12.11.2019

„Wir müssen das Vertrauen in unsere Qualität haben“ - Interview mit Jörn Nowak

von Hendrik Stürznickel

Als Nachfolger für Jürgen Lucas fiel die Wahl von Vorstand und Aufsichtsrat auf Jörn Nowak, der die Verantwortlichen nicht zuletzt mit seinen Ideen überzeugte, wie RWE endlich in die Erfolgsspur kommen könnte. Nach 14 Spielen hat RWE satte 31 Punkte gesammelt. Nowak wirkt sehr organisiert und kommt auf die Minute pünktlich zum Interview. Im Jawattdenn.de-Interview spricht er über seinen Weg zum Fußballmanager, über die Kaderzusammenstellung der Ersten Mannschaft und den Weg für RWE zum Erfolg.

Jörn Nowak (Quelle Rot-Weiss Essen)Jawattdenn.de: „RWE hat die beste Mannschaft und ist der Topfavorit auf den Meistertitel der Liga. Deswegen sind sie am Wochenende Favorit gegen uns“ – Wenn Du für jedes Mal, wenn ein Gegner diesen Satz sagt, Geld bekommen würden, was würdest Du mit dem neuen Reichtum machen?

Jörn Nowak: (lacht) Da käme schon einiges zusammen. Ich würde das Geld in den Kader investieren, damit wir noch stärker werden und damit ich noch mehr solcher Zitate lesen könnte. Denn dann wäre es ein Prozess, der niemals enden würde, weil es dann wieder Geld geben würde.

Jawattdenn.de: Im Ernst gefragt: Selbst der KFC Uerdingen hat vor dem Spiel gegen Rot-Weiss Essen versucht, die Favoritenrolle an RWE zu schieben. Ist dieses formelhafte Hochjubeln des Gegners und ihm die Favoritenrolle zuschieben ernsthaft in der heutigen Zeit nötig?

Jörn Nowak: Es wirkt so, als wenn man die Niederlage im Vorfeld bereits alibisiert. Ich bin kein Freund davon. Lieber sage ich, dass wir ein Spiel haben, zu dem wir fahren, weil wir es gewinnen wollen. Ich glaube, kein Spieler ist so doof, dass er sich in Sicherheit wiegt, weil die eigene Mannschaft vom Gegner stark geredet wird und deswegen nicht die volle Leistung bringt. Wäre das so, würden wir von außen dagegen steuern.

Es ist teilweise schon fragwürdig. Manche Aussagen empfinde ich beinahe als Wettbewerbsverzerrung. Wenn wir das Spiel des Jahres sind, dann frage ich mich, mit welcher Einstellung diese Mannschaften umgekehrt nach Verl, Rödinghausen oder Oberhausen fahren. Ein Sportler will doch immer gewinnen, da kann es nicht sein, dass er eine andere Einstellung an den Tag legt, nur weil das Stadion größer ist und mehr Menschen da sind.

Jawattdenn.de: Ohne Dich zu dem gleichen Verhalten drängen zu wollen, aber wo siehst Du Stand heute den Essener Kader zwischen den Konkurrenten aus Ostwestfalen und Oberhausen?

Jörn Nowak: Ich bin davon überzeugt, dass wir einen starken Kader haben. In der Breite haben wir auch den bestbesetzten Kader. Wir haben ein starkes Trainerteam und überhaupt einen sehr guten Staff drum herum. Das Gesamtpaket wird der Favoritenrolle aus meiner Sicht gerecht. Klar ist aber auch: Wir haben vor der Saison eine neue Mannschaft aufgebaut. Außerdem muss man sagen, dass die externe Erwartungshaltung und die Drucksituation hier eine ganz andere ist. Das muss berücksichtigt werden.

Jawattdenn.de: Du bist ein sehr ambitionierter Mensch. Die aktuelle Situation präsentiert sich so: RWE steht auf Platz Drei mit drei Punkten Abstand auf die Spitze, hat aber umgekehrt 31 Punkte aus 14 Spielen und damit einen großartigen Schnitt von über 2,21 Punkten pro Spiel geholt. Überwiegt bei Dir die Freude über das Erreichte oder der Ärger, dass es nicht für die Tabellenspitze reicht?

Jörn Nowak: Auch wenn ich ambitioniert bin, überwiegt das Positive. Das heißt aber nicht, dass es hier enden soll. Wir wollen uns weiter nach vorn entwickeln und dementsprechend den Punktestand verbessern. Wir haben eine Menge gemacht: ein neuer Trainer, viele neue Spieler, wir haben die Abläufe verändert und professionalisiert. Gemessen an dem Umbruch kann man mit dem Punkteschnitt und dem Start in die Saison zufrieden sein. Hinzu kommt, dass wir – das Wattenscheid-Spiel eingerechnet - eigentlich drei Punkte mehr hätten und noch näher an der Tabellenspitze wären, sodass wir sogar nur einen Punkt Rückstand bei einem Spiel weniger als Rödinghausen hätten.

Natürlich sind wir mit den drei Niederlagen nicht zufrieden. Daran sieht man, dass dieses neue Gebilde und die Psyche innerhalb der Mannschaft sich erst einmal stabilisieren müssen. Die Niederlagen musste die Mannschaft erst einmal wegstecken. Denn die Erwartungshaltung ist nach den Erfolgen und den ansehnlichen Spielen zu Saisonbeginn sehr hoch gewesen. Gute Spiele werden sehr schnell nicht mehr als gut, sondern als normal wahrgenommen. Ich habe momentan das Gefühl, dass wir den Gegner zerstören müssen, um sagen zu dürfen, dass wir ein gutes Spiel absolviert haben. Man muss aufpassen, dass diese Erwartungshaltung nicht kontraproduktiv wird.

