Der Trainer im Interview - Teil II
Jawattdenn.de:
Wie ist der Stand der Dinge bezüglich Vertragsverlängerungen von Brauer,
Koep und Grund – gibt es bereits Gespräche oder ist es zu früh für
Prognosen?
Waldemar Wrobel:
Wir werden öffentlich noch nichts über laufende Verhandlungen
bekanntgeben, aber wir sind in guten Gesprächen und ich glaube auch,
dass Spieler, die für uns von Bedeutung sind und dies auch in der
Vergangenheit unter Beweis gestellt haben, im positiven Sinne so
aggressiv ansprechen werden, dass es für sie schwierig sein wird, den
Verein zu verlassen. Aber trotzdem liegt die Entscheidung letztlich beim
Spieler. Wenn andere Vereine insbesondere finanzielle Gründe in die
Waagschale werfen, dann wird es für uns nicht leicht.
Die Zeiten, in
denen hier finanzielle Mittel locker gemacht werden, die man gar nicht
hat, sind vorbei. Wir werden kein Geld mehr ausgeben, dass wir nicht
selbst erwirtschaften können. Das Szenario, das wir vor zwei Jahren hier
erlebt haben, wird es nicht wieder geben. Das ist auch eine Form von
Seriosität: Wir machen nichts, was dem Verein schaden könnte. Wenn es
dazu führen sollte, dass wir Spieler nicht halten können, dann ist das
eben so. Aber es kann nicht sein, dass man die Wirtschaftlichkeit und
damit die Existenz des Vereines aufs Spiel setzt – das können wir
einfach nicht verantworten.
Jawattdenn.de:
Der Berater von Benedikt Koep hat sich in den Printmedien, z.B. auch in der Rheinischen Post, zu Wort
gemeldet mit der Aussage, dass er seinen Schützling in einer höheren
Liga sieht. Auch wenn Rot-Weiss der erste Ansprechpartner sei,
grundsätzlich solle der Weg immer noch oben führen. Uns ist klar, wie
das Geschäft läuft, aber bringen diese Aussagen Unruhe in die
Vertragsverhandlungen rein?
Waldemar Wrobel:
Ich kann nichts zu Positionen sagen, für die ich nicht verantwortlich
bin. Normalerweise spielt jeder Spieler in der Liga, in der er spielen
kann. Wenn ein Berater meint, dass seine Schützlinge bei uns falsch
aufgehoben sind, dann sollen sie die Angebote prüfen. Das ist völlig
normal, es gibt sicherlich kaum Spieler, die höherklassige Angebote
ungeprüft ausschlagen und nur aufgrund des „Fun-Faktors“ weiter bei
Rot-Weiss Essen spielen würden. Allerdings sehe ich zurzeit solche
Angebote nicht. Wenn ein Berater trotzdem auf diese Schiene wechselt,
dann halte ich da nicht viel von.
Jawattdenn.de:
Ist es absehbar, ob Sie sich mal die Frage „Beamtenstatus oder RWE?“ stellen müssen?
Waldemar Wrobel:
Nein. Wir arbeiten zurzeit nicht unter Profi-Bedingungen und trainieren
vormittags nicht. Es ist angedacht, und das werden wir umsetzen, dass
wir im nächsten Jahr mehr machen wollen – auch von meiner Seite aus. Das
heißt, ich werde die dienstliche Arbeit weiter reduzieren, die
entsprechenden Planungen laufen. Wir werden also in Absprache mit meiner
Dienststelle sukzessive mehr machen. Das von Ihnen angesprochene
Szenario ist zwar keine Utopie, aber man sollte Schritt für Schritt
vorangehen. Wohin ein Weg mit zu großen Schritten in der Vergangenheit
geführt hat, wissen wir alle, das brauchen wir kein zweites Mal.
Jawattdenn.de:
Unter der Prämisse, dass man nicht mehr ausgibt als man einnimmt, ist es
nicht unwahrscheinlich noch einige Jahre in der Regionalliga zu Hause
zu sein. Wie hält man während dieser Durststrecke das Publikum
mittelfristig bei der Stange?
