12.09.2019

"Ich weiß, dass RWE ein geiler Verein ist!" – Interview mit Marcel Lenz

von Hendrik Stürznickel

Der Tag an der Hafenstraßen ist streng getaktet. Am Tag des Interviews hat Marcel Lenz Videoanalysen, das Training und weitere Messungen zu absolvieren. Am Abend fährt das Team zum Bowling. Da bleibt kaum Zeit für etwas anderes. Trotzdem hat der Schlussmann von RWE sich Zeit genommen, um in unserem Spielergespräch im September über einen einmaligen Einsatz als Stürmer, das neue Spielsystem bei RWE und seine Vorliebe für „Adiole“ zu sprechen.

Marcel LenzJawattdenn.de: Ralf Wilhelm schrieb in seinem Spielbericht für die WAZ, dass die Haupttribüne den Sieg über Uerdingen wie selbstverständlich entgegennahm. Welchen Stellenwert hat dieser Erfolg für Dich?

Marcel Lenz: Bei solchen Aussagen muss man aufpassen, denn wir haben gegen einen sehr ambitionierten Drittligisten gespielt. Wir wussten aber, dass wir gute Chancen haben, Uerdingen zu besiegen, wenn wir unsere Leistung abrufen. Dass uns das am Ende so gut gelungen ist, hat uns alle sehr gefreut.

Jawattdenn.de: Über Kevin Grund war zu lesen, dass er seinen Kindern jede Woche einen Sieg versprechen muss, weil sie auf dem Platz feiern wollen. Gibt es im Hause Lenz ähnliche Zwänge wie bei ihm?

Marcel Lenz: Mein Sohn sagt vor jedem Spiel, dass er nach dem Spiel auf den Platz kommen und mit den Fans hüpfen will. (lacht) Da muss ich natürlich ‚Ja’ sagen. Ich hoffe deswegen, dass die Serie weiter anhält, weil ich sonst auf der Tribüne ein Problem habe.

Jawattdenn.de: Die Kinderschar gehört für viele Zuschauer zu den Highlights nach den Spielen.

Marcel Lenz: Die Kinder leben das alle richtig mit. Von meinem Kleinen höre ich nur noch Rot-Weiss Essen. Er guckt sich die Handyvideos an, auf denen wir feiern und kennt alle Spielernamen bei uns auswendig. Er weiß schon, wer den Ball zehn Sekunden später bekommt, wenn der Kommentator der Zusammenfassung den Namen des ballführenden Spielers nennt. Das ist der Wahnsinn!

Jawattdenn.de: Es zeigt ja auch ein gewisses Vertrauen, wenn man sein Kind so selbstverständlich mitnimmt. Bei allem Konkurrenzkampf, wie ist die Stimmung bei RWE?

Marcel Lenz: Es besteht ein großer Zusammenhalt in der Mannschaft. Auch das Drumherum ist der Wahnsinn, allein wie viele Leute ich treffe, wenn ich vor dem Spiel am Stadion ankomme. Der Zusammenhalt der Mannschaft mit dem Umfeld ist im Moment ebenfalls extrem groß. Deswegen macht es gerade umso mehr Spaß.

Jawattdenn.de: Du hast im letzten Jahr die Siegesserie zum Saisonbeginn ebenfalls miterlebt. Inwieweit unterscheidet sich die Situation zwischen dem letzten Jahr und heute aus deiner Sicht?

Marcel Lenz: Von den Ergebnissen her ist die Situation ähnlich. Die Art und Weise, wie die Ergebnisse zustande kommen, unterscheidet sich jedoch. Im jetzigen System haben wir eine sehr dominante Spielweise, weswegen die Siege nach außen hin abgeklärter wirken. Wir überlassen nur wenig dem Zufall. Dadurch, dass wir uns an den strikten Plan halten, erspielen wir uns sehr viele Chancen, um die Spiele zu gewinnen.

Jawattdenn.de: Die letzten Spiele waren Highlights: vor 12.000 Zuschauern gegen Wattenscheid, Revierderby gegen Oberhausen vor 10.000 Zuschauern und vor 11.000 Zuschauern den Drittligisten KFC Uerdingen rausgekickt. Und jetzt kommt Lippstadt…

Marcel Lenz: Kein Unterschied!

