Interview mit Betreuer Marcel Müller

veröffentlicht am 04.10.2006 um 19:25 Uhr

Schon mit 24 Monaten wurde Marcel Müller von seinem Vater mit in die Westkurve genommen. 28 Jahre später hat er seinen Platz auf der Tribüne inzwischen gegen einen am Spielfeldrand eingetauscht. Der wahrscheinlich jüngste Betreuer der 2. Bundesliga beantwortete dem Team von Jawattdenn.de einige Fragen zu seiner Person und seinem Job an der Hafenstraße.



Betreuer Marcel MüllerJawattdenn.de:
Wie bist Du eigentlich zu deiner Tätigkeit als Betreuer zu RWE gekommen?

Marcel Müller:
An den Job bin ich eher durch Zufall geraten. Ich war zwei Jahre lang E-Jugend-Trainer beim Verein. Als Hans Görtz, mein Vorgänger - der jetzt im Ticketing arbeitet - wegen einer Krankheit vertreten werden musste, hat Jürgen Grundheber mich als Vertretung vorgeschlagen. Ich bin seit meiner Kindheit ein Roter. Es war daher für mich eine Ehre, zum Einen einspringen zu dürfen und schlussendlich auch als Betreuer weiterzuarbeiten. Der Job, den ich in den Wochen als Vertretung gemacht habe, schien den Verantwortlichen gefallen zu haben. Sie haben mich später gefragt, ob ich dauerhaft in diesem Bereich weiterarbeiten möchte.


Jawattdenn.de:
Welche Aufgaben gibt es für Dich als Betreuer denn zu erfüllen?

Marcel Müller:
Mein Arbeitstag beginnt ungefähr um acht Uhr, zwei Stunden vor Trainingsbeginn.
Ich bereite die Fächer der Spieler mit der Trainingskleidung vor und bringe Dinge wie Hütchen, Bälle usw. auf den Trainingsplatz. Halt die Dinge, die bei jeder Einheit bereitstehen müssen. Dazu gehören auch Getränke und für die Spieler gibt es auch noch ein paar Früchte. Ich achte darauf, dass auch Dinge wie Kaffee usw. immer da vorhanden sind. Am Tag nach Spielen haben wir immer ein gemeinsames Frühstück mit der gesamten Mannschaft, dem Trainerstab, um noch mal ein Gemeinschaftserlebnis rein zu bringen. und den Teamgeist noch weiter zu stärken. Dafür müssen dann auch schon mal ein paar Brötchen gekauft werden.

Unter der Woche trudeln die Spieler so ab neun Uhr ein. Wenn um zehn das Training losgeht, habe ich eigentlich 90 Minuten Pause. Oft fallen in dieser Zeit aber auch ein paar Arbeiten an. In letzter Zeit habe ich während des Trainings öfters T-Shirts oder Trikots beflockt. Natürlich kommen die Spieler auch mit allerlei Anliegen zu mir und ich versuche ihnen dann zu helfen. Vor allem die Spieler, die neu nach Essen kommen, haben viele Fragen: wo man abends Essen gehen kann oder woher sie Winterreifen für ihr Auto bekommen können. Eigentlich bin ich eh „Mädchen für alles“. Die Schuhe putzen die Spieler in Essen allerdings noch selbst.


Jawattdenn.de:
Wie sieht die Arbeit am Spieltag aus?

Marcel Müller:
Ich bin meist etwa vier Stunden vor Anpfiff im Stadion. An Spieltagen bin ich wie unter der Woche auch dafür zuständig, dass die Spieler mit Früchten, Elektrolytgetränken usw. versorgt werden und die Trikots in der Kabine bereitliegen. Oft bin ich der Erste, der den Rasen betritt, um den Spielern bei der Stollenwahl zu helfen. Ich bin auch dafür verantwortlich, die Stollen aufzuschrauben. Problematisch wird es, wenn sich das Wetter während eines Spiels ändert. Dann müssen wir - wie in der letzten Saison beim Heimspiel gegen Erfurt - in einer Viertelstunde auf zehn paar Schuhe neue Stollen schrauben. Das ist ziemlich knapp.


