"Helden von einst" Teil VIII
Die Reihe "Helden von einst" führte diesmal einen Teil der Redaktion von Jawattdenn.de nach Paderborn, um den Publikumsliebling Erwin Koen über seine aktive Zeit bei RWE zu befragen und die jüngere Vergangenheit des Vereins wieder aufleben zu lassen. Dabei sprach Erwin über Aufstieg und Abstieg mit RWE sowie über seine Zeit in Aachen, die RWE-Fans und die Professionalisierung im Fußballgeschäft.
Jawattdenn.de:
Hallo Erwin! Wir haben mal Deine Karriere verfolgt.
Du kommst ja ursprünglich aus Holland, spielst
aber schon einige Jahre in Deutschland. Wie kam es
eigentlich dazu, dass Du nach Deutschland kamst?
Erwin Koen:
Das ist eine lange Geschichte (lacht). Es war so,
dass ich beim FC Groningen in der ersten holländischen
Liga gespielt habe, dann sind wir abgestiegen und
der neue Trainer hat mit mir nicht mehr geplant. Es
waren einige Vereine aus der zweiten holländischen
Liga an mir interessiert, die für mich aber nicht
interessant genug waren. Dann habe ich ein Angebot
aus Gütersloh bekommen und habe mir gedacht,
ich probiere etwas Neues aus. Und dann bin ich in
Deutschland geblieben.
Jawattdenn.de:
Du bist später von Göttingen aus nach Essen
gewechselt?
Erwin Koen:
Ja, richtig. Nach einem halben Jahr ging Gütersloh
Konkurs, und da stand ich als 21jähriger auf
der Straße. Dann rief mich der Trainer aus Göttingen
an, ob ich für ein halbes Jahr kommen würde.
In Göttingen kam RWE auf mich zu und später
bin ich an die Hafenstraße gewechselt.
Jawattdenn.de:
Du hast Dich bestimmt vor Deinem Wechsel mit RWE beschäftigt.
Hättest Du gedacht, dass ihr in Deiner ersten
Saison gegen den Abstieg spielt?
Erwin Koen:
Nein, das erste Jahr war eine Katastrophe. Da hat
man alles erlebt, was an einem Verein nicht so schön
sein kann. Es war eine ganz neue Mannschaft zusammen
gekauft worden, aber es hat nicht so gepasst, es war
eine Hierarchie innerhalb der Mannschaft, der Trainer
– es war nicht so schön im ersten Jahr.
Jawattdenn.de:
Es war auch das Jahr, wo Sascha Wolf in Braunschweig
das entscheidende Tor zum Klassenerhalt geschossen
hat und man noch um die Lizenz bangen musste. Das
war bestimmt ein schwieriges Jahr.
Erwin Koen:
Es war aber auch ein Knackpunkt für Rot-Weiss,
danach ging es wieder bergauf.
Jawattdenn.de:
In den fünf Jahren, in denen Du bei RWE warst,
welches Spiel ist Dir besonders in Erinnerung geblieben?
Erwin
Koen:
Vor zwei, drei Wochen habe ich mir alle Spiele der
Aufstiegssaison auf DVD noch einmal angeschaut. Das
Spiel gegen Wuppertal, ich glaube es endete 5:2, das
war ein geiles Spiel, auch von mir. Aber auch das
Pokalspiel gegen Leverkusen, das wir 0:1 verloren
haben. Das war auch ein schönes Erlebnis. Das
Wuppertalspiel war aber eines der besten Spiele, welches
ich je für RWE gemacht habe.
Jawattdenn.de:
Besonders an den Freistoß unter der Mauer hindurch
erinnern wir uns…
Erwin Koen:
Manchmal muss man halt was Überraschendes machen
(lacht).
