Jawattdenn.de: Wie läuft ein Spieltag aus Sicht der Polizei ab?
SKB: Der Spieltag beginnt für uns schon ca. 4 Wochen vor dem
eigentlichen Spiel. Man nimmt Kontakt zu dem Gastverein auf. Man schaut,
was der Gastverein an Informationen hergeben kann: wie reisen Sie an,
wie viele Fans werden erwartet? Aus den Informationen baut man den
Einsatz auf. Wir selbst als SKB´s haben nicht die Aufgabe den Einsatz zu
planen oder zu organisieren, wir besorgen die Informationen dazu und
dies dient als Grundgerüst für einen Einsatz.
Daraus wird zudem
bewertet, wie das Spiel eingeschätzt wird. Wie sind die Fans zueinander
eingestimmt? Die Planungsgrundlage geht dann zur Führungsstelle und dort
wird der Einsatz geplant – sprich wie viel Personal wird benötigt,
werden Fremdkräfte benötigt (Bereitschaftspolizei, Hundeführer)? Dann
wird die Sicherheitsbesprechung durchgeführt. Diese wird vom Heimverein
(bei Risikospielen verpflichtend) geführt. Dieser lädt den Gastverein,
die Polizei und die Feuerwehr ein. Dann werden die wichtigsten Dinge in
Zusammenarbeit mit der Polizei besprochen (wird die Nord für die Gäste
geöffnet etc). Bei der Sicherheitsbesprechung werden zudem verschiedene
Szenarien durchgesprochen. Wie reagieren Fans, wenn was passiert, wird
es ein friedliches Spiel usw. Damit weiß jeder, was zu tun ist und alle
Seiten sind auf dem selben Stand. Gut hat man das ja beim Spiel in
Siegen gesehen, wo der Inhalt der Sicherheitsbesprechung komplett nach
außen getragen wurde.
Jawattdenn.de: Stichwort Siegen, wie war der Ablauf aus eurer Sicht?
SKB: Der persönliche und Gesamteindruck ist der, dass es OK war. Die
Anreise war unproblematisch, das System mit den Bussen war gut geplant,
was bei Spielen dieser Größenordnung auch nicht immer leicht ist. Nur
der Einlass war am Anfang etwas unkoordiniert. Der Platzsturm selbst
wurde genauso wie die Pyrotechnik erwartet. Die meisten Anhänger sind
direkt zur Mannschaft gerannt; was wir in der Größenordnung aber nicht
erwartet hatten, war die Anzahl derjeniger, die - anstatt zur Mannschaft
- zum Heimbereich gerannt sind. Aber es hat sich alles im Rahmen
gehalten. Was nicht ganz so in Ordnung war: die Sicherheitsbesprechung,
bei der die Essener quasi dazu eingeladen wurden, den Platz zu stürmen.
Jawattdenn.de: Wie habt ihr denn die restlichen Auswärtsspiele gesehen?
Beispiel Schermbeck, wo die Fans die Seite gewechselt hatten, um auf den
überdachten Teil der Tribüne zu gelangen...
SKB: Zu diesem Zeitpunkt waren wir noch am Bahnhof in Dorsten, um die
restlichen Fans zu empfangen. Wir selbst haben dies per Funk erfahren.
Grundsätzlich spricht auch nichts gegen eine solche Aktion, aber da es
unvorbereitet und nicht abgesprochen war, hat sich die Situation etwas
chaotisch dargestellt. Die Größte „Angst“, die sich dargestellt hatte,
war, dass sich die Situation, also der Wechsel der Spielfeldseite,
nicht zu Spielbeginn beruhigt und das der Schiedsrichter darauf
aufmerksam wird und natürlich keine Fans auf dem Spielfeld duldet.
Wenn wir nun beim Thema Tribüne sind: in Speldorf ist der
Tribünenbereich rund um die Sprecherkabine abgenommen und freigegeben.
Die Platzzahl ist auf 400 begrenzt. Es ist eine uralte Tribüne aus Holz,
die aus brandrechtlicher und baurechtlicher Sicht nur so freigegeben
ist. Wir hätten keine Probleme damit gehabt, die Fans dort stehen zu
lassen, aber sie durften aus behördlicher Sicht nicht. In Wegberg-Beeck
war der Bauzaun keine optimale Lösung, wurde aber vom Verband auch für
diese Saison für zwei Spiele akzeptiert. Eigentlich wäre der Bauzaun
nicht nötig gewesen, wir haben ja solche Spiele auch an Banden ohne Zaun
gespielt. In Homberg wurde überlegt Bauzäune aufzustellen, hier konnten
wir aber drauf einwirken, dass dies nicht geschieht, da diese nicht
nötig sind. Und wenn die Probleme und Fragen am Spieltag auftauchen sind
sowohl wir als auch der Sicherheitsbeauftragte von Rot-Weiss vor Ort
und ansprechbar. Sowieso müssen wir hier die gute Zusammenarbeit
zwischen Oliver Tangermann und uns hervorheben. Er ist sicherlich einer
wichtigsten Ansprechpartner am Spieltag wenn es um sicherheitsrelevante
Dinge geht.