Waldemar Wrobel:
Das kann man unter zwei verschiedenen Perspektiven sehen: Zum einen ist
es wichtig, dass das Publikum eine gewisse Weitsicht und Objektivität
erkennen müssen. Ich denke, das versuchen wir vernünftig und transparent
zu machen. Dazu gehört aus meiner Sicht, dass Organe wie
„Jawattdenn.de“, die sich mit diesen Punkten auseinandersetzen,
überzeugt werden müssen, dass man einen Aufstieg in unserer Situation,
in der man starke Konkurrenten mit anderen finanziellen Möglichkeiten
hat, nicht versprechen kann.
Natürlich wollen wir nicht ewig in der
Regionalliga spielen, aber es gibt keine Garantien. Wenn man sieht, mit
welchen Möglichkeiten andere Vereine in dieser Liga operieren – davon
sind wir teilweise Lichtjahre entfernt. Deswegen wäre es fahrlässig und
dumm, den Menschen in der Kurve Dinge zu versprechen, die wir nicht
halten können bzw. Dinge zu versprechen, die man bei seriöser
Betrachtung der Faktenlange überhaupt nicht versprechen darf. Wir
versuchen alles, was im Rahmen unserer Möglichkeiten geht. Schritt für
Schritt wollen wir natürlich wieder Hauptamtlichkeiten einführen und
mehr Geld akquirieren. Aufgrund der Tatsache, dass wir Spieler haben,
die im Studium oder in einer Ausbildung sind und einem geregelten Leben
nachgehen, kann ich von ihnen nicht verlangen, für den Verein alles zu
verändern obwohl wir das finanziell gar nicht tragen können.
Jawattdenn.de:
Ok. Die vorangehende Frage hatte ein allerdings einen anderen Sinn: Wir
meinten vor allem den Fan, der sagt „Ja, ich finde den Weg und die
Philosophie des Vereins gut, aber ich habe trotzdem keine Lust meine
privaten Planungen weiterhin nach einem Viertliga-Heimspiel um Platz 9
gegen Köln II vor 0 Gästefans zu richten.“ Wie kann man diesem Fan auch
mittelfristig den womöglich tristen Regionalligaalltag schmackhaft
machen und damit den Zuschauerschnitt halten?
Waldemar Wrobel:
Das ist schwierig, dafür gibt es aus meiner Sicht kein Patentrezept, da
man ihm wie gesagt nichts versprechen sollte. Es geht nur über einen
offenen, ehrlichen und transparenten Weg mit Fakten. Den habe ich
versucht zu erklären in Bezug auf den sportlichen Ist-Zustand. Dann muss
auch der Fan verstehen, dass er zurzeit nur über diesen Weg geht. Alles
andere würde im Umkehrschluss bedeuten, dass der beschriebene Fan nicht
mehr gegen Köln II spielen will, sondern gegen Offenbach oder Preußen
Münster in der 3. Liga.
Das bedeutet also: Er will den
schnellstmöglichen Aufstieg auch auf die Gefahr hin, dass wir ein
zweites Insolvenzverfahren haben werden. Ein zweites Insolvenzverfahren
würde dabei sicherlich nicht genauso über die Bühne geben wie das
letzte. Ist also eine solche Forderung, nicht mehr gegen Köln II
spielen zu wollen, wirklich seriös und im Sinne des Vereins? Ist sie mit
einer gewissen Nachhaltigkeit und Objektivität mit dem Ist-Zustand
vereinbar? Dazu sage ich ganz klar: Nein! Im letzten Jahr haben wir mit
unseren Mitteln das Optimale herausgeholt mit einer Mannschaft, die
niemand auf dem Schirm hatte. Wir haben mit Siegen, dem ETB, Windeck und
Fortuna Köln Mannschaften hinter uns gelassen, die besser besetzt
waren.
Aber so etwas klappt nicht jedes Jahr. Gerade beim Sprung von der
NRW-Liga in die Regionalliga liegen Galaxien dazwischen in Bezug auf
das wirtschaftliches Know-how und die sportliche Ebene. Der sportliche
Sprung von der Regionalliga in die Dritte Liga ist wesentlich kleiner,
aber dort rein zu kommen ist wesentlich schwieriger. Von daher sage ich,
um die Frage abschließend zu beantworten: Ich weiß nicht, was ich einem
solchen Fan sagen würde, aber ich würde ihn nicht belügen und ich würde
ihm nichts versprechen was ich nicht halten kann. Für mich ist es
wichtig, offen und ehrlich mit den Menschen umzugehen, die für den
Verein sehr wichtig sind. Das ist die jetzige Situation, die kann und
wird sich ändern, aber wir sind weit davon entfernt, konkrete
Aufstiegsziele zu formulieren. Ich bin davon überzeugt, dass die meisten
Fans das auch verstehen, oder sehen Sie das anders?
