Interview mit Teammanager Damian Jamro - "Man muss von seinem Weg überzeugt sein!"
Damian Jamro feierte am 17. Oktober seinen 40. Geburtstag. Da er seit mehr als einem Viertel seines Lebens bei RWE arbeitet und dabei schon fast jeden erdenklichen Job beim Verein erledigt hatte, war dies nun Grund genug, ihn zu seiner bewegenden Zeit bei Rot-Weiss Essen zu befragen.
Wir kamen in die neue Geschäftsstelle, und es hat sich eine Menge
geändert. Es präsentierte sich uns ein Bürokomplex, wie er nicht
ansatzweise mit der alten Geschäftsstelle vergleichbar ist. Das Gewusel
früherer Zeiten scheint passé, es wirkt eher ausgestorben. Wir sind zu
früh und Damian Jamro erledigt noch Telefonate. Der Vater einer Tochter
ließ allerdings nicht lange auf sich warten und beantwortete unsere
Fragen:
Jawattdenn.de:
Herr Jamro, seit wann arbeiten sie für RWE?
Damian Jamro:
Seit August 2001.
Jawattdenn.de:
Damals aber noch als Spieler?
Damian Jamro:
Nein, überhaupt nicht. Ich habe damals in Bochum
Sportmanagement studiert und bin dort in Kontakt zu Markus Buchberger,
ehemaliges Vorstandsmitglied von Rot-Weiss Essen, gekommen. Er fragte,
ob es Interessenten für ein Praktikum bei RWE gäbe und da ich selbst
Fußball gespielt hatte, war das für mich eine interessante Geschichte.
Ich habe mich bei Nico Schäfer vorgestellt und habe die Zusage für ein
drei Monate andauerndes Praktikum erhalten. Danach kam die Anfrage, ob
ich neben meinem Studium bei RWE mitarbeiten könnte. Die Geschäftsstelle
war damals, anders als heute, nur mit wenigen Mitarbeitern besetzt.
Auch das habe ich dann gemacht. RWE war damals ja kein kleiner Verein,
sondern ein Drittligist mit Ambitionen in die zweite Liga aufzusteigen.
Von daher war es eine gute Möglichkeit eine erste Arbeit neben dem
Studium aufzunehmen. Als ich mein Studium beendet hatte, kam die
Anfrage, ob ich auch Vollzeit hier arbeiten möchte. Auch das wollte ich
und erst dann kam die Geschichte mit dem Fußball dazu.
Jürgen Grundheber fragte damals an, ob ich mir vorstellen könnte für die
Zweite Mannschaft zu spielen. Ich habe zuvor in der Verbands- und der
damaligen Dritten Liga, der Oberliga Westfalen, gespielt. Auch das fand
ich gut, weil ich vom Büro aus direkt zum Training gehen konnte. Das
sehe ich heute mit gemischten Gefühlen, weil ich so den ganzen Tag bei
Rot-Weiss Essen gewesen bin, ohne eine Ablenkung zu haben. Sportlich
gesehen, war es allerdings die richtige Entscheidung. Wir haben damals
versucht, in die Verbandsliga aufzusteigen, ich habe es als Spieler aber
nicht geschafft.
Mit 32 kam die Anfrage von Frank Kontny, ob ich Lust hätte die Zweite
Mannschaft sportlich zu übernehmen. Das habe ich dann als Co-Trainer von
Harry Kügler und gleichzeitig als Abteilungsleiter der U 23 ebenfalls
gemacht und wir sind nach zwei Jahren schließlich in die Verbandsliga
aufgestiegen. Dann kam der Trainerwechsel zu Michael Kulm. Unter ihm
sind wir wieder nach zwei Jahren aufgestiegen und Michael wechselte zur
I. Mannschaft als Chef-Trainer. Der nächste Trainer war dann Kalle
Pflipsen, der sich leider bereits nach einem halben Jahr wieder
verabschiedete, weil er andere Vorstellungen hatte und sich verändern
wollte. Wir haben dann gemeinsam mit Thomas Strunz überlegt, wer die
zweite Mannschaft fortan betreuen könnte. Wir haben viele Gespräche
geführt und uns dann für Waldemar Wrobel entschieden. Die Mannschaft hat
sich im zweiten Halbjahr unter ihm sehr gut entwickelt. Sie ist von
einem Abstiegsplatz ins vordere Drittel der NRW-Liga aufgerückt. Wir
haben daraufhin die Zusammenarbeit fortgesetzt und das Team wurde in der
kommenden Saison Fünfter. Und dann kamen die großen Probleme bei RWE.
