24.09.2019

"Wir müssen aus der Liga raus!" - Interview Marcus Uhlig

von Hendrik Stürznickel

Marcus Uhlig hat einen stürmischen Sommer hinter sich. Nicht nur ein Großteil der Mannschaft wechselte, sondern auch der sportliche Leiter und der Trainer. Dabei konnte Uhlig bei den Personalien durchaus überraschen und eine Euphorie unter den RWE-Fans erzeugen. Grund genug, um mit ihm über die Veränderungen bei RWE, das Engagement von Sascha Peljhan und den lang ersehnten Aufstieg von RWE zu sprechen.

Marcus Uhlig

Jawattdenn.de: Hallo Marcus, kennst Du das A-Team?

Marcus Uhlig: Ja?

Jawattdenn.de: Der Anführer des Teams sagt gerne zum Abschluss einer Folge mit einer Zigarre im Mund: „Ich liebe es, wenn ein Plan funktioniert!“ Wie oft hast Du in den letzten Tagen im Büro diesen Hannibal-Moment?

Marcus Uhlig: Den Kontext dieser Frage habe ich schon mehrfach gehört. Wir können bislang nur ein erstes Zwischenfazit ziehen. Zumindest stellen wir fest, dass unsere Idee, im Sommer einiges im Verein umzubauen, nicht ganz falsch war. Wenn deswegen aber ein Gefühl der Selbstzufriedenheit einsetzen würde, wäre das der erste große Fehler. Wir müssen gucken, dass wir die Spannung und die Fokussierung auf unsere Ziele jetzt nicht verlieren. Bislang haben wir einen ersten Schritt gemacht aber noch lange nichts erreicht.

Jawattdenn.de: Der erste Schritt sind immerhin 22 von 24 möglichen Punkten. Wie sicher wart Ihr Euch bei den Veränderungen im Sommer, dass Eure Entscheidungen am Ende auch funktionieren werden.

Marcus Uhlig: Das kann ich nicht in Prozentzahlen beantworten aber ich hatte in dieser Konstellation von Anfang an das sehr gute Gefühl, einen Weg zu beschreiten, der sich auf Dauer durchsetzen wird. Es wird sehr fundiert und akribisch gearbeitet. Trotzdem hat es mich nicht kalt gelassen, als das erste Spiel vor fast 15.000 Zuschauern lief und es erstmals um Punkte ging. Ich kenne schließlich die Erwartungshaltung im Umfeld.

Im Fußball gibt es viele Unwägbarkeiten. Auch ohne die Siegtore in der Nachspielzeit gegen Dortmund und Köln hätten wir vorher genauso gut gearbeitet, aber vier Punkte weniger auf der Habenseite. Umgekehrt ist aus diesen Schlüsselerlebnissen für die Mannschaft und den gesamten Verein etwas gewachsen. Die neuen Spieler merken, was sie mit ihrer Leistung hier in diesem Stadion für eine Begeisterung auslösen können und wie sehr es sich lohnt, bis zum Ende Gas zu geben.

Jawattdenn.de: Mit Christian Titz habt Ihr einen Trainer verpflichtet, der einen sehr unkonventionellen Fußball spielen lässt. Ob dieser Fußball in der Regionalliga funktioniert konntet Ihr nicht vorher wissen. Habt Ihr lange überlegen müssen, ob Ihr dieses Wagnis eingeht?

Marcus Uhlig: Nein, da sich die Philosophie von Christian Titz mit den Vorstellungen von Jörn Nowak deckt. Wir hatten zwar eine kurze Kennenlernphase, aber in dieser Zeit sehr intensive Gespräche. Wenn man mit Christian Titz über Fußball spricht, begeistert einen das schnell. Wir haben schnell gemerkt, dass seine Idee von Fußball nicht irgendein Experiment ist, sondern eine sehr durchdachte Philosophie.

Jawattdenn.de: Im ersten Interview mit Jawattdenn.de hattest Du die Zusammenarbeit mit Jürgen Lucas und Karsten Neitzel positiv hervorgehoben. Wie hat sich die Zusammenarbeit im sportlichen Bereich aus Deiner Sicht verändert, nachdem Christian Titz und Jörn Nowak gekommen sind?