Jawattdenn.de:
In der Saison nach dem Klassenerhalt wäre sogar
fast der Aufstieg drin gewesen. Was den Fans besonders
in Erinnerung geblieben ist war das Spiel gegen Fortuna
Köln, es endete 1:1. Michael Oelkuch schoss nach
einem Freistoß das Tor zum Ausgleich für
die Fortuna. Wie hat die Mannschaft diesen Rückschlag
aufgenommen?
Erwin Koen:
Das war natürlich scheiße. Es war ein Freistoß,
ich glaube, aus 35 Meter, der Ball war eigentlich
ganz einfach zu halten. Doch Christoph Müller
hält den Ball leider nicht. Da ist die Arbeit
eines ganzen Jahres kaputt, es zerplatzt ein Traum.
Und dann musst Du im nächsten Jahr wieder neu
anfangen. Und zum Glück haben wir da weiter gemacht.
Aber das ganze Jahr spielst Du um den Aufstieg mit
und dann kommt so ein Ball. So ist das leider im Fußball.
Ich kann mich auch erinnern, dass wir in diesem Jahr
in Uerdingen gespielt haben. Mein aktueller Mannschaftskollege
Stephan Maaß wollte damals den Ball hinein flanken
und trifft das Tor. Das waren wirklich Knackpunkte
in diesem Jahr, echt schade.
Jawattdenn.de:
Es war auch das Jahr, wo es im letzten Spiel der Saison
gegen Preußen Münster Ausschreitungen der
RWE-Fans gab. Wie hast Du diese Situation erlebt?
Erwin Koen:
Daran kann ich mich auch erinnern. Ich wurde in der
70. Minute ausgewechselt und nach dem Abpfiff war
ich so enttäuscht, dass ich direkt in die Kabine
gelaufen bin. Danach habe ich mit einigen Jungs ein
paar Tränen vergossen. Mein Schwiegervater saß
auf der Tribüne, er hat mir erst hinterher erzählt,
was dort abgegangen ist. Später haben wir die
Bilder gesehen und das war natürlich eine andere
Seite der RWE-Fans. Aber der Stadionsprecher von Münster
sagte, dass die Braunschweiger gewonnen hätten
und die Essener nach Hause fahren können, das
musste er auch nicht machen, er wollte damit provozieren.
Leider kommt in diesem Moment viel zusammen, die Enttäuschung,
wir hatten damals eine gute Mannschaft und es hat
trotzdem nicht gereicht.
Jawattdenn.de:
Du hast im darauf folgenden Jahr das Spiel gegen Osnabrück
mit gemacht. Es ist ja einmalig, dass man ein ausverkauftes
Saisonspiel an der Hafenstrasse erlebt, dass gab es
danach nur im diesjährigen Pokalspiel gegen Hamburg.
Wie ist Dein Verhältnis zu den RWE-Fans?
Erwin
Koen:
Es war einmalig für mich. Das kann man nicht
beschreiben, immer wenn ich den Ball hatte wurde mein
Name gerufen. Im ersten Jahr war das auch nicht so,
das habe ich mir auch erarbeitet. Irgendwann habe
ich mit Sascha Wolf vor dem Spiel gesprochen, er sagte
zu mir: „Erwin, wenn der Ball auf die Seite der
Stehtribüne kommt, machen wir zuerst ein Foul.
Wir grätschen einen um und tun so, als ob nichts
gewesen wäre. Dann hast Du sofort die Fans hinter
Dir und Du wirst gefeiert.“ Ihr müsst mal
drauf achten, wenn ihr die Spiele noch mal anseht,
in den ersten fünf Minuten waren es entweder
Sascha oder ich, die ein Foul begehen. Das war wirklich
so! Ihr wisst, wie die Rot-Weiss Fans sind, sie sind
mit Herz und Seele dabei. Es gab kaum Publikumslieblinge,
plötzlich war ich da und es hat mich immer gefreut.
Ich wurde zusätzlich dadurch gepuscht und gab
immer mehr. Es hat immer Spaß gemacht!
Jawattdenn.de:
Wir können uns auch kaum erinnern, dass ein ehemaliger
Spieler so gefeiert wurde als Du mit Paderborn an
die Hafenstraße kamst und es Applaus gab.