Wir mussten die Kaderplanung für die U 23 für die Saison 2010/2011
fünfmal verändern, weil immer wieder neue Vorgaben bekommen haben. Es
war eine harte Zeit, weil man das Endergebnis, also die Insolvenz,
erstmal nicht hat kommen sehen. Wir mussten damals immer wieder neu mit
den Spielern sprechen, da wir immer wieder mehr einsparen mussten.
Schließlich kam der Super-GAU mit der Insolvenz und da hat man sich
nicht gut gefühlt, weil man gar nicht wusste, wie es weitergeht. Es
dauerte 7-10 Tage bis der Anruf von Dietmar Bückemeyer kam. Es sollte
weitergehen und eine neue Erste Mannschaft zusammengestellt werden. Dies
war eine extreme Gefühlslage. Zuerst empfand ich wegen der Insolvenz
Niedergeschlagenheit und dann bekommt man die Verantwortung für die
Zusammenstellung der Ersten Mannschaft.
Jawattdenn.de:
Wie funktioniert so eine Zusammenstellung einer ganzen
Mannschaft? Den Grundstock bildete damals die U23, aber Neuzugänge wie
Kevin Grund, Kevin Lehmann oder Benedikt Koep, der damals in der
Winterpause kam und sofort überzeugt, woher kennt man solche Spieler?
Damian Jamro:
Es war ja nicht das erste Mal, dass man eine Mannschaft
zusammenstellt. Man hat die Erfahrungswerte aus den vergangen
Spielzeiten der U 23 und aus seiner persönlichen Spielerkarriere.
Außerdem kannten wir die NRW-Liga sehr gut. Natürlich konnten wir nicht
mehr durch ganz Deutschland fahren und Spieler beobachten, aber wir
kannten unser Gebiet. Auch jetzt schauen wir uns viele Spiele in der
Regionalliga, der A-Jugend-Bundesliga und der Oberliga an. Wir sind
durchaus präsent, wenn ein Spieler für uns interessant erscheint. Dann
beobachten wir seine Leistungsstärke und müssen beurteilen, ob er uns
sportlich verbessern kann. Wenn der Spieler uns dann leistungsmäßig und
charakterlich weiterbringt, liegt es an mir mit dem Spieler oder seinem
Berater den Vertrag auszuhandeln, immer im Rahmen der Möglichkeiten, die
wir vorgegeben bekommen.
Bei Bene Koep war es so, dass wir ihn ein halbes Jahr in der NRW-Liga
beobachten konnten. Mit Kleve hat er in der gleichen Liga gespielt und
nach der bekannten Geschichte von Kleve haben wir den Kader
durchgeschaut, ob da jemand dabei ist, der uns weiterhelfen könnte.
Dabei kamen wir auf Bene und er hat dann eine Woche bei uns vorgespielt.
Er hat sich im Rahmen dieser Woche sehr gut verkauft. Es war dann nicht
mehr schwer, Bene Koep für den Verein zu begeistern, weil er auch
gesehen hat, was hier entsteht. Für uns war das ein Glücksgriff, weil er
sofort ganz wichtige Tore geschossen hat und auch heute ein absoluter
Leistungsträger ist.
Jawattdenn.de:
Wie haben Sie die endgültige Verkündung der Insolvenz erlebt?
Damian Jamro:
Das war an dem Tag, als man dem DFB die Bürgschaft
vorlegen musste. Bei Rot-Weiss Essen hat es vorher eigentlich immer
irgendwie funktioniert. Deswegen hatte ich das Gefühl, dass es auch
dieses Mal irgendwie gut gehen wird. Man hat den Prozess erlebt, da man
immer wieder hörte, dass wir bei der U23 Geld einsparen müssen. Beim
ersten Mal denkt man sich noch nichts, beim zweiten Mal macht man sich
schon Gedanken, wo das hingehen könnte, aber schließlich blieb immer das
positive Gefühl, dass es schon gut gehen würde. An dem Tag, als es
nicht gut ausging, kam der Vorstand dann zur Geschäftsstelle und hat
verkündet, dass es nicht geklappt hat und man parallel nun die Insolvenz
anmeldet.
