Niemals geht man so ganz – Auf Wiedersehen Stefan Lorenz

veröffentlicht am 04.08.2009 um 08:59 Uhr

Als Unbekannter kam er vom VfL Wolfsburg II in der Saison 2005/2006 zu Rot-Weiss Essen. Stefan Lorenz startete direkt im ersten Jahr voll durch. Keine Sekunde verpasste er in der Saison und wurde danach eine der wenigen konstanten in jährlich wechselnden RWE-Kadern. Nach der Saison 2008/2009 erhielt er keinen Vertrag mehr. Stefan Lorenz hat bisher noch keinen neuen Arbeitgeber finden können und hält sich im Moment in der Sportschule Wedau im VDV-Fußballcamp fit. Jawattdenn.de besuchte unseren ehemaligen Spieler und sprach über die bewegten Jahre, die Stefan Lorenz bei RWE verbracht hat.

Jawattden.de: Stefan Lorenz, du bist jetzt hier im VDV-Camp. Wie muss man sich das eigentlich vorstellen, was passiert hier im Fußballcamp?

Stefan Lorenz: Die VDV ist eine Gewerkschaft für Vertragsfußballer. Um am Camp teilnehmen zu dürfen, muss man Mitglied sein für ein Jahresbeitrag gestaffelt nach Ligazugehörigkeit. Es ist eine Möglichkeit für alle Fußballer, die zur Zeit vertraglos sind, sich professionell fit zu halten. Es gibt einen ganz normalen Tagesablauf, wie man ihn aus einem Trainingslager kennt. Morgens um 7 Uhr ist ein Waldlauf. Danach wird zusammen gefrühstückt, um 10 Uhr wird wieder trainiert, Mittag mit anschl. Pause und dann ist um 16 Uhr noch mal Training. Des Weiteren besteht die Möglichkeit hier während des zehntägigen Camps zu nächtigen. Ich fahre aber lieber die 15-20 Minuten nach Hause zur Familie.
Man trainiert hier auf einem sehr hohen Niveau. Es sind viele Ex-Profis dabei und ausgebildete Trainer, die selber im Moment auch nichts haben. Alle Vereine können sich einen Einblick verschaffen auf der Homepage von der VDV, wer an diesem Camp teil nimmt. Über diese Schiene schaffen es laut Statistik ca. 80% der Teilnehmer, einen neuen Verein zu finden. Dadurch ist dieses Trainingslager sehr beliebt. Es gab insgesamt weit über 100 Anmeldungen für die 26 Plätze. Ich habe mich vorher zwei Wochen beim VfB Bottrop fit gehalten, weil ich mich erst spät angemeldet habe und nicht sofort reinkam.

Stefan LorenzJawattdenn.de: In wie weit unterstützt die VDV die Spieler denn über das reine Training hinaus? Gibt es da in irgendeiner Form noch Unterstützung?

Stefan Lorenz: Ja, die VDV ist recht vielseitig aufgestellt, auch in Hinblick auf die weitere Karriereplanung. Möglichkeiten wie nebenbei ein Fernstudium machen etc.

Jawattdenn.de: Wie ist es denn jetzt in deiner Situation? Gibt es schon konkrete oder lose Anfragen?

Stefan Lorenz: Mein Profil liegt bei vielen Vereinen vor, zu denen ich gerne wechseln würde. Es gibt zwei Anfragen, die leider noch nicht konkret sind, weil sie noch vom Präsidium abgesegnet werden müssen. Ich warte täglich auf eine positive Rückmeldung.

Jawattdenn.de: In der Presse wurden du und dein Bruder mit Preußen Münster oder Union Berlin in Zusammenhang gebracht. Gab es überhaupt Gespräche mit den Vereinen?

Stefan Lorenz: Definitiv nicht! Man glaubt, dass an einem Gerücht immer etwas dran sei, aber da ist definitiv nichts dran.

Jawattdenn.de: Wahrscheinlich auch durch die Verbindung deiner alten Heimat und dem alten Trainer Uwe Neuhaus, der dich ja schon nach Essen geholt hat.

Stefan Lorenz: Das könnte sein. Ich habe aber dazu keinen Kommentar abgeben. Es bestand nämlich wirklich kein Kontakt und außerdem sind die Gerüchte nicht negativ für mich. Auch durch Gerüchte sind schon einige Spieler zu Vereinen gelangt.

