Interview mit Andreas Winkler

veröffentlicht am 05.01.2010 um 11:45 Uhr

Jawattdenn.de sprach diesmal mit dem ehemaligen RWE-Spieler und jetzigen Jugendkoordinator Andreas Winkler über den Umzug der Jugend zur Seumannstraße, die Erfolge des Nachwuchses in dieser und den vergangenen Saisons und die derzeitige Stimmung an der Hafenstraße.



Jawattdenn.de:
Vielen Dank, dass Sie sich Zeit für uns genommen haben, Herr Winkler. Welche Bereiche decken Sie als Jugendkoordinator von Rot-Weiss Essen ab?

Andreas Winkler:
Letztendlich decke ich alles in diesem Bereich ab. Als ich hier 2003 angefangen habe, war ich zunächst Assistent der sportlichen Leitung. Nico Schäfer fragte mich damals, ob ich ein wenig Ordnung in die Jugendabteilung bringen könne. Der Fokus im Verein richtete sich nicht auf die Jugendabteilung. Zudem hatte der damalige Jugendleiter kurz zuvor den Verein verlassen und ich musste diese Aufgabe zunächst alleine bewältigen. Mein Aufgabengebiet reichte von Pass-An- und Abmeldungen und die Spielplanorganisation über Trainerfortbildungen und Gesprächen mit Spielern und Eltern bis zum Aufstellen eines neuen Jugendkonzeptes für RWE. Im letzten Jahr holte ich den Jugendobmann Harald Bründermann hinzu, der mich bezüglich der Organisation des Spielplans und der Belegung der Sportplätze entlastet. Jedes Wochenende muss man Schiedsrichter einladen und Spielverlegungen organisieren. Mittlerweile gibt es auch eine Scoutingabteilung, bei jedem Spiel der B-Juniorenregionalliga oder C-Juniorenregionalliga muss man mit einem Laptop und einem Drucker da sein, um die Spielberichte direkt online zu stellen. Da bin ich sehr froh, dass ich trotz fehlender Leute den Harald Bründermann habe, der mich wirklich tatkräftig unterstützt. Wir haben unsere Arbeit intern aufgeteilt. Er kümmert sich verstärkt um die F-Junioren bis zur U14, während ich die Mannschaften von der U15 bis zur A-Jugend betreue. Diese Arbeit geht aber ineinander über, wir besprechen alle wichtigen Sachen gemeinsam.


Jawattdenn.de:
Wie würde ein normaler Arbeitsalltag für Sie ablaufen?

Andreas Winkler:
Den gibt es so nicht! „Normalität“ und „Alltag“ gibt es im Fußball ganz selten. Im Zuge der modernen Kommunikation ist mein Büro dort, wo mein Laptop gerade ist. Ich empfange da alle meine Emails für Rot-Weiss. Selbst in meinem Auto habe ich die Möglichkeit, schnell meinen Laptop aufzubauen und zu arbeiten. Wir sind ja mittlerweile an die Seumannstraße umgezogen. Wir haben also nicht einmal einen festen Standpunkt zurzeit. Die Jugendtrainer sind alle an der Seumannstraße, dort haben wir in einem Aufenthaltsraum auch ein kleines Büro eingerichtet. Der Alltag beginnt bei uns jeden Tag um 16 Uhr, da zu diesem Zeitpunkt meine Trainer an der Seumannstraße auftauchen. Falls nicht irgendwelche auswärtigen Spiele stattfinden, die ich mir anschauen muss, bin ich bis ca. 20 Uhr dort zu finden. Ansonsten habe ich flexible Arbeitszeiten, mit denen ich gut leben kann. Dies alles ist aber davon abhängig, wie weit die Saison fortgeschritten ist. Zu Beginn einer Saison stehen die Mannschaften, am Saisonende muss man die neuen Mannschaften planen, Gespräche mit den Spielern führen und neue Verträge aushandeln. Am Ende der Vorrunde müssen wir schon mit den Trainern sprechen, ob sie in der nächsten Saison weiterarbeiten können. Alltag wäre in diesem Geschäft sogar schädlich, weil man so in der Entwicklung stehen bleiben würde und wir wollen uns alle fortentwickeln.


Jawattdenn.de:
Wie läuft die Zusammenarbeit mit den Trainern der Jugendmannschaften ab?