Marcus Uhlig: Natürlich war die Zusammenarbeit mit Karsten und Jürgen gut. Die jetzige Zusammenarbeit ist automatisch intensiver, nicht zuletzt weil Jörn Nowak hauptamtlich arbeitet. Am Ende wären Jörn, Christian und ich nicht zusammen gekommen, wenn wir nicht alle ein gutes Gefühl dabei gehabt hätten, diese Aufgabe gemeinsam anzugehen. Von dieser Zusammenarbeit kann der Verein nur profitieren.

Jawattdenn.de: Den RWE-Fans blieb das Herz stehen, als die BILD jüngst titelte, dass der VfL Bochum einen Ex-HSV-Trainer verpflichten möchte. Es ging glücklicherweise um Hannes Wolf. Gab es schon Anfragen von anderen Vereinen?

Marcus Uhlig: Aktuell liegen uns keine Anfragen vor. Es ist doch klar: In dem Moment, in dem Erfolg da ist, wird man bemerkt. Wir stehen momentan bundesweit im Schaufenster mit unserer Mannschaft. Ich nehme aber bei allen Beteiligten wahr, dass sie extrem viel Bock auf die Arbeit bei und für Rot-Weiss Essen haben.

Jawattdenn.de: Am Ende der Transferperiode überraschte RWE mit zwei Abgängen. Während Nico Lucas in eine andere Liga wechselte, verstärkt Felix Herzenbruch nun Rot-Weiß Oberhausen und damit einen Konkurrenten. Warum habt Ihr das gemacht?

Marcus Uhlig und Frank Kurth

Marcus Uhlig: Die Situation mit Felix ist nicht so gelaufen, wie es sich speziell der Spieler vorgestellt hat, als er bei uns den Vertrag unterschrieben hat. Die Art von Christian Titz, Fußball zu spielen, ist eine besondere, die eine intensive Eingewöhnungszeit erfordert. Dafür war die Vorbereitung extrem wichtig. Leider hatte Herze ausgerechnet in dieser Zeit mit kleineren Verletzungen zu kämpfen. Das war in einer Situation, in der jeder Vollgas gegeben hat, um im neuen System und in der Mannschaft anzukommen. Wenn man dann – wie es bei Herze in Paderborn der Fall war - als Spieler selbst lange nicht regelmäßig gespielt hat, sind das natürlich schwierige Voraussetzungen. Hinzu kommt, dass ein Spielertyp wie Herzenbruch spielen muss. Er ist wie ein Uhrwerk, das Staub fängt, wenn es nicht läuft. Bei Oberhausen wird er spielen, das hat sich sofort gezeigt.

Jawattdenn.de: Recht erfolgreich, wenn man den Berichten Glauben schenkt…

Marcus Uhlig: Genau! Wenn Felix jetzt hilft, den Oberhausener Kader besser zu machen, der dann gegen unsere Rivalen spielt, dann ist doch alles ok. Man muss auch sehen, wie sich das ergeben hat, es war am Rande unseres Spiels. Es hätte sich auch nicht ergeben, wenn es nicht der Verein Oberhausen gewesen wäre, zu denen wir einen direkten Draht haben, und wo Herzenbruch bekannt ist, weil er dort schon einmal gespielt hat. Es hilft also zunächst einmal dem Spieler und später dann auch uns. Er kommt im Sommer zurück und es wird nicht zu unserem Nachteil sein, wenn ein Herzenbruch unser Team verstärkt, der zuvor in der Regionalliga 25 bis 30 Spiele absolviert hat.

Jawattdenn.de: Es sind Spieler in der Mannschaft, die man auch über 2020 hinaus gerne im Kader sehen würde. Wann beginnt Ihr begehrte Spieler gezielt auf Vertragsverlängerungen anzusprechen?