Jawattdenn.de: Aus Sicht des Laien, der ich bin, fand ich das Spiel bei Düsseldorf ziemlich gut, da die Mannschaft in einem unangenehmen Spiel, das von Düsseldorf beinahe brutal geführt wurde, es schnell verstanden hat, gut dagegenzuhalten und die Punkte mitzunehmen. Dieses Spiel wurde in der öffentlichen Wahrnehmung allerdings nicht durchweg gut beurteilt. Meinst Du so etwas mit der großen Erwartungshaltung?

Jörn NowakJörn Nowak: Das sehe ich ähnlich. Hinzu kommt, dass man die drei Spiele vorher nicht aus der Betrachtung herausnehmen darf. Die Truppe ist mit drei Niederlagen am Stück nach Bergisch-Gladbach gefahren und hat dort den Trend gestoppt, ist dort aber trotzdem öffentlich schlecht weggekommen. Es ist richtig, dass wir nicht frühzeitig weitere Tore gemacht haben, um das Spiel deutlich zu gestalten. Es wurde im Gegenteil zum Ende hin noch knapp. Das ist im Leistungssport ein normaler Vorgang, der mit der Psyche zu erklären ist.

Danach sind wir zu einem Gegner gefahren, bei dem das ganze Umfeld davon gesprochen hat, dass RWE dort über Jahre Probleme hatte. Wir haben wieder Chancen nicht genutzt, um den Sieg deutlicher wirken zu lassen, aber wir haben die drei Punkte am Ende mitgenommen. Auch dort hatte ich den Eindruck, als würde man sich nicht so richtig darüber freuen.

 Ich weiß, dass auch das ein Prozess ist. Wir müssen nur aufpassen, dass die Entwicklung nicht in die falsche Richtung geht. Vor der Saison waren sich alle einig, dass wir vorne mitspielen wollen und eine Mannschaft sehen wollen, die sich zerreißt. Bislang haben wir eine gute Punktausbeute und die Mannschaft hat in vielen Spielen gezeigt, dass sie bis zum Schlusspfiff alles gibt. Ich finde, dass man dann auch schlechte Tage haben darf. Dann muss man zusammen daran arbeiten, dass es besser wird.

Jawattdenn.de: Inwiefern?

Jörn Nowak: Als ich hier angefangen habe, habe ich gesagt, dass der Erfolg nur gemeinsam kommen kann. Da ist jeder wichtig: alle, die hier arbeiten, aber auch die, die von außen auf die Mannschaft einwirken und die vielleicht mehr Macht haben, als sie sich selbst bewusst sind. Die Meinungen der Zuschauer ziehen auch in den Verein ein und beeinflussen Verhaltensmuster. Deswegen muss man damit auch sensibler umgehen, wenn man Rot-Weiss Essen erfolgreich sehen will.

Wenn man aber mit der Meinung kommt, dass am Ende ohnehin alles schief gehen wird, weil es in den letzten Jahren immer so war, um sich am Ende dafür feiern zu lassen, dass man wieder Recht hatte, dann ist das ein Verhalten, was ich nicht nachvollziehen kann, weil es kein Fanverhalten ist. Und solche Kandidaten gibt es. Das Verhalten, darauf zu warten, dass etwas schief geht, ist kein Verhalten, was uns hilft.

Jawattdenn.de: Auffällig war der psychologische Effekt ganz extrem gegen Lotte. Während nach dem Gegentreffer bei manchen Spielern nichts mehr funktionierte, liefen dieselben nach dem Ausgleich zur Höchstform auf. Inwiefern kann man auf solche psychologischen Vorgänge als Verantwortlicher überhaupt Einfluss nehmen?

Jörn Nowak: Der wichtigste Punkt hierfür ist Vertrauen. Wenn ich auf die erste Frage eingehe, ob wir die stärkste Mannschaft haben, dann müssen wir das Vertrauen in unsere Qualität haben. Dieses Vertrauen müssen der sportliche Leiter, der Trainer und auch der Fan haben. Auch die Mannschaft muss Vertrauen in ihre eigene Stärke haben. Vertrauen und volle Überzeugung können wir über Sprache, über Körpersprache, über Fangesänge oder über Applaus vermitteln. Bei einem Rückstand müssen alle Beteiligten die Überzeugung ausstrahlen, dass wir das Spiel am Ende gewinnen. Das nimmt die Mannschaft wahr. Sie spielt zwar zu elft auf dem Platz, sie ist aber trotzdem nicht alleine, deswegen kann man einiges von außen beeinflussen.

Intern erarbeiten wir bestimmte Verhaltensmuster und jeder Spieler hat auch eigene Methoden, um mit bestimmten Situationen umzugehen. Lotte ist ein gutes Beispiel, weil es der konträre Spielverlauf zu Gladbach II war. In Gladbach sind wir gut ins Spiel gekommen, haben früh getroffen und müssen eigentlich das zweite Tor machen. Seit Jahrzehnten spricht man vom psychologisch wichtigen Zeitpunkt und da fangen wir ein Tor. Im Spiel gegen Lotte haben wir es dagegen kurz vor und kurz nach der Halbzeit geschossen.

Gegen Lotte fand ich, dass wir schon in der ersten Halbzeit eine sehr gute Spielkontrolle hatten. Am Ende wirken das Gegentor und die zwei Konterchancen von Lotte in der ersten Hälfte intensiver in der Wahrnehmung. Wir haben aber in der ersten Halbzeit mehr Spielkontrolle gehabt als in der zweiten Halbzeit beim Stand von 2:1. Wir hatten mehr Torchancen in der zweiten Hälfte, was dann auch spektakulärer aussieht, aber die Spielkontrolle hatten wir in der ersten Halbzeit. Das hat auch dafür gesorgt, dass wir den Gegner müde gespielt haben und die Führung dann auch kommt.