Andreas Winkler:
Die Stärke unserer Jugendarbeit sind weniger die äußeren Bedingungen. Die sind anderswo kaum schlechter. Mit dem Umzug an die Seumannstraße haben wir aber eine Verbesserung hinsichtlich der Kabinen bekommen. An der Hafenstraße kam aus den Duschen der Container nicht einmal warmes Wasser heraus. Außerdem waren die Kabinen winzig, sodass es unglaublich scheint, dass sich dort eine Bundesligamannschaft mit 20 Spielern umgezogen hat. Es gab sogar Beschwerden des Deutschen Fußballbundes. In diesem Punkt haben wir uns also schon verbessert, unser „Pfand“ war und ist allerdings unsere Teamarbeit. Teamarbeit unter den Trainern schreibe ich sehr groß und die Trainer schätzen den Zusammenhalt sehr. Die Netzwerke der Trainer ergänzen sich sehr gut. Bei der Spielersuche beispielsweise schaut ein D-Jugendtrainer bei seinen Beobachtungen auch mal ein C-Jugendspiel an und hilft so mit, eine andere Altersklasse im Verein zu verstärken. Unsere Trainerfortbildungen werden vom Verband sehr gelobt und uns wird bestätigt, dass unsere Trainer auf einem hohen Niveau arbeiten. Bei unseren alljährlichen Treffen auf dem Weihnachtsmarkt waren alle Trainer einschließlich der Co-Trainer bis auf Klaus Berge anwesend. Auch wenn einige Trainer terminliche Schwierigkeiten hatten, haben sie bei diesem Treffen wenigstens kurz hineingeschaut.


Jawattdenn.de:
Wie sind die aktuellen Trainingsbedingungen an der Seumannstraße?

Andreas Winkler:
Wir haben dort zwei Ascheplätze, die zwar in einem guten Zustand sind, aber wir hoffen alle auf einen Kunstrasenplatz. Nachbarvereine, die in der Kreisliga A spielen, haben schon einen. Dies möchte ich nicht abwertend verstanden wissen, diese Möglichkeit soll für alle bestehen, die gerne Fußball spielen. Aber dies fehlt definitiv an der Seumannstraße, der Rasenplatz dort ist ab Oktober kaum bespielbar. Die Flutlichtanlage dort bräuchten wir gar nicht, da wir den Platz eh in diesen Monaten nicht nutzen könnten. Die Kabinen sind zahlreich und in einem guten Zustand, leider gibt es für die Eltern der Spieler keinen Kiosk oder Aufenthaltsraum. Fast jeder Verein hat eine kleine Vereinskneipe, die ist an der Seumannstraße nicht vorhanden. Diese Bedingungen sind für die Jugendabteilung des größten Vereins in Essen nicht würdig.


Jawattdenn.de:
Gibt es bezüglich des Kunstrasenplatzes Zusagen von der Stadt Essen?

Andreas Winkler:
Ja, es sollten zwei Kunstrasenplätze an der Seumannstraße entstehen. Wir glauben es dann, wenn es soweit ist. Ich hoffe einfach, dass die Stadt erkennt, dass sie uns fördern muss und wir alles dafür getan haben, trotz schlechter Bedingungen gute Arbeit zu leisten. Wir kriegen ständig zu hören, dass wir ja die Rasenplätze zur Verfügung hätten. Diese Rasenplätze bekommen wir aber nur, weil unsere Mannschaften in den dementsprechenden Ligen spielen. In den letzten Jahren ist in dieser Hinsicht herzlich wenig passiert.


Jawattdenn.de:
Wir gehen einmal über zur B-Jugend. Trotz dieser Bedingungen spielt die Mannschaft in der Bundesliga eine überragende Saison. Wie kann man die Spieler der B-Jugend im Verein halten, da die A-Jugend den Aufstieg in die Bundesliga wohl verpassen wird?

Andreas Winkler:
Die interessantesten bzw. stärksten Spieler für die anderen Vereine sind für uns kaum zu halten. Weil wir kein Leistungszentrum sind, dürfen wir sie auch nicht vertraglich binden. Den einen oder anderen Spieler können wir dennoch versuchen zu halten, allerdings nur für ein Jahr. Wir können ihnen die Perspektive bieten, nächstes Jahr in der Niederrheinliga zu spielen und durch einen Aufstieg in der kommenden Saison die A-Jugend-Bundesliga zu erreichen. Es ist aber sehr schwierig, viele Berater und Vereine sind hinter unseren jungen Talenten her. Teilweise wollen sie die Spieler schon in der Winterpause wegkaufen. Dann müssen die Vereine allerdings Geld für sie bezahlen, da die Spieler für einen Wechsel eine Freigabe brauchen.


