Interview mit RWE-Scout Horst Quade
Durch die Gegend fahren und ein bisschen Fussball gucken? Wie anstrengend der Alltag eines Scouts wirklich ist und wie die Scoutingabteilung bei RWE arbeitet, erzählte uns Horst Quade, RWEs Spielerbeobachter der selbst bei fliegenden Steinen und Feueralarm die Stellung hält!
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Herr Quade, stellen Sie sich unseren Lesern doch bitte
kurz vor. Wie sieht Ihre sportliche und berufliche
Laufbahn aus?
Horst Quade
Ich war 11 Jahre, davon 7 Jahre in der Oberliga Westfalen,
als Trainer bei den Sportfreunden Oestrich-Iserlohn
tätig. Dort bin ich mit dem Verein in die Oberliga
Westfalen aufgestiegen. Danach war ich noch ein Jahr
in Sprockhövel, auch in der Oberliga. Zum Ende
meiner Trainerlaufbahn hat mich zunehmend das Thema
Scouting interessiert.
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Waren Sie auch als Spieler aktiv?
Horst Quade
Ja. Ich komme aus der Jugend von Holstein Kiel. Beruflich
bedingt musste ich dann wechseln und war in vier verschiedenen
Bundesländern aktiv. Unter anderem beim SSV Ulm
46 in der 2. Mannschaft und zum Ende meiner Zeit im
Münsterland bei der DJK Dülmen.
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Sie haben dann am Anfang Ihrer Zeit als Scout eine
Software entwickelt?
Horst Quade
Ja, ich hatte mich immer geärgert, dass es keine
Software für den Traineralltag gab und habe durch
Zufall zwei junge Informatiker aus meiner Umgebung
kennen gelernt, die mit mir zusammen meine Vorstellungen
in die Tat umgesetzt haben. Die ganze Entwicklung
dauerte cirka drei Jahre. Ich war der Erste in Deutschland,
der damit auf dem Weg war und habe dann auch einen
sehr interessanten Kundenstamm bekommen. Unter anderem
Schalke 04, VfL Bochum, Hamburger SV, Eintracht Frankfurt,
Borussia Mönchengladbach und so weiter. Das war
natürlich der ideale Einstieg. Ich habe heute
mehr als 20 Profivereine mit meiner Software beliefert.
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Wie hat Sie ihr Weg zu Rot-Weiss Essen geführt?
Horst Quade
Durch die Erfahrungen und die Kontakte, die ich bei
der Entwicklung der Software knüpfen konnte,
führt man eine Menge Fachgespräche oder
gibt auch schon mal kleinere Analysen über Spieler
und Spiele ab. Olaf Janssen kannte mich aus seiner
Zeit als Scout von Eintracht Frankfurt, so führte
mein Weg nach RW Essen.
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Sie sind jetzt nur noch für RWE unterwegs? Oder
geben sie auch einem fremden Trainer Auskunft wenn
dieser anruft und nach einem bestimmten Spieler fragt?
Horst Quade
Ich bin nur noch für RWE unterwegs und ich konzentriere
mich auch nur noch auf Rot-Weiss Essen.
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Wie kann man sich Ihre Arbeit vorstellen? Jeden Tag
unterwegs und woanders im Stadion?
Horst Quade
Man muss damit beginnen: Der Club hat vor drei Jahren
angefangen diese Scouting-Abteilung aufzubauen…
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…mit Olaf Janßen zusammen?
Horst Quade
Ja, aber nicht nur. Olaf Janßen war sozusagen
der Motor der ganzen Sache. Im Grunde genommen war
es von Anfang an ein Team in Essen. Zuerst mussten
die Strukturen geschaffen werden, dass ist zu Beginn
reine Büroarbeit. Zum Beispiel müssen alle
Vereine gelistet werden und mehr als 3000 Spieler
in die Datenbank eingepflegt werden. Da ist es aber
nicht nur mit dem Namen getan, da gehört die
Größe dazu, Rechtsfuß, Linksfuß
und solche Sachen.
Bevor ich ernte, muss ich sähen - und sähen
muss ich erstmal den Datenbestand. Wenn man dann erst
einmal damit angefangen hat, will man immer mehr wissen.