Jawattdenn.de: Stellt man sich überhaupt als Profi vor oder darauf ein, dass einen auch mal ein halbes Jahr oder Jahr Arbeitslosigkeit treffen könnte? Und wie sorgt man da vor?


Stefan Lorenz: Man muss immer davon ausgehen in die Arbeitslosigkeit zu rutschen, weil jede Verletzung dich zurückwerfen oder die Karriere kosten kann. Deswegen muss man abgesichert sein und seine Ersparnisse gut anlegen. Stichwort Vorsorge: Arbeitslosengeld ist beantragt. Das sind schon Summen, von denen man leben kann. Man kann sogar – wenn man nicht durchdreht – den Standard halten. Allein schon wegen der Familie ist das schon alles durchdacht und fällt mir nicht ganz so schwer, dass mit dem Arbeitslosengeld aufzufangen.

Jawattdenn.de:
Auf der Homepage von deinem Bruder und dir konnte man zuerst lesen, dass dein Vertrag nicht mehr verlängert wird. Wann und vor allem wie hat der Verein dir das mitgeteilt?

Stefan Lorenz: Mit mir wurde zunächst überhaupt nicht gesprochen. Das hat mich traurig gemacht, da ich finde, dass ich zumindest in den vier Jahren es verdient habe, dass mit mir offen und ehrlich gesprochen wird. Erst als es sich ganz offensichtlich abzeichnete, dass mit mir nicht mehr geplant wird, wurde mit mir gesprochen. Hätte man mir früher Bescheid gesagt, hätte ich mich auch früher um einen neuen Verein kümmern können. Auch mit anderen Spielern ist die sportliche Leitung so umgegangen.
Solche Dinge haben natürlich auch Auswirkungen auf die eigene Leistung. Es fing mit dem Bochum Spiel an, bei dem wir - die Lorenzbrüder - aussortiert worden sind. Das war kein schöner Moment. Wenn auf mich gezählt wurde, habe ich auch immer mein Bestmögliches gegeben.

Jawattdenn.de: Du bist aufgestiegen und danach wieder in die 3.Liga mitgegangen, obwohl du zu diesem Zeitpunkt auch woanders und höher hättest unterkommen können. Als Dank wirst du dann nach der Viertligasaison aussortiert. Das ärgert doch? Stefan Lorenz

Stefan Lorenz: Im Nachhinein habe ich da vielleicht einen Fehler gemacht und hätte es im Stile eines so genannten Söldners machen sollen. Das wollte ich aber nicht. Dann kam meine Verletzung [Kreuzbandriss Anm. d. Red.] und am Ende der Drittligasaison hatte ich keine Angebote, sodass ich ohnehin mit in die Vierte Liga gehen musste. Auch das war aber in Ordnung, weil ich nach der Verletzung erst mal in Ruhe wieder Fuß fassen wollte. Die Saison konnte ich ja auch viele Spiele bestreiten.

Um auf die Frage zurückzukommen war es im Endeffekt doch so ein kleiner Arschtritt dafür, dass man mit nach unten gegangen ist. Man lernt daraus und beim nächsten Mal überlege ich mir das dreimal. Trotz allem muss ich sagen, dass der Verein und das ganze Umfeld mir ans Herz gewachsen sind. Es ist deswegen schade, dass es jetzt so endet.

Jawattdenn.de: Deinen Bruder hat es ebenfalls hart erwischt. Er spielt noch eine Liga tiefer. Glaubst du, dass er unter Thomas Strunz eine faire Chance bekommt, sich mit guten Leistungen in der U23 wieder für die erste Mannschaft zu empfehlen?

Stefan Lorenz: Ich sehe das bei ihm ähnlich. Es scheint, als wären wir beide allein für die jetzige Situation verantwortlich. Auch wir hatten einen höheren Anspruch an uns selbst, aber man hat auch gesehen, dass die vierte Liga kein Spaziergang ist. Außerdem war das Team nicht breit genug aufgestellt, um auf Dauer konstante Leistungen zu bringen. Natürlich sollten wir beide Führungsspieler sein, aber der Begriff „Führungsspieler“ ist auf dem Platz schwierig umzusetzen. Es gibt nur wenige Vereine, in denen ein oder zwei Spieler vorne stehen, den Mund aufreißen und alle ziehen dann mit.