Erwin Koen:
Ja, das war auch ein Erlebnis. Viele haben geklatscht,
einige haben gepfiffen, aber das ist auch ganz normal.
Die Situation ist damals komisch gelaufen, aber der
Applaus hat mir gut getan. Das war echt klasse.
Jawattdenn.de:
Noch einmal zurück zur Saison 2003/04. Es war
die beste Saison von RWE in den letzten zehn Jahren
mit der meisten Euphorie und die niemand zuvor so
erlebt hat.
Erwin Koen:
In diesem Jahr kam alles zusammen, alles passte. Wir
brauchten gar nicht viel zu machen und wir haben immer
gewonnen. Oft gingen die Spiele nur mit 1:0 für
uns aus. Das war genauso wie in Aachen, irgendwann
hatte man das Gefühl: „Heute kann uns eh
nichts passieren!“. Das Jahr war für mich
traumhaft, die vielen Tore, die ich geschossen habe,
es war ein überragendes Jahr für mich.
Jawattdenn.de:
Der Saisonhöhepunkt war der Aufstieg mit einem
7:0 gegen die Schalker Amateure. Da war natürlich
die Euphorie groß.
Erwin Koen:
Und es gab sieben Torschützen, jeder wurde für
seine Arbeit in diesem Jahr belohnt. Es war perfekt.
Und dann waren 10.000 Essener im Wattenscheider Lohrheidestadion.
Das war auch geil, nach diesem Spiel musste ich aber
um mein Leben rennen (lacht). Aber es war schön,
so was muss man auch mal erleben!
Jawattdenn.de:
Die Zweitligasaison danach lief zunächst weniger
befriedigend für Dich.
Erwin Koen:
Zuerst habe ich auf der Bank gesessen. Ich war richtig
sauer. Irgendwann dachte ich, ich mache noch ein Tor,
biete mich für andere Vereine an und gehe dann
hier weg. Es gab schon ein oder zwei interessante
Angebote. Ich hatte das schon mit dem Verein besprochen,
und dann kam ein Freundschaftsspiel, ich glaube es
war gegen Kreta. Ich bin von der Bank gekommen und
die Fans haben meinen Namen gerufen, und in diesem
Moment habe ich gedacht, jetzt bleibe ich hier und
beiße mich durch. Dann habe ich im Training
zugelegt und es lief wieder.
Jawattdenn.de:
Aber die Gründe für Deine Nichtberücksichtigung
unter dem damaligen Trainer Gelsdorf weißt Du
nicht? Du hast in der Saison davor 18 Tore gemacht!
Erwin Koen:
Ich wusste es auch nicht. Vielleicht wegen der neuen
Jungs. Aber ich weiß es bis jetzt nicht, ich
habe ein paar Mal danach mit ihm gesprochen, aber
was da genau war kann ich immer noch nicht sagen.
So ist das mal im Fußball. Hier in Paderborn
habe ich die ersten neun Spiele auch auf der Bank
gesessen, aber dann musst Du Dich als Spieler fragen,
ob Du Dich durchbeißen willst oder nichts mehr
machst. Ich bin aber der Typ, der sich durchbeißt
und dann schaut, wie weit er kommt.
Jawattdenn.de:
Die Mannschaft damals galt als sehr zerstritten. Es
gab haarsträubende Pressemitteilungen, aber Gelsdorf
meinte, vieles davon wäre aufgebauscht worden.
Erwin Koen:
Was meint ihr genau?
Jawattdenn.de:
Zum Beispiel die Meldung aus dem Trainingslager, wo
Du mit Francis Kioyo aneinander geraten bist. Oder
der Streit zwischen Silvio Pätz und Sven Lintjens.
