08.03.2012

Der Trainer im Interview - Teil II

Jawattdenn.de:
Wie ist der Stand der Dinge bezüglich Vertragsverlängerungen von Brauer, Koep und Grund – gibt es bereits Gespräche oder ist es zu früh für Prognosen?

Waldemar Wrobel:
Wir werden öffentlich noch nichts über laufende Verhandlungen bekanntgeben, aber wir sind in guten Gesprächen und ich glaube auch, dass Spieler, die für uns von Bedeutung sind und dies auch in der Vergangenheit unter Beweis gestellt haben, im positiven Sinne so aggressiv ansprechen werden, dass es für sie schwierig sein wird, den Verein zu verlassen. Aber trotzdem liegt die Entscheidung letztlich beim Spieler. Wenn andere Vereine insbesondere finanzielle Gründe in die Waagschale werfen, dann wird es für uns nicht leicht.

Die Zeiten, in denen hier finanzielle Mittel locker gemacht werden, die man gar nicht hat, sind vorbei. Wir werden kein Geld mehr ausgeben, dass wir nicht selbst erwirtschaften können. Das Szenario, das wir vor zwei Jahren hier erlebt haben, wird es nicht wieder geben. Das ist auch eine Form von Seriosität: Wir machen nichts, was dem Verein schaden könnte. Wenn es dazu führen sollte, dass wir Spieler nicht halten können, dann ist das eben so. Aber es kann nicht sein, dass man die Wirtschaftlichkeit und damit die Existenz des Vereines aufs Spiel setzt – das können wir einfach nicht verantworten.

Waldemar Wrobel und Benedikt KoepJawattdenn.de:
Der Berater von Benedikt Koep hat sich in den Printmedien, z.B. auch in der Rheinischen Post, zu Wort gemeldet mit der Aussage, dass er seinen Schützling in einer höheren Liga sieht. Auch wenn Rot-Weiss der erste Ansprechpartner sei, grundsätzlich solle der Weg immer noch oben führen. Uns ist klar, wie das Geschäft läuft, aber bringen diese Aussagen Unruhe in die Vertragsverhandlungen rein?

Waldemar Wrobel:
Ich kann nichts zu Positionen sagen, für die ich nicht verantwortlich bin. Normalerweise spielt jeder Spieler in der Liga, in der er spielen kann. Wenn ein Berater meint, dass seine Schützlinge bei uns falsch aufgehoben sind, dann sollen sie die Angebote prüfen. Das ist völlig normal, es gibt sicherlich kaum Spieler, die höherklassige Angebote ungeprüft ausschlagen und nur aufgrund des „Fun-Faktors“ weiter bei Rot-Weiss Essen spielen würden. Allerdings sehe ich zurzeit solche Angebote nicht. Wenn ein Berater trotzdem auf diese Schiene wechselt, dann halte ich da nicht viel von.

Jawattdenn.de:
Ist es absehbar, ob Sie sich mal die Frage „Beamtenstatus oder RWE?“ stellen müssen?

Waldemar Wrobel:
Nein. Wir arbeiten zurzeit nicht unter Profi-Bedingungen und trainieren vormittags nicht. Es ist angedacht, und das werden wir umsetzen, dass wir im nächsten Jahr mehr machen wollen – auch von meiner Seite aus. Das heißt, ich werde die dienstliche Arbeit weiter reduzieren, die entsprechenden Planungen laufen. Wir werden also in Absprache mit meiner Dienststelle sukzessive mehr machen. Das von Ihnen angesprochene Szenario ist zwar keine Utopie, aber man sollte Schritt für Schritt vorangehen. Wohin ein Weg mit zu großen Schritten in der Vergangenheit geführt hat, wissen wir alle, das brauchen wir kein zweites Mal.

Jawattdenn.de:
Unter der Prämisse, dass man nicht mehr ausgibt als man einnimmt, ist es nicht unwahrscheinlich noch einige Jahre in der Regionalliga zu Hause zu sein. Wie hält man während dieser Durststrecke das Publikum mittelfristig bei der Stange?