Wo war der Spieler bisher? Welche Verletzungen hat
er bis jetzt gehabt? Das ist wie eine Sucht, man will
den Spieler immer gläserner machen. Alle Informationen
die man kriegen kann, will man dann auch einbauen.
Das war der Schwerpunkt im ersten halben Jahr. Die
Datenbank muss zudem tagtäglich gepflegt werden.
Eine falsche Information kann man sich gar nicht erlauben.
Wenn man morgens aufsteht, schaut man zuerst ins Internet
und guckt, welcher Spieler wo hingegangen ist. Das
darf nicht an einem vorbei rauschen. Oder man liest
beispielsweise den Kicker: der und der Spieler hat
den Vertrag verlängert; dass wird dann sofort
eingepflegt. Das sind Arbeiten, die man nicht nur
einmal im Jahr machen muss, dass muss tagtäglich
geschehen. Die reine Büroarbeit ist somit die
Basis. Diese Arbeit kann einer bewältigen. Wenn
man dann aber zum eigentlichen Scouting kommt, geht
das nur im Team.
Wir haben zu Beginn der Wechselperioden in Essen wöchentlich
eine Runde, wo der A-Jugend-Trainer, der U23-Trainer,
der Cheftrainer, der Sportliche Leiter und ich zusammensitzen.
So vier bis sechs Leute, die Analysen abgeben und
mitarbeiten. Der Sportliche Leiter hatte vorher das
Wochenendprogramm, meist regional, festgelegt.
Wenn der Scout zum Beispiel am Samstag nach Stuttgart
fährt, wird natürlich versucht am Sonntagmorgen
noch ein A-Jugend-Bundesligaspiel und am Nachmittag
auf halber Strecke noch ein drittes Spiel reinzukriegen
- wirtschaftliches Denken um möglichst zwei,
drei Spiele pro Fahrt mitnehmen zu können. Ich
persönlich arbeite stark dem Trainer zu, indem
ich den nächsten Gegner sichte. Dazu gehört
dann eine Spielanalyse über den Gegner. Der Sportliche
Leiter erhält daraus dann auch Kurzanalysen über
die gesehenen Spieler.
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Letztes Jahr erwähnte Olaf Janßen in einem
Interview mit uns, dass die Scouting-Abteilung durch
Festangestellte erweitert werden sollte. Das ist jetzt
nach dem Abstieg kein Thema mehr?
Horst Quade
Das hat sich praktisch im Moment erledigt. Vor ein
paar Wochen war ein Bericht im Kicker über die
Scouting-Abteilung der Bundesligisten, wo teilweise
zehn, zwölf Leute arbeiten. Je nach Stärke
der Vereine wird das Scouting auch ins Ausland und
auf andere Kontinente ausgedehnt, wie nach Argentinien
oder Brasilien. Im Moment macht es für RWE keinen
Sinn außerhalb Europas zu scouten. Das hat mit
den UEFA-Regularien zu tun, wir dürfen zum Beispiel
keine 5 Argentinier verpflichten . Also begrenzt sich
die Arbeit bei RWE auf einen engeren Teil Europas.
Wenn man in der Zweiten Liga spielt, hat man bessere
Möglichkeiten Spieler zu holen. Sei es durch
den Reiz der Liga oder wegen anderer finanzieller
Möglichkeiten. Da kann man dann den Beobachtungsbereich
im Scouting vergrößern.
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Ist das dann nicht ärgerlich, letzte Saison Spieler
beobachtet zu haben, die der Verein jetzt nicht mehr
holen kann?
Horst Quade
Das war schon bitter. Wir hatten bis Ende der Hinrunde
an die Regionalliga gar keinen Gedanken verschwendet
und hatten uns auf eine positive Zukunft konzentriert.
Aber später konnten wir ja nicht so blauäugig
sein und deshalb begann auch dann das Scouting für
die Regionalliga. Wir sind dann zweigleisig gefahren.
Wir hatten eine Liste A und eine Liste B. Klar, einige
von Liste B standen auch auf Liste A, aber es tat
schon weh, die Liste für die Zweite Liga in den
Reißwolf zu stecken und sich auf Liste B zu
konzentrieren. Und ganz besonders schlimm war es dann,
dass viele der Kandidaten aus unterschiedlichen Gründen
nicht verpflichtet werden konnten.
