03.09.2011

Interview mit Timo Brauer

von Redaktion

Vor dem Spiel gegen den SC Verl sprachen wir mit unserem Kapitän Timo Brauer über die aktuelle Situation bei den Roten, seine blau-weiße Vergangenheit und über seinen Traum von der Bundesliga.


Jawattdenn.de:
Du kommst gerade vom Training. Wie ist die Stimmung im Team?

Timo Brauer:
Die Stimmung ist gut. Nach dem 0:0 in Koblenz wollen wir den Fans gegen Verl wieder drei Punkte schenken. Wenn wir uns steigern können, bin ich zuversichtlich, dass wir das schaffen.

Timo BrauerJawattdenn.de:
Du bist im Sommer 2009 von der A-Jugend von Schalke 04 zu RWE gekommen und warst ursprünglich für die Zweite Mannschaft vorgesehen. Nach ein paar Monaten bist du aber in die Erste Mannschaft aufgerückt und hast dort in der Rückrunde in einer eigentlich schwachen Mannschaft sehr überzeugen können. Hat dich dieser schnelle Aufstieg selbst etwas überrascht?

Timo Brauer:
Jein! Ich war zwar nur für die Zweite eingeplant, aber schon zu Beginn hat man mir mitgeteilt, dass ich, wenn ich meine Leistung bringe, die Chance bekomme oben mit zu trainieren und mich dort empfehlen kann. Ich habe dann natürlich alles gegeben, und schon vor der Winterpause durfte ich für die Erste Mannschaft auflaufen. Für die Rückrunde war ich dann fest oben eingeplant.

Jawattdenn.de:
Wie ist eigentlich der „Unfall“ Schalke 04 zu Stande gekommen?

Timo Brauer:
Das kam damals nach einem anderen „Unfall“: ETB. (lacht) Am Anfang habe ich bei Ballfreunde Bergeborbeck gespielt, bin in der D-Jugend zu ETB gegangen und ein Jahr später zu Schalke. Damals habe ich natürlich den großen Verein Schalke 04 gesehen mit den großen Spielern. Ich bin dann in die C1 vom S04 gewechselt, dort ins Internat gegangen und war unter anderem mit Mesut Özil und Sebastian Boenisch in einer Klasse. Bis zur A-Jugend bin ich dort geblieben und zum Glück erfolgte dann der Wechsel zu RWE. (lacht)

 Jawattdenn.de:
Auch wenn wir nicht gerne über unseren Nachbar aus Gelsenkirchen reden: Wie ist es dort im Internat?

Timo Brauer:
Wenn ich zurückblicke, bin ich froh, dass ich dort war. Ich habe fußballerisch und persönlich eine Menge gelernt. Am Ende meiner Zeit dort war ich mit den Verantwortlichen aber nicht mehr auf einer Wellenlänge.

Jawattdenn.de:
Als Jugendspieler steht man schon unter einem enormen Druck, weil von 25 Jungs aus dem eigenen Jahrgang vielleicht fünf wirklich den Durchbruch schaffen und die ganze Zeit gesiebt wird. Hat man da wirklich noch Spaß am Fußball und lebt man als Team, oder ist der Konkurrenzdruck dafür einfach zu hoch?

Timo Brauer:
Konkurrenzdruck gibt es natürlich immer, aber ich spiele Fußball, um Spaß zu haben. Mit diesem Druck muss man klar kommen im Profifußball, und ich versuche trotzdem weiter, auf dem Platz Spaß zu haben. Gerade bei Kindern kann die Konkurrenzsituation auch negative Auswirkungen haben, aber ohne Druck geht es nicht.

Timo Brauer Regionalliga 2009/10Jawattdenn.de:
Im Sommer 2010 musste RWE zwangsabsteigen. Du hattest Angebote von Bremen II und Dortmund II, bist aber trotzdem bei RWE geblieben. Warum mit RWE in die NRW-Liga, wenn du woanders die Möglichkeit gehabt hättest, Regionalliga zu spielen?

Timo Brauer:
In der Nachbetrachtung muss ich sagen, dass es für mich persönlich eher ein Aufstieg als ein Abstieg war. Werder Bremen hätte mich gerne verpflichtet, dann kam es aber zur Situation, dass ausgeliehene Spieler zu Werder zurück kamen, die eigentlich nicht eingeplant waren und dann zur Zweiten Mannschaften rückten. Borussia Dortmund hätte mich unter Vertrag genommen, aber ich denke, als junger Spieler sollte man Fußball spielen. Es bringt dich nicht weiter, wenn du irgendwo nur auf der Bank sitzt. Aus Schalke kannte ich auch noch die Situation, dass Profis zur Zwoten runterkommen, und egal was man im Training für eine Leistung bringt, die Profis spielen dann eben. Man kann sich nur entwickeln, wenn man spielt. Ich wusste, dass ich hier eine wichtige Rolle einnehmen würde, und Damian Jamro und Waldemar Wrobel haben sich sehr um mich bemüht und die ganze Zeit den Kontakt gehalten. Wenn man sich wohl fühlen will, muss man das passende Umfeld haben, und das hat hier in Essen genau gepasst.