Oder die Auseinandersetzung zwischen Kioyo und Yildirim…
Erwin Koen:
Aber wisst ihr, was das Schöne ist? Wenn so was
auf dem Platz passiert, gibt man sich nachher die
Hand und die Sache ist vorbei. Aber die Presse bauscht
die Sache auf und für uns ist sie erledigt. Francis
hatte damals nachgetreten, ich bin auf ihn zugelaufen
und wir wurden auseinander gehalten. Die Presse riecht
so etwas und möchte eine schöne Geschichte
daraus machen. Sowas passiert täglich auf einem
Fußballplatz. Ihr habt es gesehen bei dem Vorfall
mit Bixente Lizarazu und Lothar Matthäus bei
Bayern München, zusammen sind sie aber unter
anderem deutscher Meister geworden. Das gehört
für mich zum Fußball dazu. Es darf nicht
zu oft passieren, denn dann leidet die Disziplin,
aber es kommt vor. Fußball ist ein Spiel mit
Körperkontakt, wenn man mal bei einer Aktion
zu spät kommt, passiert das halt. So schlimm
ist das aber auch nicht.
Jawattdenn.de:
In der Rückrunde wurde Dein Wechsel nach Aachen
vermeldet. Wie kam es dazu?
Erwin Koen:
Das ist eine gute Frage, denn endlich kann ich mal
die Sache klar stellen, und sagen, wie es wirklich
gelaufen ist. Kurz nach der Winterpause hatte ich
schon bei Aachen unterschrieben, ich wollte unbedingt
in der zweiten Liga spielen und Aachen war schon zwei
Jahre interessiert an mir. Ich hatte dabei ein gutes
Gefühl, denn ich wusste auch nicht, ob RWE in
der Liga bleibt oder nicht.
Dann hat der Verein mich angesprochen, man wolle unbedingt
mit mir verlängern. Da habe ich gesagt, es tut
mir leid, ich möchte nicht verlängern, da
ich schon woanders unterschrieben habe. Der Verein
meinte, da kann man leider nichts machen, aber ich
sollte nicht sagen, dass ich irgendwo unterschrieben
habe. Man habe zu viel Stress wegen dem Abstiegskampf
und wolle die Fans ruhig halten. Ich habe dann gesagt,
dass ich das mache, damit innerhalb des Vereins Ruhe
ist. Später haben wir gegen Aachen gespielt,
aber ich hatte einen Muskelfaserriss, das erste Mal
in meinem Leben. Es war wirklich so, der Doktor hatte
es auf dem Scan und mir gezeigt, und in der Presse
wurde auf mich eingeprügelt.
Die Bild-Zeitung schrieb, dass ich verletzt auf der
Tribüne sitze, weil Aachen noch Aufstiegschancen
hätte. Plötzlich wurde von Essener Seite
behauptet, dass es einfach nicht sein kann, dass ich
auf einmal nach Aachen wechsele. Alles wurde auf meinem
Rücken ausgetragen. Es sind unschöne Dinge
über mich gesagt worden. Das habe ich alles so
mitbekommen. Es war so schade, denn ich hatte schöne
Jahre in Essen, man hätte mich auch vernünftig
verabschieden können. Dann war es noch so, dass
wir das letzte Spiel gegen Unterhaching hatten und
man hat mir gesagt: „Erwin, komme bitte nicht
zum Stadion, es herrscht eine aggressive Stimmung
bei den Fans Dir gegenüber!“ Daran war aber
nicht ich Schuld, sondern der Verein, das hat mir
damals richtig weh getan!
Jawattdenn.de:
Eine Woche zuvor war aber noch das Spiel gegen Ahlen,
wo Du die gelb-rote Karte bekommen hast.
Erwin Koen:
Ja, das stimmt, das war der definitive Abstieg. Schön,
dass ihr euch daran erinnern könnt (lacht). Ich
war übermotiviert, das war wirklich scheiße,
aber damals wusste ich ja, wie die Situation war.
