Schalke und Köln gezeigt. In Kaiserlautern hatten wir ein Spiel, in dem nicht viel zusammen lief und das man eher unter der Kategorie „Schlecht" einordnen darf. Gegen Bochum haben wir dann eine deutlich ansteigende Tendenz gezeigt, wobei dabei das Ergebnis nicht so stimmte. Ich hätte in diesem Spiel natürlich auch gerne die Punkte hier behalten, aber das kann man sich leider nicht immer aussuchen. Vom Gesamtverlauf her denke ich, dass wir, was die Ergebnisse und die Punktausbeute angeht, einigermaßen in der Spur sind. Trier haben wir ja bereits angesprochen.
Was die Zusammenstellung und das Bild der Mannschaft angeht, kann man sagen, dass dort sehr schnell etwas zusammengewachsen ist. Die Verbindung zwischen jung und alt wird immer besser, und ich denke, dass wir dort eine gute Auswahl getroffen haben.
Jawattdenn.de:
Wie wurde die Mannschaft denn auf das angesprochene Spiel in Köln eingestellt? Nach zwei sieglosen Spielen konnte man sicherlich noch nicht von einer Krise sprechen, allerdings waren die Spiele gegen Kaiserslautern und Bochum schon die ersten Rückschläge.
Michael Kulm:
Das Spiel war sehr wichtig. Eine Krise war aber wirklich nicht da. Wir haben die Mannschaft so vorbereitet, wie wir es in den Spielen davor auch getan haben. Wir haben nichts Besonderes gemacht und haben uns ganz in Ruhe vorbereitet. Die Kölner haben wir mehrfach gesehen und wussten, was auf uns zukommt. Wir haben uns taktisch auf die Mannschaft vorbereitet und in Ruhe Gegneranalyse betrieben. Unter der Woche wurde gut trainiert, und ich denke, dass das auch der Schlüssel war. Die Mannschaft hat nicht das Gefühl bekommen, dass der Trainer schon unruhig wurde, weil man mal zwei Spiele nicht gewonnen hat. Ich gehöre sowieso zu den ruhigeren Vertretern, und Sie können mir glauben, dass schon richtig was passieren muss, bevor ich die Nerven verliere.
Es war sehr wichtig, sich in Ruhe auf das Spiel vorzubereiten, und das ist uns gelungen, nicht nur dem Trainerteam in der Mannschaft, sondern allen, die beteiligt sind. Da zähle ich auch die Zuschauer und die Presse zu. Es war eine gewisse Anspannung da, aber eben auch die Ruhe, die man braucht, um eine Topleistung zu bringen. Und die war in Köln auch notwendig.
Jawattdenn.de:
Was hat vor dem Köln-Spiel mehr auf die Stimmung im Team gedrückt oder war schwerer zu verarbeiten: Die Niederlage in Kaiserslautern, die man aufarbeiten kann und im nächsten Spiel wiedergutmachen will, oder dann gegen Bochum trotz verbesserter Leistung wieder nicht zu gewinnen?
Michael Kulm:
Ärgerlicher ist die Niederlage, denn rein vom Ergebnis her gesehen holt man da keinen Punkt. Aber Kaiserslautern war leicht zu erklären, denn da waren alle schlecht. Da haben wir gar nicht ins Spiel gefunden und man konnte sehr schnell erkennen, dass in diesem Spiel nicht viel gehen würde. Das nötige Glück hatten wir dann auch nicht, und so kann man ein Spiel eigentlich sehr schnell abhaken und verarbeiten. Wir haben uns damit auch gar nicht lange beschäftigt. Ich wurde noch eine Woche später danach gefragt, ob man die Niederlage in Kaiserslautern verarbeitet hatte, da hatte ich schon gar nicht mehr darüber nachgedacht. So eine Niederlage kann man schnell abhaken, weil man genau weiß, dass man so eine schlechte Leistung in einer Saison nicht oft abruft.
Gegen Bochum war es schon ärgerlicher nicht zu gewinnen, denn da haben wir eine ordentliche Leistung abgerufen. Ich habe das Spiel auch noch mal auf Video gesehen und wurde da in meiner Einschätzung bestätigt, dass wir tatsächlich nicht so schlecht waren und das Spiel eigentlich hätten gewinnen müssen. Insofern ist es schon fast ärgerlicher, dieses Spiel nicht gewonnen zu haben. Unter dem Strich haben wir gegen den VfL aber einen Punkt geholt. Und hätten wir gegen Lautern auch einen Punkt geholt, hätten wir jetzt wieder einen mehr. Aber es ist müßig darüber nachzudenken.