Marcus Uhlig: Das hört nie auf. Wir tun uns schwer damit, Vertragskonstellationen präzise in die Öffentlichkeit zu tragen. Das hat auch damit zu tun, dass es im Ruhrgebiet Medien gibt, die am liebsten jeden Tag eine Personalgeschichte über Rot-Weiss Essen bringen möchten (lacht). Das hilft uns nicht und bringt eher sogar Unruhe ins Team. Es kann aber jeder sicher sein, dass wir jetzt schon bei den Personalien dran sind, bei denen wir im Hinblick auf kommende Saison die vertragliche Situation ändern möchten.

Jawattdenn.de: Auffällig ist, dass die Mannschaft sehr viel außerhalb des Fußballplatzes unternimmt. Habt Ihr das von außen eingebracht oder kommt das aus dem Inneren der Mannschaft heraus?

Marcus Uhlig: In dem Bereich machen sich Jörn Nowak und Christian Titz sehr viele Gedanken, sodass sie diese Dinge fordern und fördern. Andererseits ist die Mannschaft vom Altersschnitt richtig gut zusammengestellt. Wir merken aus der Mannschaft selbst heraus, dass die Spieler große Lust haben, sich über Training und Spiele hinaus zu treffen und Freizeit miteinander zu verbringen. Es kommt also von beiden Seiten. Es gibt auch Mannschaften, die alibimäßig mal gemeinsam etwas unternehmen, aber eigentlich keine Lust darauf haben. Wir haben auch charakterlich eine gute Truppe zusammen.

Jawattdenn.de: Ich habe mitbekommen, dass ein Teil der Truppe sogar ein weiteres Mal Kartfahren war, weil es ihnen beim ersten Mal so viel Spaß gemacht hat.

Marcus Uhlig: Sie waren vor kurzem in einer Woche Kartfahren und Bowlen. Das war schon fast etwas viel. (lacht)

Jawattdenn.de: Nach den beiden Abgängen ist der Kader nicht so groß, wie es vom Verein als gewünscht kommuniziert wurde. Kann ich also davon ausgehen, dass im Laufe der Hinrunde oder in der Winterpause noch etwas passiert?

Marcus Uhlig: Grundsätzlich beobachten wir 365 Tage im Jahr den Markt - natürlich allen voran Jörn Nowak, Christian Titz und das Trainerteam. Momentan haben wir mit Blick auf den Verletztenstand beinahe paradiesische Zustände, auch wenn sich das natürlich immer ändern kann. Im Winter öffnet sich dann das Transferfenster wieder und es werden auch Spieler angeboten, die bei einem anderen Verein unter Vertrag stehen. Vielleicht kommen dann Spieler auf uns zu, die irgendwo unzufrieden sind. Das wissen wir aber heute noch nicht. Deswegen können und wollen wir auch nichts ausschließen.

Jawattdenn.de: Du hast bei der Jahreshauptversammlung sehr ehrlich zugegeben, dass Du in der vergangenen Saison befürchtet hast, dass das Interesse der Zuschauer und Sponsoren abnehmen könnte, wenn sich nichts bei RWE ändert. Nach der Peljhan-Geschichte konnte man durchaus mit Euphorie rechnen. Aber wie überrascht warst Du, als bis zum ersten Spieltag 4.300 Dauerkarten verkauft waren und ein Spiel gegen eine Zweitvertretung von 14.500 Zuschauern besucht wurde?

Marcus Uhlig

Marcus Uhlig: Wenn uns das jemand ein halbes Jahr zuvor prophezeit hätte, hätten wir uns sicher gefragt, was dafür in der Zwischenzeit alles passieren muss. Umgekehrt war genau das schon unser Plan. Wir wussten, dass hier schleichendes Siechtum einsetzen wird, wenn wir nichts verändern - so sicher wie das Amen in der Kirche. Das war der Ausgangspunkt all unserer Überlegungen und Planungen. Wir wollten also dieses Szenario komplett in eine andere Richtung schieben.

Wir brauchten jemanden, der genau verstanden hat, was wir verändern müssen, um nachhaltig besser zu werden. Derjenige war Sascha Peljhan. Er konnte der von uns entwickelten Strategie absolut folgen. Außerdem ist er in Vorleistungen gegangen, um unsere Ideen abzusichern. Er hat die Add-Ons bei einer sehr konservativen Planung, was Zuschauereinnahmen und Sponsoringeinnahmen angeht, bereitgestellt.