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Wie schaut so ein Scouting vor Ort im Stadion aus?
Horst Quade
Ich bekomme den Auftrag vom Verein den Spieler XY
zu beobachten. Dann sagt der Sportliche Leiter: „Schreib
du mir mal was über den Spieler.“ –
schreiben wohlgemerkt - und da beginnt auch schon
die Akribie der Arbeit. Zu schreiben: „Der ist
gut, den musst du verpflichten“, das ist zu oberflächlich.
Man muss begründen, warum man ihn verpflichten
sollte, wo seine Stärken, wo seine Schwächen
sind, dass ist die Schwierigkeit in der Aufgabe. Das
muss dann schriftlich niedergelegt werden. Viele denken,
du fährst zum Fußball, guckst dir ein Spiel
an und isst eine Bratwurst. Nein, nein, glauben Sie
mir, dass ist 90 Minuten ernste Arbeit.
Du musst schon mächtig durchgeknallt sein, so
was zu machen. Man muss den Spieler das ganze Spiel
über hochkonzentriert beobachten und danach folgt
die schriftliche Arbeit, die „Drecksarbeit“,
niederzuschreiben wann der Spieler geboren ist, wie
groß er ist und so weiter. Dann folgt die Benotung
auf einer Skala von eins bis zehn, immer bezogen auf
die einzelnen Stärken und Schwächen, immer
mit Begründung. Das ist die Analyse, die Trainer
und der sportliche Leiter brauchen. Wenn ich die Analyse
abgegeben habe, frage ich auch nicht mehr nach dem
Spieler. Dann ist die Sache für mich erledigt.
Ich habe dann auch schon längst wieder einen
neuen Auftrag und bin wieder unterwegs.
Dasselbe ist bei der Spielanalyse. Ich schlage dem
Trainer bestimmte Dinge vor. Die Entscheidung diese
Vorschläge anzunehmen liegt dann bei ihm. Du
bist als Scout so gesehen ein Einzelgänger. Man
hat nicht die tragenden Entscheidungen zu treffen.
Ich liefere nur die Informationen. Wenn ich über
einem Spieler geschrieben habe, dass man ihn verpflichten
sollte, fährt der Sportliche Leiter oder der
Trainer noch mal selbst hin. Erst nach meiner Empfehlung
lohnt sich der Weg für die Verantwortlichen.
Wenn man sich dann immer noch nicht ganz sicher ist,
ob man den Spieler verpflichten möchte, dann
muss noch ein Dritter hin. Und dafür haben wie
weitere sehr qualifizierte Trainer wie Sven Demandt
oder Michael Kulm. Da ist Teamwork entscheidend.
Interessant wird es auch, wenn es verschiedene Meinungen
gibt. Letzte Saison ist Peter Kunkel zum Beispiel
mal ein Innenverteidiger positiv aufgefallen, den
ich mir auch noch einmal ansehen sollte. Mit hat der
Spieler nicht gefallen. Also sollte Peter Kunkel sich
den Spieler noch einmal ansehen. Bei der nächsten
Sitzung sagte Peter Kunkel zu mir: „Horst, der
Spieler hat in der 90. Minute das 1:1 geköpft…jetzt
will ich aber ehrlich sein, der wurde aber auch erst
zur 80. Minute eingewechselt!“.(lacht) Von der
Chronologie her passte das. Im ersten Spiel war er
gut, dann hat er schlecht gespielt und saß dann
deswegen im dritten Spiel auf der Bank. Also haben
alle recht gehabt. Wenn der Spieler aber jetzt ein
Leistungsträger gewesen wäre, hätte
der Trainer ihn wegen einer schlechten Partie sicherlich
nicht auf die Bank gesetzt. Bei solchen Dingen muss
man dann auch ein bisschen Fingerspitzengefühl
haben und Erfahrung mitbringen.
Es ist auch interessant, dass man bei einem Spieler,
den man gar nicht kennt, die besten Informationen
aus der Fan-Kurve kriegt. Die Fans haben ein unglaubliches
Gespür für Einsatzbereitschaft, Kampfkraft
und Willensstärke. Die Leute in der Kurve wissen,
wer beißt und wer nicht. Das gilt für solche
Dinge. Aber für den Fan ist wiederum nicht entscheidend,
ob ein Ball mit der Innen- oder Außenseite gespielt
werden muss. Für den Zuschauer ist interessant,
ob der Pass ankommt oder nicht. Es kommt ein Ball
in den Winkel und der Torwart wehrt technisch schwach
ab. Der Fan hingegen sagt sich, „Technik ist
egal“ , Hauptsache gehalten.