Jawattdenn.de:
Wie erklären Sie sich den erneuten Einbruch gegen Trier?
Michael Kulm:
Es gibt natürlich Erklärungsansätze für das wirklich schwache Spiel meiner Mannschaft. Sowohl für schlechte Leistungen wie auch für richtig starke Spiele gibt es Gründe. In der Regel sind diese sehr vielschichtig und daher nur schwer in kurzen Worten zusammen zu fassen.
Ein Erklärungsansatz ist für mich die Anfangsphase einer solchen Begegnung. Wir haben die Devise heraus gegeben, den Gegner von Beginn an unter Druck zu setzen und unser Spiel in die gegnerische Hälfte zu verlagern, um so die notwendige Dominanz ausstrahlen zu können. Stattdessen hat es 10 Minuten gedauert, bis wir das erste Mal vor das Trier Tor gekommen sind. Wir haben dem Gegner also viel zu viel vom Spiel überlassen - auch wenn Trier nicht wirklich gefährlich dabei war - konnten wir auch im weiteren Verlauf unsere Strategie nicht mehr durchsetzen.
Es ist ganz offensichtlich, dass der Mannschaft in der Folgezeit noch mehr Lösungsmöglichkeiten vermittelt werden müssen, wie ein solcher Gegner zu spielen ist. Wir müssen weiter damit rechnen, dass es viele Mannschaften gibt, die nur unser Spiel zerstören wollen. Man hat dem einen oder anderen angemerkt, dass im Laufe des Spiels immer weniger Eigeninitiative ergriffen wurde. Zu viele haben sich davon anstecken lassen. So entwickelt sich von Minute zu Minute weniger Selbstvertrauen, die Laufwege werden weniger und die taktische Linie geht mehr und mehr verloren.
Sicherlich sind das alles nur Erklärungsansätze, die am Ende aber die gezeigten Leistungen nicht entschuldigen dürfen und werden.
Die Mannschaft ist sehr selbstkritisch mit der Niederlage umgegangen. Wir haben den eigentlich freien Sonntag genutzt um die Dinge aufzuarbeiten und sehen nun der Partie in Cloppenburg wieder ehrgeizig entgegen. Auch wenn wir und alle Fans sicher auf solche Spiele verzichten wollen und können, kann unsere junge Mannschaft auch oder gerade aus solchen
Begegnungen, zu Beginn dieser Saison, einiges mitnehmen.
Jawattdenn.de:
Was werden Sie im Auswärtsspiel in Cloppenburg ändern?
Michael Kulm:
Natürlich wollen und werden wir in Cloppenburg mit einer deutlich verbesserten offensiv ausgerichteten Leistung aufwarten. Die negativen Erfahrungen aus dem Spiel gegen Trier werden der Mannschaft dabei helfen. Die Spieler werden wieder lauf- und spielfreudiger zusammen wirken, so wie wir es in Köln ja auch schon gezeigt haben. Es ist wichtig, mit dem
Bewusstsein der eigenen Fähigkeiten in das Spiel zu gehen und bei allem Offensivgedanken eine geordnete, aggressive Defensive aufzubieten.
Jawattdenn.de:
Wie schwer wiegt vor den kommenden Aufgaben der Verlust eines erfahrenen Spielers wie Michael Lorenz?
Michael Kulm:
Der Ausfall von Michael ist ein schwerwiegender Verlust. Er hat nicht nur aufgrund seiner Leistungen, sondern auch aufgrund seiner Position innerhalb der Mannschaft eine Führungsrolle. Wenn so ein Spieler ausfällt, muss man das natürlich kompensieren.
Letztendlich ist es nicht wahrscheinlich, dass man immer mit derselben Mannschaft durch die ganze Saison gehen kann. Dass sich immer wieder Verletzungen und Rückschläge in die Saison mischen, ist ganz normal. Da müssen andere Mannschaften auch mit umgehen.
Turgul Aydin hat gezeigt, dass wir Alternativen auf der Bank haben, die nahtlos an die gebrachten Leistungen anknüpfen können. Sie können nicht direkt eine Führungsrolle übernehmen, aber die wird dann eben auf andere Schultern verteilt.