Man sieht aber auch eine Entwicklung, weil die Mannschaft die ersten Minuten nach einem Führungstreffer selbstbewusster auftritt. Nach Toren zu Saisonbeginn hatte man den Eindruck, dass die Mannschaft alles macht, um kein Tor zu kassieren, damit die Führung lange hält. Auch daran sieht man, dass wir uns in einem Prozess befinden, der einige Monate dauern wird. Aber wir sind auf einem guten Weg.

Jawattdenn.de: Du hast mit 30 Deine Karriere nach zwei schweren Verletzungen beendet. War Leistungssport bei Dir nicht mehr möglich?

Jörn Nowak: Als ich das entschieden habe, war ich im Prinzip zweieinhalb Jahre in der Reha. Nach dem ersten Kreuzbandriss habe ich nur kurz auf dem Platz gestanden, bis der zweite Kreuzbandriss kam. In der Reha ging es nicht richtig voran und ich habe mein Wirtschaftsstudium abgeschlossen. Meine Ambition war, dass ich meiner Tochter hinterher rennen kann, ohne überlegen zu müssen, ob das körperlich geht. Darüber hinaus habe ich mir meine Situation klar gemacht. Ich habe Regionalliga gespielt und bei der finanziellen Situation in Oberhausen ein Gehalt bekommen, das ich auch im normalen Berufsleben verdienen könnte. Auch die Ärzte haben mir gesagt, dass das Knie so instabil ist, dass Leistungssport nicht vernünftig, eigentlich auch nicht zu verantworten wäre.

Jawattdenn.de: Du hast die Kreuzbandrisse von Cedric Harenbrock noch nicht als RWE-Verantwortlicher mitbekommen, aber hast ihn kennen gelernt. Inwieweit kannst Du Dich in den Jungen hereinfühlen?

Jörn Nowak: Es ist extrem bitter für ihn, ich glaube aber, dass er sehr gestärkt aus der Geschichte herauskommt. Bei ihm sind beide Knie betroffen. Der erste Kreuzbandriss ist nun schon länger her und das Knie ist wieder extrem stabil. Wir gehen davon aus, dass durch Operation und Reha optimale Voraussetzungen geschaffen sind und er von der Psyche so weit ist, dass er gestärkt aus den Verletzungen hervorgeht. Er ist jung und hat noch alles vor sich. Da gibt es ganz andere Spieler, die nach Kreuzbandrissen ihren Weg gegangen sind.

Jawattdenn.de: Die meisten Fußballer wollen nach der Karriere lieber Trainer als Manager werden. Hast Du ebenfalls mit dem Gedanken gespielt, vielleicht sogar Trainerscheine gemacht?

Jörn Nowak: Ich habe Trainerscheine gemacht und habe im Moment die B-Elite-Lizenz und werde die A-Lizenz auch noch machen. Das mache ich allein schon aus dem Grund, dass ich viel Kontakt zu unseren Trainern habe, dass ich meine, dass ich mich so gut es geht in diesem Bereich ausbilden lassen sollte. Niemand weiß darüber hinaus, was die Zukunft bringt. Je breiter ich da aufgestellt bin, umso besser ist es. Ich fühle mich wohl in meiner Position, aber ich bin 33 und weiß nicht, was noch kommt. Ich weiß nur, dass ich den Fußball liebe und möchte so lange es geht in dem Bereich arbeiten. Wie es am Ende kommt, werden wir sehen.

Jörn NowakJawattdenn.de: Wann reifte in Dir die Idee, die sportlichen Geschicke eines Vereins zu leiten?

Jörn Nowak: Das kam schon mit 17 oder 18, als meine Eltern mich fragten, was nach dem Abi kommen sollte. Es lief mit dem Sport relativ gut. Damals habe ich gesagt, dass mich Sportmanagement interessieren würde, ohne dass ich aber einen Plan hatte, was das bedeutet. Dann hat es sich aber ergeben, dass ich erst einmal über das Fußballspielen Geld verdienen und so mein Studium finanzieren konnte. Das ging durch die Doppelbelastung nur über ein Fernstudium. Als der Schritt kam, bin ich auch eher zufällig in die Position gerutscht. Es war nicht so, dass ich schon in die Richtung studiert habe, damit ich am Ende Fußballmanager werde.

Jawattdenn.de: Du hast Wirtschaftswissenschaften studiert. Hilft dieses Studium für das Amt des sportlichen Leiters?

Jörn Nowak: Ich habe erst studiert und dann eine Weiterbildung zum Sportmanager bei der IST gemacht. Ich habe auch kurz bei einer Unternehmensberatung gearbeitet. Dieses Gesamtpaket hilft schon, um einen Überblick zu bekommen, wie man ein finanzielles Konstrukt aufstellt. Hier im Verein werden finanzielle Dinge über den Vorstand geregelt, trotzdem hilft es, wenn man das Budget überblicken und gewisse Dinge berechnen kann, um zu sehen, ob ich mich noch innerhalb des Budgets bewege. Für den Job als Sportdirektor schadet es nicht, aber Sportdirektor ist ein Beruf, für den es keine klassische Ausbildung gibt. Es gibt auch kein klar abgestecktes Aufgabenfeld, das für alle Vereine gleichermaßen gilt. Es gehört da auch ein großes Stück Persönlichkeit dazu, da der wichtigste Aspekt die Arbeit mit Menschen ist. Der Trend geht aber dahin, dass Sportdirektoren sowohl vom Fußball kommen, aber auch einen kaufmännischen Hintergrund haben.

Jawattdenn.de: Der Job des sportlichen Leiters bei einem Top-Verein der Regionalliga West wird nicht zwangsläufig an einen Neuling vergeben. Wie kam es zu der Arbeit in Oberhausen?

