23.10.2012

Interview mit Teammanager Damian Jamro - "Man muss von seinem Weg überzeugt sein!"

von Redaktion

Damian Jamro feierte am 17. Oktober seinen 40. Geburtstag. Da er seit mehr als einem Viertel seines Lebens bei RWE arbeitet und dabei schon fast jeden erdenklichen Job beim Verein erledigt hatte, war dies nun Grund genug, ihn zu seiner bewegenden Zeit bei Rot-Weiss Essen zu befragen.

Wir kamen in die neue Geschäftsstelle, und es hat sich eine Menge geändert. Es präsentierte sich uns ein Bürokomplex, wie er nicht ansatzweise mit der alten Geschäftsstelle vergleichbar ist. Das Gewusel früherer Zeiten scheint passé, es wirkt eher ausgestorben. Wir sind zu früh und Damian Jamro erledigt noch Telefonate. Der Vater einer Tochter ließ allerdings nicht lange auf sich warten und beantwortete unsere Fragen:

Damian JamroJawattdenn.de:
Herr Jamro, seit wann arbeiten sie für RWE?

Damian Jamro:
Seit August 2001.

Jawattdenn.de:
Damals aber noch als Spieler?

Damian Jamro:
Nein, überhaupt nicht. Ich habe damals in Bochum Sportmanagement studiert und bin dort in Kontakt zu Markus Buchberger, ehemaliges Vorstandsmitglied von Rot-Weiss Essen, gekommen. Er fragte, ob es Interessenten für ein Praktikum bei RWE gäbe und da ich selbst Fußball gespielt hatte, war das für mich eine interessante Geschichte. Ich habe mich bei Nico Schäfer vorgestellt und habe die Zusage für ein drei Monate andauerndes Praktikum erhalten. Danach kam die Anfrage, ob ich neben meinem Studium bei RWE mitarbeiten könnte. Die Geschäftsstelle war damals, anders als heute, nur mit wenigen Mitarbeitern besetzt. Auch das habe ich dann gemacht. RWE war damals ja kein kleiner Verein, sondern ein Drittligist mit Ambitionen in die zweite Liga aufzusteigen. Von daher war es eine gute Möglichkeit eine erste Arbeit neben dem Studium aufzunehmen. Als ich mein Studium beendet hatte, kam die Anfrage, ob ich auch Vollzeit hier arbeiten möchte. Auch das wollte ich und erst dann kam die Geschichte mit dem Fußball dazu.

Jürgen Grundheber fragte damals an, ob ich mir vorstellen könnte für die Zweite Mannschaft zu spielen. Ich habe zuvor in der Verbands- und der damaligen Dritten Liga, der Oberliga Westfalen, gespielt. Auch das fand ich gut, weil ich vom Büro aus direkt zum Training gehen konnte. Das sehe ich heute mit gemischten Gefühlen, weil ich so den ganzen Tag bei Rot-Weiss Essen gewesen bin, ohne eine Ablenkung zu haben. Sportlich gesehen, war es allerdings die richtige Entscheidung. Wir haben damals versucht, in die Verbandsliga aufzusteigen, ich habe es als Spieler aber nicht geschafft.

Mit 32 kam die Anfrage von Frank Kontny, ob ich Lust hätte die Zweite Mannschaft sportlich zu übernehmen. Das habe ich dann als Co-Trainer von Harry Kügler und gleichzeitig als Abteilungsleiter der U 23 ebenfalls gemacht und wir sind nach zwei Jahren schließlich in die Verbandsliga aufgestiegen. Dann kam der Trainerwechsel zu Michael Kulm. Unter ihm sind wir wieder nach zwei Jahren aufgestiegen und Michael wechselte zur I. Mannschaft als Chef-Trainer. Der nächste Trainer war dann Kalle Pflipsen, der sich leider bereits nach einem halben Jahr wieder verabschiedete, weil er andere Vorstellungen hatte und sich verändern wollte. Wir haben dann gemeinsam mit Thomas Strunz überlegt, wer die zweite Mannschaft fortan betreuen könnte. Wir haben viele Gespräche geführt und uns dann für Waldemar Wrobel entschieden. Die Mannschaft hat sich im zweiten Halbjahr unter ihm sehr gut entwickelt. Sie ist von einem Abstiegsplatz ins vordere Drittel der NRW-Liga aufgerückt. Wir haben daraufhin die Zusammenarbeit fortgesetzt und das Team wurde in der kommenden Saison Fünfter. Und dann kamen die großen Probleme bei RWE.

