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30.01.2012

Fankongress 2012 - Ein Fazit

von Redaktion

Am vergangenen Wochenende fand in Berlin der Fankongress 2012 statt. 500 Teilnehmer und ein großes Interesse der Medien waren vorhanden. Wir sind stolz, euch ein Fazit und Bilder präsentieren zu können. Vielen Dank dafür an die Jungs des Blogs 1907ers (1907ers.tumblr.com) 1907ers . Teil 2 des Fazits ist online!

FANKONGRESS 2012

Wie sieht der Fußball in der Zukunft aus und welche Rolle spielen die Fans dabei?

Da war es nun, das Wochenende, dem sowohl zahlreiche Fans deutscher Fußballclubs, als auch die Verbände und Polizei mit gemischten Gefühlen und Erwartungen entgegenblickten.
Einerseits waren die Fans voller Hoffnung, hinsichtlich neuer Ergebnisse bezüglich Themen, wie der Legalisierung von Pyrotechnik in deutschen Stadien, der (noch) in Deutschland geltenden 50+1 Regel, oder auch der teilweise absolut Fan-unfreundlichen Anstoß Zeiten.
Aber es wussten auch alle um die Brisanz dieser Themen und der Schwierigkeiten in der Kommunikation zwischen Verbänden, Fans und Polizei wodurch sich ein Ablauf der Gespräche im Vorfeld nicht erahnen ließ. Dies erst Recht nicht nach dem Abbruch der Gespräche mit der Kampagne „Pyrotechnik legalisieren – Emotionen respektieren“ seitens des DFB vor wenigen Wochen.

Die Verbände DFB/ DFL und die Polizei, sahen dem Fankongress aber wohl eher dahingehend mit gemischten Gefühlen entgegen, dass sie wohl vermuteten, dort von Scharen gewaltbereiter und dauerbetrunkener „sogenannter Fußballfans“ krankenhausreif geprügelt zu werden. Dies rechtfertige in den Augen der Polizei wohl auch das Absagen des Vertreters der ZIS (Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze) einen Tag vor dem Kongress, trotz einer Zusage, die den Organisatoren zunächst erteilt worden war. Auch die Verbände waren sehr zurückhaltend, sodass sie sie ausschließlich Vertreter endsandten, welche zwar bereit waren sich auf die Gespräche einzulassen, aber letztendlich auch nur zusichern konnten, die behandelten Themen in die verschiedenen Gremien weiterzutragen, da sie keine alleinige Entscheidungsgewalt besitzen oder noch nicht mal an den entsprechenden Entscheidungen teilhaben. So wurde allen Beteiligten schnell klar, dass an diesem Wochenende noch keine großen Meilensteine errungen werden würden, bezüglich der Ergebnisse zu den teilweise bereits angesprochenen Themen.

Mit großer Vorfreude und Enthusiasmus, aber auch einer gehörigen Portion Anspannung, ging es für unsere vierköpfige Autobesatzung bereits am frühen Freitagabend Richtung Berlin. Nachdem man kurz nach Mitternacht das Hostel erreichte, ging es auch direkt ins Bett, da der Kongress am morgigen Tag früh losgehen sollte.
Am nächsten Morgen trafen wir relativ zeitig gegen 9:30 Uhr am ehemaligen Kino „Kosmos“ ein, wo wir durch frisch belegte Brötchen und etwas zu trinken begrüßt wurden.
Nach der Anmeldung fanden sich alle Teilnehmer im größten der fünf Säle ein, um zunächst einer Begrüßung und einer kurzen Vorstellung der Arbeitsgruppen zu zuhören. Anschließend verteilten sich alle auf die jeweiligen Kino-Säle, in denen die Workshops zu den sechs verschiedenen Überthemen abgehalten wurden. Da immer fünf Workshops zu fünf verschiedenen Themen zeitgleich stattfanden, teilten wir uns auf und werden daher hier über die parallel laufenden Tracks separat berichten:

Samstag, 14.01.2012 Zeit: 11.15-12.45Uhr

Thema 1: „Stadionverbote: Präventivmaßnahme oder Ersatzstrafrecht?“

Leitfrage des ersten Workshops zu diesem Thema lautete: „Wie gehen Vereine und Verbände mit ihrer gesellschaftlichen Verantwortung um? Werden sie dem Anspruch gerecht oder suchen sie sich immer den einfachsten Weg bei Problemen und schaffen damit ein Ersatzstrafrecht?“

Als Referenten zu Gast waren Marco Noli (Fananwälte), Hendrik Große Lefert (Sicherheitsbeauftragter DFB), Antje Hagel (Fanprojekt Offenbach), Jannis Busse (Ultras Hannover), Gerd Dembowski (Sozialwissenschaftler/Autor) und André Waiß (Sicherheitsbeauftragter FC Energie Cottbus).