Jawattdenn.de: Dürfen wir wissen, mit welcher Zuschauerzahl Ihr kalkuliert habt?

Marcus Uhlig: Wir rechnen nicht in Zuschauerzahlen, sondern beziffern den Umsatz aus verkauften Karten. Da fließen auch Niederrheinpokal und Freundschaftsspiele mit hinein. Wenn man das auseinanderrechnet, kommt man auf einen Zuschauerschnitt von etwa 8.000.

Jawattdenn.de: Du hast das von Sascha Peljhan bereitgestellte Geld mehrfach als Sicherung bezeichnet. Wäre es bei einem positiven Saisonverlauf denkbar, dass Ihr aufgrund von höheren Zuschauerzahlen und vielleicht einigen zusätzlichen Sponsoren, die auch Freude an RWE haben, gar nicht auf die Rücklage zugreifen müsst?

Marcus Uhlig: Genau das ist unser Plan. Du hast in Deiner ersten Frage von einem funktionierenden Plan gesprochen. Wenn dieser Plan wirklich am Ende funktioniert, dann nicht deswegen, weil wir fremdes Geld ausgegeben haben, sondern weil wir ins Risiko gehen konnten. Die Idee ist, davon auszugehen, dass wir aufgrund unserer besseren sportlichen Performance Mehreinnahmen erwirtschaften. Dementsprechend ist unser Ziel, wenig bzw. im besten Fall gar nichts von dem Geld von Sascha Peljhan in Anspruch nehmen zu müssen. Wenn wir eine gute Saison spielen, werden wir dieses Ziel auch erreichen.

Jawattdenn.de: Gehen wir davon aus, dass das Geld nicht in Anspruch genommen wird. Ist dieses Geld dann nach dem Ablauf der zwei Jahre, auf die Ihr Euch vertraglich geeinigt habt, weg, oder könnte man einen dritten Anlauf davon finanzieren, falls das nötig würde?

Marcus Uhlig: Viele verstehen Sascha Peljhan nicht. Das Gefühl hatte ich auch bei der kleinen Jahreshauptversammlung. Sascha Peljhan war und ist Fan von Rot-Weiss Essen. Er hatte aber vorher keinerlei Vorstellung davon, wie ein Fußballverein von innen funktioniert.  Er musste uns erstmal kennen lernen, um zu sehen, wie wir arbeiten, wie die Abläufe sind. Deswegen haben wir uns in einem ersten Schritt zunächst einmal auf zwei Jahre verständigt. Wenn man jetzt sieht und weiß, was seitdem alles passiert ist und wie eng er an uns herangerückt ist, wie interessiert er sich zeigt, wie freudestrahlend seine Augen beim Spiel leuchten, dann sieht man, dass er wirklich helfen möchte, damit der Fußballverein seiner Heimatstadt von der Stelle kommt. Es geht ihm nicht darum, mit RWE Geld zu verdienen.

Lasst uns alle gemeinsam das Ziel verfolgen, innerhalb der nächsten beiden Jahre aufzusteigen.  Am Ende gucken wir, ob das gelungen ist, was wir für den nächsten Schritt benötigen und wie bis dahin die Zusammenarbeit gelaufen ist.

Das, was wir mit Sascha Peljhan vereinbart haben, ist beispielgebend für den deutschen Fußball. Nach solch einer Vereinbarung würde sich jeder Verein in Deutschland die Finger lecken. Da muss wirklich niemand das Haar in der Suppe suchen, das wäre der falsche Ansatz. Wir brainstormen sehr regelmäßig und sprechen schon über mehrere neue Ideen. Immer geht es dabei um die Verbesserung der Situation von Rot-Weiss Essen. Das hilft nicht nur dem Verein, sondern macht auch sehr viel Spaß.

