Fankongress 2012 - Ein Fazit
Am vergangenen Wochenende fand in Berlin der Fankongress 2012 statt. 500 Teilnehmer und ein großes Interesse der Medien waren vorhanden. Wir sind stolz, euch ein Fazit und Bilder präsentieren zu können. Vielen Dank dafür an die Jungs des Blogs 1907ers (1907ers.tumblr.com) 1907ers . Teil 2 des Fazits ist online!
FANKONGRESS 2012
Wie sieht der Fußball in der Zukunft aus und welche Rolle spielen die Fans dabei?
Da war es nun, das Wochenende, dem sowohl zahlreiche Fans deutscher
Fußballclubs, als auch die Verbände und Polizei mit gemischten Gefühlen
und Erwartungen entgegenblickten.
Einerseits waren die Fans voller Hoffnung, hinsichtlich neuer Ergebnisse
bezüglich Themen, wie der Legalisierung von Pyrotechnik in deutschen
Stadien, der (noch) in Deutschland geltenden 50+1 Regel, oder auch der
teilweise absolut Fan-unfreundlichen Anstoß Zeiten.
Aber es wussten auch alle um die Brisanz dieser Themen und der
Schwierigkeiten in der Kommunikation zwischen Verbänden, Fans und
Polizei wodurch sich ein Ablauf der Gespräche im Vorfeld nicht erahnen
ließ. Dies erst Recht nicht nach dem Abbruch der Gespräche mit der
Kampagne „Pyrotechnik legalisieren – Emotionen respektieren“ seitens des
DFB vor wenigen Wochen.
Die Verbände DFB/ DFL und die Polizei, sahen dem Fankongress aber wohl
eher dahingehend mit gemischten Gefühlen entgegen, dass sie wohl
vermuteten, dort von Scharen gewaltbereiter und dauerbetrunkener
„sogenannter Fußballfans“ krankenhausreif geprügelt zu werden. Dies
rechtfertige in den Augen der Polizei wohl auch das Absagen des
Vertreters der ZIS (Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze) einen Tag
vor dem Kongress, trotz einer Zusage, die den Organisatoren zunächst
erteilt worden war. Auch die Verbände waren sehr zurückhaltend, sodass sie sie
ausschließlich Vertreter endsandten, welche zwar bereit waren sich auf
die Gespräche einzulassen, aber letztendlich auch nur zusichern konnten,
die behandelten Themen in die verschiedenen Gremien weiterzutragen, da
sie keine alleinige Entscheidungsgewalt besitzen oder noch nicht mal an
den entsprechenden Entscheidungen teilhaben. So wurde allen Beteiligten
schnell klar, dass an diesem Wochenende noch keine großen Meilensteine
errungen werden würden, bezüglich der Ergebnisse zu den teilweise
bereits angesprochenen Themen.
Mit großer Vorfreude und Enthusiasmus, aber auch einer gehörigen Portion
Anspannung, ging es für unsere vierköpfige Autobesatzung bereits am
frühen Freitagabend Richtung Berlin. Nachdem man kurz nach Mitternacht
das Hostel erreichte, ging es auch direkt ins Bett, da der Kongress am
morgigen Tag früh losgehen sollte.
Am nächsten Morgen trafen wir relativ zeitig gegen 9:30 Uhr am
ehemaligen Kino „Kosmos“ ein, wo wir durch frisch belegte Brötchen und
etwas zu trinken begrüßt wurden.
Nach der Anmeldung fanden sich alle Teilnehmer im größten der fünf Säle
ein, um zunächst einer Begrüßung und einer kurzen Vorstellung der
Arbeitsgruppen zu zuhören. Anschließend verteilten sich alle auf die
jeweiligen Kino-Säle, in denen die Workshops zu den sechs verschiedenen
Überthemen abgehalten wurden. Da immer fünf Workshops zu fünf
verschiedenen Themen zeitgleich stattfanden, teilten wir uns auf und
werden daher hier über die parallel laufenden Tracks separat berichten:
Samstag, 14.01.2012 Zeit: 11.15-12.45Uhr
Thema 1: „Stadionverbote: Präventivmaßnahme oder Ersatzstrafrecht?“
Leitfrage des ersten Workshops zu diesem Thema lautete: „Wie gehen
Vereine und Verbände mit ihrer gesellschaftlichen Verantwortung um?