Jawattdenn.de:
Mit Karabas, Karadag und dem angesprochenen Aydin haben zuletzt drei junge Spieler erfahrenere Kräfte ersetzt. Wie weit sind die jungen Spieler generell von der ersten Elf weg?
Michael Kulm:
Diese drei Spieler kenne ich schon seit fünf Jahren. Ich habe Aydin damals in meine B-Jugend nach Essen geholt, Bora Karadag war bei mir B-Jugendspieler und Adnan Karabas war seiner Zeit sogar als Jungjahrgang in dem Aufgebot, mit dem wir Westdeutscher Meister in Köln geworden sind. Das war einer der größten Erfolge, die die Jugend von Rot-Weiss Essen zuletzt feiern konnte.
Ich weiß also sehr genau, was die Jungs leisten können. Sie wachsen an der Aufgabe und haben eine gute Entwicklung genommen. Es überrascht mich also nicht, dass sie jetzt diese Leistungen gezeigt haben. Ich war von Anfang an davon überzeugt. Diese jungen Spieler haben noch Luft nach oben. Sie wissen, dass sie von mir das Vertrauen bekommen, auch mal einen Fehler machen und sich entwickeln zu dürfen. Ich bin überzeugt, dass die Drei ihren Weg gehen werden, und wir haben noch einige andere junge Spieler. Oliver Ritz trainiere ich schon über fünf Jahren bei Rot-Weiss Essen. Michel Harrer, Chamdin Said, Krischa Penn - alles Jungs, die über Jahre hinweg schon die Stiefel für Rot-Weiss Essen schnüren. An diesen Spielern werden wir noch viel Freude haben, da bin ich sehr sicher.
Jawattdenn.de:
Es ist also zu erwarten, dass sich im Laufe der Saison die erste Elf immer weniger aus dem Kreis der erfahrenen Spieler bilden wird, so wie es am Anfang der Saison der Fall war?
Michael Kulm:
Das ist abhängig davon, wie die Leistungen erbracht werden. Ich bin davon überzeugt, dass wir jeden Spieler, den wir jetzt im Kader haben, brauchen. Wir werfen darüber hinaus immer wieder den Blick in die U23 und die U19, um zu sehen, wie sich die Spieler dort entwickeln. Da haben wir Spieler, bei denen es fahrlässig wäre, nicht immer wieder hinzusehen, wie weit sie sind. Ich rechne damit, dass der eine oder andere - oder vielleicht auch mehrere - junge Spieler in der Anfangsformation zu finden ist.
Dass wir zu Saisonbeginn mit dem erfahrenen Stamm gestartet haben, hing mit den Vorbereitungsergebnissen - also Spielergebnisse, Spielleistungen und Trainingsleistungen - zusammen. Diese Spieler hatten aufgrund ihrer Erfahrungen und ihrer Leistung die Nase vorne.
Jawattdenn.de:
Wo sehen Sie die A-Jugend-Bundesliga und die NRW-Liga leistungsmäßig im Vergleich zur Regionalliga?
Michael Kulm:
Der Unterschied ist da, aber nicht mehr so gravierend. Einzelne Spieler dieser Mannschaften, die in den Kreis der ersten Mannschaft aufrücken, passen sich sehr schnell an die gesteigerten Anforderungen an.
Es war schon sehr gut, dass wir im letzten Jahr mit der U23 souverän in die NRW-Liga aufsteigen konnten. Ich habe die zweite Mannschaft zuletzt am Sonntag gesehen. Da standen neun Leute in der Startelf, die auch im letzten Jahr in der Mannschaft gespielt haben. Es ist sehr erfreulich, in den Nachwuchsmannschaften eine gewisse Kontinuität feststellen zu können. Die U19 habe ich ebenfalls in vier Spielen beobachtet, und auch von dieser Mannschaft werden tolle Leistungen erbracht. Auch gegen große Gegner, zu denen die Unterschiede immer kleiner werden. Ich bin also absolut überzeugt, dass die Spieler, die dort gute Leistungen erbringen, diese dann auch an die gesteigerten Erwartungen in der ersten Mannschaft angleichen können.
Jawattdenn.de:
Es kommen auch regelmäßig Spieler aus der ersten Mannschaft in der U23 und sogar in der A-Jugend zum Einsatz. Hat man sich bewusst dazu entschieden, keine so klaren Grenzen zwischen den einzelnen Teams zu ziehen?