Ich war so erleichtert, dass ich das Tor gemacht habe,
ich wollte unbedingt zeigen, dass ich ein Rot-Weißer
bin, und das bin ich immer noch! Das ist mein Verein,
ich bin auch später oft zu den Spielen gegangen,
und durch mein Tor in Ahlen hätten wir die Klasse
noch halten können. Ich wollte es dem Verein
zeigen, trotzdem bin ich ruhig geblieben. Aber mein
Name wurde dadurch in den Dreck gezogen, auch bei
den Fans. Das tat mir weh und es tat mir leid, dass
wir abgestiegen sind, aber es war sportlich für
mich besser, nach Aachen zu gehen, und dann sind wir
ja auch in die erste Liga aufgestiegen. Eigentlich
habe ich alles richtig gemacht.
Jawattdenn.de:
Würdest Du also im Nachhinein sagen, der Wechsel
nach Aachen hätte sich gelohnt?
Erwin Koen:
Ja, klar! Ich habe in Aachen nicht so oft gespielt,
es waren nur wenige Einsätze, aber ich habe so
viel gelernt, es waren tolle Fußballer um mich
herum, Willi Landgraf, Eric Meyer und die anderen
Jungs. Nichts gegen Essen, aber in Aachen ist alles
ein Schritt professioneller, alles läuft geregelt,
und als Person wurde ich dort erwachsener. Das hat
sich für mich sehr gelohnt.
Jawattdenn.de:
Und die Fans sind ähnlich euphorisch wie in Essen.
Erwin
Koen:
Genau, aber es gibt Unterschiede zwischen Aachen und
Essen. Wenn Du in Essen schlecht spielst, kommen die
Pfiffe schneller als in Aachen. Aber ich finde es
schön in Essen, ich mag das. Denn wenn man etwas
schlecht macht, sollte es ruhig gesagt werden. Du
musst auch mal ausgebuht und ausgeschimpft werden,
wenn es schlecht läuft. Man muss dann denken:
„Hey, die beschimpfen mich, jetzt zeige ich mal,
wie es richtig geht!“ Das ist für mich auch
eine Art von Mentalität, aber viele können
damit nicht umgehen. Ich denke, dass ist auch dieses
Jahr ein Problem. Es gibt viele junge Spieler in der
aktuellen Mannschaft, dass ist nicht einfach für
die. Letztens habe ich zu Alex Löbe nach einem
schlechten Spiel gesagt, heute hätten wir mal
so im Georg-Melches-Stadion gespielt, dann wäre
aber was los. Das gehört zu diesem Verein dazu.
Jawattdenn.de:
In jeder Sommer- und Winterpause wurde unter den Fans
darauf spekuliert, dass Du möglicherweise aus
Aachen zurückkommst. Besonders im RWE-Forum war
das ein oft geäußerter Wunsch. Gab es irgendwann
einmal in dieser Zeit die Überlegung, besonders
in der letzten Aufstiegssaison der Essener, an die
Hafenstraße zu wechseln?
Erwin Koen:
Es ist nie zur Sprache gekommen, denn in Aachen durfte
ich nicht weg. Wir sind damals in die erste Liga aufgestiegen,
und dass war für mich eine Chance, Bundesligaluft
zu schnuppern. Aber ich musste feststellen, dass ich
nicht die Qualität habe, in der Bundesliga zu
spielen. Das weiß ich selber auch, trotzdem
war es für mich interessant. Ich war zwar immer
im Gespräch in Essen, aber eine konkrete Anfrage
gab es nicht. Und dann kam damals Paderborn auf mich
zu. Das war für mich auch ein guter Schritt,
denn viele Holländer waren hier und da habe ich
mich direkt hier wohl gefühlt.
Jawattdenn.de:
Gibt es denn noch ein paar Mannschaftskollegen aus
Deiner Zeit in Essen, mit denen Du in Kontakt stehst?
