Interview mit André Severin
Ende Juni findet im Essener Cinemaxx die alljährige Jahreshauptversammlung statt. Dort stehen in diesem Jahr die Wahlen des Aufsichtsrats an und es bewirbt sich ein Mann aus der Mitte der Fans: Andre Severin stand den Jawattdenn-Redakteuren Rede und Antwort über seine Pläne und dem Grund seiner Bewerbung.
Hallo Andre, stell dich doch mal bitte unseren
Lesern kurz vor.
"Hallo. Mein Name ist Andre Severin, ich bin
am 26.09.1975 hier in Essen geboren und habe nach
meiner Schullaufbahn eine Ausbildung zum Groß-
und Außenhandelskaufmann abgeschlossen und bin
nun als Dipl. Sozialarbeiter in der Drogenhilfe in
Mülheim tätig. Außerdem bin ich begeisterter
Fan von Rot-Weiss Essen und besuche seit weit über
20 Jahren die Spiele zu Hause an der Hafenstraße.
Seit ca. 15 Jahren fahre ich so oft es geht auch zu
den Auswärtsspielen und habe die Anfänge
der Ultragruppierung aktiv mitgestaltet."
Du wirst für einen Posten im Aufsichtsrat
kandidieren. Wie würdest du deine Ziele beschreiben?
"Ganz kurz Zusammengefasst könnte man mein
potenzielles Engagement im Aufsichtsrat als eine Art
"Sprachrohr" aller Fans bezeichnen. Es muss
jemanden aus dem Fanbereich geben, der von der Mehrheit
der Mitglieder gewählt wurde und dem zugehört
werden muss. Die Stimme eines
von Mitgliedern gewählten Vertreters aus dem
Fanbereich hat mehr Gewicht und wird ernst genommen.
Es gibt auch jetzt Möglichkeiten, sich zu bestimmen
fanrelevanten Themen zu äußern, aber meiner
Meinung nach sind bei wichtigen Themen die Fans außen
vor und werden zu oft vor vollendeten Tatsachen gestellt.
Meine Ziele beinhalten z. B., dass ich bei den weiteren
Planungen eines möglichen Stadionneubaus Mitspracherecht
besitze, dass ich die Wünsche und Sorgen der
Fans deutlich herantragen und zur Diskussion stellen
kann.
Ich möchte aber auch Ansprechpartner für
die im Verein eingebundenen Personen sein, Ansprechpartner
für das Präsidium und für den Aufsichtsrat,
wenn es um planerische und organisatorische Themen
geht, die unmittelbar die Fans betreffen und natürlich
auch ebenso Kontaktperson für die Ideen und Vorschläge
der Fans sein. Ich möchte außerdem als
großes Ziel die Vereinskultur von Rot-Weiss
Essen und die Mitgliedschaft stärken. Ich möchte
das Vereinsleben von RWE mitgestalten und möchte
im Sinne aller Mitglieder und Fans Einfluss auf die
Vereinspolitik nehmen."
Wie stellst du dir, vorausgesetzt du wirst gewählt,
die Arbeit konkret vor? Wie soll der Fan an dich herantreten,
um seine Anliegen zu äußern?
"Es ist geplant, die Homepage www.fanvertreter.de
weiterhin anzubieten, auch über die Wahl hinaus,
um dort per Mail oder per Kontaktformular die Möglichkeit
zu bieten, mir diese Anliegen zu äußern.
Auch würde ich regelmäßige Treffen
anbieten, um Themen zu besprechen, diese aber nicht
nur in Zeiten, wo es vielleicht sportlich schlecht
läuft. Klar ist, dass ich auch zu bekannten Gremien
wie dem Fanrat oder Personen wie Lothar Kontakt aufnehmen
würde. Und natürlich kann man mich auch
am Stadion jederzeit ansprechen."
Du sprichst den Fanrat an. Siehst du nicht auch
eine Möglichkeit, anstelle einer Aufsichtsratskandidatur
einen gestärkten, vom Verein 100%ig akzeptierten
Fanrat oder ein ähnliches Organ der Fans zu bilden?
"Man kann anhand der Vergangenheit erkennen,
dass ein Fanrat in der jetzigen Form nicht so funktioniert,
wie sich die Fans und der Verein vorgestellt haben.
Hart formuliert: Der Fanrat ist damals nach den Vorfällen
in Münster aus dem "Boden gestampft"
worden und auch ich war im ersten Jahr Mitglied dieses
Rates. Ich hatte nicht das Gefühl, dass dort
etwas Konstruktives zu Stande kommen könnte.
Auch hatte ich das Gefühl, dass wir damals von
Vereinsseite nicht 100%ig ernst genommen wurden. Durch
die Schnelle der Bildung wurde vielleicht nicht alles
genauestens überdacht und man war froh, dass
nach den Vorkommnissen in Münster schnell reagiert
wurde. Ich denke, dass das Wort des Fanrates nicht
das Gewicht hat, welches es haben sollte, um etwas
zu bewegen.
Deshalb sehe ich es als eine sehr gute Idee, etwas
Neues anzustoßen, einen neuen Weg einzuschlagen."
Weiß der Verein von deiner Absicht, für
den Aufsichtsrat zu kandidieren?
"Ja! Einmal wurde für die "Aktion"
per Transparent beim Heimspiel gegen Unterhaching
dafür geworben und auch auf der Geschäftsstelle
weiß man von meiner Planung."
Wie beurteilst du die Arbeit des aktuellen Aufsichtsrates?