Jörn Nowak: Ich habe nach meinem Karriere-Ende und meinem Studienabschluss bei einer Unternehmensberatung gearbeitet, die RWO extern betreut hat. Deswegen bin ich mit den Vorständen und handelnden Personen, die ich noch aus meiner aktiven Zeit kannte, in Kontakt geblieben. Außerdem habe ich das Zahlenwerk kennengelernt. Dann hat es sich mehr oder weniger ergeben, dass ich gefragt wurde, ob ich mir das vorstellen kann. Da bin ich also zufällig reingerutscht.

Jawattdenn.de: Nach dem Wechsel nach Essen musstest Du einen Großteil des Kaders neu zusammenstellen. Ich stelle mir im Sport immer die Frage, wie gut man die Stärke eines Kaders vorab einschätzen kann. Wie genau kann man hier Vorhersagen treffen?

Jörn Nowak: Es ist schon eine Herausforderung, genaue Vorhersagen zu treffen. Man gibt sich aber gewisse Regeln, nach denen man arbeitet. Je genauer man sich daran hält, umso mehr erhöht man die Wahrscheinlichkeit auf Erfolg. Ihr seht einen Kader als Gesamtgebilde, da haben wir einen anderen Blick drauf. Wir müssen schauen, was die Spieler auf den einzelnen Positionen für Fähigkeiten mitbringen müssen, welchen Charakter brauchen wir, um als Mannschaft zu funktionieren, wie muss die Altersstruktur innerhalb der Mannschaft sein, welche unterschiedlichen Spielertypen braucht man. So ein Kaderpuzzle ist immer eine spannende Aufgabe. Wir treffen Entscheidungen, bei denen man Monate vielleicht sogar erst ein Jahr später beurteilen kann, ob sie gefruchtet haben oder nicht. Das ist mit einer Investitionsentscheidung in der Wirtschaft zu vergleichen.

Jawattdenn.de: Ist es für diese Entscheidungen einfacher, wenn man einen festen Stamm in der Mannschaft hat, den man einschätzen kann, und den man nur punktuell verstärkt, als wenn man – wie es in Essen der Fall war – einen Großteil der Mannschaft neu zusammenstellen muss?

Jörn Nowak: Je mehr offene Positionen man hat, umso mehr eigene Ideen kann man auch einfließen lassen. Grundsätzlich ist es aber mein Ziel nur punktuell zu verstärken, weil das ja bedeutet, dass man vorher viel richtig gemacht hat. Wenn man beispielsweise 80% des Kaders behält, zeigt das, dass man mit diesen 80% auch zufrieden ist.

Jawattdenn.de: Kurz vor der Saison ist auch ein neuer Trainer gekommen. Das System von Christian Titz ist alles andere als normal. War das ein Stück weit ein Experiment von Eurer Seite?

Jörn Nowak: Wir haben einen Würfel mit Namen beschriftet und haben den das dann entscheiden lassen. (lacht) Im Ernst: Wir haben eine Vorstellung, welche Art von Fußball gespielt werden sollte, damit Rot-Weiss Essen Erfolg haben kann. Die Fähigkeiten, die Christian Titz als Trainer mitbringt haben stark in diese Vorstellungen hineingepasst. Er bringt darüber hinaus noch individuelle Ideen mit.

Am augenscheinlichsten ist dabei die Spieloption mit dem aufgerückten Torhüter. Das ist sicherlich ein Alleinstellungsmerkmal des Trainers. Ich habe nicht speziell nach einem Trainer gesucht, der mit dem Torhüter an der Mittellinie spielt. Auch wenn diese Idee ihre Berechtigung hat, finde ich es falsch, Christian Titz auf das Torwartspiel zu reduzieren. Er bevorzugt eine Spielweise, in der seine Mannschaft das Heft des Handelns in der Hand hat. Er sieht den Ball gerne in den eigenen Reihen, er möchte, dass das Spiel in der gegnerischen Hälfte stattfindet und fordert daher eine hohe Aktivität nach Ballverlust, um so schnell wie möglich wieder in Ballbesitz zu kommen. So soll eine möglichst hohe Zahl von Torchancen herausgespielt werden. Ich glaube, dass das alles Parameter sind, die Rot-Weiss Essen gut zu Gesicht stehen.

Marcus Uhlig und Jörn Nowak (Bild: Michael Gohl)Jawattdenn.de: Kannst Du uns den Austausch zwischen dem Trainer und Dir in einer normalen Alltagswoche beschreiben?

Jörn Nowak: Ich stehe immer dann als Ansprechpartner bereit, wenn ich gebraucht werde. Cheftrainer oder Co-Trainer fragen mich schon, wie ich bestimmte Dinge sehe. Wir sprechen meistens über strategische Dinge: Wie sind die Spieler drauf? Wo müssen wir was machen? Sollten wir ein Testspiel einstreuen? Es passiert immer dann, wenn man möglichst viele Meinungen hören möchte, um das große Ganze zu erfassen. Wir sind deswegen fast permanent im Austausch.

Jawattdenn.de: Im Gespräch mit dem Reviersport sagtest Du, dass der Sportdirektor auch Einfluss am Spieltag hat. Kannst Du sagen, auf was Du anspielst?

Jörn Nowak: (lacht) Wenn jetzt spekuliert wird, dass ich die Aufstellung vorgebe…

Jawattdenn.de: So war die Frage nicht gemeint. Das kann ich mir nicht vorstellen.

