Der Käpt’n spricht
Stefan Lorenz geht mittlerweile in seine vierte Saison bei Rot-Weiss Essen. Der Abwehrspieler hat in dieser Zeit viel miterlebt. Ein Aufstieg und zwei Abstiege mit immer wieder wechselnden Mannschaften ließen nie Ruhe an der Hafenstraße einkehren. Wirbel um ein Stadion und vier verschiedene Trainer erlebte er in über drei Jahren im Ruhrgebiet. Der zuverlässige Lorenz blieb RWE auch in der vierten Liga treu und führt die Mannschaft nun schon das zweite Jahr als Kaptän an. Im Interview mit jawattdenn.de spricht er über seine Zeit bei Rot-Weiss und seine Ziele.
Jawattdenn.de:Wie beurteilst Du den bisherigen Saisonverlauf?
Stefan Lorenz:
Wir haben aktuell eine gute Ausgangsposition. Der Start verlief mit Höhen und Tiefen. Leider haben wir bis jetzt noch keine Serie starten können. Vielleicht schaffen wir das jetzt nach den beiden Siegen. Es ist aber deutlich, dass wir keine Übermannschaft sind. Natürlich sind wir überall der Favorit und damit können wir auch umgehen. Dafür muss allerdings jeder hundert Prozent geben, sonst kommen Spiele wie Cloppenburg oder Trier.
Jawattdenn.de:
Die Aktion nach dem Mainz-Spiel, bei der ihr erst im Kabinengang verschwunden seid und danach wie von der Tarantel gestochen wieder auf den Platz gestürmt kamt, war grandios. Wann und von wem kam die Idee?
Stefan Lorenz:
Die ganze Sache ist spontan passiert. Einige waren gedanklich schon in der Kabine und dann haben wir beschlossen erst einmal in den Gang zu gehen. Die Fans haben gepfiffen, aber wir wollten hart bleiben und haben uns im Spielertunnel versammelt. Wir wollten abwarten bis die Leute noch mehr pfeifen und haben dann den richtigen Moment abgepasst, in dem wir wieder heraus gerannt sind. Wir wollten uns einfach mal etwas Überraschendes für die Fans einfallen lassen, weil die sich auch immer viel einfallen lassen. Wenn das gut angekommen ist, sind wir zufrieden.
Jawattdenn.de:
Anschließend gab es noch eine Aktion, die zum Hauptgesprächsthema in diversen Foren wurde; die verpatzte „Humba". Wie hat die Mannschaft diese Aktion gesehen?
Stefan Lorenz:
Ich weiß selbst nicht, was da genau passiert ist. Der Mann mit dem Megafon ist vom Zaun herunter gestiegen und einige Fans haben die Fahnen beiseite gezogen. Die haben nur den Kopf geschüttelt und uns signalisiert, dass sie das nicht mitmachen. Wir wollten da jetzt auch nicht drauf beharren und sind dann in die Kabine gegangen. Das ist für uns kein Problem. Wenn es unter den Fans darüber Streit gibt, muss das untereinander geklärt werden. Es ist schade, weil es bestimmt eine gute Sache geworden wäre, aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben.
Jawattdenn.de:
Wie ist die Stimmung in dieser Saison im Vergleich zu den vergangenen Spielzeiten?
Stefan Lorenz:
Sie ist nicht schlechter als in den vergangenen Jahren. Da hat es damals ein Fantreffen gegeben, wo deutlich wurde, dass sich die Fans untereinander nicht einig gewesen sind. Der Grund war wahrscheinlich die Neuaufteilung der Fanblöcke im Stadion. Die Stimmung lebt von dem, was wir auf dem Platz bringen. In Essen gibt es seit jeher nur schwarz oder weiß. Das macht den Verein auch aus. Wenn es schlecht läuft gibt es eben einen auf die Mütze. Solche Emotionen gehören zum Fußball und solange es nicht handgreiflich wird, habe ich da vollstes Verständnis für. Wenn du gewinnst nehmen dich dann alle in den Arm. Das ist besser als wenn nur 200 Mann da sind und du nicht weißt, was du machen sollst.
Jawattdenn.de:
Die Erwartungshaltung bei den Fans ist hoch. Diese Saison muss der Aufstieg her. Wie geht die Mannschaft damit um?