Werden sie dem Anspruch gerecht oder suchen sie sich immer den
einfachsten Weg bei Problemen und schaffen damit ein Ersatzstrafrecht?“
Als Referenten zu Gast waren Marco Noli (Fananwälte), Hendrik Große
Lefert (Sicherheitsbeauftragter DFB), Antje Hagel (Fanprojekt
Offenbach), Jannis Busse (Ultras Hannover), Gerd Dembowski
(Sozialwissenschaftler/Autor) und André Waiß (Sicherheitsbeauftragter FC
Energie Cottbus).
Zunächst einmal stellten sich alle Referenten vor, im Anschluss wurde
direkt in die Podiumsdiskussion übergegangen. Dabei wurde zuerst auf die
offizielle Regelung bezüglich der Stadionverbote eingegangen, hierbei
wurde insbesondere auf das Hausrecht der Vereine aufmerksam gemacht,
durch welches dieser bemächtigt ist gegen Personen, welche auffällig
durch Verstöße gegen die Hausordnung geworden sind, nach einer Anhörung
vor dem Sicherheitsbeauftragten des eigenen Vereins, ein Stadionverbot
zu verhängen. Der Verein bekommt Informationen bezüglich auffällig gewordener Personen
von der Polizei übermittelt, somit liegt dann die Strafverhängung auf
Seiten der Vereine, welcher nach der bereits angesprochenen Anhörung
darüber zu entscheiden hat.
Die Realität sieht jedoch anders aus, denn sobald es auch nur zu einer
Personalienfeststellung im Rahmen einer Ermittlung im Umfeld des
Fußballs von Seiten der Polizei kommt, reicht dies meist schon aus, um
ein Stadionverbot zu verhängen. Selbst wenn der Betroffene per
Gerichtsurteil freigesprochen wird, oder die Ermittlung auf Grund von
mangelnder Beweise eingestellt wird, bedeutet dies nicht zwangsläufig,
dass auch das Stadionverbot aufgehoben wird.
Ein weiterer unwiderlegbarer Fakt ist, dass die Polizei aktiv zur
Durchsetzung von Stadionverboten auf den Verein einwirkt. So sitzen
sogar häufig die szenekundigen Beamten mit in der Anhörung. Dies hat
nicht nur zur Folge, dass viele erst gar nicht ihr Recht auf eine
Anhörung wahrnehmen und wenn doch, es sehr einschüchternd wirkt und ein
offenes und ehrliches Gespräch zwischen Fan und Verein verhindert wird.
Denn sofern nebenbei auch noch ein Strafverfahren gegen den Fan läuft,
muss er davon ausgehen, dass alles was er dort sagt vor Gericht gegen
ihn verwendet werden kann. Ebenso findet diese Anhörung beim Verein in
den meisten Fällen gar nicht erst statt, sodass das Stadionverbot schon
am selben Tag ausgestellt werden kann. In diesem Rahmen ist vor einiger
Zeit auch bekannt geworden, dass die Polizei über vorgefertigte
Stadionverbote verfügt, in welche dann nur noch der entsprechende Name
eingesetzt werden muss. Des weiteren war es fraglich inwiefern die
Hausrechte des Vereins – welcher als einziger die Befugnis hat, ein
Stadionverbot auszusprechen – verletzt werden, wenn sich ein Fan schon
auf der An- oder Abreise nicht angemessen verhält.
All diese Themen boten hervorragenden Stoff für eine ausgiebige und
scharfe Diskussion, welche sich später sogar mit der von der ZIS
veröffentlichen Statistik zum Thema Gewalt in Fußballstadien befasste
und auf die Gewalt zwischen Polizei und Fans einging. Aber auch die Fans brachten sich am Ende in die Diskussion mit ein,
womit auch einige sinnvolle Ideen zu diesem Thema entstanden. So nannte
ein extra für den Fankongress angereister Italienischer Fananwalt den
Vorschlag, Stadionverbote nur auf bestimmte Bereiche im Stadion
auszusprechen, wodurch ein genereller Verzicht verhindert werden könnte.
Denn gerade der, so der Sozialwissenschaftler Gerd Dembowski, führe zu
einem Ausschluss aus dem sozialen Umfeld, welcher weit schlimmere Folgen
für den Betroffenen haben kann, als nur der Verzicht auf das
Fußballspiel.