Michael Kulm:
Ich komme aus dem Jugendbereich. In diesem Bereich habe ich in Bochum und dann bei RWE gearbeitet. Ich habe auch an dem Jugendkonzept mitgearbeitet, dass hier umgesetzt wird und sicherlich auch einen Anteil daran, dass die Jugend von RWE jetzt da steht, wo sie steht. Daher bin ich der festen Überzeugung, dass es wichtig ist, dass die Jungs spielen, und deswegen die Spieleinsätze in der U23 und U19. Es hat ja keinen Sinn, dass diese Spieler jetzt im Kader der ersten Mannschaft stehen, aber nur wenig zum Einsatz kommen. Da ist es mir lieber, wenn sie in den Nachwuchsmannschaften regelmäßig spielen. Das haben alle diese jungen Spieler ja auch schon getan, Kai von der Gathen und Bora Karadag sogar in der U19. Das ist wichtig, denn man kann kein Training so gestalten, dass es den Wettkampf eins-zu-eins wiedergibt.
Diesem Spielerpool von 44 Spielern, den wir für erste und zweite Mannschaft haben, wird vorgelebt, dass der Weg von der U23 in die erste Mannschaft genauso schnell gehen kann, wie der umgekehrte Fall auch. Die Spieler sollten es nicht als Herabstufung sehen, wenn sie mal in der U23 spielen, aber auch nicht sofort denken, dass sie jetzt alles erreicht hätten, weil sie mal bei der Ersten dabei sind. Wir werden in den nächsten Jahren davon auf jeden Fall profitieren.
Jawattdenn.de:
Welchen Stellenwert nehmen die Förderspiele ein, bei denen Spieler aus allen drei Mannschaften zusammen antreten?
Michael Kulm:
Einen sehr hohen Stellenwert. In diesen Spielen kommen nicht nur die Spieler der einzelnen Mannschaften miteinander zum Einsatz, sondern es gibt auch den Effekt, dass U19, U23 und Erste Mannschaft noch näher zusammenrücken. Man bestreitet zusammen einen Wettkampf gegen einen anderen Gegner, und man ist in einem großen Spiel. Diese Situation kann man, wie gesagt, im Training nicht nachstellen, auch wenn die Förderspiele eigentlich auch nur Freundschaftsspiele sind. Die Jungs nehmen diese Testspiele sehr ernst, weil sie ganz genau wissen, dass sie sich in diesen Spielen nicht nur präsentieren, sondern auch weiterentwickeln können. Wir werden deswegen in Zukunft immer wieder probieren, solche Spiele zu machen. Es gehört auch zu unserem Konzept, den Spielern, die wenig gespielt haben, diese Spiele anzubieten und die Jungs so auf einem Leistungsniveau zu halten. Dennis Bührer spielt beispielsweise heute auch wieder, weil er spielen darf und so wieder in den Wettkampf kommt. (Anm. d. Red. Am Tag des Interviews fand das Spiel gegen den VfB Speldorf statt.)
Wir bieten in Zukunft ein Fördertraining an, bei dem unter meiner Leitung Trainer der ersten Mannschaft, der U23 sowie Waldemar Wrobel und Spieler aus den Bereichen U16, U17 und U19 einmal in der Woche ein gemeinsames Training absolvieren. Im Vordergrund steht die Verbesserung und Zusammenzuführung der Spieler, damit sie sich untereinander und uns etwas besser kennen lernen. Es ist mir sehr wichtig, als Trainer der ersten Mannschaft einen genauen Überblick über die Jugendabteilung zu haben. Dieses Konzept startet am Donnerstag und ein solches Training wird dann jede Woche durchgeführt.
Jawattdenn.de:
Wie funktioniert der Austausch zwischen den einzelnen Mannschaften bzw. wie viel Zeit nimmt er in Anspruch?