Waldemar Wrobel:
Das kann man unter zwei verschiedenen Perspektiven sehen: Zum einen ist es wichtig, dass das Publikum eine gewisse Weitsicht und Objektivität erkennen müssen. Ich denke, das versuchen wir vernünftig und transparent zu machen. Dazu gehört aus meiner Sicht, dass Organe wie „Jawattdenn.de“, die sich mit diesen Punkten auseinandersetzen, überzeugt werden müssen, dass man einen Aufstieg in unserer Situation, in der man starke Konkurrenten mit anderen finanziellen Möglichkeiten hat, nicht versprechen kann.

Waldemar Wrobel und Timo BrauerNatürlich wollen wir nicht ewig in der Regionalliga spielen, aber es gibt keine Garantien. Wenn man sieht, mit welchen Möglichkeiten andere Vereine in dieser Liga operieren – davon sind wir teilweise Lichtjahre entfernt. Deswegen wäre es fahrlässig und dumm, den Menschen in der Kurve Dinge zu versprechen, die wir nicht halten können bzw. Dinge zu versprechen, die man bei seriöser Betrachtung der Faktenlange überhaupt nicht versprechen darf. Wir versuchen alles, was im Rahmen unserer Möglichkeiten geht. Schritt für Schritt wollen wir natürlich wieder Hauptamtlichkeiten einführen und mehr Geld akquirieren. Aufgrund der Tatsache, dass wir Spieler haben, die im Studium oder in einer Ausbildung sind und einem geregelten Leben nachgehen, kann ich von ihnen nicht verlangen, für den Verein alles zu verändern obwohl wir das finanziell gar nicht tragen können.

Jawattdenn.de:
Ok. Die vorangehende Frage hatte ein allerdings einen anderen Sinn: Wir meinten vor allem den Fan, der sagt „Ja, ich finde den Weg und die Philosophie des Vereins gut, aber ich habe trotzdem keine Lust meine privaten Planungen weiterhin nach einem Viertliga-Heimspiel um Platz 9 gegen Köln II vor 0 Gästefans zu richten.“ Wie kann man diesem Fan auch mittelfristig den womöglich tristen Regionalligaalltag schmackhaft machen und damit den Zuschauerschnitt halten?

Waldemar Wrobel:
Das ist schwierig, dafür gibt es aus meiner Sicht kein Patentrezept, da man ihm wie gesagt nichts versprechen sollte. Es geht nur über einen offenen, ehrlichen und transparenten Weg mit Fakten. Den habe ich versucht zu erklären in Bezug auf den sportlichen Ist-Zustand. Dann muss auch der Fan verstehen, dass er zurzeit nur über diesen Weg geht. Alles andere würde im Umkehrschluss bedeuten, dass der beschriebene Fan nicht mehr gegen Köln II spielen will, sondern gegen Offenbach oder Preußen Münster in der 3. Liga.

Das bedeutet also: Er will den schnellstmöglichen Aufstieg auch auf die Gefahr hin, dass wir ein zweites Insolvenzverfahren haben werden. Ein zweites Insolvenzverfahren würde dabei sicherlich nicht genauso über die Bühne geben wie das letzte. Ist also eine solche Forderung, nicht mehr gegen Köln II spielen zu wollen, wirklich seriös und im Sinne des Vereins? Ist sie mit einer gewissen Nachhaltigkeit und Objektivität mit dem Ist-Zustand vereinbar? Dazu sage ich ganz klar: Nein! Im letzten Jahr haben wir mit unseren Mitteln das Optimale herausgeholt mit einer Mannschaft, die niemand auf dem Schirm hatte. Wir haben mit Siegen, dem ETB, Windeck und Fortuna Köln Mannschaften hinter uns gelassen, die besser besetzt waren.

Aber so etwas klappt nicht jedes Jahr. Gerade beim Sprung von der NRW-Liga in die Regionalliga liegen Galaxien dazwischen in Bezug auf das wirtschaftliches Know-how und die sportliche Ebene. Der sportliche Sprung von der Regionalliga in die Dritte Liga ist wesentlich kleiner, aber dort rein zu kommen ist wesentlich schwieriger. Von daher sage ich, um die Frage abschließend zu beantworten: Ich weiß nicht, was ich einem solchen Fan sagen würde, aber ich würde ihn nicht belügen und ich würde ihm nichts versprechen was ich nicht halten kann. Für mich ist es wichtig, offen und ehrlich mit den Menschen umzugehen, die für den Verein sehr wichtig sind. Das ist die jetzige Situation, die kann und wird sich ändern, aber wir sind weit davon entfernt, konkrete Aufstiegsziele zu formulieren. Ich bin davon überzeugt, dass die meisten Fans das auch verstehen, oder sehen Sie das anders?