Jawattdenn.de:
Gibt es noch weitere Auswirkungen des Abstiegs der A-Junioren aus der Bundesliga für den gesamten Verein?

Andreas Winkler:
Wenn die A-Jugend nicht in der höchsten Liga spielt, wird es schwierig, geeignete Spieler für die erste und zweite Mannschaft zu gewinnen. Vor zwei Jahren waren elf Spieler in dem Kader der U23, die in der A-Jugend von RWE gespielt haben. Viele dieser Spieler entwickeln sich später zu Stammkräften wie beispielsweise Robin Himmelmann. Andere wie Serkan Calik oder Baris Özbek werden verkauft. Um diese Toptalente zu haben ist es schon wichtig, in der höchsten Spielklasse zu spielen, aber es geht auch anders. Manchmal entwickeln sich die Talente erst mit 18 oder 19 Jahren. Bestes Beispiel ist Fortuna Düsseldorf. Die haben mit ihrer A-Jugend im letzten Jahr auch nicht in der höchsten Liga gespielt und zwei bzw. drei Spieler haben den Sprung in den Profikader geschafft. Es ist schwierig, man muss aber trotzdem gute Jugendarbeit leisten, auch wenn die Mannschaften zurzeit nicht in den höchsten Spielklassen spielen. Dies wirft in schlechten Zeiten des Gesamtvereins auch ein gutes Licht auf uns.

Der FC St. Pauli ist mit der A- und B-Jugend aus der Bundesliga abgestiegen, der FSV Mainz 05 mit der B-Jugend. Der FC Nürnberg ist erst jetzt wieder mit der A-Jugend aufgestiegen, vor drei Jahren hat es einmal den MSV Duisburg erwischt, auch Alemannia Aachen ist einmal abgestiegen. Wir müssen einfach mit mehr Respekt auf diese Liga schauen. Dies hat der Gesamtverein nicht getan. Es galt als selbstverständlich, dass eine A-Jugend von RWE in der höchsten Liga spielt.


Jawattdenn.de:
Gibt es denn Spieler in der jetzigen A-Jugend von Rot-Weiss, die sich erst noch entwickeln und doch den Sprung den Kader der ersten oder zweiten Mannschaft schaffen könnten?

Andreas Winkler:
Ja, ich sehe durchaus das Potential bei dem einen oder anderen Spieler, diesen Sprung zu schaffen.


Jawattdenn.de:
Wie kam es zur Entlassung von Klaus Berge?

Andreas Winkler:

Keine gute sportliche Entwicklung des Teams und der einzelnen Spieler haben die Sportliche Leitung der Jugendabteilung in Abstimmung mit dem Vorstand diese Maßnahme treffen lassen.


Jawattdenn.de:

Wer übernimmt das Training fortan?

Andreas Winkler:

Das Trainerteam Jürgen Lucas und Marc Roch übernimmt die Mannschaft.


Jawattdenn.de:
In wieweit hat sich die Arbeit mit jungen Spielern im Vergleich zu ihrer eigenen Zeit als Jugendspieler verändert?

Andreas Winkler:
Die Arbeit hat sich extrem verändert. Jugendarbeit ist immer noch innovativer als die Arbeit mit Senioren. Im Seniorenbereich wird der Fokus auf das Ergebnis gelegt, dort fragt man seltener nach dem Werdegang oder der Ausbildung eines Spielers. Wir schauen schon öfter über den Zaun und können so innovative Trainingsarbeit anbieten. Da müssen wir uns auch nicht für unsere Arbeit rechtfertigen. Als beispielsweise Jürgen Klinsmann neue Trainingsmethoden beim Deutschen Fußballbund salonfähig gemacht hat, waren diese in der Jugendarbeit schon jahrelang etabliert. Solchen Trainingsmethoden waren z. B. in der Leichtathletik üblich. Im Nachhinein würde ich mir wünschen, ich hätte so eine gute Ausbildung genossen. Ich habe bei einem sehr kleinen Verein bis zu meinem 19. Lebensjahr gespielt. Davor hätte ich noch sehr viel lernen können, da hat sich einiges in den letzten Jahren getan.


Jawattdenn.de:
Der Gesamtverein Rot-Weiss Essen orientiert sich bei der Jugendarbeit nicht an der Viertklassigkeit, in der man sich zurzeit befindet. Wie weit ist RWE im Bereich der Jugendarbeit von Vereinen wie FC Schalke 04 oder Borussia Dortmund entfernt?