Schluss endlich ließ sich leider kein für alle Seiten
zufriedenstellendes Ergebnis finden, was aber auch an dem fehlenden
Vertreter der Polizei lag, mit dem die Diskussion sicher den richtigen
Ansprechpartner gefunden hätte. Doch zumindest der
DFB-Sicherheitsbeauftragte Herr Große Lefert sicherte zu, solche Ideen
und Anregung zur Optimierung der Stadionverbotsrichtlinien mitzunehmen
und sich dazu Gedanken zu machen.
Thema 3: Die Chancen und Grenzen von Selbstregulierung, Freiheit und Verantwortung in den Fankurven
Die Überschrift des ersten Workshop zu oben genanntem Thema lautete:
„Der Umgang mit den Fan-Freiheiten: ein ehrlicher Dialog? Das sogenannte
St. Pauli-Modell und die Pyro-Kampagne“
Geladene Gäste: Vertreter der Kampagne „Pyrotechnik legalisieren“,
Stephan Shell (Wilde Horde Köln), Rainer Mendel (Sicherheitsbeauftragter
1. FC Köln) und Jens Volke (Fanbeauftragter Borussia Dortmund)
Zu Beginn stellte der Moderator Stephan Shell kurz die Referenten sowie
das Thema des Workshops vor, um anschließend in einem kurzen Vortrag
über Fan-Materialien und die Handhabung der Ordnungsdienste mit diesen
einen Einblick in den Spielalltag zu geben. Anhand von Beispielen, die
ein jeder Ultra sicher schon selbst erlebt hat, zeigte er die Probleme,
die Wochenende für Wochenende den verschiedensten Fangruppen bei
Auswärtsspielen mit den vermeintlich selbstverständlichsten Materialien
(z.B. Fahnen oder Doppelhalter) bei den Einlasskontrollen blühen. Vor
allem die zugelassenen Utensilien unterscheiden sich von Verein zu
Verein und die oftmals peniblen Anmeldeverfahren Wochen vor dem Spiel
werfen Fragen auf. Teilweise entstehen durch unverständliche Regelungen
schon am Einlass größere Probleme als Schaden durch die „10cm zu großen
Fahnen“ im Stadion angerichtet werden kann. Auch solche simplen Dinge
wie Klebeband bieten oft großes Diskussionspotenzial, – zu mindestens
auf Seiten des Ordnungsdienstes – obwohl dieses lediglich zum Befestigen
der Zaunfahnen dient. Warum also diesem ganzen Ärger nicht vorbeugen
und erst mal alle Materialien kategorisch zu zulassen?
Das dachte sich auch der Verein Borussia Dortmund und führte das
sogenannte St. Pauli-Modell ein. Als Fanbeauftragter führte Jens Volke
dieses maßgeblich mit ein und berichtete über dieses Modell. Es sieht
vor, dass die Gästefans erst einmal ohne vorherige Anmeldung alles
genehmigt bekommen und so schon am Eingang kein Konfliktpotenzial
entstehen lässt. Je nach dem wie sich die Gästefans verhalten, wird bei
den zukünftigen Gastspielen diese Freiheit nicht eingeschränkt. So kann
es aber auch sein, dass nach dem Gebrauch von Pyrotechnik den Gästefans
beim nächsten Mal alles verboten wird. Viele Gegner dieses Modells sehen
es als eine Art Erpressung an, mit der die Vereine versuchen
unerwünschtes Verhalten zu sanktionieren.
Im zweiten Teil des Workshops sollte es um das heikle Pyrotechnik-Thema
gehen. In einer kurzen Einleitung zum Stand der Pyro-Kampagne durch Ede
von den Ultras Dynamo wurde nochmals der Verlauf der Geschehnisse rund
um die Kampagne erläutert. Durch eigens auferlegte Regeln und einem
Pyroverzicht seitens der Ultras zeigten sie, welchen Einfluss sie in den
jeweiligen Kurven haben und mit welcher Ernsthaftigkeit sie dieses
Thema angingen. Die Fans suchten das Gespräch mit dem DFB, um eine
Verbesserung für beide Seiten zu erwirken: wir Fans würden uns nicht
mehr im strafrechtlichen Raum bewegen und könnten so dieses Stilmittel
legal und kontrolliert einsetzen und der DFB hätte ein
Sicherheitsproblem weniger, da durch das Konzept der Schadensfall nahezu
ausgeschlossen wäre.