Im schlechtesten Fall spielen wir zwei ganz schlechte Saisons, verbraten die Kohle und haben nichts erreicht. Da glaube ich aber nicht dran. Im besten Fall steigen wir im kommenden Sommer auf und haben nicht einen Cent angefasst. Dann schauen wir weiter.

Jawattdenn.de: Die Euphorie unter den Zuschauern ist fraglos da. Auf Seiten der Sponsoren gab es in der letzten Rückrunde auch Gerüchte, dass viele ihr Engagement aufgeben wollten. Wie hat sich das Sponsoring Stand heute entwickelt?

Marcus Uhlig mit Patrick Korte (l.)Marcus Uhlig: Wir haben es im ersten Schritt geschafft, eine große Kündigungswelle zu verhindern. Die Informationen zu Sascha Peljhan und Harfid haben auch bei den Sponsoren für einen Wachrütteleffekt gesorgt und den Glauben gestärkt, dass es sich lohnt, Rot-Weiss Essen weiter zu unterstützen. Wir hatten im Sommer nicht viele Abgänge und haben gleichzeitig einige sehr interessante Partner neu hinzubekommen. Wir merken jetzt, dass es Anfragen von früheren als auch von neuen Partnern gibt, die sich ein Engagement vorstellen können. Außerdem hat die LED-Bande voll eingeschlagen und lockt den ein oder anderen. Es geht immer mehr und daran arbeiten wir. Aber im Bereich Zuschauerzahlen als auch beim Kreis der Sponsoren ist der Trend positiv. Wir sind auf einem guten Weg.

Jawattdenn.de: Die Aktion #1907 hat immerhin 183 Teilnehmer. Kannst Du neben der neuen Toranzeige sagen, was durch diese Mehreinnahmen möglich wird?

Marcus Uhlig: Diese Einnahmen sind nicht zweckgebunden, deswegen sind sie ein Teil zur Finanzierung des sportlichen Bereiches. Es ist ein Projekt von vielen. Die Idee dieses Projekts war aber auch in einem Stadion, das sehr neutral daherkommt, einen kleinen rot-weissen Farbtupfer zu setzen. Die Idee ist aus dem Zusammentreffen mit mehreren Bloggern entstanden. Es war eine gute Idee und wer seinen Namen dort verewigt sieht, hat aus meiner Sicht einen guten emotionalen Gegenwert.

Jawattdenn.de: Die Eintrittskarten werden nun digital erfasst. Ist eine Print-at-home oder mobile Variante angedacht?

Marcus Uhlig: Die Idee „Print-at-home“ ist eine von mehreren, die wir uns für die neue Saison vorgenommen haben. Wir durchleuchten gerade alle Bereiche. Im Moment sind wir dabei, das Merchandising zu optimieren. Wenn wir das abgeschlossen haben, gehen wir an das Thema Ticketing. Da geht es um Preise oder Aktionen. Dazu gehört auch ein verbesserter Service, beispielsweise durch Print-at-home. Das würde den Vorverkauf entlasten. Deswegen steht das mit auf unserer Ideenliste.

Jawattdenn.de: Auf der kleinen Jahreshauptversammlung im Stadion wurde über das Fangnetz auf der West gesprochen. Gibt es hier schon Informationen, ob diese Maßnahme irgendwann wieder aufgehoben werden kann?

Marcus Uhlig: Wir haben dem Verband mitgeteilt, dass wir an dieser Stelle etwas ändern wollen und haben um eine Stellungnahme gebeten. Ich bin sehr auf die Antwort gespannt. Außerdem gibt es immer wieder Ideen, das Stadion zu verschönern. Wir hatten kürzlich ein Treffen mit Teilen der Fanszene, auf dem richtig gute Ideen formuliert wurden, wie wir dem Stadion einen rot-weisseren Anstrich geben können. Diese Ideen müssen wir mit der GVE als unserem Vermieter besprechen. Wir haben bereits signalisiert, dass wir hinter vielen dieser Ideen stehen. Wir wissen aber, dass die Bretter recht dick sind, die wir bohren müssen.

Jawattdenn.de: Gibt es eine Auflage, wie viel Prozent der Sitzplätze gegnerischen Zuschauern zugeteilt werden müssen?