Stefan Lorenz:
Jeder Fußballer will aufsteigen. Der Druck ist also positiv für uns. Ich selbst möchte nicht im gesicherten Mittelfeld der Regionalliga spielen. Es ist für einen Verein wie RWE auch berechtigt nach dem Abstieg in die Vierte Liga, den Aufstieg zu fordern. Dabei muss man aber auch beachten, dass wieder eine neu zusammengestellte Mannschaft miteinander spielt. Deswegen läuft auch von Anfang an nicht alles rund. Trotzdem sind wir Zweiter. Wenn wir uns dann mal eingespielt haben und eine Serie starten werden wir uns sicher einen Vorsprung vor dem Mittelfeld erspielen können. Die Mannschaft festigt sich immer mehr und so gewinnen wir so Spiele wie gegen Mainz II mit 5:0. Das liegt nicht nur an Sascha, unserem Goldjungen, sondern an der gesamten Mannschaft, die für den Erfolg ackert und rackert. Die Nachwuchsleute haben zuletzt auch bewiesen, dass sie der Mannschaft weiterhelfen können.
Jawattdenn.de:
Ist RWE von den Toren von Sascha Mölders abhängig?
Stefan Lorenz:
Der macht natürlich 14 Buden bisher. Dafür ist er auch geholt worden. Es ist trotzdem stark, wie er eingeschlagen hat. Man sollte das auch nicht relativieren, weil es jetzt die Vierte Liga ist. Er würde in jeder Liga die Tore machen, wenn er die Chancen hätte. Das kann man nicht lernen, das ist Instinkt. Er wird von uns während der Woche gestreichelt, damit er am Wochenende richtig Gas geben kann.
Jawattdenn.de:
Nach dem Abpfiff in Münster warst du augenscheinlich auf 180. Wie bereitet man so ein Spiel persönlich auf?
Stefan Lorenz:
Wir hatten schon am Mittwoch das nächste Spiel, da blieb uns nicht viel Zeit. Wir hatten uns vorher vorgenommen in Münster nicht zu verlieren und beide Heimspiele zu gewinnen. Dann haben wir mindestens sieben Punkte und eine breite Brust. Das ist schon im ersten Spiel schief gegangen und darüber haben wir uns geärgert. Das Spiel lief nicht optimal, die erste Halbzeit haben wir verschlafen und haben uns dann auch das Tor eingefangen. Wir haben die richtige Antwort nach der Pause gefunden. Der Platzverweis - ich glaube immer noch, dass es keiner war - hat uns dann aus der Bahn gebracht. Dann schmeißen wir uns den Ball noch quasi selber rein und das in Münster, wo es heiß hergeht. Das hat mich schon geärgert. Dann haben wir aber auf das Spiel am Mittwoch geschaut und konnten nicht zu viele Gedanken daran verschwenden. Wir haben am Mittwoch in der ersten Halbzeit die richtige Reaktion gezeigt. Nach den beiden Siegen ist die Euphorie im Umfeld wieder da und die Niederlage in Münster ist abgehakt.
Jawattdenn.de:
Wie schätzt du den mentalen Gewinn ein, bei dem späten Führungstreffer gegen Verl?
Stefan Lorenz:
Es ist zunächst einmal schwierig, nach dem Ausgleich wieder anzugreifen. Zum Glück war es die 83. Minute und nicht, wie sonst, die 89. Für den Kopf war das Ergebnis dann Weltklasse. Bei einem Unentschieden wären wir mit hängenden Köpfen in die Kabine gegangen und die Zuschauer wären unzufrieden gewesen. Ein Tor und wir konnten uns mit der Masse abklatschen und alle waren zufrieden. Der Grat zwischen Misserfolg und Erfolg ist mit einem Tor denkbar gering. Es war letztendlich ein Freistoß, der uns den Sieg gebracht hat.
Jawattdenn.de:
Du kamst 2005 aus der Zweiten Mannschaft vom VfL Wolfsburg nach Essen. Du hast dich sofort durchgesetzt und bist nun Kapitän. Hättest du mit dieser Entwicklung gerechnet?