Jörn Nowak: So kommt es aber bei manchen Leuten an. Alle Entscheidungen am Spieltag trifft der Cheftrainer. Natürlich tauscht er sich mit seinen Co-Trainern oder mit mir aus, aber die alleinige Entscheidungsgewalt obliegt dem Cheftrainer. Ich bin aber eng mit dabei: ich bin beim Frühstück mit dabei, ich bin in der Kabine dabei und ich sitze mit auf der Bank. Deswegen bin ich auch im Austausch mit den Spielern und habe dementsprechend eine Präsenz und eine Wirkung. Aber es geht nicht nur um meine Person. Der Physio kann zum Beispiel auch einen Einfluss haben, wenn er einem Spieler im richtigen Moment motivierende Worte sagt. Mehr war mit dieser Aussage nicht gemeint, weil wir alle als Team zusammenarbeiten müssen, um erfolgreich zu sein. Trotzdem gibt es Aufgabengebiete, in denen der Trainer alleinige Entscheidungsgewalt hat, und welche, in denen ich die alleinige Entscheidungsgewalt habe.

Jawattdenn.de: Auffällig ist, dass bei diesem Transferfenster durchaus unbekannte Spieler auftrumpfen. Dass ein Grote hilft, hätte ein Großteil der Fans ebenfalls gewusst. Einen Condé kannten wahrscheinlich schon weniger vor der Saison. Ein Beispiel von vielen, die vorher sicher keiner auf dem Zettel hatte, ist Joshua Endres. Er kommt von Düsseldorf, die keine gute Saison gespielt haben. In den Spielen gegen RWE ist er mir weder positiv noch negativ aufgefallen. Wie kommt man aber darauf, dass dieser Spieler einschlagen kann?

Jörn Nowak: In dem Fall passiert viel. Man schaut sich den Spieler an, man spricht mit Leuten, die ihn kennen, über ihn und man schaut auf seine Ausbildung. am Beispiel Endres war dieser vier Jahre im NLZ von RB Leipzig. Das Spiel von RB Leipzig ist geprägt durch ihr Spiel in die Tiefe, durch ihr Verhalten nach Ballverlust, durch ihren Jagdmodus, den sie praktizieren. Das passt sehr gut zur Spielidee, die wir hier verfolgen. Außerdem überlegt man sich, ob er charakterlich in die Mannschaft passt. Ob der Spieler das genau so umsetzt, wie man sich das vorher vorgestellt hat, ob er in der Stimmungslage des Vereins zündet und in der Lage ist, seine Qualitäten auf den Platz zu bringen, dahinter steht immer auch ein Fragezeichen.

Trotzdem glaube ich, dass der Trainer und ich ein gutes Auge dafür haben, ob ein Spieler das Potenzial hat, hier zu bestehen. Hier muss man sich an Bewertungskriterien halten, zum Beispiel, dass wir einen Spieler mit Geschwindigkeit oder Torabschluss benötigen. Das funktioniert wie eine Checkliste. Man kann direkt abhaken, welche Fertigkeiten er bereits mitbringt und einschätzen, welche Fähigkeiten er noch nicht hat, die man ihm beibringen muss.

Jawattdenn.de: Häufig wird über ein gutes Netzwerk gesprochen, das ein Manager haben sollte, um Erfolge zu feiern. Wie wichtig ist das aus Deiner Sicht und was ist ein Netzwerk?

Jörn Nowak: Das muss man haben. Viel wichtiger als das Netzwerk von Beratern, Spielern und Vereinen ist das Netzwerk dahinter. Dieses Hintergrundnetzwerk braucht man, um an Informationen heranzukommen, die ich benötige, um einen Spieler besser einschätzen zu können. Es ist gut, wenn ich erfahren kann, wie ein Spieler in Drucksituationen reagiert, wie er sich in der Kabine verhält, wie sein Charakter ist oder ob er verletzungsanfällig ist. Das ist wichtig, weil man so die Quote an Fehleinkäufen gering halten kann. Darüber hinaus muss man den Markt beobachten und gerade mit Vereinen im Gespräch bleiben, wo sich eine Tür für einen interessanten Spieler öffnet. Ein Netzwerk ist also wichtig, es ist aber nicht alles.

Die Kaderzusammenstellung ist der erste große Schritt, aber danach geht es darum mit diesem Kader zusammen zu arbeiten. Das hat in erster Linie mit Mitarbeiterführung zu tun und da hilft einem auch kein Netzwerk weiter.

Jawattdenn.de: Christian Titz formulierte beim Hüttenabend, dass der Verein zwei bis drei Transferperioden brauche, um sich so aufzustellen, dass man angreifen kann. Auf welcher Position siehst Du für den Winter Handlungsbedarf?

Jörn Nowak: Ich bin vom aktuellen Kader überzeugt, sodass wir keinen akuten Handlungsbedarf haben. Dennoch beobachten wir den Markt, ob es Möglichkeiten gibt, wie wir unseren Kader noch weiter verbessern können. Wir werden aber nur handeln, wenn der Spieler, der dazu kommt, den Kader signifikant verbessert. Hierbei ist es für uns wichtig, dass ein neuer Spieler auch charakterlich in die Mannschaft passt, um das charakterlich sehr gute Gebilde nicht zu zerrütten. Klar haben wir manche Positionen im Kopf, bei denen wir eher aktiv werden würden als andere, aber schlussendlich sind wir von der Qualität des Kaders überzeugt.

Towarttrainer Manuel Lenz (l.) mit Jakob Golz (mi.) und RWE-Sportdirektor Jörn Nowak (Bild Rot-Weiss Essen)Jawattdenn.de: Du hast nun mehrfach betont, wie wichtig der Charakter eines Spielers ist, und dass er in die Mannschaft passen muss. Ich stelle es mir aber sehr schwierig vor, das festzustellen.