Jawattdenn.de:
In einem anderen Interview hast du mal gesagt, dein Traum wäre es, irgendwann in der Bundesliga zu spielen. Realistisch betrachtet wirst du diesen Traum bei RWE nicht erfüllen können. Manchmal wirkt es so, als würde deine Vereinstreue zu RWE deiner persönlichen sportlichen Weiterentwicklung etwas im Wege stehen und do woanders sportlich eventuell noch bessere Perspektiven hättest. Kannst du solche Gedanken nachvollziehen?

Timo Brauer:
Ich hoffe natürlich, mit RWE meinen Traum vom Profifußball erfüllen zu können, das wäre das Größte. Bis wir dort sind, wir das natürlich aber noch einige Jahre dauern. Ich sehe die Zeit bei RWE aber auch nicht als Rückschritt oder Stagnation an, denn hier kann ich mich etablieren. Mit 21 Jahren Kapitän in der Regionalliga ist wahrscheinlich einmalig. Rot-Weiss ist nicht Schalke II, Elversberg oder Koblenz. Hier ist man als junger Spieler durchaus im Fokus der Öffentlichkeit und erregt Aufmerksamkeit. Ich will auf jeden Fall Fußball spielen und bekomme hier die Möglichkeit dazu.

Timo Brauer Regionalliga 2009/10Jawattdenn.de:
Sascha Mölders ist bekanntlich auch eingefleischter Rot-Weisser, aber durch seine beiden Wechsel konnte er sich sportlich enorm verbessern und schießt jetzt seine Tore in der Bundesliga. Es kann also auch schnell gehen…

Timo Brauer:
Natürlich. Ich weiß auch, welche Qualitäten ich besitze und es ist nach wie vor mein Ziel, früher oder später in der Bundesliga aufzulaufen. Wichtig ist dabei, dass man sich wohlfühlt, dann wird man das Ziel auch irgendwann erreichen. Würde ich beispielsweise ein Angebot von den Bayern bekommen und nach München wechseln, würde ich dort niemals spielen und in die Zweite Mannschaft abgeschobene werden. Wenn ich nur auf der Bank sitze, entwickele ich mich nicht mehr.

Jawattdenn.de:
Die letzte Saison kann man schon als „perfekt“ bezeichnen. War das die bisher schönste Spielzeit der Karriere?

Timo Brauer:
Ja, auf jeden Fall! Im Seniorenbereich bin ich jetzt im dritten Jahr und habe noch nicht so viel mitgemacht, aber bei Rot-Weiss Essen habe ich schon alles erlebt. Aufstieg, Abstieg Insolvenz... Das letzte Jahr war da definitiv das schönste. Jetzt ging es ja schon super weiter, mit dem Einzug in die zweite Runde des DFB-Pokals, und wir hoffen natürlich, die anderen Berliner auch noch aus dem Pokal zu kegeln…

Jawattdenn.de:
…um dann nach Berlin zu fahren…

Timo Brauer:
…das wäre natürlich ideal! (lacht)

Jawattdenn.de:
Wenn wir auf die letzte Saison zurückblicken, wie würdest du das Jahr zusammenfassen?

Timo Brauer:
Am Anfang hatte ich natürlich schon Zweifel, ob der Gang in die NRW-Liga die richtige Wahl war, aber es wurde einfach eine perfekte Saison. Es ging ja schon traumhaft los mit Thammis Fallrückzieher und in der Winterpause haben wir uns schon vorstellen können, dass da was gehen kann. Noch wichtiger war und ist aber, dass sich die Mannschaft mit den Fans identifizieren kann und umgekehrt. Das hilft uns sehr viel, auch in der Regionalliga. Wenn wir das zusammen angehen und man nicht direkt ausgepfiffen wird, dann kann hier etwas entstehen.

Timo Brauer im Spiel gegen Borussia MöchengladbachJawattdenn.de:
Vincent Wagner war sehr enttäuscht, dass am ersten Spieltag gegen Mainz II trotz 2:0-Führung in einer etwas schwächeren Phase Pfiffe gegen die eigene Mannschaft gab. Wie nimmt man als Spieler solche Pfiffe war, wenn man vorher zwölf Monate überragend gespielt hat?

Timo Brauer:
Ich war leider verletzt, aber habe die Pfiffe von der Tribüne natürlich auch wahrgenommen. So etwas ist in meinen Augen unverständlich. Manchmal will man zwar, aber kann einfach nicht, und in solch einer Situation sind Pfiffe, wenn auch nur vereinzelt, natürlich nicht förderlich. So ist aber leider das Fußballgeschäft und wir müssen damit leben.

Jawattdenn.de:
Für die Fans bist du ein Idol, in fast jedem Heimspiel wirst du als "Timo Brauer Fußballgott" gefeiert, und das mit gerade 21 Jahren. Wie fühlt sich das an?