Stefan Lorenz:
Das erste Jahr lief optimal für mich, vielleicht auch weil niemand hohe Erwartungen an mich hatte. Ich selbst wusste immer, was ich konnte. Olaf Janßen, der mich nach Essen holte, hat ebenfalls gesehen, dass ich in der Lage bin, hinten zu spielen. Mittlerweile habe ich mir einen Stellenwert erarbeitet, der mich glücklich macht, mich aber vor Herausforderungen stellt, da die Leute gewisse Leistungen von mir erwarten. Das zweite Jahr begann für mich dann weniger schön, da ich nicht mehr in der Startelf war. Das war keine saubere Sache vom Trainer, da er mit mir nicht vor dem Spiel persönlich über seine Entscheidung gesprochen hat. Das hat er erst nach der Partie gegen Kaiserslautern gemacht. Ich habe dann auf meine Chance gewartet und sie beim Pokalspiel auch genutzt. Danach habe ich mich wieder ins Team gekämpft, allerdings auf einer Position, auf der ich nicht zu Hause bin. Ich habe es Herrn Köstner gesagt, der hat mich aber trotzdem gebracht und mir für diese Aufgabe Mut gemacht. Das ist gut gelaufen. Die dritte Saison war ein Seuchenjahr für mich. Ich bin jetzt froh, dass ich alle Spiele von Anfang an bestreiten konnte. Ich hoffe, dass ich wieder an die erste Saison anknüpfen kann.
Jawattdenn.de:
Uwe Neuhaus, Lorenz-Günther Köstner, Heiko Bonan und aktuell Michael Kulm waren deine Trainer an der Hafenstraße. Wer hat dich in deiner Entwicklung am meisten nach vorne gebracht?
Stefan Lorenz:
Man nimmt von jedem etwas mit. Die vier Trainer unterscheiden sich voneinander. Uwe Neuhaus hat einen mit einfachen Mitteln nach vorne gebracht. Das Passspiel hat er beispielsweise verbessert. Lorenz-Günther Köstner legte sehr viel wert auf Spritzigkeit und Kondition. Du musstest dich durch sein Training beißen, sonst hattest du dort keine Chance. Unter Heiko habe ich nur drei Spiele absolviert, deswegen kann ich zu ihm auch nicht wirklich viel sagen. Er war nicht mehr Trainer, als ich zurück zur Mannschaft gestoßen bin. Er war ein Typ, der einem Fußballer noch sehr geähnelt hat. Er dachte noch wie ein Fußballer. Michael Kulm ist ein kompletter Trainer. Er hat viel Erfahrung und ich komme gut mit ihm klar. Von ihm werde ich noch viel lernen können. Er macht seine Kritik nicht vom Alter der Spieler abhängig, keiner genießt besondere Vorzüge. Das macht einen sehr guten Trainer aus. Ich hoffe, dass sein Engagement von Dauer ist.
Jawattdenn.de:
Lorenz-Günther Köstner polarisiert noch heute wie kein anderer Trainer. Die Einen glauben, dass es keinen besseren Trainer bei RWE gegeben hat, die Anderen verteufeln ihn. Wie hat er sich euch gegenüber verhalten?
Stefan Lorenz:
Er hat auch innerhalb der Mannschaft polarisiert. Er hat uns wachgerüttelt und konnte motivieren. Besonderen Wert legte er darauf, dass jeder immer hundert Prozent geben musste und auch mal dazwischen gehen sollte. Die Techniker, die nicht nur Gras fressen, hatten bei ihm einen schweren Stand. Darauf hat er dann keine Rücksicht genommen und nur diejenigen aufgestellt, die mitgezogen haben. Einige sind dann durchs Raster gefallen. Man muss ihm zu Gute halten, dass er eine klare Linie hatte, die er konsequent durchgezogen hat. Ob die jetzt richtig oder falsch gewesen ist, ist in diesem Fall unwichtig. Ein guter Trainer hat seine Handschrift und er hat von der Art zu diesem Verein gepasst. Deswegen war er wahrscheinlich auch bei manchen so beliebt.
Jawattdenn.de:
Woran hat es deiner Meinung nach gelegen, dass RWE sich nicht für die Dritte Liga qualifizieren konnte?