Zunächst einmal stellten sich alle Referenten vor, im Anschluss wurde direkt in die Podiumsdiskussion übergegangen. Dabei wurde zuerst auf die offizielle Regelung bezüglich der Stadionverbote eingegangen, hierbei wurde insbesondere auf das Hausrecht der Vereine aufmerksam gemacht, durch welches dieser bemächtigt ist gegen Personen, welche auffällig durch Verstöße gegen die Hausordnung geworden sind, nach einer Anhörung vor dem Sicherheitsbeauftragten des eigenen Vereins, ein Stadionverbot zu verhängen. Der Verein bekommt Informationen bezüglich auffällig gewordener Personen von der Polizei übermittelt, somit liegt dann die Strafverhängung auf Seiten der Vereine, welcher nach der bereits angesprochenen Anhörung darüber zu entscheiden hat.

Die Realität sieht jedoch anders aus, denn sobald es auch nur zu einer Personalienfeststellung im Rahmen einer Ermittlung im Umfeld des Fußballs von Seiten der Polizei kommt, reicht dies meist schon aus, um ein Stadionverbot zu verhängen. Selbst wenn der Betroffene per Gerichtsurteil freigesprochen wird, oder die Ermittlung auf Grund von mangelnder Beweise eingestellt wird, bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass auch das Stadionverbot aufgehoben wird.
Ein weiterer unwiderlegbarer Fakt ist, dass die Polizei aktiv zur Durchsetzung von Stadionverboten auf den Verein einwirkt. So sitzen sogar häufig die szenekundigen Beamten mit in der Anhörung. Dies hat nicht nur zur Folge, dass viele erst gar nicht ihr Recht auf eine Anhörung wahrnehmen und wenn doch, es sehr einschüchternd wirkt und ein offenes und ehrliches Gespräch zwischen Fan und Verein verhindert wird. Denn sofern nebenbei auch noch ein Strafverfahren gegen den Fan läuft, muss er davon ausgehen, dass alles was er dort sagt vor Gericht gegen ihn verwendet werden kann. Ebenso findet diese Anhörung beim Verein in den meisten Fällen gar nicht erst statt, sodass das Stadionverbot schon am selben Tag ausgestellt werden kann. In diesem Rahmen ist vor einiger Zeit auch bekannt geworden, dass die Polizei über vorgefertigte Stadionverbote verfügt, in welche dann nur noch der entsprechende Name eingesetzt werden muss. Des weiteren war es fraglich inwiefern die Hausrechte des Vereins – welcher als einziger die Befugnis hat, ein Stadionverbot auszusprechen – verletzt werden, wenn sich ein Fan schon auf der An- oder Abreise nicht angemessen verhält.

All diese Themen boten hervorragenden Stoff für eine ausgiebige und scharfe Diskussion, welche sich später sogar mit der von der ZIS veröffentlichen Statistik zum Thema Gewalt in Fußballstadien befasste und auf die Gewalt zwischen Polizei und Fans einging. Aber auch die Fans brachten sich am Ende in die Diskussion mit ein, womit auch einige sinnvolle Ideen zu diesem Thema entstanden. So nannte ein extra für den Fankongress angereister Italienischer Fananwalt den Vorschlag, Stadionverbote nur auf bestimmte Bereiche im Stadion auszusprechen, wodurch ein genereller Verzicht verhindert werden könnte. Denn gerade der, so der Sozialwissenschaftler Gerd Dembowski, führe zu einem Ausschluss aus dem sozialen Umfeld, welcher weit schlimmere Folgen für den Betroffenen haben kann, als nur der Verzicht auf das Fußballspiel.
Schluss endlich ließ sich leider kein für alle Seiten zufriedenstellendes Ergebnis finden, was aber auch an dem fehlenden Vertreter der Polizei lag, mit dem die Diskussion sicher den richtigen Ansprechpartner gefunden hätte. Doch zumindest der DFB-Sicherheitsbeauftragte Herr Große Lefert sicherte zu, solche Ideen und Anregung zur Optimierung der Stadionverbotsrichtlinien mitzunehmen und sich dazu Gedanken zu machen.