Marcel LenzJawattdenn.de: Man muss sich nicht anders motivieren?

Marcel Lenz: Wir alle wissen, dass wir diese Spiele genauso gewinnen müssen wie die Highlightspiele, wenn wir oben stehen wollen. Natürlich sind die Highlightspiele für einen Fußballer immer einfach. Bei über zehntausend Zuschauern braucht man keine zusätzliche Motivation. Die werden wir in Lippstadt auch nicht brauchen, denn die Mannschaft hat einen guten Charakter. Wir wissen, dass wir das Spiel genauso angehen müssen, wie wir es in den letzten Wochen getan haben. Außerdem glaube ich, dass auch in Lippstadt viele RWE-Fans sein werden, die uns unterstützen. Ich würde mich freuen, wenn auch das ein Heimspiel für uns wird.

Jawattdenn.de: Als Duisburger Jung bist Du sehr früh zum MSV gekommen. Inwieweit ist da ein Kindertraum wahr geworden?

Marcel Lenz: Klar! So wie es für einen waschechten Essener ein Traum ist für Rot-Weiss zu spielen, ist es für einen Duisburger ein Traum für den MSV zu spielen.

Jawattdenn.de: Meistens sind es die, die sich am wenigsten wehren, oder es gibt noch fiesere Gründe, weswegen Kinder im Tor landen. Wie bist du Torwart geworden?

Marcel Lenz: Ich habe zunächst auf dem Feld angefangen. Leider weiß ich es nicht mehr genau, aber ich war wohl etwas zu faul, um immer das Feld hinauf und herunter zu rennen. (lacht) Irgendein Trainer hat mich dann ins Tor gestellt. Das hat mir so viel Spaß gemacht, dass ich drin geblieben bin. Eine besondere Geschichte war da nicht hinter.

Jawattdenn.de: Schon im Jahr 2000 im Alter von neun Jahren kam der Wechsel zum Bundesligisten nach Gelsenkirchen. Warum war das für Dich der logische nächste Schritt?

Marcel Lenz: Nach zwei Jahren in Duisburg kam das Angebot von Schalke. In dem Moment braucht man nicht lange zu überlegen. Schalke ist ein sehr großer Verein, sodass dieser Schritt für die eigene Entwicklung sehr gut ist. Da meine Eltern damals noch für mich entscheiden mussten, haben wir es alle drei so gesehen, dass ich diesen Schritt gehen sollte.

Jawattdenn.de: Du hast Dich dort zum Nationalspieler entwickelt, wann kam der Anruf vom DFB?

Marcel Lenz: Ich habe Briefe vom DFB bekommen. Bei manchen Spielen waren wohl Scouts vom DFB vor Ort und irgendwann kam dieser Brief. Ich war damals in der Schule und meine Mutter rief mich in der Pause an und sagte, dass ich Post vom DFB bekommen hätte. Das war ein schönes Gefühl.

Jawattdenn.de: Wird man für Länderspielreisen von der Schule befreit?

Marcel Lenz: Genau. Wir haben von der Schule Listen für die Wochen, in denen wir weg waren, bekommen. Dort waren Spalten für jedes Fach, in denen die Lehrer eingetragen haben, was wir in den Wochen, in denen wir unterwegs waren, machen sollten.

Jawattdenn.de: Das klingt nach einer sehr guten Zusammenarbeit mit der Schule.

Marcel Lenz: Das war die Kooperationsschule von Schalke, die Gesamtschule Berger Feld. Genau dafür gehen die Nachwuchsspieler auf diese Schule, damit es in den Fällen keine Probleme gibt. Das hat immer reibungslos funktioniert.

Jawattdenn.de: Du warst auch bei Auswärtsspielen dabei, also im Ausland. Habt ihr damals etwas von den Staaten mitbekommen, die ihr besucht habt, oder wart ihr nur auf den Fußball konzentriert?

Marcel Lenz: Davon haben wir wenig mitbekommen. Einmal waren wir wegen eines Spiels in Abu Dhabi und haben einen Ausflug nach Dubai gemacht. Ansonsten sieht man nur Hotel und Fußballplatz.

Jawattdenn.de: Diese Erlebnisse waren aber bestimmt trotzdem etwas Besonderes für euch Jugendliche.