Marcus Uhlig: Es gibt beispielsweise im DFB-Pokal die Auflage, dass der gegnerische Verein zehn Prozent seiner Gesamtkapazität den Gästefans zur Verfügung stellen muss. Allerdings ist nicht festgelegt, ob es Sitz- oder Stehplätze sind. Die Vereine können sich das also selbst überlegen. In der Regionalliga gibt es eine solche Regelung nicht.

Jawattdenn.de: Bei uns ist das so. Ich will speziell den Fall Rödinghausen ansprechen, die Jahr für Jahr teils erfolgreich versuchen, keinen RWE-Fan auf die Tribüne zu lassen. Das bedeutet, dass man dagegen nichts tun kann?

Marcus Uhlig: Man sieht an dem Beispiel, wie wenig Rödinghausen scheinbar auf operative Einnahmen angewiesen ist. Sie hätten für das Spiel bestimmt 1.000 Karten mehr verkaufen können. Insgesamt zeigt mir so etwas aber auch überdeutlich, dass wir einfach aus dieser Liga raus müssen.

Jawattdenn.de: Von außen betrachtet wirkt RWE im Moment wie ein Selbstläufer. Kannst Du sagen, was für Dich momentan die größte Baustelle in der täglichen Arbeit ist?

Marcus Uhlig: Wir haben im Sommer viel verändert und das wirkt bis heute nach. Hinzu kommt, dass wir ein sehr kleiner Laden sind, auch wenn das manche anders sehen. Das führt dazu, dass die Arbeit jedes Mitarbeiters – vom Praktikanten bis hoch zum Vorstandsvorsitzenden –  zum Großteil aus dem operativen Geschäft besteht.

Insgesamt halte ich nicht viel von Fünf-Jahres-Plänen. Du musst in die Zukunft gucken, aber für solche Pläne müsste man 30 verschiedene Szenarien entwerfen. Damit zu arbeiten ist also wenig seriös. Grundsätzlich versuchen wir den Verein unabhängig vom sportlichen Erfolg weiterzuentwickeln. Das große Ziel ist aber, den Verein auch sportlich sukzessive weiterzubringen.

Da wir das Klima zwischen uns und der GVE grundlegend verbessert haben, wollen wir nach und nach verschiedene Ideen angehen, mit denen wir aus diesem Stadion noch mehr machen können. Da haben wir die Infrastruktur im Blick, aber auch eine mögliche Erweiterung des Trainingsplatzes. Auch an der Seumannstraße wollen wir die Infrastruktur verbessern. Wir haben sehr hart in den letzten beiden Jahren für die Zertifizierung gearbeitet und damit ein Zwischenziel erreicht. Jetzt müssen wir uns inhaltlich weiterentwickeln, weil wir in einem knallharten Wettbewerb sind, der eher schwieriger wird. Da reden wir gar nicht über Dortmund und Schalke, sondern über Duisburg, Düsseldorf und Oberhausen, die es richtig gut machen. Wir müssen dafür sorgen, dass mehr Jugendspieler über einen längeren Zeitraum bei uns bleiben. Idealerweise sollen sie unserer 1. Mannschaft am Ende ihrer Ausbildung weiterhelfen. Wenn sie dann doch vor dem Sprung in die Senioren gehen wollen, soll es sich aber entsprechend für Rot-Weiss Essen lohnen.

Es gibt also viele strukturelle und strategische Themen, so dass der Schreibtisch eigentlich immer voll ist. Und darüber hinaus ergeben sich immer wieder zusätzliche Baustellen, die uns auffallen und die wir beheben möchten.

Jawattdenn.de: Zum Beispiel?