Jörn Nowak: Am Ende kann man jedem nur vor den Kopf gucken. Aber man merkt schon, ob ein Junge vor dir sitzt, der zielstrebig ist und der etwas erreichen möchte. Mit den richtigen Fragestellungen bekommt man das schon heraus. Dafür ist gerade das Hintergrundnetzwerk wichtig, um den persönlichen Eindruck, den man gewinnt, zu verifizieren. Es sind in diesen persönlichen Gesprächen auch einige Spieler heraus gefallen, weil man nicht das gute Bauchgefühl nach diesen Gesprächen hatte. Dazu kommt, dass wir ein Credo haben: Es kommen nur Spieler, von denen Trainerteam und Sportdirektor zu hundert Prozent überzeugt sind.

Jawattdenn.de: Das bedeutet, der Cheftrainer ist bei diesen „Bewerbungsgesprächen“ dabei?

Jörn Nowak: Oftmals ist er dabei. Meistens ist es auch der Wunsch der Spieler, auch mit dem Cheftrainer ins Gespräch zu kommen. Die Spieler wollen wissen, wie der Trainer sie sieht und welche Chancen sie auf Einsätze haben. Keiner kauft gerne die Katze im Sack.

Jawattdenn.de: Gibt es Spieler, die sich vielleicht mehr Spielzeit ausgerechnet haben, die auf Dich zugekommen sind, dass sie sich anderweitig umgucken wollen?

Jörn Nowak: Es gibt bestimmt Spieler, die gerne mehr spielen würden. Aber auf uns ist bislang noch kein Spieler zugekommen. Man muss aber auch sehen: Das Gesamtpaket Rot-Weiss Essen ist in der Regionalliga Top! Das verlässt niemand kampflos. Wir hatten den Fall mit Felix Herzenbruch, der gerne mehr spielen wollte, für den wir eine Lösung gefunden haben. Das gibt es aber aus dem aktuellen Kader nicht.

Jawattdenn.de: Auf dem letzten Hüttenabend hat Florian Bichler erzählt, dass er nach seinem Treffer gedacht hat, dass er beim nächsten Mal spielt und dann doch auf der Bank saß. Er hat das auch voll akzeptiert, aber das zeigt, dass sich niemand sicher sein kann.

Jörn Nowak: Es geht bei uns in beide Richtungen sehr schnell. Es sind auch Spieler von der Tribüne in die Startelf gekommen. Wichtig ist, dass auch die Spieler das Große und Ganze im Blick behalten. Da sind Persönlichkeiten egal, da sind die Namen der Spieler zweitrangig genau wie die Person des Trainers oder meine Person. Es geht in erster Linie um den Verein. Dieser Verein gehört in andere Sphären und wir alle müssen dafür arbeiten, damit wir das erreichen. Da muss jeder sein persönliches Ego hinten anstellen.

Jawattdenn.de: In der jetzigen Mannschaft sind einige Spieler, die man sehr gerne länger an der Hafenstraße sehen würde, die aber nur bis 2020 Vertrag haben. Ab wann beginnen Gespräche über ihre Zukunft, wenn abzusehen ist, dass diese Spieler auch bei anderen Vereinen Begehrlichkeiten wecken?

Jörn Nowak: Wir haben die Spieler mit auslaufenden Verträgen im Blick, bislang bestand die Notwendigkeit aber nicht. Rund um Weihnachten werden wir aber in die Gespräche einsteigen und schauen, wie die gegenseitige Erwartungshaltung ist. Jetzt liegt der Fokus ausschließlich auf den nächsten Spielen, damit wir uns so viel Winterspeck wie möglich anfressen können. Die Spieler interessiert das aktuell auch noch nicht.

Jawattdenn.de: Du hast sehr viele sehr junge Spieler an die Hafenstraße gelotst. Wie nehmen beispielsweise Benjamin Wallquist und Jan Neuwirt ihre Rolle an?

Jörn Nowak und Ayodele AdetulaJörn Nowak: Die beiden kann man nur positiv lobend hervorheben. Die Situation ist für die beiden nicht ganz einfach. Alle Spieler sind sich aber der Qualität des Kaders bewusst. Dementsprechend weiß jeder, dass es nicht immer für den 18er Kader reichen kann. Dennoch fühlen sich alle vom Trainer mitgenommen und beide bekommen ihre Einsätze in Pokal- oder Testspielen. Jan Neuwirt durfte zuletzt auch in der Liga ran. Die beiden machen das super und sorgen mit dafür, dass eine hohe Trainingsqualität vorhanden ist. Sie sorgen auch dafür, dass die vermeintlichen Stammspieler sich nicht sicher sein können und beide stellen ihre eigenen Ansprüche erst einmal hinten an.

Jawattdenn.de: Auffällig war, dass die Mannschaft z.B. beim Sieg in Oberhausen auf provokante Siegesposen in Richtung Oberhausener Fans verzichtet hat. Wird so etwas vorab von den Verantwortlichen besprochen?

Jörn Nowak: Wir haben das nicht vorher angesprochen. Wir haben genug Spieler im Team, die sich der Bedeutung des Derbys bewusst sind und so spiegelt das den Charakter der Mannschaft wider. Es gab auch keine Notwendigkeit dafür. Wir wussten, dass wir durch das Spiel den guten Start weiter ausgebaut haben, aber auch nicht mehr erreicht haben.

Jawattdenn.de: Ich frage deswegen, weil ich es immer häufiger erlebe, dass sich Spieler an den Fans abarbeiten, was ich persönlich meistens als ziemlich arm empfinde. Dass es auch anders geht, zeigt aber nicht nur unsere Mannschaft, sondern auch Verl hat bei seinem Sieg in Essen auf solche Gesten verzichtet.

Jörn Nowak: Das ist meistens ein Geben und Nehmen. Wenn das Publikum dem Gegner sportlich fair begegnet, dann strahlt die Mannschaft das auch zurück. Wenn man während des ganzen Spiels permanent auch persönlich beleidigt wird, ist es normales menschliches Verhalten, wenn man auch einmal eine Geste macht. Ich habe den Umgang zwischen Rängen und Mannschaften aber bislang immer als fair empfunden und dann gibt es auch keinen Grund, dass sich die Mannschaft zu etwas hinreißen lässt.