Wir mussten die Kaderplanung für die U 23 für die Saison 2010/2011 fünfmal verändern, weil immer wieder neue Vorgaben bekommen haben. Es war eine harte Zeit, weil man das Endergebnis, also die Insolvenz, erstmal nicht hat kommen sehen. Wir mussten damals immer wieder neu mit den Spielern sprechen, da wir immer wieder mehr einsparen mussten. Schließlich kam der Super-GAU mit der Insolvenz und da hat man sich nicht gut gefühlt, weil man gar nicht wusste, wie es weitergeht. Es dauerte 7-10 Tage bis der Anruf von Dietmar Bückemeyer kam. Es sollte weitergehen und eine neue Erste Mannschaft zusammengestellt werden. Dies war eine extreme Gefühlslage. Zuerst empfand ich wegen der Insolvenz Niedergeschlagenheit und dann bekommt man die Verantwortung für die Zusammenstellung der Ersten Mannschaft.

Jawattdenn.de:
Wie funktioniert so eine Zusammenstellung einer ganzen Mannschaft? Den Grundstock bildete damals die U23, aber Neuzugänge wie Kevin Grund, Kevin Lehmann oder Benedikt Koep, der damals in der Winterpause kam und sofort überzeugt, woher kennt man solche Spieler?

Immer mti auf der Trainerbank - Damian JamroDamian Jamro:
Es war ja nicht das erste Mal, dass man eine Mannschaft zusammenstellt. Man hat die Erfahrungswerte aus den vergangen Spielzeiten der U 23 und aus seiner persönlichen Spielerkarriere. Außerdem kannten wir die NRW-Liga sehr gut. Natürlich konnten wir nicht mehr durch ganz Deutschland fahren und Spieler beobachten, aber wir kannten unser Gebiet. Auch jetzt schauen wir uns viele Spiele in der Regionalliga, der A-Jugend-Bundesliga und der Oberliga an. Wir sind durchaus präsent, wenn ein Spieler für uns interessant erscheint. Dann beobachten wir seine Leistungsstärke und müssen beurteilen, ob er uns sportlich verbessern kann. Wenn der Spieler uns dann leistungsmäßig und charakterlich weiterbringt, liegt es an mir mit dem Spieler oder seinem Berater den Vertrag auszuhandeln, immer im Rahmen der Möglichkeiten, die wir vorgegeben bekommen.

Bei Bene Koep war es so, dass wir ihn ein halbes Jahr in der NRW-Liga beobachten konnten. Mit Kleve hat er in der gleichen Liga gespielt und nach der bekannten Geschichte von Kleve haben wir den Kader durchgeschaut, ob da jemand dabei ist, der uns weiterhelfen könnte. Dabei kamen wir auf Bene und er hat dann eine Woche bei uns vorgespielt. Er hat sich im Rahmen dieser Woche sehr gut verkauft. Es war dann nicht mehr schwer, Bene Koep für den Verein zu begeistern, weil er auch gesehen hat, was hier entsteht. Für uns war das ein Glücksgriff, weil er sofort ganz wichtige Tore geschossen hat und auch heute ein absoluter Leistungsträger ist.

Jawattdenn.de:
Wie haben Sie die endgültige Verkündung der Insolvenz erlebt?

Damian Jamro:
Das war an dem Tag, als man dem DFB die Bürgschaft vorlegen musste. Bei Rot-Weiss Essen hat es vorher eigentlich immer irgendwie funktioniert. Deswegen hatte ich das Gefühl, dass es auch dieses Mal irgendwie gut gehen wird. Man hat den Prozess erlebt, da man immer wieder hörte, dass wir bei der U23 Geld einsparen müssen. Beim ersten Mal denkt man sich noch nichts, beim zweiten Mal macht man sich schon Gedanken, wo das hingehen könnte, aber schließlich blieb immer das positive Gefühl, dass es schon gut gehen würde. An dem Tag, als es nicht gut ausging, kam der Vorstand dann zur Geschäftsstelle und hat verkündet, dass es nicht geklappt hat und man parallel nun die Insolvenz anmeldet.