Stefan Lorenz:
Es ist für mich schwer zu beurteilen, da man die Spiele von der Tribüne anders wahrnimmt, als auf dem Platz. An der Qualität hat es eher nicht gelegen. Einige Spieler der letzten Saison setzen sich aktuell in der Zweiten und Dritten Liga durch. Vielleicht waren zu wenig Spieler auf dem Platz, die mal den Mund aufgerissen haben, wenn es nicht lief. Es reicht einfach nicht, wenn du nur elf gute Fußballer hast. Wir haben es nie geschafft konstant erfolgreich zu spielen. Das Saisonende war eigentlich nicht mehr zu erwarten. Wir haben es trotzdem geschafft uns die große Chance zu erarbeiten. Am Ende hat es nicht gereicht. Das war sehr traurig. Das muss jetzt aber abgehakt sein.
Jawattdenn.de:
Markus Kurth sagte, diese Mannschaft sei stärker als die der Vorsaison. Wie ist deine Einschätzung?
Stefan Lorenz: Ein Vergleich ist immer schwierig, da man Spieler mit Spieler vergleichen müsste. Die Mannschaft heute ist möglicherweise in sich stärker. Das bedeutet nicht, dass es vorher an Kameradschaft gemangelt hat. Die war schon vorhanden in den vergangenen Jahren. Im Moment merkt man aber, dass sich die alten und jungen Spieler gegenseitig respektieren. Alle sind gleichwertig und jeder wird gebraucht. Das schweißt uns zusammen. Es wird sich hoffentlich zeigen, dass diese Stärke auch in Punkte umgemünzt werden kann und wir dann wieder hochgehen.
Jawattdenn.de:
Die Integration der jungen Spieler verläuft also gut?
Stefan Lorenz:
Leon Enzmann, Bora Karadag, Kai von der Gathen und Marcel Platzek könnten momentan noch in der A-Jugend spielen. Die Jungs sind alle super aufgenommen worden, was nicht Gang und Gäbe ist in einer Mannschaft. Ich habe es auch schon anders erlebt, dass junge Spieler gar nicht beachtet werden. Das läuft hier anders. Die Jungs sollen den Mund aufmachen und sie werden eingebunden. Das ist in meinen Augen auch der richtige Weg. Früher lief das anders. Da wurde ein Jungscher auch mal umgewichst, damit er wusste, dass er nun in der Herrenmannschaft spielte. Der Mannschaftsrat ist sich über dieses Vorgehen einig. Der Trainer hat uns diesbezüglich alle Freiheiten gegeben. Alle jungen Spieler trainieren gerne bei uns mit und sie alle geben Gas, damit sie uns in der Saison auch weiterhelfen können.
Jawattdenn.de:
Hast Du nach zwei Abstiegen in Folge auch mal über einen Vereinswechsel nachgedacht? Es ist ja ein Unterschied, ob man beim 1. FC Köln auswärts antritt oder bei Sportfreunde Lotte.
Stefan Lorenz:
Das ist für den Kopf zunächst einmal schwierig. Nun hat die Saison aber angefangen und auch Lotte ist ein Gegner, den man nur mit einer guten Leistung bekämpfen kann. Die Gedanken, ob man in der vierten Liga weiterhin bleiben soll, kamen natürlich, aber ich denke, man sollte mithelfen, den Karren den man in den Dreck gefahren hat, wieder herauszuziehen. Es ist immer einfacher nach dem Abstieg den Verein zu wechseln, aber ein bisschen schlechtes Gewissen sollte bei jedem da sein. Durch meine Verletzung waren ohnehin kaum konkrete Angebote da.
Ich wusste auch nicht, ob das Knie hält und hier weiß ich, dass alle Leute hinter mir stehen, die mich aufgefangen hätten. Das gab schlussendlich den Ausschlag. Darüber hinaus haben der Trainer und Thomas Strunz sich um jeden bemüht. So eine Entscheidung ist nicht nur von Liga und Kohle abhängig. Man muss genauso wissen, ob man sich irgendwo besonders wohl fühlt und ob man irgendwo gebraucht wird. Das verkörpert für mich bis heute Rot-Weiss Essen und deswegen sehe ich auch keinen Grund, der auch längerfristig dagegen spräche hier immer wieder zu verlängern.
Jawattdenn.de:
Es gab aber Anfragen aus höheren Ligen?