Für Michael ist es gut noch ein Jahr Vertrag zu haben und damit finanziell abgesichert zu sein, denn auch er hatte kein Angebot. Es ist natürlich nicht sein Anspruch in der U23 mitzutrainieren, aber auch da wird gute Arbeit geleistet. Die Jungs sind da richtig gut, ziehen alle mit. Er muss jetzt das Beste daraus machen und sich für andere Vereine empfehlen. Ich denke nicht, dass er unter Thomas Strunz noch eine Chance in der ersten Mannschaft bekommen wird.

Jawattdenn.de: Es gab Gerüchte, dass die Trennung nicht aus Leistungsgründen vollzogen wurde, sondern dass es einen handfesten Vorfall oder Konflikt zwischen euch beiden und der Vereinsführung gegeben hätte?

Stefan Lorenz: (lacht) Nee, das ist eher witzig. Vor dem Bochum-Spiel, in dem wir beide ausgemustert wurden, wurde mit uns gar nicht gesprochen. Auf dem obligatorischen Zettel mit der Aufstellung war auf einmal hinter meinem und Michaels Namen kein Kreuz. Wie ich zuvor schon sagte, mit uns wurde (auch in dieser Situation) nie gesprochen. Mein Bruder ist gar nicht erst zum Spiel hingefahren. Ich wollte mir das angucken. Unter dem Strich war dies eins der schlechtesten Spiele der Saison. Zwei Tage später wurde Michael Kulm entlassen, sodass es aus meiner Sicht auch nichts mehr mit dem Trainer zu besprechen gab. Wir haben aber kürzlich miteinander telefoniert und es ist alles ausgeräumt, aber wir hatten immer ein gutes und enges Verhältnis. Das war der erste Genickbruch. Wir hatten dann die Hoffnung unter Ernst Middendorp wieder die Chance zu bekommen. Er hat dann auch wieder auf uns gesetzt, aber ausgerechnet im ersten Spiel verletzten wir uns beide.

Es wäre schön, wenn es etwas Handfestes gegeben hätte. Aber so stehe ich mehr oder weniger im Dunkeln. Ich habe ein reines Gewissen und konnte mir zu keinem Zeitpunkt der letzten Saison etwas vorhalten.

Stefan LorenzJawattdenn.de: Wie sehr war es für dich – auch gerade nach den Verletzungen – eher eine Last als Führungsspieler und Kapitän vorweg zu gehen, der vielleicht selber noch gar nicht bei seinen 100% ist?

Stefan Lorenz: Ich war in der Mannschaft eine Führungspersönlichkeit. Vielleicht habe ich diese Position aber nicht so ausgefüllt, wie die es die Vereinsspitze oder der sportliche Leiter gerne gehabt hätte. Aber auch in diesem Punkt wurde nicht mit mir gesprochen, was und wie ich was verbessern könnte. Wenn so etwas nicht geschieht und erst im Nachhinein mit einer Ausmusterung gehandelt wird, dann tut das schon weh und belastet einen. Die Interpretation die ich als Kapitän habe, habe ich in der Hinrunde gezeigt. Die Hinrunde war nicht schlecht, bis auf die letzten vier Spiele, in denen der Akku dann bei allen leer war. Durch die schwachen Ergebnisse in der Rückrunde kam im Endeffekt eine katastrophale Saison dabei heraus. Man ist dann an einem viel zu frühen Zeitpunkt in Hektik ausgebrochen. Man war sich nicht mehr einer Meinung und dann beginnt das Schiff zu sinken. Das sind aber alles Spekulationen, aber Gründe warum man dann scheitert.

Jawattdenn.de: Die Rückrunde verlief zunächst sehr schwach und alles gipfelte letztendlich im Pokalspiel gegen Speldorf. Ein schlagbarer Gegner und die Perspektive wieder ein schönes DFB Pokalspiel zu haben. Wie kommt es, dass die Mannschaft - die ja zu diesem Zeitpunkt auch schon wieder recht erfolgreich war – nicht an diese Leistung anknüpfen konnte?

Stefan Lorenz: Das stimmt, das war in einer Phase, in der wir halbwegs stabil waren. Man hatte das Gefühl, dass wir besser gespielt haben, wenn es um nichts mehr ging. Im Pokal, als es noch einmal darauf ankam, haben wir dann wieder völlig versagt.