Marcus Uhlig und Sponsor HarfidMarcus Uhlig: Man merkt, wie gerne unsere Mannschaft vor unseren Fans spielt und wie sehr sie das "Gefühl Hafenstraße" aufsaugt. Die Stimmung beeindruckt nach wie vor viele der Jungs, insbesondere, wenn sie ähnliches auf ihren vorherigen Stationen noch nicht erlebt haben. Zu dieser großartigen Stimmung trägt es allerdings ausdrücklich nicht bei, wenn sich einige wenige Zuschauer auf der Haupttribüne bemüßigt fühlen, Verantwortliche oder Spieler der gegnerischen Mannschaft aus wenigen Metern Abstand mit Bierbechern und Beleidigungen unterster Schublade zu überschütten. Wir wollen hier ganz sicher keine Wohlfühloase für den Gegner schaffen, aber ein Mindestmaß an Respekt und Fairness müssen und wollen wir unserem sportlichen Kontrahenten selbstverständlich entgegenbringen. Gerade im Spiel gegen den KFC Uerdingen wurden diesbezüglich leider einige Grenzen überschritten. Das hat im Übrigen auch auf unsere eigenen Spieler verstörend gewirkt.

Jawattdenn.de: Noch in diesem Jahr soll das Ergebnis der Arbeitsgruppe präsentiert werden, die sich mit der Aufstiegsregelung aus der Regionalliga beschäftigt. Außerdem soll dieses Ergebnis auf dem DFB-Bundestag beschlossen werden. Auch wenn Du die Ergebnisse nicht nennen darfst, wirst Du über den Stand der Dinge informiert?

Marcus Uhlig: Egal ob wir über den Landesverband oder den DFB reden: Ich wünsche mir von Seiten der Verbände grundsätzlich mehr Transparenz. Die Regelung für diese Saison steht. Stand jetzt wird der Südwesten und der Westen einen festen Aufstiegsplatz bekommen und die Arbeitsgruppe noch genauer darüber beraten, wie aus den verbleibenden Regionalligen Nordost, Bayern und Nord die beiden weiteren Plätze ausgespielt werden.

Ich habe dazu schon so viel gesagt. Wenn wir in diesem Jahr die Relegation spielen müssen, dann ist es so. Auch hier nochmal: Wir müssen aus dieser Liga raus. Dann haben wir auf jeden Fall mit dieser Schwachsinnsregelung, die von Anfang an ein fauler Kompromiss war, nichts mehr zu tun. Über Jahre wurde es nicht geschafft, eine zum Fußball passende und gerechte Regelung zu finden. Aus einer egoistischen Sicht heraus könnten wir mit dem festen Platz im Westen zufrieden sein. Allerdings hat der Verein Rot-Weiss Essen die Diskussion in den letzten Jahren immer wieder um Beiträge bereichert, obwohl wir tabellarisch nie in der Position waren, die uns die Berechtigung verschafft hätte, uns mit diesem Thema ernsthaft auseinandersetzen. Deswegen möchte ich es andersrum angehen. Lasst uns erstmal sportlich qualifizieren, sodass wir uns damit überhaupt beschäftigen müssen.

Jawattdenn.de: Das bedeutet, dass die Regionalligisten von der Arbeitsgruppe nicht in die Besprechungen einbezogen werden?

Marcus Uhlig: Es gibt schon einen Austausch. Es gibt außerdem auch einen Austausch zwischen den betroffenen Vereinen. Trotzdem sehen Transparenz und ein gleichberechtigtes Miteinander anders aus.

Jawattdenn.de: Seit Jahren sind die krampfhaften Spielverlegungen gegen Zweitvertretungen ein weiteres Ärgernis. Nach einem friedlichen Fußballfest gegen Dortmund wurde klar, dass es auch anders geht. Hat man nach so einem Spiel Argumente bei den Sicherheitsbehörden?

Marcus Uhlig: Das ist ein ähnliches Thema. Wie Rot-Weiss Essen darüber denkt, ist im Endeffekt egal. Aber richtig ist, dass dieses Thema viel zu sehr im Vorfeld reglementiert wird. Sport 1 passt ebenfalls zu diesem Thema.

Jawattdenn.de: Kann Sport1 RWE ungewollt zu einem Montagsspiel zwingen?