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Und wenn ein beobachteter Spieler einfach mal einen
schlechten Tag hat, erkennt man das auch?
Horst Quade
Ich glaube schon. Ich habe 25 Trainerjahre auf dem
Buckel und glaube, dass wir Trainer auch ein Gespür
dafür haben. Man sieht so was auch am Umgang
der Mannschaft mit einem formschwachen Spieler. Wenn
es der Platzhirsch ist, der eine schlechte Tagesform
hat, der wird nicht „angekackt“. Ich weiß,
wie ein Trainer mit einem guten Spieler umgeht. Außerdem
kennt man in etwa schon vorher um welche Qualität
es sich bei den Spielern handelt.
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Es kann ja durchaus unterschiedliche Ansatzpunkte
geben, nach denen ein Spieler beurteilt wird. Stefan
Lorenz hat in der letzten Saison als rechter Verteidiger
beispielsweise kaum für Gefahr in der Offensive
gesorgt, während er in der Defensive hervorragend
abgeräumt hat. Das war ein Spielertyp, der in
das taktische System von Lorenz Günter Köstner
gepasst hat. Ein anderer Trainer sucht vielleicht
einen Außenverteidiger mit Druck nach vorn.
Bekommt der Scout also die Anweisung, auf bestimmte
Eigenschaften eines Spielers besonders zu achten?
Horst Quade
Solche Dinge sind deutlich in unserer Datenbank vorgegeben.
Was dann folgt ist Teamwork.
Der Trainer und der Sportliche Leiter sind für
die Auswahl der Neuzugänge verantwortlich. Auf
dieser Ebene muss also das Zusammenspiel zwischen
Trainer und Sportlichem Leiter erfolgen.
Jawattdenn.de
Der Scout versucht also immer, in seinen Berichten
ein Gesamtbild des Spielers zu zeichnen und beschränkt
sich nicht auf bestimmte Eigenschaften?
Horst Quade
Man kennt ja das Anforderungsprofil des Trainers für
die bestimmte Position.
Ein Lorenz-Günter Köstner hat natürlich
ein ganz anderes Anforderungsprofil als ein Uwe Neuhaus
oder Heiko Bonan.
Es gibt ja auch nicht nur den schriftlichen Bericht
über den Spieler, wir unterhalten uns bei unseren
Sitzungen ja auch. Und da wird der Trainer dann fragen,
ob z.B. ein rechter Verteidiger Druck entwickeln kann.
Das wird dann alles in die endgültige Bewertung
einfließen. Wenn ein Trainer einen rechten Verteidiger
sucht, der hinten dicht machen und gar nicht ins Mittelfeld
aufrücken soll, wird er einen Stefan Lorenz nehmen.
Ein anderer Trainer spielt ein anderes Spielsystem
und der rechte Außenverteidiger soll zur Grundlinie
durchmarschieren, wie z.B. Tim Erfen. Das ist das
Anforderungsprofil von Heiko Bonan für einen
Spieler auf dieser Position, und Erfen passt in seiner
Art und Weise auf diese Vorgabe.
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Welche Ligen scoutet RWE denn?
Horst Quade
In erster Linie wird die Liga beobachtet, der man
gerade zugehörig ist und in der man auch seine
Gegner beobachtet. Auch um Fahrtkosten zu sparen wird
die Gegnerbeobachtung mit der Spielerbeobachtung kombiniert.
Wir beobachten immer den nächsten Gegner und
überlegen dann, was auf dem Weg liegt und was
man sich anschauen kann.
Irgendwann wird man die Tabelle analysieren und dann
vor dem Hintergrund der Zusammenlegung der Regionalligen
auch den Bereich der Regionalliga Süd abdecken,
weil dort natürlich viele Spieler von den nicht
qualifizierten Vereinen auf den Markt kommen werden.
Einen gewissen Bereich der zweiten Liga muss man auch
abdecken, wobei wir da nicht nach Köln oder Mönchengladbach
fahren brauchen. Da wird man sich auf die Vereine
konzentrieren, bei denen sich abzeichnet, dass sie
absteigen könnten.