Über die ganze Saison hinweg wurde gesagt, dass wir den besten Kader hätten. Irgendwann entwickelt man ein Gefühl für die Mannschaft und merkt, dass man sie diese Qualität doch nicht hat. Demgegenüber stehen die Siege gegen Düsseldorf und Wuppertal. Warum bekommt man es vom Kopf her einfach nicht hin auch eine kleine Mannschaft zu schlagen? Es ist eine Kopf- aber auch eine Qualitätsfrage. Das hat sich durch die komplette Saison gezogen. So muss man sich auch nicht wundern, wenn man mit dem Kader nicht aufsteigt. Außerdem konnten viele Spieler nicht mit dem unruhigen Umfeld umgehen. Mich selbst hat das Publikum eher motiviert. Ich kann damit leben, wenn der Umgangston rustikaler wird.

Jawattdenn.de: Du sprichst das Publikum an. Wenn es gut läuft, herrscht eine super Stimmung, läuft es mal nicht tritt sofort die Kehrtwende ein. Im Lauf der Rückrunde wurde es sehr trist und emotionslos auf den Rängen. Wie seid ihr und auch du persönlich mit der Stimmung im Stadion umgegangen?

Stefan Lorenz: Ich habe in Essen wirklich alles mitbekommen und habe auch die Resignation, bemerkt. Die Leute pfeifen schon gar nicht mehr. Die Zuschauerzahl war weiterhin hoch. Eben die Verrückten, die trotzdem immer wieder kommen. Das ist für einen Fußballer eigentlich ein Traum. Aber viele unterschätzen das Umfeld eben. Wie schlimm es sein kann, haben wir in den letzten beiden Jahren erlebt. Die Fans wollen sehen, dass sich jeder auf dem Platz zerreißt und für die war die Situation schon sehr traurig. Das müssen die Spieler begreifen. Manche haben da auch eine fehlerhafte Selbsteinschätzung über ihre Leistung und wer die hat, der hat da ein Problem mit sich selber und auch mit den Fans. Das gehört dazu und das macht Essen aus. Wer damit nicht klar kommt, der darf nicht nach Essen wechseln.

Jawattdenn.de: War es ein Thema in der Mannschaft, dass es auf den Rängen immer ruhiger wurde?

Stefan Lorenz: Die Fans sind immer ein Thema. Jeder geht damit anders um. Manche lassen sich dadurch nicht beeindrucken, anderen gehen die Reaktionen nahe. Jeder muss dann auch für sich selbst entscheiden, ob er nach einem schlechten Spiel, wie beispielsweise in Trier an den Zaun geht. Da bekommt man vielleicht auch mal ein Bier über den Kopf, aber das tut ja nicht weh. Es tut eher den Fans weh, wenn niemand kommt. Das überträgt sich dann in die nächsten Spiele. Ich bin der Meinung, dass man sich den Zuschauern stellen und vernünftig miteinander reden muss. Selbst in schlechten Zeiten funktioniert das, denn eigentlich wollen Fans und Spieler doch Dasselbe: Erfolg! Allerdings kommt es mannschaftsintern auch nicht immer gut an, wenn man als einziger zu den Fans geht nach so einem Spiel.

Jawattdenn.de: Es kam in der Vergangenheit zu vereinzelten Problemen mit den Fans. Der Platzsturm nach dem Spiel gegen Lübeck oder nach dem Spiel gegen Speldorf, als eine Gruppe von Fans fast bis zur Spielerkabine vordrang. Hat man als Spieler da auch manchmal Angst vor den eigenen Zuschauern?

Stefan Lorenz: Beim Lübeck-Spiel habe ich in einer schlechten Position an der Außenlinie gestanden. Nach dem Spiel kamen die Fans alle an mir vorbeigerannt. Da habe ich durchaus gestaunt, welche Gewalt dahinter steckt, wenn so eine große Gruppe auf den Platz stürmt. Ich habe aber auch in den Gesichtern gesehen, dass sie erst mal auf den Platz rannten und dann eigentlich gar nicht mehr wussten, was sie machen sollten.

Ich kann die Leute in gewisser Weise sogar verstehen. Der Hass ist da, wenn man etwas verliert, egal ob es jetzt eine Liga ist, aus der man absteigt oder ein Pokal, der zu einem schönen Spiel verholfen hätte. Hinzu kam, dass wir in beiden Fällen alles selbst in der Hand hatten. Wären wir von anderen Vereinen abhängig gewesen wären die Emotionen nicht so hoch gewesen und hätten sich dann auf dem Platz entladen.