Andreas Winkler:
Unsere C-Jugend und die U 16 spielen in der höchsten Spielklasse. Der Fokus auf die U17 oder U19 allein täuscht. Die U12, die im Reviercup gegen die großen Mannschaften spielt, ist auf dem zweiten Tabellenplatz. In Mönchengladbach haben wir 3:0 gewonnen. Wir haben nicht nur eine sehr gute B-Jugend und eine gute A-Jugend, sondern wir sind auch bei den jüngeren Mannschaften sehr gut aufgestellt. Qualitativ sind wir nicht weit weg von den großen Vereinen, allerdings wird der Trainingsbetrieb durch die schlechten Bedingungen eingeschränkt. Der Polizeisportverein Essen, den wir von der Seumannstraße verdrängt haben, hat bei uns angefragt, ob er nicht doch eine Trainingszeit von uns bekommen könnte. Das ging nicht, da alle Plätze belegt sind.

Die Vertreter des Vereins haben dies nicht geglaubt und haben sich unser Training einmal angeschaut. Sie dachten, dass wir nur zehn Mannschaften haben und sie dagegen zwölf. Allerdings trainieren die mit einer dritten Mannschaft in der E-Jugend, in der sechs oder sieben Spieler zum Training erscheinen. Unsere Trainingsbeteiligung liegt bei 95 Prozent und unsere Spieler trainieren drei- bis viermal die Woche. Bei zwei Ascheplätzen müssen manchmal sieben Mannschaften zeitgleich trainieren.

Wir haben darüber hinaus keine Halle, wo wir Lichtschranken haben um kurze Sprints zu trainieren. Wir haben auch keine Physiotherapeuten oder Koordinationstrainer, die individuelles Training mit den Spielern durchführen. Ich biete zwar jeden Montag ein Fördertraining an, aber ich kann nicht sämtliche Mannschaften abdecken. Es gibt auch keinen Fahrdienst, der die Jungs zu den Trainingsorten fahren kann. Auch gibt es keine Kooperation mit Schulen, wo die Spieler noch zusätzlich trainieren könnten. Von daher unterscheiden wir uns schon von den großen Vereinen. Bei den Inhalten unserer Arbeit sind wir aber nicht schlechter als sie. Ich hoffe sogar, dass wir uns von ihnen unterscheiden.

Unsere Jungs sollen wissen, dass unsere Trainer nach einer 3:4-Niederlage von uns nicht kritisiert werden, nur weil die Mannschaft zu offensiven Fußball geboten hat oder zu viele Fehler in der Defensive gemacht wurden. Der Ausbildungsgedanke steht bei uns ganz weit oben. Die Leistungszentren beispielsweise geben dies an, aber halten sich oft nicht daran. Sobald die Mannschaften aus Dortmund, Leverkusen oder Schalke gegen Rot-Weiss zurückliegen ändern die ihr komplettes System. Es wird dann voll auf Sieg gespielt.


Jawattdenn.de:
Wenn Sie sagen, man sei froh, dass man sich in Essen von anderen Vereinen unterscheidet, sollte man lieber ein eigenes Modell in Essen verfolgen oder sollte man sich an Modellen anderer Vereinen orientieren?

Andreas Winkler:
Nein, man braucht sich nicht an Modellen anderer Vereine zu orientieren. Wir haben in der Nachbarschaft so viele Vereine, die mehr mit der Strahlkraft der ersten Mannschaft die Spieler locken als mit ihrer Qualität. Von daher müssen wir uns sogar von diesen Vereinen unterscheiden.


Jawattdenn.de:
Noch einmal zurück zu den Bedingungen. Was passiert, wenn z. B. die Aschenplätze gesperrt sind. Gibt es da keine anderen Möglichkeiten des Trainings für die jungen Spieler?

Andreas Winkler:
Nein, da ist gar nichts zu machen. In der Abstiegssaison der A-Jugend konnte ich in der sechswöchigen Winterpause mit den Jungs zweimal auf einem halben Ascheplatz trainieren. Wir sind dann verstärkt gelaufen oder haben uns für viel Geld eine Soccerhalle für 24 Spieler mieten müssen. Die anderen Mannschaften in der Liga konnten in diesen sechs Wochen natürlich ganz normal trainieren.