Stefan Lorenz:
Es gab einige lose Anfragen. Man hört sich das auch alles an, aber es war dann doch nur eine konkrete Anfrage und die kam von Rot-Weiss Essen. Es war ohnehin schnell klar, dass ich hier bleiben wollte. Es fühlt sich nicht nur meine ganze Familie sehr wohl hier, sondern ich spiele auch sehr gerne für diesen Verein.
Jawattdenn.de:
Für dich war die letzte Saison das absolute Seuchenjahr. Wie verkraftet man so etwas mental?
Stefan Lorenz:
Das ist schwierig, insbesondere, wenn man auf der Tribüne sitzt und immer wieder erkundigen sich Leute, wann du endlich wieder spielst. Als Fußballer will man immer spielen und mithelfen, aber bei so einer Verletzung geht es einfach nicht. Sich Zeit zu lassen war deutlich wichtiger, als wenn ich mich beeilt hätte. Es war kein schönes Jahr. Ich musste in der Zeit alles dafür tun, damit ich wieder zurückkomme und zu alter Leistungsstärke zurückfinde. Die Spiele sind wichtig für mich, auch wenn ich noch Zeit brauche um an alte Leistungen anknüpfen zu können. Ich glaube dennoch, dass ich eine Stütze für die Mannschaft bin. Mit irgendwelchen Seuchen und Verletzungen will ich ab jetzt nichts mehr zu tun haben.
Jawattdenn.de:
Jetzt ist dein Bruder verletzt. Leidet man da auch mit?
Stefan Lorenz:
Stimmt, der ist jetzt auch schon fünf oder sechs Wochen weg. Man sieht dann an ihm, wie man sich selbst in der Zeit wahrscheinlich verhalten hat. Er ist ungeduldig und will endlich spielen, es geht aber noch nicht. Das ist kein schönes Gefühl, denn auch ich bin froh, wenn er spielt. Wenn er Topleistung bringt, ist er für die Mannschaft ebenso wichtig. Deswegen ist er hoffentlich bald wieder dabei. Wir brauchen jeden Mann, das gilt nicht nur für meinen Bruder. Er muss da jetzt durch und wichtig ist, dass wir nicht beide ausfallen. (lacht)
Jawattdenn.de:
Habt ihr euch vor der Vertragsverlängerung abgesprochen? Habt ihr vielleicht auch die Verlängerung voneinander abhängig gemacht?
Stefan Lorenz:
Nein, das haben wir nicht. Bei mir war es sehr früh klar, dass ich hier bleibe. Wir haben darüber gesprochen und er hat sich auch meine Meinung angehört. Ich habe ihm gesagt, dass er den Schritt gehen sollte, wenn ein entsprechendes Angebot gekommen wäre, er ist ja schließlich auch 30 Jahre alt, aber dass mich ein Verbleib natürlich mehr freuen würde. Dann waren wir mit Markus schon mal drei Spieler, die das Umfeld kennen. Das macht die Sache einfacher, als wenn man alleine bleibt und keinen der neuen Spieler, die zu dem Zeitpunkt noch gar nicht feststanden, kennt. Wir waren im gleichen Urlaubsort, deswegen wusste ich schon sehr früh, dass er bleibt. Da habe ich mich dann sehr drüber gefreut.
Jawattdenn.de:
Bei einem Spiel der Zwoten war „Krabbelgruppentreffen" (Spieler mit Frauen und Kindern) an der Hafenstrasse angesagt. Wird auch privat viel mit den Mannschaftskollegen unternommen?