Erwin Koen:
Die Jungs spielen doch alle hier (lacht). Sven Lintjens,
klar, Philipp Haastrup, der spielt jetzt in Maastricht
in der zweiten holländischen Liga, mit dem Jürgen
Grundheber und der Frau Vogt von der Geschäftsstelle
habe ich noch Kontakt sowie Damian Jamro und Alex
Jacob, dem damaligen Stadionsprecher. Wir sind auch
zusammen mit den ehemaligen Physiotherapeuten, den
Zetzmännern, in den Skiurlaub gefahren. Letztens
habe ich Ali Bilgin getroffen, der hat alles richtig
gemacht. Und Marco Kück, aber der bereist ja
die ganze Welt, der spielt jetzt in Australien, war
aber schon in Vietnam, China, usw. Mit ihm habe ich
aber nur Kontakt, wenn er gerade im Internet ist und
wir uns schreiben. Aber ich hatte so viel Mannschaftskollegen
bei Rot-Weiss, teilweise hat ja die ganze Mannschaft
durchgewechselt.
Jawattdenn.de:
Du bist mit 29 Jahren im besten Fußballeralter.
Im Moment käme für Dich wahrscheinlich kein
Wechsel nach RWE in Frage, aber könntest Du Dir
noch einmal vorstellen, irgendwann mal bei Rot-Weiss
die Karriere ausklingen zu lassen?
Erwin
Koen:
Auf jeden Fall. In der Winterpause hat RWE hier angefragt,
aber leider durfte ich nicht gehen. Jetzt wollte ich
vielleicht im Sommer nach Essen zurückgehen,
aber nicht in der vierten Liga. Ich hatte das alles
schon geplant, mit meiner Frau wollte ich in Holland
ein Haus kaufen, immer nach Essen zum Training fahren,
aber leider schaffen sie es nicht. Sonst wäre
Erwin Koen nächstes Jahr bestimmt wieder in Essen
gewesen. Aber vielleicht passiert das noch ein anderes
Mal.
Jawattdenn.de:
Also besteht weiterhin ein guter Kontakt zum Verein?
Erwin Koen:
Ja, ich war diese Saison sechsmal da. In den ersten
beiden Jahren war ich nicht so oft da, aber in diesem
Jahr schon. Ich wollte alte Freunde besuchen, und
es macht immer Spaß, auf der Tribüne zu
sitzen, alle klatschen und rufen Deinen Namen, dass
ist ein tolles Gefühl.
Jawattdenn.de:
Eine Frage zu Deiner Spielweise. Als Fan der gegnerischen
Mannschaft bist Du ein sehr unangenehmer Spielertyp.
Du provozierst auch schon einmal eine rote Karte.
Hast Du es gerne, so wie beispielsweise Oliver Kahn,
dass eine komplette Tribüne Dir Hass entgegenbringt?
Erwin Koen:
Das Schönste ist doch, wenn Du auswärts
spielst und alle sind gegen Dich. Warum pfeifen die
Dich aus? Weil Sie Dich entweder nicht mögen
oder die haben Angst vor Dir, weil Du Qualität
besitzt. Wenn Du sie soweit kriegst, dass sie Angst
vor Dir haben, dann ist das doch super! Dann pfeifen
die und Du machst noch ein Tor, dann sind sie so was
von ruhig. Provozieren kann man schon, aber man muss
auch wissen, wann es gut ist. Die letzten Jahre bin
ich auch etwas ruhiger geworden. Es passiert bei mir
nicht mehr so oft. Aber das gehört zum Fußball,
das ist das Emotionale, man muss alles tun, um zu
gewinnen. Hinterher spricht keiner mehr davon, ob
Du eine rote Karte hast, sondern dass die Punkte auf
Deinem Konto sind. Alles andere interessiert mich
nicht, neunzig Minuten lang gebe ich Gas ohne Ende.
Viele Leute aus meiner Familie und aus meinem Freundeskreis
sagen, Du bist so ein ruhiger Junge, aber auf dem
Platz, da kenne ich Dich gar nicht mehr! So ist das
aber, irgendwo wird auf dem Platz der Knopf gedrückt
und Gas gegeben.