Marcus Uhlig: Auf einer Tagung aller Vereine vor der Saison wurden uns Wünsche von Sport 1 präsentiert. Demnach gab es ein großes Interesse des Senders, möglichst viele Heimspiele von Rot-Weiss Essen zu übertragen. In einem ersten Schritt haben wir uns bislang erfolgreich gegen Heimspiel-Übertragungen an einem Montag gewehrt.

Jawattdenn.de: Nur das Auswärtsspiel in Mönchengladbach wird bislang übertragen.

Marcus Uhlig: Wobei ich die Konstellation wiederum gut finde, auch wenn sie vielleicht „aus Versehen“ zustande gekommen ist. 13 Uhr an einem Donnerstag, der dazu noch ein Feiertag ist, finde ich in Ordnung. Es ist keine weite Entfernung und danach hat jeder, der den Brückentag in Anspruch nimmt, ein langes Wochenende.

Jawattdenn.de: Zu Dir persönlich: Auf der Jahreshauptversammlung wie auch der kleinen Jahreshauptversammlung wurden gegenüber den Entscheidungen von Deinen Kollegen im Aufsichtsrat und Dir recht viel Skepsis entgegengebracht. Trifft Dich das?

Marcus Uhlig: Ich bin schon manchmal enttäuscht, weil ich bei einigen Dingen eine unbegründete Grundskepsis spüre. Da erklären mir die Menschen, dass ich es aufgrund der Vorfälle der letzten Jahrzehnte verstehen müsse. Diese Grundskepsis macht es uns schwieriger, vom Fleck zu kommen. Andererseits zeigt mir das aber auch, dass wir in manchen Fällen einfach besser und vertrauensvoller kommunizieren müssen. Wir haben bereits gesagt, dass wir im Vorlauf der Jahreshauptversammlung unsere Ideen frühzeitig nach außen hätten tragen müssen, dann wäre uns so manche Diskussion sicher erspart geblieben.

Wir gehen damit selbstkritisch um. Bei der Jahreshauptversammlung hat sich unter anderem etwas an dem Satzungsänderungsantrag entzündet. Es ging um eine Formalität, zur Erleichterung des operativen Umgangs mit der Spielbetriebs-GmbH. Hier bestand die Grundskepsis der Fans darin, dass wir diese GmbH für den Fall der Ausgliederung behalten wollen könnten. Dem ist aber mitnichten so.

Marcus Uhlig (l.) im Gespräch mit Hendrik StürznickelWir haben das selbstkritisch im Aufsichtsrat diskutiert. Danach haben wir einstimmig beschlossen, diese GmbH zu liquidieren – also zu löschen. Wenn diese Maßnahme unsere Aussage, dass wir keine Hinterzimmerentscheidungen fällen, unterstreicht, dann soll diese Liquidation der GmbH eine vertrauensbildende Maßnahme sein. Es dauert noch ein wenig, bis sie aus dem Handelsregister verschwindet, die Liquidation ist aber bereits auf den Weg gebracht.

Jawattdenn.de: Du bist am Anfang unter der Woche von Deiner Familie getrennt gewesen. Seid Ihr nun ins Ruhrgebiet gezogen?

Marcus Uhlig: Meine Familie wohnt weiterhin in Bielefeld. Das bleibt auch so. Mittlerweile fahre ich nicht mehr jedes Wochenende, sondern nur noch alle zwei Wochen nach Hause, weil die Arbeit einfach mehr geworden ist. Nach dem Spiel gegen Lippstadt konnte ich aber beispielsweise Freitagabends zur Familie fahren und bis Sonntag bleiben.

Jawattdenn.de: Das stelle ich mir belastend vor.

Marcus Uhlig: Solange es funktioniert, ist das kein Problem. Meine Familie kennt es nicht anders, weil es im Fußball eben keine 40-Stunden-Jobs gibt. Das ist völlig ok.

Jawattdenn.de: Was willst Du in dieser Saison mit Rot-Weiss Essen erreichen?

Marcus Uhlig: Ich will so schnell wie möglich mit Rot-Weiss Essen aufsteigen.

Jawattdenn.de: Vielen Dank für das ausführliche Gespräch.



Das Interview führte Hendrik Stürznickel vor dem Heimspiel gegen den Bonner SC.