Da man nun nicht tagtäglich mit einer Insolvenz zu tun und wusste man auch nicht, was auf einen zukommt und wie es weitergeht. Da gingen mir schon einige Dinge durch den Kopf.

Damian Jamro und Dennis Lamczyk bei der Trikotpräsentation 2012Jawattdenn.de:
Es geht in diesem Moment ja auch um den eigenen Job…

Damian Jamro:
…Klar geht es auch um einen persönlich. Es ging aber nicht nur um mich, sondern um einige Leute, die damals für RWE gearbeitet haben. Es sind viele dabei, die teilweise noch länger bei Rot-Weiss Essen sind als ich. Da macht man sich automatisch über den Verein, aber auch um seine eigene Zukunft Gedanken. Diese Gedanken kamen aber uns allen.

Jawattdenn.de:
Wer hatte dann die Idee mit Waldemar Wrobel, als es schließlich weiterging?

Damian Jamro:
Damals war Dietmar Bückemeyer Aufsichtsratsvorsitzender und hat die Tätigkeiten des Vorstands kommissarisch übernommen. Er hat dann die Entscheidung getroffen, uns beiden die Verantwortung zu übergeben. Er hat dann erst einmal Waldemar Wrobel informiert, weil ich mich zum damaligen Zeitpunkt schon im Urlaub befunden hatte, was schlussendlich aber kein Urlaub war, weil ich tagtäglich nur noch telefoniert hatte. Durch meine Funktion als Team-Manager war ich damals das Bindeglied zwischen Verein und Mannschaft und so haben mich viele angerufen, um zu erfahren, wie es im Verein weitergehen wird.

Am 4. oder 5. Urlaubstag kam dann der Anruf bei mir an, dass wir ab sofort die Verantwortung für die I. Mannschaft haben. Zwei Tage später saßen Waldemar und ich auf der Aida, weil der Urlaub schon vorher so geplant war und machten uns Gedanken, wie es weitergehen sollte. Wir versuchten von dort aus, die ersten wichtigen Gespräche zu führen und die Spieler der U23 zu halten. Sie sollten eine wichtige Achse der neuen Mannschaft bilden. Bei der Planung der Ersten Mannschaft muss man aber auch andere Gedankengänge haben, die aus der Erfahrung im Umgang mit der Zweiten Mannschaft resultieren. Es war eine junge Mannschaft, der teilweise die Erfahrung fehlte. Das haben wir insbesondere in der Rückrunde gemerkt, als Markus Kurth oder Michael Lorenz in der U23 ausgeholfen haben, um die Mannschaft zu stabilisieren. Deswegen haben wir auch über erfahrenere Spieler nachgedacht, die wir für Rot-Weiss Essen möglicherweise gewinnen könnten. Dann kommen Kontakte auf, man kennt Spieler, einige werden einem zugetragen und manchmal gibt es auch glückliche Umstände, dass alles so zusammenläuft.

Jawattdenn.de:
Wie läuft das Scouting heute für Rot-Weiss Essen? Beschränkt man sich nur auf diese Liga oder wird auch höherklassig geschaut?

Eingespieltes Team - Damian Jamro und Waldemar WrobelDamian Jamro:
Es ist keine direkte Scouting-Abteilung da, in der zwanzig Mann arbeiten und durch Deutschland fahren und sich Spieler für Rot-Weiss Essen anschauen. Wir machen vieles noch selbst. Auf der einen Seite machen wir die Spielbeobachtung, also schauen uns die nächsten Gegner an. Man sieht also Siegen und Wuppertal in dieser Saison sehr häufig, weil sie oft gegen die Mannschaften antreten, gegen die wir als nächstes spielen. Dadurch bekommt man sehr viele Spiele aus der Regionalliga mit. Man ist viel in der A-Jugend-Bundesliga unterwegs. Wir haben auch ein, zwei Scouts, die für uns unterwegs sind. Aus allen Informationen stellt man sich dann etwas zusammen.