Da man nun nicht tagtäglich mit einer Insolvenz zu tun und wusste man
auch nicht, was auf einen zukommt und wie es weitergeht. Da gingen mir
schon einige Dinge durch den Kopf.
Jawattdenn.de:
Es geht in diesem Moment ja auch um den eigenen Job…
Damian Jamro:
…Klar geht es auch um einen persönlich. Es ging aber nicht
nur um mich, sondern um einige Leute, die damals für RWE gearbeitet
haben. Es sind viele dabei, die teilweise noch länger bei Rot-Weiss
Essen sind als ich. Da macht man sich automatisch über den Verein, aber
auch um seine eigene Zukunft Gedanken. Diese Gedanken kamen aber uns
allen.
Jawattdenn.de:
Wer hatte dann die Idee mit Waldemar Wrobel, als es schließlich weiterging?
Damian Jamro:
Damals war Dietmar Bückemeyer Aufsichtsratsvorsitzender
und hat die Tätigkeiten des Vorstands kommissarisch übernommen. Er hat
dann die Entscheidung getroffen, uns beiden die Verantwortung zu
übergeben. Er hat dann erst einmal Waldemar Wrobel informiert, weil ich
mich zum damaligen Zeitpunkt schon im Urlaub befunden hatte, was
schlussendlich aber kein Urlaub war, weil ich tagtäglich nur noch
telefoniert hatte. Durch meine Funktion als Team-Manager war ich damals
das Bindeglied zwischen Verein und Mannschaft und so haben mich viele
angerufen, um zu erfahren, wie es im Verein weitergehen wird.
Am 4. oder 5. Urlaubstag kam dann der Anruf bei mir an, dass wir ab
sofort die Verantwortung für die I. Mannschaft haben. Zwei Tage später
saßen Waldemar und ich auf der Aida, weil der Urlaub schon vorher so
geplant war und machten uns Gedanken, wie es weitergehen sollte. Wir
versuchten von dort aus, die ersten wichtigen Gespräche zu führen und
die Spieler der U23 zu halten. Sie sollten eine wichtige Achse der neuen
Mannschaft bilden. Bei der Planung der Ersten Mannschaft muss man aber
auch andere Gedankengänge haben, die aus der Erfahrung im Umgang mit der
Zweiten Mannschaft resultieren. Es war eine junge Mannschaft, der
teilweise die Erfahrung fehlte. Das haben wir insbesondere in der
Rückrunde gemerkt, als Markus Kurth oder Michael Lorenz in der U23
ausgeholfen haben, um die Mannschaft zu stabilisieren. Deswegen haben
wir auch über erfahrenere Spieler nachgedacht, die wir für Rot-Weiss
Essen möglicherweise gewinnen könnten. Dann kommen Kontakte auf, man
kennt Spieler, einige werden einem zugetragen und manchmal gibt es auch
glückliche Umstände, dass alles so zusammenläuft.
Jawattdenn.de:
Wie läuft das Scouting heute für Rot-Weiss Essen?
Beschränkt man sich nur auf diese Liga oder wird auch höherklassig
geschaut?
Damian Jamro:
Es ist keine direkte Scouting-Abteilung da, in der zwanzig
Mann arbeiten und durch Deutschland fahren und sich Spieler für
Rot-Weiss Essen anschauen. Wir machen vieles noch selbst. Auf der einen
Seite machen wir die Spielbeobachtung, also schauen uns die nächsten
Gegner an. Man sieht also Siegen und Wuppertal in dieser Saison sehr
häufig, weil sie oft gegen die Mannschaften antreten, gegen die wir als
nächstes spielen. Dadurch bekommt man sehr viele Spiele aus der
Regionalliga mit. Man ist viel in der A-Jugend-Bundesliga unterwegs. Wir
haben auch ein, zwei Scouts, die für uns unterwegs sind. Aus allen
Informationen stellt man sich dann etwas zusammen.