Jawattdenn.de
Wie kommt Rot-Weiss dann an einen Spieler wie Vincent
Wagner, der aus der Verbandsliga in Mecklenburg-Vorpommern
kommt?
Horst Quade
Das lag auch auf dem Weg, aber das war ich nicht.
Ich habe aber den Bericht gelesen, und ich kenne den
Mann, der ihn beurteilt hat. Er ist als Perspektivspieler
geholt worden, und ich denke, dass war mittelfristig
ein guter Schachzug. Der Junge muss sich jetzt erstmal
an die neue Situation gewöhnen. Er ist von 0
auf 100 gelaufen und muss sofort in der Regionalliga
ran. Ich kann mir schon ganz gut vorstellen, wie es
bei einem solchen Jungen im Kopf rumort, wenn er auf
einmal vor 16.000 Zuschauer spielt. Das braucht sicherlich
Zeit, aber von den Grundvoraussetzungen Dynamik, Schnelligkeit,
Körperbau bringt er das mit, was er braucht,
um sich zu entwickeln. Es war also kein Zufall mit
Vincent Wagner. Das war eines von diesen gewollten
Nebenprodukten im Souting-System. Man war sowieso
in der Region und hatte einen Tipp bekommen. Diese
Tipps gehen natürlich meistens über die
Schiene Sportlicher Leiter. Vincent Wagner war also
auf jeden Fall kein Zufallstreffer.
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So Talente wie Miroslav Klose, der aus der Bezirksliga
kam, sind natürlich schwer zu finden. Die Nadel
im Heuhaufen?
Horst Quade
Er ist aber damals aber auch über Kaiserslautern
II nach oben gekommen. Er ist ja nicht von der Bezirksliga
aus direkt Nationalspieler geworden. Aber das ist
das beste Beispiel, welches ich hier auch oft benutze.
Es gibt Ausnahmen, ganz klar. Es gibt aber auch ein,
ich nenne es mal, natürliches Scouting: Die besten
Spieler aus Essen spielen zum Beispiel bei RWE oder
beim ETB.
Genauso spielen die besten aus Remscheid beim FC Remscheid.
Da brauch ich mir also eigentlich gar keine Mannschaft
in Remscheid sehen, die unter dem FC spielt, weil
der FC selbst schon vorher selektiert hat. Da muss
man einen Filter setzen und sich fragen, wo man anfängt
zu scouten. Die anderen Vereine machen an dieser Stelle
ja quasi schon ein kostenloses Vorscouting. Dann gibt
es noch den DFB, über den findet im Form der
Auswahlmannschaften ein ähnliches Vorscouting
statt. Da spielen dann, Ausnahmen gibt es natürlich
immer, die besten eines Jahrgangs für ihren Landesverband.
Wenn im August oder September mit dem Länderpokal
quasi die Talentschau des deutschen Fußballs
in Duisburg stattfindet, ist das für jeden Scout
ein absoluter Pflichttermin. Insgesamt ist unser Scouting
sehr flächendeckend.
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Für solche Glücksfälle braucht man
sicherlich gute Kontakte, um von Leuten aus der Gegend
entscheidende Tipps zu erhalten?
Horst Quade
Ja, aber wir haben ja auch ein Informationsnetz gezogen.
Olaf Janßen war Profi in Köln und Frankfurt
und kennt mit Sicherheit aus der Zeit noch genug Experten,
die heute in der ganzen Republik verstreut leben.
Er war in München Trainer und kennt dort ebenfalls
Insider Leute. Ich komme gebürtig aus Norddeutschland
und habe auch viele Kontakte zu Trainern, die zumindest
im oberen Amateurbereich Trainer sind. Wir haben auch
freundschaftliche Kontakte nach Polen, Tschechien
oder Litauen. Die Kontakte zu pflegen und zu nutzen
ist auch eine Fleißarbeit. Man kriegt Anrufe
mit Tipps, aber man muss auch mal anrufen und gezielt
nachfragen, ob jemand einen bestimmten Spielertyp
kennt. Und wenn man dann aus diesem Netzwerk einen
Tipp bekommen hat, nimmt man den wahr – nach
Möglichkeit wenn es auf der Strecke liegt.