Timo Brauer:
Das ist natürlich ein großes Lob und eine große Anerkennung, die ich mir aber auch selber erarbeitet habe. Ich bin damals bei meinem Wechsel nach Essen ja nicht als der große Messias gefeiert worden, sondern habe mich hochgearbeitet. Trotzdem sehe ich mich aber als ganz normalen Jungen und habe das Glück, dass ich ein bisschen Fußball kicken kann. Wenn die Fans mich als Vorbild sehen, freut mich das natürlich, aber ich bin immer noch der normale Timo.

Jawattdenn.de:
Welche besonderen Pflichten und Aufgaben hast du als Mannschaftskapitän?

Timo Brauer:
Auf dem Platz bin ich der verlängerte Arm des Trainers, aber ich übernehme die Verantwortung nicht nur, weil ich Kapitän bin. Würde ich die Binde nicht tragen, wäre ich genauso bereit, Verantwortung zu übernehmen. Natürlich ist es etwas besonderes, wenn man die Mannschaft auf den Platz führt, aber dadurch darf sich niemand blenden lassen. Letztlich müssen wir alle Verantwortung tragen, damit wir als Mannschaft funktionieren.

Jawattdenn.de:
Im letzten Jahr wart ihr unheimlich erfolgreich, die Stimmung innerhalb der Mannschaft ist super, bei den Fans habt ihr großen Kredit...wer sorgt dafür, dass ihr nicht abhebt?

Timo Brauer:
Dafür ist einerseits unser Trainer zuständig, der uns immer auf den Boden der Tatsachen zurückholt. Andererseits sorgen wir innerhalb der Manschaft dafür, dass wir nicht abheben. Für jeden von uns ist es etwas Besonderes, hier zu spielen, und daher überdreht auch keiner. Sehr wichtig ist, dass wir menschlich alle auf einer Wellenlänge sind. In der letzten Saison wurden wir häufig mit Dortmund verglichen, wo eine junge Truppe mit einem guten Zusammenhalt am Ende Deutscher Meister wurde. Als Gegenbeispiel dient Chelsea, die seit Jahren die besten Leute zusamenkaufen, aber keinen Erfolg damit haben...

Jawattdenn.de:
...oder auch Wolfsburg...

Kapitäne unter sich - Timo Brauer und Mats HummelsTimo Brauer:
...genau, das "System Felix Magath". (lacht)

Jawattdenn.de:
Unternehmt ihr auch außerhalb der Hafenstraße gemeinsame Sachen?

Timo Brauer:
Ja! Man kann zwar nicht immer mit 27 Mann unterwegs sein, aber wenn wir was machen, ist ein Großteil immer dabei.

Jawattdenn.de:
Was machst du "hauptberuflich", also neben dem Kicken für RWE?

Timo Brauer:
Ich habe ein Fernstudium begonnen, BWL und Wirtschaftspsychologie. Mein Hauptaugenmerk liegt natürlich auf dem Fußball, aber es ist wichtig, ein zweites Standbein zu haben, und gerade im Fernstudium ist man sehr flexibel.

Jawattdenn.de:
Hast du eigentlich einen Berater?

Timo Brauer:
Ja. In der vierten und auch fünften Liga ist das durchaus üblich, gerade wenn man aus der Jugend eines Profivereins kommt.

Jawattdenn.de:
Das neue Stadion wird gebaut. Endlich! Wie wichtig ist das für euch als Spieler?

Timo Brauer:
Für uns Spieler ist es natürlich ein Highlight, ein neues Stadion, ein neues Wohnzimmer zu bekommen. Ich glaube für die Fans ist das aber noch wichtiger nach den jahrelangen Querelen. Ich persönlich glaube auch erst daran, wenn das Stadion steht, hier in Essen ist ja vieles möglich! (lacht) Ich hoffe, dass die Stimmung genauso geil sein wird wie jetzt im Georg-Melches-Stadion.

Jawattdenn.de:
Wird man auch bisschen wehmütig? Bald müssen wir uns von diesem Stadion trennen...

Timo Brauer:
Definitiv! Ich habe mich immer gefreut und ich freue mich immer, wenn ich hier Spiele geguckt habe oder jetzt selbst spiele. Für mich ist das noch wahrer, ehrlicher Fußball. Man wird sehen, wie sich das im neuen Stadion entwickelt.

Jawattdenn.de:
Spannend wird auch deine persönliche Entwicklung sein. Du besitzt einen Vertrag bis Saisonende, wie geht es danach weiter?

Timo Brauer:
Primär will ich Fußball spielen und diese Spielzeit möglichst erfolgreich gestalten. Ich spiele nicht Fußball, um irgendwo im Mittelfeld rumzueiern, sondern wir als Mannschaft versuchen jedes Spiel zu gewinnen. Über den nächsten Sommer und die Zeit danach habe ich mir noch gar keine Gedanken gemacht. Ich versuche meine Leistung aus der letzten Saison zu bestätigen oder noch zu steigern, und der Rest kommt von alleine.

Jawattdenn.de:
Wir bedanken uns für dieses Interview und wünschen Dir viel Erfolg in den kommenden Spielen!


Das Interview führten Fabian Jerrentrup und Marcel Rotzoll