Jawattdenn.de: Auffällig ist, dass RWE nahezu keine Verletzten hat. Habt Ihr Veränderungen in der medizinischen Betreuung eingeleitet?

Jörn Nowak: Verletzungsprophylaxe ist ein sehr großes Thema bei uns. Das ist für das Trainerteam sehr wichtig und betrifft Belastungsvorbereitung, Pflege oder auch Ernährung. Wir arbeiten in dem Bereich sehr professionell, sodass es kein Zufall ist, dass wir so wenig Verletzungen im muskulären Bereich haben. Es gibt immer Unfallverletzungen, die man nicht vermeiden kann, davon sind wir bislang zum Glück weitestgehend verschont geblieben. Wir haben uns in dem Bereich professioneller aufgestellt und das ist das Ergebnis.

Jawattdenn.de: Du hast die größere Außenwahrnehmung in diesem Verein angesprochen. Ist die Außenwahrnehmung bei anderen Vereinen denn wirklich so viel niedriger? In Oberhausen beispielsweise begleiten dieselben Medien (WAZ, Reviersport, Lokalradio) den Verein.

Jörn Nowak: Der Umfang der Berichterstattung über RWE ist im Vergleich zu anderen Vereinen in der Liga und auf dem Niveau deutlich höher. Die Resonanz auf diese Berichterstattung ist ebenfalls größer, weil es viel mehr Leute tangiert und weil viel mehr Menschen meinen, dass sie ihre Meinung dazu abgeben müssen. Das ist schon eine andere Hausnummer.

Jawattdenn.de: In der Außenwahrnehmung war Dein Wechsel von Oberhausen nach Essen für die RWE-Fans keine große Sache. Hast Du das anders erlebt?

Jörn Nowak: Nein, ich habe bis heute nicht den Eindruck, dass meine Oberhausener Vergangenheit hier in Essen eine Rolle spielt.

Jawattdenn.de: Wie ist überhaupt der Kontakt mit den RWE-Fans?

Jörn Nowak und Betreuer Peter SommerJörn Nowak: Alle 10.000 regelmäßigen Stadionbesucher habe ich noch nicht kennen gelernt. (lacht) Ich versuche z.B. im Training als Gesprächspartner zur Verfügung zu stehen. Mannschaft und Trainerteam stehen ebenfalls bereit. Es ist durchaus gewollt, dass man mit uns sprechen kann, jeder ist also eingeladen, uns beim Training zu besuchen. Während des Spieltags bin ich allerdings auf das Spiel konzentriert und beschäftige mich da mit organisatorischen Dingen. Nach dem Spiel sehe ich meistens die Business-Gäste in den VIP-Räumen, wo ich dann vorbeigehe. Draußen habe ich aber auch schon ein Schwätzchen gehalten. Mir ist dabei noch nie eine negative Haltung entgegen gekommen.

Jawattdenn.de: Es soll bei der Folgefrage nicht um eine Lobhudelei von uns Zuschauern gehen. Wir haben mit vielen Verantwortlichen und Spielern über die Extreme des Publikums von RWE gesprochen. Wie ist Dein Eindruck vom Publikum in dieser Saison?

Jörn Nowak: Wir haben ein sehr kritisches Publikum. Wir haben auch ein stark vorgeprägtes Publikum, das nicht aus seiner Haut herauskommt und die vergangenen Jahre einfach abstreift. Hier kommen viele Menschen mit den Erlebnissen der letzten Jahre im Gepäck ins Stadion. Wenn bestimmte Situationen denjenigen der letzten Jahre ähneln, ist bei einigen Fans das Gefühl von damals wieder da.

Es ist aber auch extrem Schwarz-Weiß. Wenn wir gewinnen, ist es hier überragend. Allerdings sind wir uns bewusst, dass oft die Mannschaft in Vorleistung gehen muss und wenn sie das tut, ist die Stimmung auch da. Man muss aber auch sagen, dass viele Fehler von einigen nicht als das akzeptiert werden, was sie sind: nämlich menschliche Fehler. Dann gibt es einzelne Stimmen – das ist wirklich nicht die Mehrheit – die sehr kritisch mit den Spielern umgehen, und die sehr stark wahrzunehmen sind. Das ist nicht förderlich und konstruktiv, denn es zieht alle in die falsche Richtung.

Wenn aber die Wucht dieser drei Tribünen erreicht wird, dann ist das ungemein beflügelnd und das haben wir zum Glück meistens hier erleben dürfen. Auch die Erlebnisse nach dem Spiel, wenn die Spieler mit ihren Kindern und den Fans feiern, sind sensationell. In Phasen, in denen es nicht so gut läuft, wünsche ich mir, dass sich die Menschen ihrer Macht bewusst sind und sensibel damit umgehen. Es wäre schön, wenn die Fans mit ihrer Kritik und ihrem Unmut während des Spiels vorsichtig umgehen. Wenn es nach 90 Minuten wirklich scheiße war, dann hat jeder das Recht, seinen Unmut zu äußern, aber während des Spiels sollten wir alle versuchen, es gemeinsam zu wuppen.

Das beziehe ich ausdrücklich nicht auf die aktive Szene, die meistens 90 Minuten positiv anfeuert. Es betrifft meistens Einzelne, die negativen Einfluss ausüben, der in manchen Situationen nicht angemessen ist. Da würde ich mir noch mehr Gemeinsamkeit wünschen.

Jawattdenn.de: Du bist nicht nur für die Erste Mannschaft zuständig, sondern auch für den Nachwuchs. Es gibt Vereine, bei der die Systeme der Nachwuchsmannschaften und der Ersten Mannschaft aufeinander abgestimmt werden. Gibt es das auch in Essen?