Wir sind aktuell dabei, eine Scouting-Software zu installieren, in der
man die Daten noch präziser zusammenstellen kann. Dabei geht es auch um
trainingsbegleitende Maßnahmen, die man dann dokumentieren kann. Im
Moment läuft der Scouting-Bereich für den Seniorenbereich aber fast
komplett über das Funktionsteam: Waldemar Wrobel, Michael Dier, Robin
Krüger und meine Wenigkeit plus unseren Scout Bodo Krüger.
Jawattdenn.de:
Wie sieht die tägliche Zusammenarbeit mit dem Trainer und dem Funktionsteam aus?
Damian Jamro:
Wir sprechen uns nahezu täglich ab. Es findet ja fast
täglich ein Training statt und so werden die Schwerpunkte, die in eine
Trainingswoche gelegt werden, ebenfalls vorab besprochen. Diese
Schwerpunkte resultieren auch aus den Spielbeobachtungen der Vorwochen.
Das bedeutet, dass Stärken und Schwächen des kommenden Gegners
besprochen werden und darauf im Training auch Rücksicht genommen wird.
Es wird regelmäßig über den Stand der verletzen Spieler gesprochen und
organisatorische Dinge besprochen. Oder einfach nur, wie die Jungs drauf
sind. Da die Geschäftsstelle auch im Stadion und somit auch nah am
Trainingsgelände ist, gibt es immer wieder einen regelmäßigen Austausch
zu allen wichtigen Themen.
Jawattdenn.de:
Sie sind auch in die Vertragsverhandlungen involviert?
Damian Jamro:
Ja, komplett.
Jawattdenn.de:
Wer entscheidet am Ende über die Verpflichtung eines Spielers?
Damian Jamro:
Unser Credo ist, dass am Ende alle von einem Spieler
überzeugt sein müssen. Sobald einer ein negatives Gefühl hat und dies
äußert, wird die Verpflichtung sofort in Frage gestellt und neu
diskutiert. In der Hauptsache sind es Waldemar Wrobel und ich, die die
Gespräche führen, manchmal auch Michael Welling. Aber am Ende müssen wir
alle davon überzeugt sein. Wir sind damit bislang sehr gut gefahren und
am Ende waren wir bei jeder Verpflichtung einer Meinung, dass uns
dieser Spieler nach vorne bringen wird.
Jawattdenn.de:
Es wurde immer gesagt, dass in der Winterpause nur
Spieler verpflichtet werden, die ins Anforderungsprofil passen und die
RWE auch auf Sicht weiterbringen. In der vergangenen Winterpause haben
Sie keinen Neuzugang präsentiert, was bei dem Umfeld hier schon ein
mutiger Schritt war. Ist man dieses „Risiko“ bewusst gegangen?
Damian Jamro:
Ja, weil es eine besondere Situation war. Wenn wir in die
NRW-Liga-Saison zurückgehen, als wir Benedikt Koep verpflichtet haben,
war die Situation eine andere, denn damals ging es um etwas. Man konnte
auf- und absteigen und wir hatten uns positiv in der NRW-Liga
positioniert. Die Gesamtentwicklung war positiv und wir hatten die
Möglichkeit oben mitzuspielen. Wir haben damals analysiert, dass wir,
wenn wir uns in der vordersten Reihe noch verbessern, weiterhin oben
mitspielen könnten. Das war also eine Entscheidung für diese aktuelle
Situation. Dass es am Ende so goldrichtig war, kann man vorher nicht
erahnen, man fühlt sich aber bestätigt, dass man alles richtig gemacht
hat.
Im letzten Jahr hätten wir nach vorne nichts mehr reißen können, sondern
nur noch die Position verbessern können. Außerdem hatten wir nicht den
Eindruck, dass jemand dabei war, der uns hätte nach vorne bringen
können. Wir haben Gespräche mit dem einen oder anderen Spieler geführt,
aber es war unter anderem durch die Neustrukturierung der Regionalliga
nicht möglich, diese Spieler von unserer sportlichen Situation zu
überzeugen. Andere wollten auch nicht über das halbe Jahr hinaus gucken.
Es war im Nachhinein auch richtig, da es keine Spieler gab, die uns
entscheidend nach vorne gebracht hätten. Wir haben uns dann mehr auf die
Verpflichtungen für die neue Saison konzentriert.
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