Interview mit Rolf-Christel Guie-Mien
Rolf-Christel Guié-Mien stellte sich im Trainingslager Marienfeld beim heutigen offiziellen Pressetermin den Fragen der Journalisten. Das Interview wurde von Tim Zähringer, unserem Mann vor Ort, aufgezeichnet.
Herr Guie-Mien, haben Sie sich schon gut eingelebt?
Ja, bis jetzt läuft alles ganz gut.
Sie sind jetzt seit einer Woche bei Rot-Weiss Essen.
Wo haben Sie in dieser Zeit gewohnt?
In einem Hotel oder vielleicht schon in einem Appartement?
Nein, eine Wohnung habe ich noch nicht. Ich wohne
noch in Köln bei meiner Familie, die seit meinem
Wechsel zum FC dort lebt.
Sie haben also Frau und Kinder?
Ja, wir haben zwei Töchter, sie sind elf
und sechs Jahre alt.
Werden Sie auch weiter in Köln wohnen?
Da werde ich erstmal mit meiner Frau drüber
sprechen. Wir haben uns noch nicht entschieden.
Wo genau wohnen Sie denn in Köln?
Wir wohnen in Wesseling. Das ist eine Kleinstadt
zwischen Bonn und Köln.
Sie haben in Essen einen Vertrag über ein
Jahr unterschrieben – ohne Option?
Nein, ohne Option.
Ihre Vertragsunterschrift ging ja jetzt relativ
schnell vonstatten. Ist das für Sie jetzt eine
neue Chance, wieder eine Klasse höher zu spielen
und auch wieder etwas mehr ins Rampenlicht zu geraten?
Ich hatte auch Angebote aus dem Ausland, die habe
ich aber abgelehnt.
Ich habe mit meiner Frau gesprochen, und wir bleiben
lieber in Deutschland. Und dann ist es, wie gesagt,
mit Rot-Weiss Essen sehr schnell gegangen.
Wie ist denn der Kontakt zustande gekommen? Über
Olaf Janßen, den Sie aus Frankfurter Zeiten
kennen? Oder über Ihren Berater?
Der erste Kontakt lief über meinen Berater.
Herr Janßen, mit dem ich ja noch in Frankfurt
zusammen gespielt habe, hat mir dann das System der
neuen Saison vorgestellt. Das passt sehr gut zu mir,
und ich habe sofort zugesagt.
Ihre sportliche Vita ist mit einigen Stationen
in der Ersten und Zweiten Bundesliga durchaus ansehnlich,
doch plötzlich kam es mit Sachsen Leipzig in
der Oberliga formell gesehen zu einem Ausreißer
nach unten. Können Sie erläutern, wie es
dazu kam?
Als mein Vertrag in Köln auslief, war ich
schon länger in Kontakt mit dem Karlsruher SC.
Deren Trainer Ede Becker kenne ich gut, er war mein
erster Trainer in Deutschland, und ich war mit dem
KSC fast über einen Vertrag einig. Ich hatte
auch ein paar weitere Anfragen, z.B. aus Duisburg
und Saarbrücken. Für mich war aber Karlsruhe
die erste Adresse, weil ich die Stadt und den Trainer
schon kannte. Ich bin dann in den Urlaub gefahren
und in der Zwischenzeit sollte ein Vertrag ausgearbeitet
werden. Am Ende hat das dann nicht geklappt, weil
der Trainer sich für einen anderen Spieler entschieden
hatte. Mein Berater musste dann wieder bei Null anfangen
und einen anderen Verein suchen.
Ihr Berater hatte das also etwas hinausgezögert
und Karlsruhe sich dann für einen anderen Spieler
entschieden?
Der KSC hatte sich für Massimo Porcello entschieden,
der ein anderer Spielertyp ist als ich. Ich wurde
vom Karlsruher Trainer angerufen, der sagte, dass
es ihm leid täte, aber man schon einen anderen
Spieler geholt hätte. Daraufhin war es nicht
einfach für meinen Berater, einen anderen Club
für mich zu finden. Auch, weil ich zu keinem
Club im Ausland wechseln und in Deutschland bleiben
wollte. Dann kam ein Anruf von Herrn Heller, dem Präsidenten
von Sachsen Leipzig, der auch mal Präsident von
Eintracht Frankfurt war. Er hat mich gebeten, nach
Leipzig zu kommen, mit dem Ziel, am Ende der Saison
aufzusteigen. Dann ist es recht schnell gegangen,
und ich war bei Sachsen Leipzig gelandet.