Ich habe mich aber zu keiner Zeit vor den Leuten gefürchtet. Ich habe immer eine gute Meinung von den Leuten gehabt, auch wenn sie mal über die Stränge schlagen. Natürlich lehne ich Gewalt in jeglicher Form ab, kann aber nachvollziehen, dass manche Leute ihren Ärger zum Ausdruck bringen mussten. Das gibt es aber auch in anderen Stadien und es macht Rot-Weiss eben auch mit aus. Ich brauche diesen Kitzel vom Publikum, auch wenn andere damit dann nicht klar kommen. Es wird übel, wenn Frau und Kinder wie in einem Fall da mit hineingezogen werden. Das sind dann aber auch keine Rot-Weiss-Fans mehr, sondern ein paar Bekloppte, die da Stunk machen wollten.

Jawattdenn.de: Du bist im letzten Spiel mit Standing Ovation verabschiedet worden und hattest sogar Tränen in den Augen. Wie hast du dich gefühlt als du die Reaktion auf den Rängen erlebt hast?

Stefan Lorenz: Zunächst denkt man da nicht dran, sondern konzentriert sich erst einmal auf das Spiel, das wir erfolgreich bestritten haben. Dann kam der Wechsel. Die Spieler haben mich auch direkt verabschiedet, weil sie wussten, dass das mein letztes Spiel war. Die Reaktion von den Rängen war absolut beeindruckend. Das waren Emotionen pur!

Jawattdenn.de: Einer der wenigen Gänsehautmomente der vergangenen Saison...

Stefan Lorenz: ... das ist richtig. In den vier Jahren, die ich hier gespielt habe, ist auch kein Spieler auf diese Weise vom Publikum verabschiedet worden. Als der Stefan Kühne einige Minuten später vom Platz ging kam gleich eine ganz andere Reaktion. Da hat man innerhalb von zwei Minuten die unterschiedlichen Gesichter von Rot-Weiss Essen gesehen. Ich konnte mich über Leistung in die Herzen der Fans spielen und beim Stefan artete es in die andere Richtung aus. Er ist allerdings ein Stück weit zu schlecht weggekommen, da er in den ersten beiden Spielen eine so starke Leistung abgerufen hatte, dass die Messlatte von da an viel zu hoch für ihn lag.

Für mich persönlich war es aber ein wunderschöner Abschied, einer mit dem man die Karriere hätte beenden können , wenn es fünf Jahre später gewesen wäre. Nun werde ich mir aber eine andere Herausforderung suchen. Aber vielleicht ist die Tür bei Rot-Weiss nicht für immer zu und ich kann in einigen Jahren als Spieler oder in einer anderen Position zurückkehren und dem Verein helfen.

Jawattdenn.de: Du hast dir einige Vorbereitungsspiele angeschaut. Was meinst du kann RWE in dieser Saison mit der Mannschaft erreichen?

Stefan Lorenz: Da möchte ich nichts zu sagen. Die Jungs werden ihre eigenen Erfahrungen machen. Man muss abwarten wie die Mannschaft mit schlechten Phasen umgeht. Dann entscheidet sich wohin der Weg geht. Die Vorbereitungsspiele waren zwar nicht alle erfolgreich, aber solche Spiele muss man mit einem gewissen Abstand betrachten. Die Belastung der Vorbereitung kann man natürlich nicht vorschieben, wenn solche Ergebnisse zustande kommen, denn der Gegner befindet sich in derselben Situation, aber man zieht aus solchen Vorbereitungen Erkenntnisse, die dann wenn es drauf ankommt umgesetzt werden sollten. Wenn die Mannschaft am ersten Spieltag gewinnt und vorher alle Testspiele verloren hätte sind die Fans schließlich auch glücklicher, als wenn es umgekehrt wäre.

Stefan Lorenz Jawattdenn.de: Wie blickst du auf vier Jahre Rot-Weiss Essen zurück? Gibt es Spiele, die dir in besonderer Erinnerung geblieben sind?

Stefan Lorenz: In diesen vier Jahren habe ich alles mitgemacht, was man mitmachen kann. Das erste Jahr war gleich ein Bombenjahr, das mit dem Aufstieg gekrönt wurde. Mich kannte niemand und ich habe gleich alle Spiele gemacht und habe direkt mit zwei Toren in einem Spiel begonnen, was mir selbst in der Jugend nie gelungen ist. Dieses Spiel ist mir immer in Erinnerung geblieben. Aber auch damals gab es schon Probleme. Wir hatten eine Sitzung mit den Fans gemacht, weil es nicht nur gute Phasen in dem Jahr gab. Die Niederlage in St. Pauli, dann der Rückstand beim HSV, als viele schon dachten, wir würden den Aufstieg noch vergeigen. Gleich am dritten Spieltag lagen wir in Düsseldorf hinten und es drohte die zweite Pleite hintereinander, da wir das Heimspiel gegen Lübeck verloren hatten. Der Aufstieg hat diese Probleme dann aber übertünchen können. Im letzten Jahr war es genau umgekehrt. Da hat die Rückrunde die ganze Saison negativ überstrahlt, obwohl die Hinrunde eigentlich in Ordnung gewesen ist. Da haben wir auch einige gute Spiele abliefern können.