Michael Kulm:
Es ist mir sehr wichtig, dass dieser Austausch stattfindet. Wie viel Zeit er konkret in Anspruch nimmt, spielt eigentlich keine Rolle. Eine Nachwuchsabteilung kann nur in Zusammenarbeit mit der ersten Mannschaft richtig funktionieren. Deswegen nehme ich mir da gerne auch mal etwas mehr Zeit für. Es kann vorkommen, dass auch spät abends noch mal Telefongespräche geführt werden. Man muss einen Überblick behalten, Informationen, die man hat, weitergeben und Informationen bekommen. Ich pflege mit Andi Winkler, Kalla Pflipsen und Richard Sobczak einen regen Austausch. Auch Ralf Aussem und Damian Jamro als Teammanager wirken da immer wieder mit, damit wir alle den gleichen Informationsstand haben und wissen, wo wir noch etwas machen müssen und wen wir noch weiter nach vorne bringen können.
Jawattdenn.de:
Sie wurden schon als Trainer der B-Jugend und der U23 oft für ihre Ausbildungsarbeit gelobt. In dieser Saison arbeiten Sie wieder mit einem sehr jungen Kader zusammen, in dem viele Spieler noch am Anfang ihrer Entwicklung stehen. Versuchen Sie auch einen erfahrenen Spieler wie z.B. Markus Kurth in der täglichen Arbeit noch zu verbessern?
Michael Kulm:
Man kann sich immer verbessern, und da lege ich die Messlatte bei mir genau so hoch an, wie bei den Spielern. Das ist altersunabhängig. Jeder kann sich durch gezieltes Training und hartes Arbeiten immer weiter verbessern. Natürlich sieht man bei einem jungen Spieler, der gerade aus der Jugend kommt, im Laufe der Jahre größere Fortschritte, als bei einem älteren Spieler, der Richtung Karriereende geht. Die Schritte werden immer kleiner, aber in Nuancen kann sich jeder Spieler verbessern. Insbesondere wenn es darum geht, eine geschlossene Mannschaftsleistung zu bringen, muss jeder Spieler in der Lage sein, seine Bestleistung einzubringen. Da kann man sich auch im Zusammenspiel immer weiter verbessern, in der Arbeit zusammen und in der Kommunikation miteinander.
Jawattdenn.de:
Das Saisonziel ist natürlich der Aufstieg, die Erwartungen an der Hafenstraße und dementsprechend auch der Druck auf die Mannschaft sind riesig. Außerdem hatten die Zuschauer in Essen zuletzt ein eher dünnes Fell und wurden schnell unruhig. Ist das eine Belastung und wie versucht man gerade den jungen Spielern diesen Druck zu nehmen?
Michael Kulm:
Das Saisonziel ist klar formuliert, alles andere würde der Sache auch nicht gerecht werden: Wir versuchen so schnell wie möglich aus dieser Liga aufzusteigen, möglichst schon im ersten Jahr!
Ich glaube aber nicht, dass die Spieler derzeit einen riesigen Druck verspüren. Ich glaube eher, dass sie froh sind, in einer Mannschaft zu spielen, die zusammen funktioniert. Bei unseren letzten Auftritten wurden die Jungs immer super vom Publikum empfangen, und da war nichts von Dünnhäutigkeit oder Nachtragen zu spüren. Ich glaube, dass die Mannschaft eine richtig faire Chance vom Publikum bekommt, und darüber freuen sich die Spieler auch. Das natürlich nach nicht gewonnenen Spielen auch die Angst der Zuschauer da ist, dass das Ziel dieses Jahr vielleicht wieder nicht erreicht wird und man sich noch ein Jahr mit der vierten Liga anfreunden muss, und dann die nötige Ruhe nicht immer aufgebracht werden kann, ist ganz normal. Das ist auch nicht so schlimm.
Ich habe es aber als sehr wohltuend empfunden, dass es vor dem Spiel gegen Köln sehr ruhig war, obwohl nach den Spielen gegen Kaiserslautern und Bochum eigentlich klar war, dass da wieder ein Erfolg her musste. Und diese Ruhe gab es nicht nur bei den Funktionsträgern wie Nico Schäfer, Thomas Strunz oder im Trainerteam, sondern auch in der Mannschaft und gerade auch im Umfeld.
Ich denke, dass es gerade in Phasen, in denen die Ergebnisse nicht so stimmen, sehr wichtig ist, das Ziel nie aus den Augen zu verlieren. Eine gewisse Konstanz über die gesamte Saison ist wichtig. Wenn wir diese Einstellung in die Saison transportieren und bis zum Ende so durchhalten können, haben wir eine große Chance.
Jawattdenn.de:
Vielen Dank für das Interview.
Das Interview führten Hendrik Stürznickel und Henrik Holländer