Jawattdenn.de: Zwischen den Zeilen gelesen ist die Saison aus polizeilicher Sicht also sehr erfreulich verlaufen...
SKB: Ja absolut, wir gehen auch zu Sicherheitsbesprechungen bei
Auswärtsspielen und gerade für die gastgebenden Vereine in der NRW-Liga
bedeutet das Rot-Weiss-Spiel "Großkampftag". Teilweise hat man sogar
Anflüge von Panik: „Oh Gott, die bösen Essener kommen, die legen unser
Dorf in Schutt und Asche und wir müssen es neu aufbauen!" Zudem hat die
Polizei von kleineren Städten nicht die Erfahrung mit solchen
Veranstaltungen – speziell im Bereich Fußball. Dadurch reagieren diese
sensibler als größere Städte. Fußballfans seien ja laut, trinken Alkohol
und pöbeln. Das heißt aber nicht sofort, dass diese auch randalieren.
Die Vorurteile aus dem Weg zu räumen war in dieser Saison schwieriger
als in anderen Jahren. Wir hatten nach den ersten Spielen auch immer
drauf hingewiesen, dass Essener Gastspiele ordentlich verlaufen sind,
wenn die Anhänger sich eingeladen und gut behandelt fühlten. Wenn man
sie allerdings einsperrt oder versucht, sie in ihrer Bewegungsfreiheit
einzuschränken, dann reagieren sie manchmal anders. Wir können jeden Fan
verstehen, der nach einer langen Zugfahrt auf Toilette gehen möchte,
wenn man aus dem Zug aussteigt. Das wird jedoch meistens unterbunden, um
die Leute nicht wild durch den Bahnhof laufen zu lassen. Es ist kein
schönes Gefühl, aber es lässt sich halt nicht immer vermeiden. Die
Erfahrungen der Leute sind dementsprechend so, wenn die sehen, dass
Rot-Weiss kommt. Wir haben aber diese Saison gezeigt, dass es auch
anders geht. Von daher absolut eine positive Saison. Bleibt zu hoffen,
dass es so weiter geht.
Jawattdenn.de: Habt ihr spezielle Ansprechpartner in der Fanszene?
SKB: Wir haben mit den „normalen“ Fans so gut wie keinen Kontakt. Man
kennt sie vom Sehen aber sonst nicht viel. Der harte Kern ist durchaus
bekannt und wir sind bei den Fans ja auch bekannt. Man kann diese Fans
auch zuordnen und wir sind auch bemüht, stets ansprechbar zu sein, falls
es Probleme gibt. Beispiel Siegen: als Pyrotechnik am Bahnhof gezündet
wurde, hat die Bundespolizei 2-3 Leute herausgezogen. Anschließend haben
wir versucht, die Situation aufzuklären. Wir versuchen dann auf die
Fangruppe einzuwirken, in solchen Momenten hört die Gruppe dann auch
durchaus auf uns. Man muss allerdings auch betonen: wenn Maßnahmen von
der Bundespolizei oder Hundertschaft laufen, dann haben wir keinen
Spielraum. Wir können vermitteln und beraten, da der Fan uns mehr
vertraut ist als der anderen Seite. Bei der größten Gruppierung, den
Ultras, sind wir auf einem guten Weg. Wir glauben die Abneigung uns
gegenüber existiert nicht mehr komplett. Dadurch das diese und auch
schon die letzte Saison sehr friedlich war, gab es nur wenige „negative“
Berührungspunkte. Es gab vor der Oberligasaison Gespräche mit
Vertretern der Ultras Essen, speziell ging es dabei um die Touren über
die „Dörfer“. Im Großen und Ganzen kann man schon sagen, dass wir in den
Gruppen Ansprechpartner haben. Wir sprechen die Gruppen auch an, um
Informationen loszuwerden, sprich Zugverbindungen, Marschrouten,
Zugbegleitung usw.
Jawattdenn.de: Wie nah darf man den Fans denn sein?
SKB: Man hat als Polizist automatisch eine Gewisse Distanz zu den Fans.
Wir versuchen ehrlich und offen zu sein und das Handeln der
Einsatzleitung bei gewissen Dingen zu erklären. Natürlich darf man auch
Fan sein, aber die Distanz muss bestehen. Es geht hier auch um
strafrechtlich relevante Dinge, die wir ahnden müssen, wenn etwas
vorfällt, in solchen Fällen muss das eigene Fansein hinten anstehen.