Wenn ich in unserer Datenbank auf die Kennung 7 drücke,
bekomme ich eine Liste von den Spielern, die in Sichtung
sind, und das sind etwa 150 Spieler, die wir abarbeiten
müssen.
Ich habe heute weitere Spieler in die Datenbank eingepflegt,
und wenn da ein 19 Jahre alter Mittelstürmer
mit einer Größe von 1,92m ist, bekommt
er direkt die entsprechende Kennung. Oder ich sehe
einen linken Außenverteidiger, der Bayern München
nach der A-Jugend verlässt. Der kommt direkt
in die Sichtung, egal, wo er innerhalb der ersten
drei Ligen hinwechselt, weil ich weiß, dass
er eine optimale Ausbildung genossen hat und gute
Linksfüße immer schwer zu finden sind.
Wenn der Manager jetzt sagt, welche linken Außenverteidiger
haben wir auf Sieben, dann habe ich gleich auf den
ersten Blick 25 Spieler, die die Vorrausetzungen erfüllen.
Wenn ich dann einen Kontaktmann habe, der in der Nähe
seines neuen Vereins wohnt, dann rufe ich ihn zu gegebener
Zeit an und bekomme schon mal eine Grundinfo.
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Sie sammeln auch Informationen zum Umfeld oder Charakter
eines Spielers. Solche Dinge kann man ja im Spiel
nicht sehen. Um so etwas zu erfassen, sind Kontakte
sicherlich auch sehr wichtig?
Horst Quade
Richtig. Wenn man etwas über den Charakter eines
Spielers erfährt, dann fließt das auch
in die Berichte ein. Aber das soll nicht oben anstehen,
das sind für die Scouting-Arbeit eher Nebeneffekte.
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Ein Fan stellt sich ihren Job sicherlich traumhaft
vor. Man denkt vielleicht, der Horst Quade, der fährt
so ein bisschen durch die Weltgeschichte, guckt sich
mal ein Spiel und Olaf Janßen lässt sich
dann ab und an mal berichten.
Horst Quade
Das würde sich auch gut anhören. Der Scout
fährt ein bisschen rum, geht ins Stadion, isst
mal ne Bratwurst und guckt sich die Spiele an. Wenn
das mal so wäre…
Man muss von der Idee schon voll begeistert und davon
überzeugt sein, dass es wichtig ist, was man
da macht. Wie sieht so eine Fahrt denn aus? Man fährt
zum Stadion, beobachtet sich das Spiel an und sitzt
im Stau – vorher und nachher. Das Spiel entschädigt
natürlich für vieles, aber wenn man da sitzt
und 90 Minuten nur schreibt, dann ist man nach dem
Spiel erstmal geschafft. Wo ich z.B. immer wieder
bei Gegnerbeobachtungen meine Probleme kriege ist
die Frage, wer wo beim Eckball steht. Die Spieler
drehen sich ja nicht mit dem Rücken zu einem
und rufen „Guck mal, Scout! Hier stehe ich!“.
Der eine Spieler steht da, der Nächste rennt
vor, der Nächste zurück, und die Trainer,
gerade Lorenz-Günter Köstner, wollen genau
wissen, wer wo steht.
Da entwickelt man dann Arbeitsweisen, um so etwas
schneller zu erfassen. Ich arbeite z.B. nach dem Ausschlussprinzip
und schreibe erstmal die auf, die nicht drin stehen.
Dann notiere ich den Eckballschützen und den
Spieler, der am Torwart steht, das sind dann schon
vier, fünf Spieler. Dann kommt die Ecke und die
übrigen fünf Spieler stehen logischerweise
drin.
Auch solche Sachen werden alle schriftlich festgehalten.
Da passiert nichts auf Zuruf. Eine Spielanalyse ist
zig Seiten lang. Es gibt Skizzen, wer wo gespielt
hat, taktische Aufstellung, Einwechslungen werden
festgehalten, wie sie die Mannschaft positionell nach
den Auswechslungen verändern und meistens wird
während des Spiels das Spielsystem auch ein bisschen
variiert. Da muss man erstmal Minutenlang notieren,
wer jetzt wo spielt.
So was ist nicht einfach nur mal eben ein bisschen
Fußball gucken.
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zu Teil II