War es im Nachhinein der richtige Schritt, nach
Leipzig zu gehen? Immerhin folgte dort eine recht
chaotische Saison.
Ich bin im September ohne Vorbereitung zur Mannschaft
gestoßen, das war nicht einfach. Am Ende der
Saison hatten wir unser Ziel nicht erreicht, also
war das insgesamt eine negative Sache. Es gab während
der Saison ein ziemliches Hoch und Runter, und wir
sind immerhin Vierter geworden. Es war also nicht
alles schlecht oder eine Katastrophe, aber wenn man
sein Ziel nicht erreicht, ist das halt keine gute
Sache.
Für Sie persönlich war das Jahr wahrscheinlich
auch nicht so erfüllend, wenn man aus der Ersten
und Zweiten Bundesliga kommt und dann in der Oberliga
seine Ziele nicht erreicht. Wie Sie schon sagten,
war es ja kein gutes Jahr, und dafür muss es
doch einen Grund gegeben haben? Lag das nur am Sportlichen
oder auch am Umfeld?
Ich bin quasi aus der Ersten Liga in die Oberliga
gekommen. Das war das erste Mal, dass ich in der Oberliga
gespielt habe, und ich muss sagen, dass das ein ganz
anderer Fußball ist. Die Stadien sind auch nicht
so toll, und es kommen vielleicht 1000-2000 Zuschauer.
Wenn man aus Stadien mit 15.000 Zuschauern kommt,
und man spielt auf einmal vor 1000 Leuten, dann ist
das halt etwas anderes. Wir haben gegen Vereine wie
Dessau oder Pößneck gespielt, die Rasenverhältnisse
sind nicht immer gut. Es ist ein bisschen chaotisch.
Es war auch nicht einfach, zum ersten Mal so weit
weg von meiner Familie zu wohnen und fast jedes Wochenende
nach Köln fahren zu müssen. Aber auch aus
negativen Dingen kann man lernen, und ich habe in
der Oberliga viel gelernt.
Es war für Sie also frühzeitig klar,
in dieser Saison wieder etwas im Raum NRW finden zu
wollen?
Ich
habe meinem Berater gesagt, es wäre gut, wenn
er für mich einen Verein in NRW finden würde.
Ich habe den Clubs aus dem Ausland abgesagt, weil
ich bei meiner Familie bleiben möchte. Meine
Familie geht für mich vor.
Es gab aber in NRW keinen anderen Verein, bei dem
Sie hätten unterkommen können?
Zuerst habe ich ein Probetraining bei der TSG
Hoffenheim absolviert, und da sah es auch ganz gut
aus. Die Hoffenheimer haben aber gewartet und gesagt,
dass sie noch Zeit hätten. Ich habe dann einen
Anruf von RWE bekommen, und weil Essen in der Nähe
von Köln liegt, habe ich eigentlich sofort ja
gesagt. Ich wollte nicht länger warten und mich
nach anderen Vereinen umsehen.
Jetzt gab es in Essen erst noch eine Woche Probetraining.
Das war kein Probetraining. Ich habe mit Olaf
Janßen und dem Trainer besprochen, dass ich
erst einmal kommen und mir alles ansehen wollte. Ich
wollte nicht noch mal denselben Fehler wie in Leipzig
machen, wo ich sofort unterschrieben habe und es schief
gelaufen ist.
Ich wollte erst noch sehen, wie gut die Mannschaft
ist, wie der Trainer arbeitet und die Bedingungen
in Essen sind.
Was ist Ihr erster Eindruck von der Mannschaft?
Das ist eine sehr gute Truppe. Sie ist sehr jung,
und die Zusammenarbeit mit ihr und dem jungen Trainer
macht sehr viel Spaß. Der erste Eindruck fällt
schon mal positiv aus.
Was ist drin?