Jawattdenn.de: Wie wird man SKB?
SKB: Es ist festgelegt worden, dass alle Vereine der ersten und zweiten
Liga SKB vorweisen müssen. Daraufhin hat man intern zwei Stellen
geschaffen, unsere Vorgänger haben dies in den vergangenen Jahren
gemacht. Durch den Zusammenschluss mit Mülheim sind zwei neue SKB
dazugekommen. Die beiden aus Mülheim sind aber dann anderen Aufgaben
nachgegangen, wodurch wir beide an die Stelle gekommen sind. Später
wurden zwei Stellen gestrichen und die beiden verbleibenden besetzen wir
jetzt. Theoretisch kann sich jeder Polizeibeamte auf die Stelle
bewerben. Dann geht es den üblichen Weg mit Auswahlverfahren etc.
Jawattdenn.de: Wie wird die Zuschauerzahl geschätzt?
SKB: Erfahrung, Vorverkauf und diverse Medien. Man erkennt die Tendenzen anhand
der Interessen der Partie selbst und aus Gesprächen unter der Woche.
Beim zweiten Spiel gegen Speldorf hat man über das Internet schon die
Tendenz erkannt, dass nicht viel los sein wird.
Jawattdenn.de: Wie beliebt ist RWE eigentlich als Einsatzstelle? Wir
haben gehört, dass in den Ausbildungsvideos auch RWE-Spiele gezeigt
werden. Schreckt so was eher ab?
SKB: Für uns selbst es die falsche Frage, da wir ja gerne nach Rot-Weiss
gehen, wie viele andere Polizeibeamte in Essen auch. Aber ja, in einem
Video werden auch RWE-Szenen gezeigt. Es sind aber ältere Spiele wie
gegen Hannover oder Demonstrationen wie in Gorleben, Heiligendamm etc.
Das Video ist dafür gedacht aufzuzeigen, was im Extremfall passieren
kann. Wenn man solche Szenen noch nie gesehen oder mitgemacht hat und
plötzlich mitten drin steht, dann ist man natürlich erst mal beeindruckt
und man weiß nicht genau, wie man damit umzugehen hat. Und da die
Essener Hundertschaft bei Spielen von Rot-Weiss häufiger eingesetzt
wird, sind es eben Szenen von Essener Spielen. In anderen Städten werden
es andere Szenen sein, die gezeigt werden. Abschrecken soll das Video
aber nicht.
Jawattdenn.de: Wie ist denn die Zusammenarbeit an Spieltagen mit der Einsatzhundertschaft?
SKB: Die Hundertschaft wird im Stadionumfeld, am Bahnhof oder im Stadion
selbst eingesetzt. Eine direkte Zusammenarbeit besteht nicht. Wir
liefern im Vorfeld und während des Spieles die Informationen und haben
daher schon regen Kontakt. Hier sind auch kurze Wege wichtig und von
Vorteil, damit keine Fehlkommunikation entsteht.
Jawattdenn.de: In Deutschland ist vor kurzem die Kampagne „Pyrotechnik
legalisieren – Emotionen respektieren“ gestartet worden. Wäre es nicht
sinnvoll Pyrotechnik aus dem Sicherheitsaspekt teilweise zu
legalisieren?
SKB: Da gibt es natürlich zwei Seiten, zum Einen die rechtliche und zum
Anderen die emotionale. Die rechtliche Seite ist eindeutig: Das
Abbrennen von Bengalos ist nur zu technischen Zwecken erlaubt und nicht
im Stadion. Das wird man nicht durchkriegen. Emotional betrachtet sieht
es schon schön aus. Wenn es in einem gewissen Rahmen, wie in Österreich,
geschieht, also in einem abgetrennten Bereich, kontrolliert und von
einzelnen Menschen durchgeführt, dann ist das gut und auch vorstellbar.
Bei der Initiative muss man abwarten, wie sie sich entwickelt. Verstehen
können wir das Anliegen durchaus. Wenn die Bengalos kontrolliert
gezündet würden, würde sich ein Verletzungsrisiko vermindern. Das
Problem ist ja, dass Bengalos aus Angst vor der Identifizierung und der
dann folgenden Anzeige und dem Stadionverbot auf den Boden geschmissen
werden und es dann zu Verletzungen kommen kann. Auch hier bleiben wir
aber im Bereich einer Straftat und müssten als Polizisten eingreifen.
Jawattdenn.de: Vielen Dank für das ausführliche Interview.
Das Interview führten Hendrik Stürznickel und Marcel Rotzoll vor dem Spiel gegen Alemania Aachen U23