Allerdings fanden die Gespräche vor kurzem ein jähes Ende. Der DFB
teilte auf einer Pressekonferenz mit, dass das in Auftrag gegebene
Rechtsgutachten es nicht zu lassen würde, Pyrotechnik durch die Fans im
Stadion abbrennen zu lassen. Damit täuschte der DFB die öffentliche
Wahrnehmung, da es unter gewissen Bedingungen, die auch in dem
Rechtsgutachten aufgelistet sind, möglich ist. Dieses „rigorose nein“
war für viele Fans überraschend wie unverständlich. Damit beendete der
DFB den Dialog abrupt und ohne ehrliche Erklärung.
Beim Kongress sollte dieses Thema wieder auf den Tisch und mit Gerald
von Gorissen (Fanbeauftragter des DFB) stellte sich auch jemand, der bei
den Gesprächen mit am Tisch saß. Lang dauerte es nicht und er wurde
aufgrund der vielen Fragen die an seine Person gerichtet wurden, spontan
aufs Podium gebeten. Ziemlich im Kreuzfeuer der Fragen räumte er
„Kommunikationsfehler“ ein. Eine richtige Antwort, wie es weitergehen
soll, hatte er aber auch nicht parat und wollte sich auch zu keiner
Aussage hinsichtlich des weiteren Verlaufs der Legalisierung von
Pyrotechnik hinreißen lassen. Er verwies immer wieder darauf, dass er
bei besagter Entscheidung des Präsidiums nicht anwesend war und er
selbst auch keine Möglichkeiten habe, irgendwelche Zusagen zu machen.
Für viele ist dieser Umgang mit allzeit gesprächsbereiten Fans nicht
hinnehmbar, zumal es genug positive Beispiele wie dem Chemnitzer FC oder
dem Halleschen FC gibt, bei denen legal gezündet wurde. Auch in
Düsseldorf oder Braunschweig hält nur noch das Veto der Verbände die
Vereine in der Umsetzung des Konzepts zurück.
Auch Rainer Mendel (Sicherheitsbeauftragter 1.FC Köln) kritisierte das
Verhalten des DFB. So wurden die Vereinen überhaupt nicht über den
aktuellen Stand der Gespräche informiert und erfuhren erst nach der
Entscheidung des DFB, die Gespräche abzubrechen, dass diese eigentlich
schon ziemlich weit vorangetrieben waren. Zudem käme hinzu, dass sich in
solchen Situationen immer wieder Politiker einmischen würden, die von
der Materie nur im geringsten etwas verstehen würden, aber die
abstrusesten Ideen vorschlagen würden.
Gerald von Gorisson hatte auf die vielen Vorwürfe recht wenig zu
erwidern und flüchtete sich oftmals in Ausreden und argumentierte mit
seiner nicht entscheidungsfähigen Ranghöhe. Allerdings stellte auch er
fest, dass mittlerweile sogar Tabus gebrochen werden, wie z.B. das
Zünden bei einem Heimspiel (VfB Stuttgart) und er erwarte in diesem Jahr
noch massiveren Einsatz von Pyrotechnik.
Er stellte fest, dass dies eine Spirale ist, die sich im Moment immer
weiterdreht, bis es irgendwann eskalieren wird. Diese gilt es
aufzuhalten. Stephan Shell sagte dazu, dass es in Zukunft die
gesprächsbereiten und gemäßigteren Gruppen kaum noch Gehör beim Rest der
Fanszene findet, wenn der DFB die Fans so hintergeht und auf stur
schaltet.
Alles in allem eine ziemlich einseitige Gesprächsrunde, da die
Pyro-Gegner bei dieser Debatte einfach keine Argumentationsgrundlage
hatten und auch den anwesenden Presse-Vertretern einmal mehr vor Augen
geführt wurde, wie die Gespräche abgelaufen sind und auf welcher Seite
die Fehler gemacht wurden. Garantiert nicht von Seiten der Fans.
In der anschließenden Mittagspause diskutierte man bei einer wirklich
leckeren Suppe noch lange weiter und vielen Stand die Unverständnis über
die Entscheidungen des DFB ins Gesicht geschrieben. Allerdings machte
die Diskussionsatmosphäre Lust auf mehr und die meisten merkten, dass
man heute endlich mal medienwirksam seine Interessen, Vorschläge aber
auch kritischen Ansichten vorbringen kann.
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