"Die Arbeit des Präsidium bzw. des Aufsichtsrates
ist nicht so transparent, dass ich sie beurteilen
könnte. Es ist also nicht möglich zu sagen,
was richtig ist, was falsch ist. Das ist auch nicht
meine Intention. Ich möchte beratend und ergänzend
zur Seite stehen und auf bestimmte Themen aufmerksam
machen, den Aufsichtsrat für das Thema "Fans"
sensibilisieren. Es ist klar, dass ich nicht bei allen
Themen, die der Aufsichtsrat behandelt, eine ordentliche
bzw. professionelle Meinung dazu abgeben kann. Wie
schon zu Anfang gesagt. Es ist auch nicht Ziel, jemanden
aus dem aktuellen Aufsichtsrat zu verdrängen.
Vielmehr möchte ich eine Ergänzung des vorhandenen
Aufsichtsrates darstellen und zu bestimmten Themen
zur konstruktiven Arbeit beitragen."
Was entgegnest du Leuten, die behaupten, die Wahl
eines Fanvertreters in einen Aufsichtsrat zeuge von
Unprofessionalität eines Vereines?
"Warum soll es unprofessionell sein, sich mit
den Belangen und Themen der Fans konstruktiv auseinander
zu setzen? Auch andere Vereine in Deutschland besitzen
Vertreter der Fans in ihren Aufsichtsräten."
Oft wird in Klischees gedacht. Was würdest
du deinem Kritiker sagen, der dich vielleicht auf
die aktuelle Rolle als Ultra oder auf die Humba reduziert?
"Ganz klar ist, dass ich mich innerhalb des Stadions
bedachter verhalten würde. Allerdings wissen
auch die Sponsoren um die einmalige Atmosphäre
im Stadion und diese für sich zu nutzen. Ich
denke, ich habe gerade als einer, der mitten aus der
Fanszene kommt, sehr gute Einblicke in die Belange
der Fans und das ist genau das, was ich einbringen
würde."
Vielleicht noch konkreter gefragt. Welche Argumente
hast du gegen die These "Sprachrohr der Ultras"
zu werden?
"Ich
denke, dass gerade die organisierten Fans bereits
jetzt schon viele Möglichkeiten ausschöpfen,
um für "sich zu sprechen". Da ich länger
als 20 Jahre zu RWE gehe, kenne ich über die
Gruppierungen der Ultras hinaus viele Menschen. Ich
stand als kleiner Junge noch in der Westkurve, ich
kenne viele Fans der Haupt- und Nordtribüne,
mit denen ich mich oft treffe und austausche, seien
es verschiedene Fanclubs oder auch der nicht "organisierte"
Fan. Wichtig ist nicht der Fanclub.
Es geht uns allen um den kleinsten gemeinsamen Nenner
und der ist Rot-Weiss! Ich denke, dass ich in den
vergangenen Jahren viele Einblicke in die Gedanken
und Belangen der Fans gewinnen konnte."
Ein wichtiger Bewerbungsgrund scheint der Stadionneubau
zu sein. Mit 14.000 geplanten Stehplätzen scheint
der Verein doch ziemlich viel für die Fans zu
tun?
"14.000 Stehplätze ist für mich nicht
gleich bedeutend mit dem Status des "fanfreundlichsten
Stadions Deutschlands". Dazu gibt es noch eine
Menge weiteres zu beachten.
Wie gut ist die Anbindung der Fans an den Verein?
Wie viel Mitspracherecht gibt es in dieser Hinsicht?
Gibt es überhaupt ein Mitspracherecht? Können
Missstände aus Fansicht überhaupt vermieden
werden? Welche Bewegungsfreiheit würde es im
Stadion geben? Wie ist die Behandlung der Gästefans?
Wie soll eine reibungslose An- und Abreise gewährleistet
werden? Welche Vorkehrungen gibt es bei so genannten
Brisanzspielen? Wie wird in Zukunft mit Stadionverboten
umgegangen?
Gibt es andere Möglichkeiten, Alternativen, die
wirkungsvoller sind als Stadionverbote? Welche Möglichkeiten
hat der Verein, die Fans besser an den Verein zu binden?"
Um deine potenziell zukünftige Arbeit für
den Verein konkreter zu skizzieren: Vor einem Jahr
wurde die "Heimat" vieler RWE-Fans zu einem
Gästeblock umfunktioniert. Viele Fans waren damals
enttäuscht, auch weil sie sich danach "allein
gelassen" gefühlt haben. Was würdest
du verändern, damit auch solch schwierige Entscheidungen
bei den Fans akzeptiert werden?
"Ich denke, damals ist ziemlich viel schief gelaufen.
Es wurde eine Entscheidung getroffen. Im Prinzip standen
keine Alternativen zur Debatte. Es gab eine Anhörung,
weshalb so entschieden wurde und wie entschieden wurde.
Hier hätte der Verein die Fans viel eher in die
Planungen mit einbinden müssen. Die Zeit innerhalb
des Zeitrahmens bis zur Umsetzung des Sicherheitskonzeptes
hätte besser genutzt werden müssen. Dies
bedeutet sicherlich viel Arbeit, gerade in einer solch
schwierigen Debatte. Allerdings müssen die Fans
bei solchen Überlegungen vorab informiert werden.
Natürlich gibt es finanzielle Zwänge die
Kompromisse erfordern, dennoch muss eine gemeinsame
Entscheidung getroffen werden."
Zum Abschluss des Gespräches: Was uns alle
aktuell am meisten beschäftigt ist die Frage
nach dem Saisonabschluss! Wie siehst du die Chancen
auf den Klassenerhalt?
"Ich bin da bis vor dem Fürth-Spiel doch
sehr pessimistisch gewesen. Ich glaube erst an den
Klassenerhalt, wenn er geschafft ist, ähnlich
wie beim Stadionneubau!"
Vielen Dank für das Gespräch
Das Interview führten Thorsten
Pydde und Tim
Zähringer.