Marcel LenzMarcel Lenz: Das war schön. Leider war der große Turm, den sie heute in Dubai haben, noch nicht fertig. Als ich dort war, existierte nur das Fundament. Es war insgesamt trotzdem eine geile Erfahrung.

Jawattdenn.de: Egal ob jetzt bei den Wechseln in die verschiedenen Jugendmannschaften oder die Berufung in die Auswahl finde ich das Scouting eines Torwarts sehr schwierig. Die positiven Eigenschaften eines Mittelfeldtalentes können die meisten sicher aufzählen. Welche Eigenschaften machen einen sehr guten Torwart aus?

Marcel Lenz: In der heutigen Zeit wird es immer wichtiger, dass ein Torwart auch gut Fußball spielen kann. Selbst in jungen Jahren ist es wichtig, dass der Torwart eine gewisse Präsenz und Ausstrahlung besitzt. Auf kleineren Plätzen, auf denen Scouts die Ansagen hören, wird auch bewertet, wie man seine Vorderleute dirigiert.

Jawattdenn.de: Du hast nach deinem Wechsel alle Jugendmannschaften in Gelsenkirchen durchlaufen. Hattest Du anschließend ein Angebot für die U23?

Marcel Lenz: Das Angebot hatte ich, zeitgleich kam aber das Angebot aus Duisburg. Ich habe mich für den MSV entschieden, weil ich dort die Möglichkeit hatte, Profiluft zu schnuppern und oben mitzutrainieren. Gespielt habe ich meistens in der zweiten Mannschaft. Das war eine gute Lösung.

Jawattdenn.de: Nach sieben Jahren MSV bist du nach Essen gewechselt. Wie kam der Kontakt zu RWE zustande?

Marcel Lenz: Das lief über meinen Berater. Als sich die Möglichkeit ergab, musste ich allerdings nicht lange überlegen.

Jawattdenn.de: Du musstest nicht überlegen, obwohl du aus der Dritten Liga kamst?

Marcel Lenz: Umgekehrt hat man mir in Duisburg mitgeteilt, dass es für mich schwierig werden würde, zu spielen. In Essen hatte ich die Möglichkeit, neu Fuß zu fassen.

Jawattdenn.de: Damals lenkten noch Jürgen Lucas und Sven Demandt die sportlichen Geschicke. Wie haben sie dir die Regionalliga schmackhaft gemacht?

Marcel Lenz: Die beiden haben mich durch das Stadion geführt und mir alles gezeigt. Sie brauchten aber keine Überzeugungsarbeit zu leisten. Ich komme aus der Region und weiß deshalb, was Essen für ein geiler Verein ist.

Jawattdenn.de: Robin Heller und du habt euch von Beginn an für den Platz im Tor angeboten. Argirios Giannikis hat sich kurz nach seiner Amtsübernahme für einen Torwartwechsel, also für dich als Nummer Eins, entschieden. Dies war der Beginn einer absoluten Seuchenzeit, in der du dich mehrfach verletzt hast. Kannst Du beschreiben, was in einem Torwart vorgeht, der es im Prinzip gerade geschafft hat und dann für Monate außer Gefecht gesetzt ist?

Marcel LenzMarcel Lenz: Richtig! Ich habe mich sehr über die Nominierung gefreut, diese Freude hielt jedoch nicht lange an. Es war eine Scheißzeit für mich. Als ich ins Tor kam, wollte ich den Leuten endlich beweisen, was ich kann. Ich wollte auch den Leuten etwas zurückgeben, die sich für mich eingesetzt und mir die Möglichkeit gegeben haben. Dass es dann zweimal so geknallt hat, war für die Menschen, die sich für mich eingesetzt haben, als auch für mich nicht schön.

Jawattdenn.de: Die Saison 2018/19 begann, wie die davor aufgehört hat. Als es darum ging, sich wieder als Nummer Eins für die neue Saison anzubieten, kam die nächste langwierige Verletzung. Was für ein Mittel hattest du, damit du nicht resignierst?

Marcel Lenz: Wenn man zu Hause ist, ist man niedergeschlagen. Ich glaube, dass es wichtig ist, dass man eine Familie hat, die einen in der Situation aufbaut und einem Mut zuspricht. So ging der Kopf bei mir relativ schnell wieder hoch. Ich habe die Verletzung erst einmal vollständig auskuriert und dann das Ziel verfolgt wieder voll anzugreifen, um so die Leute von mir zu überzeugen. Das musste aber Step-by-Step geschehen.