Jawattdenn.de:
Auch wenn es noch sehr weit weg ist, aber hast Du
Dir schon einmal überlegt, was Du nach Deiner
Karriere machen willst?
Erwin
Koen:
Nächstes Jahr kann ich meine C- und B-Trainerlizenz
machen, ich wollte eigentlich ein Drei-Jahres-Vertrag
bei RWE unterschreiben und dann schauen, was ich danach
im Verein machen kann. Das wäre für mich
optimal gewesen, und deshalb ist es schade, dass sie
es nicht schaffen. Aber man weiß nicht, was
die Zukunft bringt. Ich will noch mindestens fünf
Jahre in der zweiten oder dritten Liga Fußball
spielen, und dann schaue ich mal, was dann noch kommt.
Ich würde gerne was im Jugendbereich machen.
Vielleicht eine holländische Schule, eine deutsche
Schule, ein wenig durcheinander mischen, das wäre
keine schlechte Sache. Aber noch möchte ich ein
bisschen Fußball spielen.
Jawattdenn.de:
Wie Du sagtest, verfolgst Du die aktuelle Situation
bei RWE. Kannst Du Dir erklären, warum die Mannschaft
so durchgereicht wird?
Erwin Koen:
Ich weiß es auch nicht genau, ich habe ein paar
Spiele gesehen, immer wenn ich im Stadion war, haben
sie gewonnen, vielleicht sollte ich öfter kommen
(lacht). Es ist eine sehr junge Mannschaft, sie wirkt
etwas unkontrolliert, nicht gestanden und unsicher,
gerade wenn die Fans anfangen zu pfeifen. Wenn man
bei Rot-Weiss spielt muss man das abschalten können.
Es waren aber auch viele Spieler verletzt, Guie-Mien,
Kurth, Stefan Lorenz, Haeldermans, das sind alles
wichtige Spieler, die alle in der zweiten Liga schon
gespielt haben. Dasselbe ist bei uns in Paderborn
passiert, in der Hinrunde wurden gleich alle fünf
Stürmer operiert. Alle fallen sechs Monate aus
und Du kannst niemanden mehr nachkaufen, weil der
Transfermarkt zu ist. Dann läufst Du mit Alex
Löbe auf, der eigentlich schon mit den Fußballspielen
aufgehört hat. Der macht seinen Job zwar ordentlich,
aber optimal ist das auch nicht. Zudem hat RWE einen
Kader von rund 14 guten Fußballern und vier
weniger guten Fußballern zusammengestellt. Man
kann auch einen Kader von 22 weniger guten Spielern
zusammenkaufen, aber RWE hat sich anders entschieden
und hat zwar die A-Jugend oder die zweite Mannschaft,
wenn Du aber viele Verletzte hast wird es schwer.
Jawattdenn.de:
Meinst Du, der Verein kann diesen wahrscheinlichen
Abstieg kompensieren und noch einmal nach oben kommen?
Erwin
Koen:
Der Verein hat doch Thomas Strunz geholt. Das ist
doch ein Zeichen, dass weiter gemacht wird. Ich hoffe,
dass die Sponsoren in der vierten Liga da bleiben,
aber es ist eine Scheißliga, mit so viel Amateurvereinen,
es wird nicht einfach werden. Da muss man das Geld
richtig investieren, um wieder in die dritte Liga
zu kommen. Aber es ist natürlich die Frage, ob
das die Sponsoren mitmachen. Aber ich hoffe es, auch
für meine Zukunft (lacht).
Jawattdenn.de:
Abschließend fragen wir alle interviewten Ex-Spieler
nach dem neuen Stadion. Diese Diskussion war ja auch
zu Deiner Zeit aktuell. Glaubst Du, dass das neue
Stadion noch kommen wird?