Jawattdenn.de:
Nein. Wir von Jawattdenn.de gehen in diesem Punkt d´accord. Trotzdem
behaupten wir einfach mal: Wenn wir mehrere Jahre in der Regionalliga
spielen werden, dann wird der Zuschauerschnitt sinken!
Waldemar Wrobel:
Na klar, das ist ja ligenübergreifend. Auch andere Mannschaften haben
das gleiche Problem. Das ist Fußball – und das ist auch schön!
Jawattdenn.de:
Haben Sie das Gefühl, dass auch das weitere Umfeld und Organe wie die
Sponsoren und die lokalen Medien von diesem Weg überzeugt sind?
Waldemar Wrobel:
Ja, absolut! Das macht mir auch Spaß. Ich habe das Gefühl, dass
diejenigen, die sich mit dem Verein beschäftigen, absolut im Einklang
mit uns sind. Das ist sehr positiv, denn ich kenne es hier auch ganz
anders. Damit werden wir auf lange Sicht auch nicht aufzuhalten sein,
denn diese Harmonie nach dem Motto „Wir ziehen an einem Strang“ lässt
bei mir die Überzeugung reifen, dass wir auf dem richtigen Weg sind.
Jawattdenn.de:
Vor einem Jahr hatten wir darüber gesprochen, was wohl auf der
Fantribüne passiert, wenn es sportlich mal nicht so gut läuft wie in der
Hinrunde. Wir haben das Gefühl, der Support ist trotzdem weiterhin
ungebrochen. Wie ist das Fanverhalten in der Krisenzeit bei der
Mannschaft angekommen?
Waldemar Wrobel:
Genau so! Insbesondere in der Phase, in der es nicht lief: was aus der
Kurve kam, war einzigartig! Das war in keiner Weise zu erwarten, was
hier für eine Unterstützung kam, ist nicht zu beschreiben. Deshalb
glaube ich auch, dass die Leute unseren Weg verstanden haben und sie
wissen, dass die Mannschaft mit sehr viel Emotionen, Herzblut und
Leidenschaft den Verein RWE im Herzen trägt und wir hier nicht mehr mit
Spielern arbeiten, denen es egal ist, wer die Kohle überweist,
Hauptsache sie überweist jemand.
Diese Mentalität haben wir nicht, für
uns ist es etwas Besonderes für diesen Verein zu arbeiten, am gleichen
Strang zu ziehen und die nächst höhere Liga zu erreichen. An diesem
Punkt arbeiten wir und wir sind deshalb auf lange Sicht nicht
aufzuhalten, wobei der Ausdruck „auf lange Sicht“ ein sehr dehnbarer
ist.
Jawattdenn.de:
Sie wissen vermutlich, dass es Facebook-Profile von Ihnen gibt, aber das sind nicht ihre privaten?
Waldemar Wrobel:
Nein, der ist vom Verein. Ich bin mit diesen Dingen nicht groß geworden
und habe keinen Draht dazu. Wir haben das Profil vor einiger Zeit
eingerichtet, als es ein Frage-und-Antwort-Spiel vom Verein gab. Gibt es
ein Problem?
Jawattdenn.de:
Wir reden vermutlich von einem anderen Profil, denn dort gibt es
Einträge wie „Endlich haben wir dieses GEsindel geschlagen!“ nach dem
Sieg über Schalke II. Solche Äußerungen trauen wir weder Ihnen noch dem
Verein zu.
Waldemar Wrobel:
Richtig, dann ist das ein anderes Profil. Aussagen, die in irgendeiner
Form diffamierend oder herablassend sind, sind für mich unterste
Schublade und stammen sicher nicht von mir. Ich habe kein privates
Facebook-Profil oder dergleichen – und solche Seiten zeigen mir, dass
ich damit alles richtig mache.
Jawattdenn.de:
In welcher Stimmung und in welchem Tonfall haben sie die ersten Worte an
die Mannschaft gerichtet, als sie nach dem 3:4 gegen Köln II in die
Kabine gekommen sind?