Jawattdenn.de: Am 6. Juni 2019 wurde bekannt gegeben, dass du ein weiteres Jahr bleibst. Wann hat man Dir signalisiert, dass der Verein gerne mit dir weiter arbeiten würde?

Marcel Lenz: Ich weiß es nicht genau, aber wenige Wochen vorher habe ich gewusst, dass es so kommen wird. Ich bin allen Leuten, die sich für die Vertragsverlängerung eingesetzt haben, sehr dankbar, denn ohne sie hätte ich nicht die Möglichkeiten, die ich heute habe. Ich muss allen ein großes Dankeschön aussprechen, die nach den Problemen der letzten beiden Jahre an mich geglaubt haben.

Jawattdenn.de: Hast du vielleicht auch über das Vertragsangebot nachdenken müssen nach diesen Seuchenjahren?

Marcel Lenz: Auf keinen Fall! Für mich war klar, dass ich gerne hier bleiben würde. Ich will endlich zeigen, was ich kann. Da ich in den zwei Jahren aber nicht so viel gespielt habe, war ich mir nicht sicher, ob die Entscheidungsträger im Verein mich weiterhin haben wollen. Es war für mich ein geiles Gefühl, dass ich das Angebot bekam, weil ich in dieser Saison voll angreifen kann.

Jawattdenn.de: Zu den auffälligsten Änderungen im Spielsystem dieser Saison gehört das Torwartspiel. Kannst du deine neuen Aufgaben während des Spiels erklären?

Marcel Lenz: Ich soll mit dafür sorgen, das Spiel weiter in die gegnerische Hälfte zu treiben. Die meisten Mannschaften lösen dies mit dem Sechser, der sich zwischen die Innenverteidiger fallen lässt. Bei uns übernimmt das häufig auch der Torwart. Während der Sechser in anderen Mannschaften dann im Mittelfeld fehlt, steht er bei uns im Zentrum und kann sich den Ball abholen. Wir wollen die Linie überspielen und uns schnell aus dem Druck herauslösen.

Jawattdenn.de: Es wirkt bei Dir, als habest Du nie ein anderes System gespielt, so gut klappt es bereits. War diese sehr moderne Art des Torwartspiels Teil Deiner Ausbildung in der Jugend?

Marcel Lenz: Es gibt eine moderne Torwartausbildung und es gibt unser System. Unser System habe ich vorher noch nicht gespielt. Das habe ich vorher auch nur beim HSV gesehen. Eine Ausbildung für genau dieses System hat kein Torwart. Es war eine Umstellung für mich und es hat viel Nerven gekostet, es einzuüben. Es gehört schon Selbstbewusstsein und Mut dazu kurz vor der Mittellinie – vielleicht fünf Meter vor dem Gegenspieler – den Ball anzunehmen und zu gucken, wie man ihn am besten weiterspielt. Ich gebe zu, dass ich ein wenig Umgewöhnungszeit brauchte. Aber je mehr ich es trainiert habe und je mehr Testspiele ich gespielt habe, umso sicherer wurde ich in dieser Rolle. Mittlerweile ist das System ganz gut drin.

Jawattdenn.de: Manuel Neuer ist ein paar Jahre älter als du und fällt dadurch auf, dass er mitspielt. War es Teil der Ausbildung in Gelsenkirchen, dass ihr Fußball spielen können solltet?

Marcel LenzMarcel Lenz: Gerade auf Schalke legen die Trainer sehr viel Wert darauf, dass ein Torwart mitkicken kann. Es gibt eine schöne Anekdote aus meinem zweiten Jahr in der U19. Es war das Spiel gegen Bielefeld. Ich kam morgens in die Kabine und habe mir nichts gedacht. Norbert Elgert, mein Trainer damals, dreht die Flipchart um und da stand Marcel Lenz im Sturm. Ich glaube, dass ich am Ball etwas kann, sonst hätte er das nicht gemacht. Beinahe hätte ich sogar ein Tor geschossen, mein Mitspieler hätte nur noch querlegen müssen. Er entschied sich aber selbst zu schießen. Das war allerdings mein einziger Ausflug als Feldspieler.