Waldemar WrobelJawattdenn.de:
Nein. Wir von Jawattdenn.de gehen in diesem Punkt d´accord. Trotzdem behaupten wir einfach mal: Wenn wir mehrere Jahre in der Regionalliga spielen werden, dann wird der Zuschauerschnitt sinken!

Waldemar Wrobel:
Na klar, das ist ja ligenübergreifend. Auch andere Mannschaften haben das gleiche Problem. Das ist Fußball – und das ist auch schön!

Jawattdenn.de:
Haben Sie das Gefühl, dass auch das weitere Umfeld und Organe wie die Sponsoren und die lokalen Medien von diesem Weg überzeugt sind?

Waldemar Wrobel:
Ja, absolut! Das macht mir auch Spaß. Ich habe das Gefühl, dass diejenigen, die sich mit dem Verein beschäftigen, absolut im Einklang mit uns sind. Das ist sehr positiv, denn ich kenne es hier auch ganz anders. Damit werden wir auf lange Sicht auch nicht aufzuhalten sein, denn diese Harmonie nach dem Motto „Wir ziehen an einem Strang“ lässt bei mir die Überzeugung reifen, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

Jawattdenn.de:
Vor einem Jahr hatten wir darüber gesprochen, was wohl auf der Fantribüne passiert, wenn es sportlich mal nicht so gut läuft wie in der Hinrunde. Wir haben das Gefühl, der Support ist trotzdem weiterhin ungebrochen. Wie ist das Fanverhalten in der Krisenzeit bei der Mannschaft angekommen?

Waldemar Wrobel:
Genau so! Insbesondere in der Phase, in der es nicht lief: was aus der Kurve kam, war einzigartig! Das war in keiner Weise zu erwarten, was hier für eine Unterstützung kam, ist nicht zu beschreiben. Deshalb glaube ich auch, dass die Leute unseren Weg verstanden haben und sie wissen, dass die Mannschaft mit sehr viel Emotionen, Herzblut und Leidenschaft den Verein RWE im Herzen trägt und wir hier nicht mehr mit Spielern arbeiten, denen es egal ist, wer die Kohle überweist, Hauptsache sie überweist jemand.

Diese Mentalität haben wir nicht, für uns ist es etwas Besonderes für diesen Verein zu arbeiten, am gleichen Strang zu ziehen und die nächst höhere Liga zu erreichen. An diesem Punkt arbeiten wir und wir sind deshalb auf lange Sicht nicht aufzuhalten, wobei der Ausdruck „auf lange Sicht“ ein sehr dehnbarer ist.

Jawattdenn.de:
Sie wissen vermutlich, dass es Facebook-Profile von Ihnen gibt, aber das sind nicht ihre privaten?

Waldemar Wrobel und Suat TokatWaldemar Wrobel:
Nein, der ist vom Verein. Ich bin mit diesen Dingen nicht groß geworden und habe keinen Draht dazu. Wir haben das Profil vor einiger Zeit eingerichtet, als es ein Frage-und-Antwort-Spiel vom Verein gab. Gibt es ein Problem?

Jawattdenn.de:
Wir reden vermutlich von einem anderen Profil, denn dort gibt es Einträge wie „Endlich haben wir dieses GEsindel geschlagen!“ nach dem Sieg über Schalke II. Solche Äußerungen trauen wir weder Ihnen noch dem Verein zu.

Waldemar Wrobel:
Richtig, dann ist das ein anderes Profil. Aussagen, die in irgendeiner Form diffamierend oder herablassend sind, sind für mich unterste Schublade und stammen sicher nicht von mir. Ich habe kein privates Facebook-Profil oder dergleichen – und solche Seiten zeigen mir, dass ich damit alles richtig mache.

Jawattdenn.de:
In welcher Stimmung und in welchem Tonfall haben sie die ersten Worte an die Mannschaft gerichtet, als sie nach dem 3:4 gegen Köln II in die Kabine gekommen sind?