Jawattdenn.de:
Gab es keine Möglichkeit von Seiten der Stadt Essen, eine Halle trotz Belegung durch andere Sportarten wie Handball, Basketball oder Volleyball zu bekommen, um wenigstens individuelles Training durchzuführen?

Andreas Winkler:
Diese Möglichkeiten nutzen ja einer A-Jugend nichts. Bis zur D-Jugend wäre dies nur eine denkbare Alternative. Ich denke da eher an die Halle auf dem Gelände von Schalke 04, die so groß wie ein halbes Fußballfeld ist.


Jawattdenn.de:
Aus einem früheren Interview mit dem damaligen sportlichen Leiter Olaf Janssen haben wir erfahren, dass es zu seiner Zeit einen sehr großen Austausch zwischen Senioren- und Jugendteams gab. Existiert dieser immer noch?

Andreas Winkler:
Nein. Es ist aber ein Muss. Ich unterhalte mich zwar mit Uwe Erkenbrecher und Ralf Aussem, aber regelmäßige Treffen wie in der Jugendabteilung finden nicht statt. Allerdings treffe ich mich regelmäßig mit dem Trainer der U23, Waldemar Wrobel, da wir auf derselben Anlage trainieren. Wir sprechen jede Woche einmal miteinander.


Jawattdenn.de:
Haben Sie in ihrer Laufbahn als aktiver Spieler einen Verein bezüglich der Nachwuchsarbeit in besonderer Erinnerung?

Andreas Winkler:
Während meiner Profizeit habe ich nicht auf die Jugend meiner damaligen Vereine geschaut. Vor einer Vereinsfeier bei Hannover 96 hat einmal die B-Jugend gespielt, da spielte Gerald Asamoah mit. Ich kannte ihn vorher nicht, aber natürlich ist er mir damals schon aufgefallen, was allerdings nicht so schwer war. (lacht) Dies war der einzige Eindruck einer Jugendarbeit im Verein, auch als ich für RWE gespielt habe war das so.


Jawattdenn.de:
Was halten Sie eigentlich von den so genannten Fußballinternaten, die mittlerweile ein Sinnbild für professionelle Jugendarbeit bei einigen Vereinen geworden ist?

Andreas Winkler:
Diese Internate sind ein Aushängeschild für manche Vereine geworden, allerdings kehren viele Vereine den Weg wieder um. Sie merken, dass die jungen Fußballer ein wenig „verrohen“. Ich kann mich erinnern dass es schon während meiner Zeit beim FC Bayern München ein Jugendinternat gab, mit den Jungs habe ich zusammengespielt. Die haben in der Nähe des Stadions oder der Trainingsplätze gewohnt. Für diese Spieler gab es nur Fußball, über den gesamten Tag ist denen nicht wirklich etwas Sinnvolles eingefallen. Es gab zwar eine Herbergsmutter, aber was haben die 16-Jährigen den ganzen Tag über schon gemacht? Schalke 04 hatte ein Internat, aber die gehen auch wieder einen anderen Weg.

Bayer 04 Leverkusen geht lieber den Weg über Gasteltern, um den Jungs ein möglich natürliches Umfeld zu bieten. Der Weg über die Gasteltern ist in meinen Augen der beste. Eine Alternative wäre ein Wohnkomplex mit anderen Sportarten wie der Leichtathletik. Die SG Wattenscheid 09 oder der VFL Bochum regeln das über den Olympiastützpunkt, wo auch Tennisspieler oder Ruderer zu finden sind. Sicherlich gehören auch Mädchen dazu. Es ist auch für einen Verein schwierig, eine Nachmittagsbetreuung oder einen Unterricht mit Lehrern selbst zu organisieren.

Deshalb würde ich Kooperationen mit anderen Einrichtungen wie Schulen bevorzugen. Für eine Entwicklung einer Persönlichkeit kann es nicht nur Fußball im Leben geben. Die Jugendlichen müssen mehr kennen lernen als nur das Internat. Die können mit 16 oder 17 auch noch nicht alleine leben. Viele Talente sind in diesen Internaten gescheitert. Es gibt allerdings auch Gegenbeispiele wie Markus Marin von Borussia Mönchengladbach. Der war aber schon in der A-Jugend, als er in dieses Internat kam. Mönchengladbach betreibt weiterhin das Internat, was ja auch in Ordnung ist, aber es tauchen immer wieder Probleme auf.


Jawattdenn.de:
Der Punkt „Persönlichkeitsbildung“ gehört ja bestimmt in der heutigen Zeit bei der Ausbildung von jungen Fußballern fest dazu.