Jawattdenn.de: Im Regelfall hat ein Torwart selbst in Profiteams immer einige Ausruhphasen im Spiel. Die fallen durch das neue System nun komplett weg. Wie anstrengend ist das für dich?

Marcel Lenz: Es war ein Teil der Umstellung. Wir Torhüter haben in den Testspielen meist nur eine Halbzeit gespielt. Selbst nach einer Halbzeit habe ich gemerkt, dass die Oberschenkel brennen. Deswegen war die harte Vorbereitung auch für uns Torhüter Gold wert, weil wir jetzt fit sind. Der Trainer hat uns gesagt, dass wir im Schnitt sieben Kilometer laufen. Ein Torwart läuft sonst deutlich kürzere Distanzen während eines Spiels.

Jawattdenn.de: Wann kam in der Vorbereitung die Ansage, dass du als Nummer Eins in die Saison gehst?

Marcel Lenz: Das habe ich kurz vor dem ersten Saisonspiel erfahren. Ich habe zwar das letzte Testspiel gegen Offenbach über 90 Minuten gemacht und habe gehofft, dass das bedeutet, dass ich auch in der Saison spielen darf, aber es war zu dem Zeitpunkt noch nicht klar. Da war die Freude riesig.

Jawattdenn.de: Interessant ist die Kommunikation mit dem Trainerstab. Während die Feldspieler ja gemeinsam mit Trainerteam arbeiten, hast du mit einem speziellen Positionscoach – Manuel Lenz – zu tun. Kannst Du erklären, mit welchem Trainer Du welchen Kontakt hast?

Marcel Lenz: Das ist ein Zusammenspiel des gesamten Trainerstabs und der Mannschaft. Speziell für den Spielaufbau machen wir häufig gemeinsame Videoanalysen. Das gehört ebenfalls zur Einführung unseres Spielsystems. Das ist für die ganze Mannschaft ein Prozess und wir sind noch nicht da, wo wir am Ende hinwollen. Deswegen ist es wichtig, dass wir die Abläufe immer wieder durch Videoanalysen wiederholen. Neben den Videoanalysen mit der Mannschaft gibt es separate Videoanalysen, die wir Torhüter mit dem Torwarttrainer machen. Er kümmert sich in diesen Sequenzen nur um spezifische Aspekte für die Torhüter. Der Kontakt ist automatisch zum Torwarttrainer größer als zu den anderen Trainern, weil wir auch im Training sehr eng mit ihm zusammen arbeiten.

Jawattdenn.de: Bereitest Du Dich anders als der Rest der Mannschaft auf das Spiel vor, z. B. auf bestimmte Angreifertypen?

Marcel Lenz: Es gibt Analysen vor und nach dem Spiel. Vor dem Spiel werden wir über das Spielverhalten, den Spielaufbau, das Verhalten gegen den Ball oder die Standardformationen des Gegners informiert. Nach dem Spiel habe ich zwei Analysen. In der Analyse mit der Mannschaft geht der Trainer häufig auf das Verhalten der Feldspieler ein. Falls etwas Gravierendes vorliegt, geht er natürlich auch auf mich ein. Mir wird anschließend in der Analyse mit dem Torwarttrainer gezeigt, wie ich mich bei Torschüssen, Flanken oder Freistößen verhalten habe. Da wird aber auch der Spielaufbau unter die Lupe genommen und geguckt, wie ich mitgespielt habe.

Jawattdenn.de: Dann bist du im Training und bei den Analysen durchaus immer wieder von der Mannschaft getrennt. Merkst du diese separate Stellung als Torwart auch im Umgang untereinander?

Marcel Lenz: Nur weil ich zwanzig Minuten wegen der Torwart-Video-Analyse nicht in der Kabine bin, leidet der Zusammenhalt untereinander nicht. Wir haben eine gute Truppe, bei der die Mischung stimmt. Es läuft selbstverständlich immer einfacher, wenn die Ergebnisse stimmen, ich glaube aber, davon ab, haben wir auch charakterlich eine sehr gute Mannschaft beisammen.

Jawattdenn.de: Du bist ein sehr offener Mensch. Wie ist Dein Kontakt zu den RWE-Fans?