Erwin Koen:
Ich habe keine Hoffnung mehr (lacht). Ganz ehrlich,
wo ich meinen Vertrag 2001 in Essen unterschrieben
habe, hat Nico Schäfer mich in seinem Büro
mitgenommen und mir die Pläne vom neuen Stadion
gezeigt. Im Aufstiegsjahr 2003/04 haben wir einen
ganzen Abend im Hotel mit der Mannschaft und dem Vorstand
gesessen und da wurde gesagt, wenn ihr aufsteigt,
dann wird es ein neues Stadion geben. Wir sind aufgestiegen,
es kam immer noch nix. Ich habe kein Vertrauen mehr
da drin. Die Stadt braucht es eigentlich auch, aber
für die vierte Liga braucht keiner ein Stadion.
Das ist das Problem.
Jawattdenn.de:
Aber da sind wir wieder beim Thema Professionalisierung.
Du hast selber angesprochen, dass in Aachen professioneller
als in Essen gearbeitet wird. Auch Paderborn bekommt
ein neues Stadion. Aber warum funktioniert das in
Essen nicht?
Erwin Koen:
Bei einem Stadion bist Du abhängig von der Stadt.
Da kannst Du noch so tolle Leute im Vorstand haben
wie Rolf Hempelmann, aber wenn eine Stadt nicht mitwirkt,
hast Du keine Chance! In Paderborn steht das neue
Stadion schon drei Jahre, lange Zeit nur ein paar
Pfeiler, jetzt ist es endlich komplett fertig, und
dass nur wegen der Stadt. Das hat den Verein zwei
Jahre gekostet. Für eine Weiterentwicklung eines
Vereins braucht man ein neues Stadion. Wie ich hörte,
ist in Essen endlich ein zweiter Trainingsplatz gekommen.
Das braucht man alles, um professioneller zu arbeiten.
In Aachen hat man neuen Kunstrasen, Trainingsplätze,
Ausweichplätze, im Stadion ist alles abgeschirmt,
alles organisierter, da arbeiten 23 oder 24 Leute
auf der Geschäftsstelle, woanders hast Du vielleicht
nur acht Leute sitzen. In Aachen ist einer nur für
Marketing, einer nur für die Fans und einer nur
für die Sicherheit zuständig. Aachen ist
in allem ein paar Jahre voraus, so wie es in Essen
eigentlich sein sollte, aber die Voraussetzungen mit
dem alten Stadion und den Trainingsplätzen sind
schlechter. Man kommt keinen Schritt weiter, in Paderborn
ist es genau das Gleiche. Wir trainieren im Stadtzentrum
von Paderborn auf einem knüppelharten Platz,
das geht einfach nicht, wenn Du in der zweiten Liga
spielst. Der Ball springt dort immer nur hoch,
wie soll man da ein vernünftiges Passspiel einüben?
Das sind die kleinen Dinge, woran man erkennt, ob
ein Verein weiter ist oder nicht. Viele kleine Sachen
werden hinterher zu einer einzigen großen Sache.
Kaum ein anderer Verein hat so ein Umfeld wie Essen.
Es sind Leute da, die Industrie, die Geschäfte
– Ich verstehe es nicht, warum die das nicht
auf die Reihe kriegen. Man muss doch einfach mal ein
paar Sponsoren zusammensuchen und sagen: „Kommt
Jungs, es geht zwar runter, aber lasst uns weiter
machen und wir schauen mal, wo es endet.“ Das
ist aber nur meine Meinung als Außenstehender.
Ich habe das Gefühl, dass es nicht gemacht wird,
dass zu viele Leute da etwas zu sagen haben möchten.
Ich wünsche dem Verein mehr Leute wie Manni Sander,
der ist mit ganzem Herzen RWE-Fan. Solche Leute sind
für mich wichtiger als manche Kerle im Anzug.
Diese Leute lieben den Verein und sollten weiter an
ihm gebunden werden!
Jawattdenn.de:
Vielen Dank für das Gespräch, Erwin!
Das Interview führte Hendrik
Stürznickel und Pascal
Druschke
Quelle Bilder: Michael Gohl - www.sport-in-essen.de