Andreas Winkler:
Genau, und deshalb halte ich von den Internaten nicht ganz so viel. Aber es wäre trotzdem ganz schön, auch hier mal ein paar Zimmer zu haben. Dies muss man ja nicht gleich Internat nennen, sondern wäre für die Spieler vorbehalten, die von weit außerhalb nach Essen kommen bis man eine dauerhafte Lösung für eine Bleibe gefunden hat.


Jawattdenn.de:
Bestimmt schauen Sie sich auch Spiele der ersten Mannschaft an. Von 2000 bis 2002 waren Sie selbst für Rot-Weiss Essen in der Regionalliga Nord aktiv. Können Sie uns sagen, wie sich die Atmosphäre an der Hafenstraße seitdem verändert hat?

Andreas Winkler:
Ich kann mich an einige Spiele erinnern, wo wir 89 Minuten ausgepfiffen wurden und wir nach einem Treffer in der 90. Minute gefeiert wurden. Das war also immer schon so. (lacht) Die Stimmung hat sich nach diesen vier Jahren mit den zwei Abstiegen und der anschließenden Viertklassigkeit schon verändert. Mich erschreckt manchmal, wie leise die Fans geworden sind. Diese Resignation habe ich zu meiner Zeit hier nie gespürt. Es war immer Leben in der Bude. Ich war in den Jahren da, in denen wir fast aus der Regionalliga abgestiegen wären. Da war hier immer was los, auch wenn die Stimmung oft negativ war. Wenn wir gewonnen haben schlug diese Stimmung aber oft ins Positive um. Im Spiel gegen Eintracht Braunschweig im Jahre 2001 hätte es uns ja auch beinahe erwischt. Doch mittlerweile befindet sich der Verein in einer Grauzone, ich kann kaum glauben, dass wir gegen Mannschaften wie Fortuna Düsseldorf II spielen müssen. Das ist sehr ernüchternd, und so ist auch die Stimmung im Stadion. Das kannte ich aus meiner Zeit nicht.


Jawattdenn.de:
Würden Sie sich zutrauen, später Trainer einer Seniorenmannschaft zu werden oder würden Sie lieber im Juniorenbereich bleiben?

Andreas Winkler:
Ganz ehrlich, wer eine A-Juniorenbundesligamannschaft trainiert hat, auch wenn diese vielleicht nicht erfolgreich war, lernt dort viel mehr als anderswo. Ich musste mich dort sehr oft selbst reflektieren. In der Juniorenbundesliga habe ich mit sehr vielen talentierten Spielern zusammen gearbeitet. Zudem ist das Tempo dort höher als in vielen Seniorenligen wie den derzeitigen Regionalligen. Dies liegt auch daran, dass nicht nur die Ergebnisse zählen und die Jungs einfach befreiter spielen können. Im letzten Jahr waren die Laktatwerte der A-Junioren besser als die der ersten und zweiten Mannschaft. Die jungen Burschen sind richtig fit. Deshalb traue ich es mir schon zu, einmal eine Seniorenmannschaft zu übernehmen. Aber darauf lege ich zurzeit nicht mein Augenmerk.

Die Arbeit als Jugendkoordinator macht mir Spaß und ich würde erst bei einem entsprechenden Angebot anfangen darüber nachzudenken. Ich würde mich aber bei so einem Angebot nicht fragen, ob ich es mir zutrauen würde. Das steht für mich außer Frage. Ich weiß aus Erfahrung, dass viele Jugendtrainer, die irgendwann eine Seniorenmannschaft übernehmen, überrascht sind, wie wenig die jetzige Generation der Ende Zwanzig-/Anfang Dreißigjährigen über Trainingsmethoden wissen. Unsere Jugendspieler haben mehr an die Hand bekommen als mancher Profi, der schon fünfzehn Jahre kickt. Bestes Beispiel hierfür ist die Arbeit von Thomas Tuchel beim FSV Mainz 05. Ich kenne ihn sehr gut, mit seiner Kompetenz kann er die Spieler der Profis richtig überzeugen. Wir haben im Winter noch mit unseren A-Jugendmannschaften gegeneinander gespielt. Und die Mainzer spielen ja zurzeit einen sehr guten Fußball.


Jawattdenn.de:
Vielen Dank für das Interview, Herr Winkler!


Das Interview führten Hendrik Stürznickel und Pascal Druschke.