Waldemar Wrobel:
Das Spiel war sehr emotional, vielleicht eines der emotionalsten Spiele die wir hatten. Es hatte in der ersten Halbzeit kaum Höhepunkte und war sehr bieder. Köln ging durch ein Geschenk mit der Führung in die Pause. Danach spielten wir überragende 25 Minuten, es hätte auch 4:1 für uns stehen können. Dann ist das passiert, was nicht passieren darf: Die Spieler waren überdreht und hatten vergessen, dass es auch eine Rückwärtsbewegung gibt. Wir wollten das nächste Tor machen und sind dafür bitter bestraft worden.

Demnach war die Ansprache nach dem Spiel keine, wir haben uns mehr oder weniger angeschwiegen, weil in dieser Situation jedes Wort verletzend sein kann. Wir wussten selber, dass das, was wir angeboten hatten, auf der einen Seite sehr gut und auf der anderen Seite desaströs war. Alle waren enttäuscht, von daher haben wir das Spiel erst in der Woche darauf aufgearbeitet und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass uns noch eine gewisse Ruhe und Abgeklärtheit sowie eine Klarheit in den Aktionen fehlt.

In Mainz hatten wir ein sehr gutes Spiel gemacht gegen eine Mannschaft, die aktuelle U20-Nationalspieler in ihren Reihen hatte. Dort war die Mannschaft in der Lage, abgeklärt zu spielen, aber aufgrund ihrer Jugendlichkeit und manchmal auch aufgrund fehlender Qualität gibt es immer wieder Phasen, in der ein Spiel auch mal zu unseren Ungunsten kippen kann. Es ist unsere Aufgabe, das zu verbessern. Das Kuriose in dieser Liga ist: du spielst mal gegen Mannschaften wie Köln, Gladbach, Mainz und Schalke, die durch eine spielerische Komponente und sehr gut ausgebildete junge Spieler geprägt sind. Auf der anderen Seite hast du dann Mannschaften wie Koblenz, Trier, Wuppertal oder Elversberg, die sehr robust und erfahren sind. Du spielst zwar das gleiche Spiel, aber gegen völlig unterschiedlich ausgerichtete Teams, es ist eine Kunst, dann auch immer wieder die richtigen Mittel zu finden.

Ich denke, dass unter dem Strich unser Ziel Platz 9 nach wie vor erreichbar ist. Und wenn man bedenkt, dass wir im Pokal gegen Union und Hertha sehr gute Spiele angeboten haben, dann kann man vielleicht sagen, dass in dieser Saison nicht alles rosarot ist, wir aber auch weit davon entfernt sind, die Saison als schlecht zu bezeichnen. In der Rückrunde geht es darum, einen besseren Punktschnitt als in der Hinrunde zu erreichen. Wenn uns das gelingen sollte, dann werden wir auch nicht weit von Platz 9 entfernt sein.

Waldemar WrobelJawattdenn.de:
In Bezug auf Saisonziele darf man auch den Niederrheinpokal nicht vergessen, oder?

Waldemar Wrobel:
Ok, der Niederrheinpokalsieg ist natürlich ein kleines Ziel, aber das ist schon schwierig, da wir dort der gejagte Verein sind. Und ein Spiel wie gegen Kray, bei dem sicher über 3.000 Zuschauer anwesend sein werden, ist Emotion pur. Auch das muss man erstmal gewinnen. Man kann nicht mal eben hinfahren und das Spiel nach Hause bringen.

Analog dazu erinnere ich an das Pokalspiel gegen Wuppertal, als wir der krasse Außenseiter waren, der mitten in der Insolvenz steckte. Wir haben sie mit 4:1 nach Hause geschickt, warum sollte das einer Mannschaft, die unter uns spielt, nicht auch gelingen? Wir werden natürlich alles tun, um das zu verhindern. Damit will ich einfach nur sagen: Das Spiel wird kein Selbstläufer. Pokal ist Pokal, es gibt keine Garantien. Wenn wir aber professionell und gut vorbereitet in dieses Spiel gehen, dann bin ich guter Dinge.

Jawattdenn.de:
Vielen Dank für das Interview!


Das Interview führten Hendrik Stürznickel und Michael Jaskolla vor dem Pokalspiel gegen den FC Kray