Es ist gut, dass jeder zeigen will, was er kann.
Und das sieht schon gut aus.
Sie haben jetzt eine Saison in der Oberliga gespielt.
Denken Sie, dass es für Sie jetzt vom spielerischen
oder körperlichen eine Umstellung oder ein Problem
sein wird, wieder eine Liga höher zu spielen?
Ich glaube, das ist für mich kein Problem.
Ich kenne meinen Körper gut und habe noch keine
größeren Verletzungen gehabt. Man muss
nur richtig arbeiten, dann erreicht man sein Niveau.
Also werden Sie wahrscheinlich von ihrer Erfahrung
und der schon angesprochenen Vita her eine Führungsrolle
in der Mannschaft bekommen?
Als ich gekommen bin, hatten wir schon genug Führungsspieler
in der Mannschaft, auch wenn das eine junge Truppe
ist. Ich bin nicht gekommen, um ein Führungsspieler
zu werden oder zu sein. Ich bin gekommen, um mit meiner
Erfahrung der Mannschaft ein bisschen zu helfen, die
Saisonziele zu erreichen. Wir haben eine gute Mannschaft
und auch einige gute Führungsspieler. Stefan
und Michael Lorenz haben das Potential, von hinten
eine Mannschaft zu führen.
Ist es für Sie etwas anderes, unter so einem
jungen Trainer wie Heiko Bonan, der RWE vielleicht
auch ein wenig als Karrierechance sieht, als unter
einem alten Hasen zu arbeiten?
Kommen
Sie einfach mal zum Training, da sieht man schon,
dass es sehr viel Spaß macht. Der Trainer macht
auch selbst viel mit.
Man muss sich ja auch erst einmal in die Gruppe
integrieren. Innerhalb einer Woche dürfte es
auch etwas schwierig sein, schon alle näher kennen
zu lernen?
Jeder Anfang ist schwer, aber im Fußball
geht so etwas sehr schnell.
Was sind Ihre persönlichen Ziele für
die kommende Saison? Wollen Sie sich wieder für
höhere Aufgaben empfehlen oder diese auch mit
Rot-Weiss Essen erreichen?
Jeder Spieler hat seine persönlichen Ziele,
und natürlich gibt es auch die Ziele des Vereins.
Die Vergangenheit war für mich nicht so toll,
aber ich will wieder angreifen und dahin kommen, wo
ich früher war. Ich werde alles tun und meine
Erfahrung einbringen, damit die Mannschaft die Saisonziele
erreicht. Das ist Pflicht für mich und meine
Aufgabe.
Ist es also Ihre Philosophie, dass wenn alle Spieler
hartnäckig und ehrgeizig ihre persönlichen
Ziele verfolgen, dass das dann auch automatisch dem
Verein zu Gute kommt?
Nein, Fußball ist ein Kollektiv-Sport. Ich
weiß, dass jeder seine Ziele hat, aber als erstes
muss man versuchen, eine richtige Mannschaft zu sein.
Und man sieht schon, dass unsere Mannschaft Potential
hat. Wir haben eine junge Mannschaft und einen jungen
Trainer, die gut zusammenarbeiten müssen. Das
kommt vor den persönlichen Zielen.
Man konnte schon heraushören, dass Ihre Familie
für Sie im Mittelpunkt steht. Ist es so, dass
man sich mit wachsender Erfahrung und wachsendem Alter
bewusst darauf konzentriert, dass auch mit dem Umfeld
der Familie und dem eigenem Umfeld alles passt? Wenn
Sie jetzt 22 gewesen wären, hätten Sie wahrscheinlich
doch eher auf Hoffenheim und die Zweite Liga gesetzt
und sich gesagt, ich tue mir die Regionalliga in Essen
nicht an?
Wenn ich von Hoffenheim einen längerfristigen
Vertrag über zwei oder drei Jahre angeboten bekommen
hätte, hätte ich meine Familie vielleicht
mit dorthin nehmen können. Bei RWE habe ich nur
ein Jahr Vertrag.
Das Interview wurde im Rahmen des offiziellen Presstermins
am 02.07.2007 im Trainingslager Marienfeld aufgezeichnet.