Waldemar Wrobel:
Das Spiel war sehr emotional, vielleicht eines der emotionalsten Spiele
die wir hatten. Es hatte in der ersten Halbzeit kaum Höhepunkte und war
sehr bieder. Köln ging durch ein Geschenk mit der Führung in die Pause.
Danach spielten wir überragende 25 Minuten, es hätte auch 4:1 für uns
stehen können. Dann ist das passiert, was nicht passieren darf: Die
Spieler waren überdreht und hatten vergessen, dass es auch eine
Rückwärtsbewegung gibt. Wir wollten das nächste Tor machen und sind
dafür bitter bestraft worden.
Demnach war die Ansprache nach dem Spiel
keine, wir haben uns mehr oder weniger angeschwiegen, weil in dieser
Situation jedes Wort verletzend sein kann. Wir wussten selber, dass das,
was wir angeboten hatten, auf der einen Seite sehr gut und auf der
anderen Seite desaströs war. Alle waren enttäuscht, von daher haben wir
das Spiel erst in der Woche darauf aufgearbeitet und sind zu dem
Ergebnis gekommen, dass uns noch eine gewisse Ruhe und Abgeklärtheit
sowie eine Klarheit in den Aktionen fehlt.
In Mainz hatten wir ein sehr
gutes Spiel gemacht gegen eine Mannschaft, die aktuelle
U20-Nationalspieler in ihren Reihen hatte. Dort war die Mannschaft in
der Lage, abgeklärt zu spielen, aber aufgrund ihrer Jugendlichkeit und
manchmal auch aufgrund fehlender Qualität gibt es immer wieder Phasen,
in der ein Spiel auch mal zu unseren Ungunsten kippen kann. Es ist
unsere Aufgabe, das zu verbessern. Das Kuriose in dieser Liga ist: du
spielst mal gegen Mannschaften wie Köln, Gladbach, Mainz und Schalke,
die durch eine spielerische Komponente und sehr gut ausgebildete junge
Spieler geprägt sind. Auf der anderen Seite hast du dann Mannschaften
wie Koblenz, Trier, Wuppertal oder Elversberg, die sehr robust und
erfahren sind. Du spielst zwar das gleiche Spiel, aber gegen völlig
unterschiedlich ausgerichtete Teams, es ist eine Kunst, dann auch immer
wieder die richtigen Mittel zu finden.
Ich denke, dass unter dem Strich unser Ziel Platz 9 nach wie vor
erreichbar ist. Und wenn man bedenkt, dass wir im Pokal gegen Union und
Hertha sehr gute Spiele angeboten haben, dann kann man vielleicht sagen,
dass in dieser Saison nicht alles rosarot ist, wir aber auch weit davon
entfernt sind, die Saison als schlecht zu bezeichnen. In der Rückrunde
geht es darum, einen besseren Punktschnitt als in der Hinrunde zu
erreichen. Wenn uns das gelingen sollte, dann werden wir auch nicht weit
von Platz 9 entfernt sein.
Jawattdenn.de:
In Bezug auf Saisonziele darf man auch den Niederrheinpokal nicht vergessen, oder?
Waldemar Wrobel:
Ok, der Niederrheinpokalsieg ist natürlich ein kleines Ziel, aber das
ist schon schwierig, da wir dort der gejagte Verein sind. Und ein Spiel
wie gegen Kray, bei dem sicher über 3.000 Zuschauer anwesend sein werden,
ist Emotion pur. Auch das muss man erstmal gewinnen. Man kann nicht mal
eben hinfahren und das Spiel nach Hause bringen.
Analog dazu erinnere
ich an das Pokalspiel gegen Wuppertal, als wir der krasse Außenseiter
waren, der mitten in der Insolvenz steckte. Wir haben sie mit 4:1 nach
Hause geschickt, warum sollte das einer Mannschaft, die unter uns
spielt, nicht auch gelingen? Wir werden natürlich alles tun, um das zu
verhindern. Damit will ich einfach nur sagen: Das Spiel wird kein
Selbstläufer. Pokal ist Pokal, es gibt keine Garantien. Wenn wir aber
professionell und gut vorbereitet in dieses Spiel gehen, dann bin ich
guter Dinge.
Jawattdenn.de:
Vielen Dank für das Interview!
Das Interview führten Hendrik Stürznickel und Michael Jaskolla vor dem Pokalspiel gegen den FC Kray