Jawattdenn.de:
Du bist also vor den Spielen in der Kabine? Gibt es da bestimmte Rituale, wie z.B. bei der Nationalmannschaft, die vor den WM-Spielen Xavier Naidoo hörten?Betreuer Marcel Müller

Marcel Müller:
Nein, an sich nicht. Bei uns läuft meistens EinsLive in der Kabine. Wenn aber der Trainer in die Kabine kommt, wird die Musik ausgemacht, denn dann hat er das Wort. Bei den Mannschaftsbesprechungen bin ich dann auch nicht mit dabei. Bei so was hat kein Betreuer etwas verloren.


Jawattdenn.de:
Macht es für Dich denn einen Unterschied, ob wir auswärts oder an der Hafenstraße antreten?

Marcel Müller:
Ja, einen ziemlich großen sogar, aber egal wo wir spielen: an Spieltagen wird immer besonders akribisch gearbeitet, da soll nichts schief gehen. Zuhause ist es für mich aber sehr viel angenehmer. Auswärts bin ich immer etwas angespannt. Bei Heimspielen kann ich schon einen Tag vorher mit den Vorbereitungen beginnen und die Kabine einräumen. Auswärts kommt man immer in eine ungewohnte Umgebung. Wenn man in die Kabine kommt und die Kisten aufmacht, hofft man natürlich, dass alles da ist und man nichts in Essen vergessen hat.


Jawattdenn.de:
Du selbst bezeichnest dich ja als Betreuer, nicht als Zeugwart?

Marcel Müller:
Ich bezeichne mich selbst einfach als Mannschaftsbetreuer. Zeugwart hört sich ein wenig antiquiert an. Außerdem klingt es, als würde man nur den Spielern die Schuhe putzen und hinstellen. Meine Aufgaben sind aber relativ vielfältig, und ich finde, dem wird die Bezeichnung Zeugwart auch nicht ganz gerecht.


Jawattdenn.de:

Wenn man dich am Spielfeldrand sieht, merkt man, dass Du dich mit den meisten Spielern duzt. Wie ist denn das generelle Verhältnis zwischen Dir und der Mannschaft?

Marcel Müller:
Ich habe zu den Spielern ein gutes Verhältnis. Ich führe offene Gespräche mit den Spielern und ich versuche ihnen bei ihren Problemen zu helfen. Ich bekomme auch mal mit, wenn ein Spieler unzufrieden ist. Ich versuche aber immer gute Laune zu verbreiten, und ich denke, dass kommt auch in der Mannschaft gut an. Das Wichtigste aber ist, dass die Spieler das Gefühl haben, dass man als Betreuer genauso alles gibt, so wie es von ihnen auf dem Rasen auch erwartet wird.


Jawattdenn.de:
Merkt du denn einen Unterschied zwischen der Arbeit in der Regionalliga und der zweiten Bundesliga? Letztes Jahr spielte RWE teilweise noch in der Fußballprovinz, dieses Jahr ging es gleich zu Beginn auf den Betzenberg!

Marcel Müller:
Das ist ein tolles Stadion und die Stimmung war super. Es war ein schönes Erlebnis, dort zu spielen. Auch weil man sieht, wie professionell die Betreuer bei Vereinen wie dem FCK arbeiten. Da will RWE natürlich auch hin, aber das geht nur Schritt für Schritt.


Jawattdenn.de:
Du hast die Stimmung auf dem Betzenberg angesprochen. Man bekommt auf dem Rasen also etwas davon mit, was sich auf den Rängen tut.

Marcel Müller:
Ja, auf jeden Fall, und ich denke, die Stimmung ist im Moment sehr gut. Viel besser als in der Hinrunde der letzten Saison. Man merkt, dass die Zuschauer derzeit richtig Bock auf RWE haben.


Jawattdenn.de:
Hatte die schlechte Stimmung in der Regionalliga-Hinrunde denn Auswirkungen auf die Spieler? Oder lässt so etwas einen Profi völlig kalt?