Stefan Lorenz:
Ja, wahrscheinlich sogar noch mehr als in den vergangenen Jahren. Wir nennen uns selbst die Bottrop-Boys, die wir zusammen dort wohnen. Stefan Kühne wohnt direkt neben mir. Mein Bruder wohnt in der gleichen Straße. Robert Mainka wohnt Luftlinie höchstens 400 Meter entfernt. Wir vier treffen uns wöchentlich zum Champions-League-Abend oder zum Wii-Spielen bei mir im Keller, den ich mit Beamer ausgestattet habe. Wir haben Spaß zusammen. Wir sprechen aber auch viel über Fußball, reden offen miteinander und kritisieren uns auch. Jeder schätzt sich sehr gut selbst ein, das gilt im Übrigen für die ganze Mannschaft. Das ist ein großes Plus in diesem Jahr. Das war in den letzten Jahren nicht so gegeben. Wenn man sich aber so gut versteht kann man Kritik üben und der Andere weiß es auch richtig einzuschätzen. Das schadet auf dem Platz nicht. Mittlerweile klinkt sich Dennis Bührer gerne mal ein und auch Bora Karadag, weil sie gemerkt haben, dass man mit uns Spaß haben kann. Wir nehmen da auch gerne jeden mit auf. Gerade die Jungschen sollen wissen, dass wir uns nicht von ihnen abkapseln. Umso mehr Spaß haben wir dann miteinander. Heute Abend sind wir bei der Preview von James Bond in Oberhausen. Meine Frau sieht das auch sehr locker und sagt bis jetzt auch nichts, wenn man mal abends nicht da ist. Wir sind nicht nur Kollegen sondern auch Freunde. Das muss nicht zwingend so sein, aber wenn die Chemie passt, ist es umso besser.
Jawattdenn.de:
Was ist besonders an der Stadt Essen und am Verein Rot-Weiss Essen?
Stefan Lorenz:
Da ich nicht direkt in Essen wohne, kann ich zur Stadt selber nicht so viel sagen. Im Verein Rot-Weiss Essen fühle ich mich sehr wohl und komme mit jedem gut klar. Man kann offen mit den Leuten umgehen und sie haben keinen zu großen Respekt vor uns Spielern, und das wollen wir auch gar nicht. Die Hafenstraße ist schon etwas Besonderes. Wir spielen jetzt in der Vierten Liga, aber die Leute kommen trotzdem noch. Ich kann mir eigentlich gar keine bessere Situation vorstellen. Man kann von der Ersten Liga träumen, aber gleichzeitig muss man sich selber auch einschätzen können und von unten anfangen. Den ersten Schritt wollen wir jetzt gehen und in der nächsten Saison in der Dritten Liga spielen. Auch ohne neues Stadion herrscht hier eine einmalige Atmosphäre. So etwas möchte man nicht gerne loslassen.
Jawattdenn.de:
Die Diskussion über eine neue Spielstätte gibt es ja schon seit vielen Jahren. Was ist deine Meinung zur Stadionfrage?
Stefan Lorenz:
Ich glaube es wäre besser, dass das Stadion endlich gebaut wird, als dass es ständig angekündigt wird. Mittlerweile hat man schon einen gewissen Abstand gewonnen. In unserem jetzigen Stadion herrscht eine einmalige Atmosphäre, obwohl wir nur drei Tribünen haben, und ich will gar nicht wissen, was los wäre, wenn die Spielstätte geschlossen wäre. Wenn man neu baut, gibt es immer die Gefahr, dass die Stimmung darunter leidet.
Jawattdenn.de:
Was glaubst du, wo RWE in fünf Jahren steht?
Stefan Lorenz:
In fünf Jahren bin ich 32, da müsste ich noch hier sein. Wie Thomas Strunz schon gesagt hat, ist die Zweite Liga das Ziel. Ein Aufstieg in die Dritte Liga am Ende dieser Saison wäre natürlich sehr hilfreich. Dann müssen wir uns in dieser Liga festigen. Man braucht einfach zwei, drei Jahre ohne Auf- oder Abstieg, um eine gewisse Kontinuität zu bekommen. Das ist für den Verein auf Dauer wichtiger als das ständige Wechseln der Spielklasse. In den letzten Jahren haben wir gesehen, dass es kein Vorteil ist, wenn man jedes Jahr eine neue Mannschaft zusammen würfelt. Sobald wir in der Dritten Liga sind, sollten wir unsere Ansprüche etwas zurückschrauben, um nicht den Druck zu haben, wieder aufsteigen zu müssen, so dass wir uns dort etablieren können. Das langfristige Ziel kann für den Verein nur die Zweite Liga sein
Jawattdenn.de:
Stefan Lorenz ist...
Stefan Lorenz:
...ein lockerer, ein umgänglicher, ein lustiger und familiärer Mensch, der auf dem Platz 100% und immer das Beste gibt, und der gerne in der nächsten Saison mit Rot-Weiss Essen in der Dritten Liga spielen würde.
Das Interview führten Hendrik Stürznickel und Fabian Jerrentrup