In der zweiten Liga habe ich dann auf einer ungewohnten Position als rechter Verteidiger agiert. Ich habe aber gespielt und auch das Vertrauen des Trainers Lorenz-Günther Köstner gehabt. Dieser Rückhalt hat mir sehr geholfen. Der Abstieg war dann sehr bitter. Wir hatten damals unsere Probleme zwischen der 85. und 92. Spielminute. Unglaublich wie viele Tore wir da kassiert haben. Aber diese Spielzeit gehört eben dazu, sonst hätten wir vielleicht einen einstelligen Tabellenplatz erreicht. In der Regionalliga wollte ich dann dasselbe schaffen wie im ersten Jahr. Es gab dann immer wieder einen unglaublich hohen Spielerverschleiß. In jeder Saison wurden zig neue Leute geholt, was eben einen Verein nicht konstant arbeiten lässt.

In der Vorbereitung hatte ich dann Probleme mit dem Sprunggelenk, die die Ärzte nicht überblicken konnten. In einem operativen Eingriff versuchten sie festzustellen, was das Problem war und es löste sich dann irgendwann von selbst. Nach vier Spielen kam dann der Kreuzbandriss in Bremen auf Platz 11, der mich aus der Bahn geworfen hat. Dann musste ich die Spiele fortan von ungewohnter Position auf der Tribüne verfolgen. Die verliefen sicherlich nicht alle erfolgreich, aber keiner dachte je daran, dass wir den zehnten Platz verfehlen könnten. Dann ging es auf einmal bergab in eine fast aussichtslose Position, danach haben wir uns sensationell wieder herankämpfen können und dann kam eben das Lübeck-Spiel.

Die schönsten Momente waren kurz zusammengefasst, das erste Spiel gegen Kickers Emden, mein Tor als ich in der Pokalrunde gegen Energie Cottbus erzielt habe, das uns den Einzug in die zweite Runde ermöglicht hat und natürlich mein Tor im Pokal gegen Borussia Dortmund. Das ist nicht wenig und ich habe bei Rot-Weiss persönlich auch einiges erreicht. Leider waren für den Verein auch viele Negativereignisse dabei, mit denen man sich ebenso „schmücken“ muss. Jetzt beginnt ein neuer Lebensabschnitt und wo der sein wird, wird sich in den nächsten Tagen zeigen, obwohl ich gerne noch einige Jahre geblieben wäre. Unter der Voraussetzung, dass meine Leistung auch weiterhin passt hätte ich sogar bis zu meinem Karriereende hier weitergespielt.

Jawattdenn.de: Du wärst auch unabhängig von der Liga geblieben?

Stefan Lorenz: Noch eine Liga weiter wäre ich sicherlich nicht mit hinunter gegangen. Aber der Verein hat viel zu viel Kraft und Möglichkeiten immer ein schlagkräftiges Team aufzustellen, als dass er in die fünfte Liga absteigen könnte. Man hätte auch in der Dritten Liga in der vorletzten Saison nicht gedacht, dass man nicht unter den ersten 10 Teams gelangt für die eingleisige neue Liga. Ich hoffe sehr, das man in naher Zeit in die Dritte zurückkehren könne. Doch bis dahin ist es kein Spaziergang. Wichtig ist, das sich jeder seiner Aufgabe stellen muss, egal welche Rolle er bei Rot-Weiss ausfüllt und damit meine ich nicht nur die Spieler. Ich wünsche dem Verein alles Gute für die kommenden Jahre und werde immer ein Auge drauf werfen. Ein Dank geht an Euch, das jawattdenn.de Team, das mit ganzem Herzen zum Verein steht, Fotos und etliche Berichterstattungen auf einer sehr informativen Homepage präsentiert. Macht weiter so, meinen Klick auf Eurer Seite habt Ihr!

Jawattdenn.de: Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führten Hendrik Stürznickel und Dominik Bardt