Marcel LenzMarcel Lenz: Ich bekomme die Fans vor allen Dingen an Spieltagen oder beim Training mit. Es ist halt der Ruhrpott. Die Leute sagen dir alles, was sie denken, ins Gesicht. Wenn sie sich freuen, sagen sie es genauso, wie wenn sie was stört. Das ist für mich aber keine Umstellung gewesen, weil es in Duisburg nicht anders ist.

Jawattdenn.de: Zwischen dem MSV und RWE bestehen durchaus Rivalitäten. Gibt es Sprüche, wenn Du in der Duisburger Innenstadt oder im Freundeskreis bist?

Marcel Lenz: In der Innenstadt war ich schon lange nicht mehr, aber natürlich habe ich MSV-Fans in meinem Umkreis. Die Leute nehmen Essen in dieser Saison anders war. Man bekommt keine dummen Sprüche mehr gedrückt, sondern anerkennende Worte. Viele erkennen, dass wir eine starke Mannschaft haben und hoffen, dass wir im Pokal gegeneinander spielen. Der Respekt vor RWE ist sehr groß geworden.

Jawattdenn.de: Mit welchen Mitspielern unternimmst Du auch privat etwas?

Marcel Lenz: Kevin Grund und Marcel Platzek waren über die ganze Zeit dabei. Philipp Zeiger fehlt leider im Moment. Aber mit den beiden unterhalte ich mich schon allein deshalb oft, weil wir alle Kinder haben. Wir sprechen automatisch häufig darüber, was unsere Kinder mal wieder im Kindergarten oder der Schule angestellt haben und lachen darüber. Ich verstehe mich aber mit allen sehr gut, sodass wir keine Gruppenbildung haben.

Jawattdenn.de: Über Social Media erfährt man, was ihr außerhalb des Trainingsplatzes alles unternehmt (Kartfahren, Stadtrundgänge). Gab es das in vorherigen Saisons auch?

Marcel Lenz: Mannschaftsabende hatten wir auch früher. Allerdings ist das Kartfahren in den letzten Tagen schon etwas anderes. Heute Abend gehen wir gemeinsam Bowlen. Das macht Spaß.

Jawattdenn.de: Wer bringt die Ideen für die Projekte ein?

Marcel Lenz: Es wird in der Mannschaft immer etwas vorgeschlagen und wir besprechen, ob wir das machen. Die meisten Spieler haben immer Bock etwas zu unternehmen, was in meinen Augen für uns spricht. Dass wir uns eben nicht nur beim Training treffen, sondern auch bei solchen Aktionen, zeigt, dass wir gerne Dinge miteinander unternehmen. Wer die Vorschläge macht, weiß ich gar nicht.

Jawattdenn.de: Du hast bislang immer im Revier gespielt. Was bedeuten das Ruhrgebiet und der Ruhrgebietsfußball für Dich?

Marcel Lenz: Ich glaube nirgendwo in Deutschland wird der Fußball so gelebt wie im Ruhrgebiet. Egal ob in Dortmund, dem anderen Bundesligaverein oder in Essen, überall leben die Leute ihren Verein. Ich glaube nicht, dass es noch andere Orte gibt, wo die Leute so verrückt sind von der Bundesliga bis in die Regionalliga hinunter. Wer jemals hier gespielt hat, möchte aus dem Ruhrgebiet nicht mehr weg. Viele Spieler, die wechseln, sagen nach wenigen Jahren, dass sie zurück wollen. Es ist einfach eine besondere Atmosphäre in diesen Stadien. Es macht Spaß, hier zu spielen.

Jawattdenn.de: Eine neue Abschlussfrage: Welchen Fangesang hörst Du im Stadion am liebsten?

Marcel Lenz: Am liebsten höre ich nach dem Spiel im Sitzen „zwei Mal leise, zwei Mal laut“. Wenn wir das hören, haben wir nämlich drei Punkte geholt. Während des Spiels liebe ich Adiole am meisten. Jedes Mal, wenn wir ein Tor schießen, würde ich es am liebsten mitsingen. Da wird man auf dem Platz zum Fan. Auch mein Sohn kann das Lied auswendig mitsingen. Ich höre es wirklich jeden Tag. Das muss mal in die Charts aufgenommen werden und die Nummer Eins vom Thron stoßen. (lacht)

Jawattdenn.de: Danke für das ausführliche Interview!


Das Interview führte Hendrik Stürznickel