Thema 3: Die Chancen und Grenzen von Selbstregulierung, Freiheit und Verantwortung in den Fankurven

Die Überschrift des ersten Workshop zu oben genanntem Thema lautete: „Der Umgang mit den Fan-Freiheiten: ein ehrlicher Dialog? Das sogenannte St. Pauli-Modell und die Pyro-Kampagne“

Geladene Gäste: Vertreter der Kampagne „Pyrotechnik legalisieren“, Stephan Shell (Wilde Horde Köln), Rainer Mendel (Sicherheitsbeauftragter 1. FC Köln) und Jens Volke (Fanbeauftragter Borussia Dortmund)

Zu Beginn stellte der Moderator Stephan Shell kurz die Referenten sowie das Thema des Workshops vor, um anschließend in einem kurzen Vortrag über Fan-Materialien und die Handhabung der Ordnungsdienste mit diesen einen Einblick in den Spielalltag zu geben. Anhand von Beispielen, die ein jeder Ultra sicher schon selbst erlebt hat, zeigte er die Probleme, die Wochenende für Wochenende den verschiedensten Fangruppen bei Auswärtsspielen mit den vermeintlich selbstverständlichsten Materialien (z.B. Fahnen oder Doppelhalter) bei den Einlasskontrollen blühen. Vor allem die zugelassenen Utensilien unterscheiden sich von Verein zu Verein und die oftmals peniblen Anmeldeverfahren Wochen vor dem Spiel werfen Fragen auf. Teilweise entstehen durch unverständliche Regelungen schon am Einlass größere Probleme als Schaden durch die „10cm zu großen Fahnen“ im Stadion angerichtet werden kann. Auch solche simplen Dinge wie Klebeband bieten oft großes Diskussionspotenzial, – zu mindestens auf Seiten des Ordnungsdienstes – obwohl dieses lediglich zum Befestigen der Zaunfahnen dient. Warum also diesem ganzen Ärger nicht vorbeugen und erst mal alle Materialien kategorisch zu zulassen?

Das dachte sich auch der Verein Borussia Dortmund und führte das sogenannte St. Pauli-Modell ein. Als Fanbeauftragter führte Jens Volke dieses maßgeblich mit ein und berichtete über dieses Modell. Es sieht vor, dass die Gästefans erst einmal ohne vorherige Anmeldung alles genehmigt bekommen und so schon am Eingang kein Konfliktpotenzial entstehen lässt. Je nach dem wie sich die Gästefans verhalten, wird bei den zukünftigen Gastspielen diese Freiheit nicht eingeschränkt. So kann es aber auch sein, dass nach dem Gebrauch von Pyrotechnik den Gästefans beim nächsten Mal alles verboten wird. Viele Gegner dieses Modells sehen es als eine Art Erpressung an, mit der die Vereine versuchen unerwünschtes Verhalten zu sanktionieren.

Im zweiten Teil des Workshops sollte es um das heikle Pyrotechnik-Thema gehen. In einer kurzen Einleitung zum Stand der Pyro-Kampagne durch Ede von den Ultras Dynamo wurde nochmals der Verlauf der Geschehnisse rund um die Kampagne erläutert. Durch eigens auferlegte Regeln und einem Pyroverzicht seitens der Ultras zeigten sie, welchen Einfluss sie in den jeweiligen Kurven haben und mit welcher Ernsthaftigkeit sie dieses Thema angingen. Die Fans suchten das Gespräch mit dem DFB, um eine Verbesserung für beide Seiten zu erwirken: wir Fans würden uns nicht mehr im strafrechtlichen Raum bewegen und könnten so dieses Stilmittel legal und kontrolliert einsetzen und der DFB hätte ein Sicherheitsproblem weniger, da durch das Konzept der Schadensfall nahezu ausgeschlossen wäre.
Allerdings fanden die Gespräche vor kurzem ein jähes Ende. Der DFB teilte auf einer Pressekonferenz mit, dass das in Auftrag gegebene Rechtsgutachten es nicht zu lassen würde, Pyrotechnik durch die Fans im Stadion abbrennen zu lassen. Damit täuschte der DFB die öffentliche Wahrnehmung, da es unter gewissen Bedingungen, die auch in dem Rechtsgutachten aufgelistet sind, möglich ist. Dieses „rigorose nein“ war für viele Fans überraschend wie unverständlich. Damit beendete der DFB den Dialog abrupt und ohne ehrliche Erklärung.