Wir sind aktuell dabei, eine Scouting-Software zu installieren, in der man die Daten noch präziser zusammenstellen kann. Dabei geht es auch um trainingsbegleitende Maßnahmen, die man dann dokumentieren kann. Im Moment läuft der Scouting-Bereich für den Seniorenbereich aber fast komplett über das Funktionsteam: Waldemar Wrobel, Michael Dier, Robin Krüger und meine Wenigkeit plus unseren Scout Bodo Krüger.

Jawattdenn.de:
Wie sieht die tägliche Zusammenarbeit mit dem Trainer und dem Funktionsteam aus?

Damian Jamro:
Wir sprechen uns nahezu täglich ab. Es findet ja fast täglich ein Training statt und so werden die Schwerpunkte, die in eine Trainingswoche gelegt werden, ebenfalls vorab besprochen. Diese Schwerpunkte resultieren auch aus den Spielbeobachtungen der Vorwochen. Das bedeutet, dass Stärken und Schwächen des kommenden Gegners besprochen werden und darauf im Training auch Rücksicht genommen wird. Es wird regelmäßig über den Stand der verletzen Spieler gesprochen und organisatorische Dinge besprochen. Oder einfach nur, wie die Jungs drauf sind. Da die Geschäftsstelle auch im Stadion und somit auch nah am Trainingsgelände ist, gibt es immer wieder einen regelmäßigen Austausch zu allen wichtigen Themen.

Jawattdenn.de:
Sie sind auch in die Vertragsverhandlungen involviert?

Damian Jamro:
Ja, komplett.

Jawattdenn.de:
Wer entscheidet am Ende über die Verpflichtung eines Spielers?

Damian Jamro:
Unser Credo ist, dass am Ende alle von einem Spieler überzeugt sein müssen. Sobald einer ein negatives Gefühl hat und dies äußert, wird die Verpflichtung sofort in Frage gestellt und neu diskutiert. In der Hauptsache sind es Waldemar Wrobel und ich, die die Gespräche führen, manchmal auch Michael Welling. Aber am Ende müssen wir alle davon überzeugt sein. Wir sind damit bislang sehr gut gefahren und am Ende waren wir bei jeder Verpflichtung einer Meinung, dass uns dieser Spieler nach vorne bringen wird.

Jawattdenn.de:
Es wurde immer gesagt, dass in der Winterpause nur Spieler verpflichtet werden, die ins Anforderungsprofil passen und die RWE auch auf Sicht weiterbringen. In der vergangenen Winterpause haben Sie keinen Neuzugang präsentiert, was bei dem Umfeld hier schon ein mutiger Schritt war. Ist man dieses „Risiko“ bewusst gegangen?

Damian Jamro:
Ja, weil es eine besondere Situation war. Wenn wir in die NRW-Liga-Saison zurückgehen, als wir Benedikt Koep verpflichtet haben, war die Situation eine andere, denn damals ging es um etwas. Man konnte auf- und absteigen und wir hatten uns positiv in der NRW-Liga positioniert. Die Gesamtentwicklung war positiv und wir hatten die Möglichkeit oben mitzuspielen. Wir haben damals analysiert, dass wir, wenn wir uns in der vordersten Reihe noch verbessern, weiterhin oben mitspielen könnten. Das war also eine Entscheidung für diese aktuelle Situation. Dass es am Ende so goldrichtig war, kann man vorher nicht erahnen, man fühlt sich aber bestätigt, dass man alles richtig gemacht hat.

Im letzten Jahr hätten wir nach vorne nichts mehr reißen können, sondern nur noch die Position verbessern können. Außerdem hatten wir nicht den Eindruck, dass jemand dabei war, der uns hätte nach vorne bringen können. Wir haben Gespräche mit dem einen oder anderen Spieler geführt, aber es war unter anderem durch die Neustrukturierung der Regionalliga nicht möglich, diese Spieler von unserer sportlichen Situation zu überzeugen. Andere wollten auch nicht über das halbe Jahr hinaus gucken. Es war im Nachhinein auch richtig, da es keine Spieler gab, die uns entscheidend nach vorne gebracht hätten. Wir haben uns dann mehr auf die Verpflichtungen für die neue Saison konzentriert.

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