Jörn Nowak: Es gibt eine gemeinsame Philosophie, wie Mannschaften von Rot-Weiss Essen auftreten sollen. Ein vorgegebenes Spielsystem gibt es dagegen nicht. Es sind in jeder Nachwuchsmannschaft ausgebildete Trainer zuständig, denen wir nicht diktieren können, wie sie Fußballspielen lassen. Aber grundsätzliche Elemente des Spiels sollen in allen Mannschaften zu sehen sein.

Jawattdenn.de: Die A- und B-Jugend steht trotz gefühlt gestiegener Konkurrenz in der Niederrheinliga seit dem letzten Aufstieg auf dem ersten Platz. Wie wichtig ist für Euch der Aufstieg?

Jörn Nowak: Die Aufstiege sind uns sehr wichtig. Unser mittelfristiges Ziel ist es, Jungs aus unserem eigenen Nachwuchs auch in der ersten Mannschaft zu sehen. Zu diesem Zweck binden wir Spieler aus der U19 und der U17 immer wieder im Training und in Testspielen mit ein. Und natürlich ist es für die Jungs wichtig, sich auf dem höchstmöglichen Niveau zu messen. Da würde es helfen, wenn beide Mannschaften wieder in den Junioren-Bundesligen vertreten wären.  

Jawattdenn.de: Es spielen immer wieder A-Jugendliche eine Rolle in der Ersten Mannschaft. Habt Ihr schon Nachwuchsspieler im Auge, die in der kommenden Saison weiterhelfen können?

Jörn Nowak: Natürlich haben wir schon den ein oder anderen Namen im Kopf. Allerdings ist die Saison noch lang, da können sich Eindrücke verändern.

Jawattdenn.de: Du hast betont, dass das Nachwuchsleistungszentrum von großer Bedeutung ist. Gibt es neben dem Halten des Status Quo Ideen, wie das NLZ verbessert werden kann?

Jörn Nowak: Die gibt es allerdings. Im Sommer lag der Fokus zunächst einmal auf der ersten Mannschaft, da gab es genug zu tun. Mittlerweile habe ich mir einen Überblick verschaffen können und bin im Austausch mit den handelnden Personen vor Ort. Gemeinsam überlegen wir, wie wir unser Nachwuchsleistungszentrum in Zukunft weiterentwickeln können.

Jörn Nowak und Hendrik Stürznickel (Foto: Markus Endberg)Jawattdenn.de: RWE hat nun wieder eine Zweite Mannschaft. Ab welcher Liga kann eine Zweite Mannschaft die Arbeit der Ersten Mannschaft unterstützen?

Jörn Nowak: Ansatzweise vielleicht schon in der Landesliga, spätestens jedoch in der Oberliga. Klar ist aber auch, dass es bis dahin noch ein weiter Weg ist.

Jawattdenn.de: Die Idee der Abschaffung hatte damals Uwe Harttgen, der sagte, dass Spieler, die weiterhelfen, so hohe Qualität haben, dass sie die zweite Mannschaft nicht brauchen. Hat er damit so Unrecht?

Jörn Nowak: Ob eine zweite Mannschaft Sinn macht, hängt aus meiner Sicht von der gewählten Ausrichtung des Vereins ab. Wenn man auf einen breiten Kader setzt, dann ist es schon förderlich, wenn die Jungs, die in einer Phase der Saison weniger zum Zug kommen, Spielminuten in einer zweiten Mannschaft sammeln können. Außerdem unterscheiden sich Spieler, die aus dem Nachwuchs kommen, in ihrer Entwicklungszeit. Der eine setzt sich vielleicht im ersten Seniorenjahr durch, der andere braucht ein bisschen länger. Auch das lässt sich über eine zweite Mannschaft ein Stück weit auffangen.  

Jawattdenn.de: Es ist schwierig herauszubekommen, wo Du aufgewachsen bist…

Jörn Nowak: Ich bin in Leipzig geboren, mit drei nach Hoyerswerda und dann mit sieben Jahren nach Erfurt gezogen, sodass ich mich selbst als Erfurter empfinde. Dort bin ich zur Schule gegangen und habe angefangen Fußball zu spielen. An alles, was vorher war, kann ich mich nicht so richtig erinnern.

Jawattdenn.de: Hast Du – neben RWE natürlich – einen Lieblingsclub aus dem Osten, dem Du die Daumen drückst?

Jörn Nowak: Es ist der andere RWE, also Rot-Weiß Erfurt, da ich dadurch, dass ich dort aufgewachsen bin, sehr lange gespielt habe und eine familiäre Bindung besteht, einen engen Bezug zu diesem Verein habe. Als Jugendlicher fand ich auch Hansa Rostock spannend. Ich bin aber eigentlich nie richtiger Fan gewesen.

Jawattdenn.de: Abschlussfrage: Gab es etwas, was Du am Verein RWE – egal ob Fans, Geschäftsstelle, Mannschaft – noch nicht kanntest, und was Dich positiv überrascht hat?

Jörn Nowak: RWE ist ein großer Verein mit Strukturen, die über Jahre hinweg gewachsen sind. Mich hat deswegen die große Offenheit für Veränderungen überrascht. Die Offenheit alteingesessener Kollegen, neue Ideen umzusetzen und diese anzuschieben, finde ich bemerkenswert. Ich bin nicht als „der Schlauberger aus Oberhausen“ angesehen worden. Es ist eine sehr gute Chemie zwischen den Mitarbeitern. Außerdem freue ich mich, dass die Rasenheizung angeschmissen wird. (lacht)

Jawattdenn.de: Jörn Nowak, wir danken für das Gespräch!

Das Interview führte Hendrik Stürznickel.