Marcel Müller:

Nein, natürlich nicht. Das sind ja auch nur Menschen. Und wenn die Fans ihre eigenen Spieler angehen, geht denen das auch nahe. Viele Zuschauer hatten anscheinend nicht verstanden, dass das alles neue Spieler waren, die mit dem Abstieg überhaupt nichts zu tun hatten.


Jawattdenn.de:
In letzter Zeit gab es in Fankreisen auch wieder Diskussionen um Probleme mit rechtsradikalen Fans. Bekommt man an der Seitenlinie etwas von fremdenfeindlichen Äußerungen mit?

Marcel Müller:
Nein, was man hört, sind natürlich Sachen wie das „Rot“-„Weiss“-„Essen“, aber Fanäußerungen im Einzelnen überhaupt nicht. In St. Pauli musste ich einmal unserem Torwart eine Getränkeflasche bringen und musste dabei an den St. Pauli-Fans vorbei und habe mir einige Sprüche anhören dürfen. Die gingen zwar teilweise unter die Gürtellinie, waren im Großen und Ganzen aber schon richtig gut.


Jawattdenn.de:
Am Samstag (das Interview wurde vor dem Pokalspiel gegen Cottbus geführt; Anm. d. Red.) spielt RWE gegen Energie Cottbus mit Sidney und Francis Kioyo. Sind da irgendwelche besonderen Gefühle im Spiel?

Marcel Müller:
Als die beiden bei RWE spielten, war ich ja noch kein Betreuer und ich kenne sie eigentlich auch größtenteils nur von der Tribüne aus. Zu der Zeit war ich ja noch E-Jugend-Trainer. Betreuer Marcel MüllerWenn Francis auf den Platz kam, war er eigentlich immer sehr nett und ist sehr gut mit den Kindern umgegangen. Samstag ist es auch nicht wichtig, ob Kioyo mitspielt und ob er ein Tor schießt, sondern dass RWE weiterkommt. Und dann wäre es natürlich ein Traum, Schalke zugelost zu bekommen. Am besten in einem Auswärtsspiel in der Arena.


Jawattdenn.de:
Das wäre sicherlich für jeden Rot-Weissen eine sensationelle Sache. Was war denn allgemein Dein bisher schönstes Erlebnis mit RWE?

Marcel Müller:
Der 4:3-Sieg in Hamburg. Aus so einem tollen Stadion, auch wenn natürlich eigentlich zu wenige Zuschauer für die AOL-Arena da waren, nach 0:2-Rückstand noch mit den drei Punkten im Gepäck die 300km nach Hause zu fahren, war super. Als Betreuer so nah beim Aufstieg mit dabei sein zu können, war auch eine sehr schöne Sache für mich. Das Spiel in St. Pauli war auch ein tolles Erlebnis, auch wenn das Ergebnis natürlich nicht so optimal war. Die Atmosphäre dort ist genial. Da steht man in den Kabinen, in denen sich auch die Bayern umgezogen haben, und im Gegensatz dazu sind selbst die auch schon etwas älteren Kabinen bei RWE noch richtig nobel. In dieser Saison freue ich mich noch auf die Spiele in Köln und in München. Vor ein paar Wochen waren da noch WM-Spiele und jetzt kann ich dort selber hautnah dabei sein.


Jawattdenn.de:
Wie wird denn die übrige Saison für RWE nach dem ordentlichen Start wohl verlaufen?

Marcel Müller:
In den Katakomben wird das Wort „Abstieg“ überhaupt nicht benutzt. Das ist auch kein Thema für mich. Die sportliche Leitung hat eine Mannschaft auf die Beine gestellt, die das Potential hat, die Klasse zu halten. Ich bin mir auch sicher, dass sie das tun wird.


Jawattdenn.de:
Möchtest Du zum Abschluss noch ein paar Worte an die Fans richten?

Marcel Müller:

Die Fans sollten einfach nur genau wie die Spieler auf dem Rasen Vollgas geben. Dann sollte diese Saison nicht viel schief gehen!


Jawattdenn.de:
Vielen Dank, dass du dir für uns Zeit genommen hast!



Das Interview führten Henrik Holländer und Tim Zähringer vor dem Pokalspiel gegen Energie Cottbus