Beim Kongress sollte dieses Thema wieder auf den Tisch und mit Gerald von Gorissen (Fanbeauftragter des DFB) stellte sich auch jemand, der bei den Gesprächen mit am Tisch saß. Lang dauerte es nicht und er wurde aufgrund der vielen Fragen die an seine Person gerichtet wurden, spontan aufs Podium gebeten. Ziemlich im Kreuzfeuer der Fragen räumte er „Kommunikationsfehler“ ein. Eine richtige Antwort, wie es weitergehen soll, hatte er aber auch nicht parat und wollte sich auch zu keiner Aussage hinsichtlich des weiteren Verlaufs der Legalisierung von Pyrotechnik hinreißen lassen. Er verwies immer wieder darauf, dass er bei besagter Entscheidung des Präsidiums nicht anwesend war und er selbst auch keine Möglichkeiten habe, irgendwelche Zusagen zu machen.

Für viele ist dieser Umgang mit allzeit gesprächsbereiten Fans nicht hinnehmbar, zumal es genug positive Beispiele wie dem Chemnitzer FC oder dem Halleschen FC gibt, bei denen legal gezündet wurde. Auch in Düsseldorf oder Braunschweig hält nur noch das Veto der Verbände die Vereine in der Umsetzung des Konzepts zurück.
Auch Rainer Mendel (Sicherheitsbeauftragter 1.FC Köln) kritisierte das Verhalten des DFB. So wurden die Vereinen überhaupt nicht über den aktuellen Stand der Gespräche informiert und erfuhren erst nach der Entscheidung des DFB, die Gespräche abzubrechen, dass diese eigentlich schon ziemlich weit vorangetrieben waren. Zudem käme hinzu, dass sich in solchen Situationen immer wieder Politiker einmischen würden, die von der Materie nur im geringsten etwas verstehen würden, aber die abstrusesten Ideen vorschlagen würden.

Gerald von Gorisson hatte auf die vielen Vorwürfe recht wenig zu erwidern und flüchtete sich oftmals in Ausreden und argumentierte mit seiner nicht entscheidungsfähigen Ranghöhe. Allerdings stellte auch er fest, dass mittlerweile sogar Tabus gebrochen werden, wie z.B. das Zünden bei einem Heimspiel (VfB Stuttgart) und er erwarte in diesem Jahr noch massiveren Einsatz von Pyrotechnik.
Er stellte fest, dass dies eine Spirale ist, die sich im Moment immer weiterdreht, bis es irgendwann eskalieren wird. Diese gilt es aufzuhalten. Stephan Shell sagte dazu, dass es in Zukunft die gesprächsbereiten und gemäßigteren Gruppen kaum noch Gehör beim Rest der Fanszene findet, wenn der DFB die Fans so hintergeht und auf stur schaltet.

Alles in allem eine ziemlich einseitige Gesprächsrunde, da die Pyro-Gegner bei dieser Debatte einfach keine Argumentationsgrundlage hatten und auch den anwesenden Presse-Vertretern einmal mehr vor Augen geführt wurde, wie die Gespräche abgelaufen sind und auf welcher Seite die Fehler gemacht wurden. Garantiert nicht von Seiten der Fans.

In der anschließenden Mittagspause diskutierte man bei einer wirklich leckeren Suppe noch lange weiter und vielen Stand die Unverständnis über die Entscheidungen des DFB ins Gesicht geschrieben. Allerdings machte die Diskussionsatmosphäre Lust auf mehr und die meisten merkten, dass man heute endlich mal medienwirksam seine Interessen, Vorschläge aber auch kritischen Ansichten vorbringen kann.

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